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Heddesheim, 24. November 2010. Bereits seit 12 Jahren veranstaltet das „Netzwerk Neue Medien Mannheim (NM)“ die sogenannte Kino-Präventionswoche. Ziel des Netzwerks ist es, Kinder, Eltern und Pädagogen Medienkompetenz zu vermittelt. Deshalb geht es jedes Jahr um ein bestimmtes Themenfeld, das Gefahren fĂĽr Jugendliche beinhaltet. In diesem Jahr befasst man sich mit der „Generation Facebook“.
Von Christian MĂĽhlbauer
Das Netzwerk Neue Medien Mannheim möchte über den Umgang mit sozialen Netzwerken aufklären. Was tun, wenn das eigene Kind immer mehr in eine digitale Welt abdriftet? Worauf sollten Eltern achten? Welche Gefahren drohen in Sozialen Netzwerken?

Der Kinosaal war nahezu vollständig gefüllt
Mehrere Mannheimer Schulklassen besuchen im Laufe dieser Woche das Cineplex-Kino. Die beiden Filme sollen die SchĂĽlerinnen und SchĂĽler fĂĽr die Gefahren von Cybermobbing und Sozialer Netzwerke sensibilisieren. Auf dem Programm stehen: „The Social Network“ und „Ben X“.
Fast alle SchĂĽlerinnen und SchĂĽler sind in „social networks“ aktiv.
„Seid ihr in sozialen Netzwerken aktiv?“, frage ich einige der SchĂĽler am Ende der Vorstellung. Im ersten Augenblick wirken manche ĂĽberrumpelt. Man tauscht blicke mit den Freunden aus, ehe zögerliche Antworten folgen. Unter den befragten SchĂĽlern antwortet die Mehrheit mit einem Ja.
Marvin (15) sagt, dass er bei „WKW“ sei (Wer-Kennt-Wen). „Sorgst du dich um deine Daten oder achtest du darauf, nichts „falsches“ zu veröffentlichen?“ Die Antwort kommt prompt: „Ich passe schon auf, was ich da schreibe und welche Bilder ich einstelle.“ Primär veröffentlicht er dort harmlose Sachen – sagt er: „Ich schreibe beispielsweise an die Pinnwand, wenn ich gerade ein Buch lese.“ Harmlose Sache? Naja, die Werbeindustrie könnte sich dafĂĽr interessieren.
Antonia (15), Schülerin einer Mannheimer Werkrealschule, ist gleich in mehreren Netzwerken vertreten. Facebook, SchülerVZ, Wer-Kennt-Wen. Die Namen der Netzwerke erfahre ich wie auf Kommando. Auch zwei Schülerinnen neben ihr erklären mir, dass sie in sozialen Netzwerken sind. Vor allem Facebook.
Interessant wird es, als ich sie nach ihren Eltern frage. Wissen die, wie „diese Sachen“ funktionieren? Antonia (15) und Klaudia (16) bejahen dies. Jaqueline (15) schĂĽttelt jedoch energisch den Kopf, andere ebenso. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass weniger als die Hälfte der Eltern wissen, was ihre Kinder im Internet so machen.
Medienkompetenz muss vermittelt werden
„Es geht nur gemeinsam mit Eltern und Lehrer“, erklärt mir Astrid Fleck, beim Polizeipräsidium Mannheim zuständig fĂĽr Präventionsarbeit, noch vor dem Film. Oftmals wĂĽrden die Kinder mehr ĂĽber Facebook und das Internet wissen als ihre Eltern. Eine Medienerziehung wird damit natĂĽrlich schwierig. Wie soll man Kinder im Umgang mit etwas vertraut machen, das man selbst kaum kennt?
Deshalb bietet man diese Kinopräventionswochen an. Eine dazugehörende Abendveranstaltung für Eltern am vergangenen Montag war restlos ausgebucht, sagt Frau Fleck. Ist das nicht eigentlich ein Zeichen dafür, dass sich Eltern sehr wohl für das interessieren, was ihre Kinder da so im Netz treiben? Das waren einige hundert Eltern, insgesamt werden 1.200 Schüler sich die Filme anschauen. 100 Prozent der Eltern wären 2.400 Menschen.
„The Social Network“ sowie „BenX“ – digitale Schicksale

Die Medienpädagogin und FSK-Prüferin Petra Schwarzweller führte die Diskussion
Der erste Film zeigt die GrĂĽndungsjahre des Sozialen Netzwerks „Facebook“. Der Student Mark Zuckerberg hat die Idee, auf einer Website Bilder von zwei Frauen zu vergleichen. Die Benutzer können wählen, welche davon attraktiver ist. Um genĂĽgend Bildmaterial zu erhalten, hackt er sich in die Datenbanken der Universitäts-Wohnheime. Dort kopiert er sämtliches Bildmaterial aus den JahrbĂĽcher.
Parallel veröffentlicht er auf seinem Blog wiederkehrend Beleidigungen an seine Ex-Freundin Erica Albright. Seine abwertendes Verhalten gegenüber Dritten wird zunehmend zum Problem und zieht sich durch den gesamten Film. Die Schlussszene zeigt ihn in einem Raum. Er schickt eine Freundschaftsanfrage an seine Ex-Freundin Erica Albright, die er öffentlich gedemütigt hat. Im Sekundentakt lädt er die Website neu, in der Hoffnung, dass Erica die Anfrage bestätigt.
Es ist die traurige Erfolgsgeschichte über den Gründer der zur Zeit erfolgreisten Community-Plattform der Welt, in der sich 500 Millionen Menschen in Freundesnetzwerken zusammenschließen, während er allein zurückbleibt.
Der zweite Film „BenX“ ist weitaus ernster und beinhaltet am Ende gar eine unerwartete Wendung. Es geht um den Jugendlichen Ben. Dieser leidet an dem Asperger-Syndrom. Eine Form des Autismus.
Infolge seiner Erkrankung wird er von seinen MitschĂĽlern immer wieder gemobbt, gedemĂĽtigt, geschlagen. Ein Videoclip davon wird online veröffentlicht. Ben plant ab diesem Augenblick seinen Selbstmord und flĂĽchtet sich derweil in die Welt des Computerspiels „Archlite“. Dort ist er mit der Spielerin „Scarlite“ befreundet.
Zwischen beiden kommt es beinahe zu einem Treffen, an dessen Ende sich Ben vor einen Zug werfen will. Scarlite kann ihn jedoch davon abhalten. Um weiteren Mobbing-Attacken zu entgehen, plant Ben nun gemeinsam mit Scarlite eine andere Version des „Endgames“. Das Ende soll hier nicht erzählt werden – der Film ist so spannend und gut, dass man sich ihn selbst anschauen sollte.
Eine irritierende Anschlussdiskussion
Am Ende beider Filme folgte eine kurze Diskussionsrunde mit der Medienpädagogin und FSK-Prüferin Petra Schwarzweller.
Insbesondere bei Ben X irritiert mich, dass während der Diskussionsrunde oftmals gelacht wird. AmĂĽsant war der Film nämlich keinesfalls. Vielmehr bedrĂĽckend und ernst. „Man ĂĽberzeichnet damit die eigene Unsicherheit. Sobald das im Klassenverbund, also in kleineren Gruppen gemacht wird, hört das auf“, erklärt mir Frau Schwarzweller später.
Es mangelt den Kindern von heute also nicht am EinfĂĽhlungsvermögen: „Es scheitert eher daran, dass man in der Gruppe „cool“ sein will.“ Gerade hier können Eltern viel erreichen – im Gespräch mit ihren Kindern.
Dass die Kinder und Jugendlichen von heute übrigens im realen Leben allzu freizügig mit persönlichen Daten wären, kann ich nicht feststellen. Alle befragten Schüler zögerten, ehe sie ihren Vornamen, Alter und Schulzugehörigkeit nannten.
Ich kann nur hoffen, dass sie sich diese Vorsicht im scheinbar anonymen Internet bewahren.
Anmerkung der Redaktion:
Christian MĂĽhlbauer absolviert ein redaktionelles Praktikum bei uns in der Zeit vom 22. November – 10. Dezember 2010. Herr MĂĽhlbauer studiert an der Fachhochschule Ansbach „Ressortjournalismus.“
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