
Joachim Gauck ist der 11. BundesprÀsident. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia
Rhein-Neckar, 18. MĂ€rz 2012. (red) Joachim Gauck (72) ist heute zum 11. BundesprĂ€sidenten der Bundesrepublik Deutschland gewĂ€hlt worden. 991 von knapp 1.200 Stimmen konnte er in der Bundesversammlung auf sich vereinigen und wurde damit ĂŒberzeugend als gemeinsamer Kandidat der groĂen Parteien ins Amt befördert. Der ostdeutsche Pfarrer vereint viele Hoffnung auf sich, das Lob ist groĂ, doch das kann sich Ă€ndern.
Von Hardy Prothmann
Was soll man ĂŒber einen schreiben, den man nicht kennt? Gar nichts? Oder das, was man zu wissen glaubt?
Wenn Sie heute oder morgen oder in den nĂ€chsten Tagen Artikel ĂŒber Joachim Gauck lesen – denken Sie an diese Fragen und fragen Sie sich, ob die, die etwas geschrieben haben, sich diese Fragen auch gestellt haben.
Die allermeisten Journalisten, die sich ĂŒber Joachim Gauck in der Vergangenheit ausgelassen haben, kennen ihn nicht persönlich. Das ist auch nicht unbedingt nötig, um sich eine Meinung zu bilden. Da geht es Journalisten wie anderen Menschen: Man sammelt Informationen, vergleicht sie, ordnet sie ein und irgendwann hat man irgendeine Meinung.
Viel Lob am Anfang
Aktuell wird sehr positiv ĂŒber den neuen BundesprĂ€sidenten geschrieben. Das ist auch vollkommen in Ordnung, denn Gauck hat auf den ersten Blick sehr viele Vorteile.
Er ist klug, ein brillanter Redner, vor allem parteilos. Er gilt als frei von Seilschaften und bisweilen als stur, was seine Meinungen angeht. Diese wirken manchmal ein wenig sonderbar, weil er beispielsweise als Beauftragter fĂŒr die Stasi-Unterlagen (Gauck-Behörde) ein VermĂ€chtnis der DDR-Diktatur aufbereitete, ĂŒber das MissetĂ€ter zu Fall kamen und Opfer EntschĂ€digungen einfordern konnten, andererseits aber auch Opfern ĂŒbers Maul fuhr.

Hardy Prothmann, verantwortlich fĂŒr dieses Blog, tritt fĂŒr subjektiv-objektiven Journalismus ein: Seine Meinung auf Basis von Fakten finden und Ă€uĂern.
Er hat irritiert, weil ihm jeder den aufrechten Demokraten abnimmt, er aber andererseits positive ĂuĂerungen zum Rechtspopulisten Sarrazin von sich gab.
Soviel steht fest: Gauck passt in keine Schublade und das ist gut so.
Die Kritik wird folgen
Gauck gilt vielen vor allem als HoffnungstrĂ€ger, die Deutschen nach ĂŒber zwanzig Jahren Einheit endlich zu einen. Er wird in Ost und West respektiert. Als Staatsoberhaupt bringt der 72-jĂ€hrige evangelische Pfarrer vor allem eines mit – eine souverĂ€ne Ausstrahlung.
Das kleine SkandĂ€lchen, dass er seit Jahren mit der 20 Jahre jĂŒngeren Journalistin Danila Schadt liiert – allerdings immer noch mit seiner Frau Gerhild, mit der er vier Kinder hat, verheiratet.
Im Jahre 2012 wird das zwar immer noch debattiert in der Ăffentlichkeit – aber es hindert Gott sei Dank nicht, trotzdem mit WĂŒrde und Respekt das oberste deutsche Amt auszuĂŒben.
Man darf gespannt sein, wann Gauck fĂŒr Ărger sorgen wird. Und das wird er – nicht beim Volk vermutlich, aber bei den Parteien. Denn Gauck wird so klug sein, sich ĂŒberwiegend auf seine reprĂ€sentativen Aufgaben zu konzentrieren und diese gut ausfĂŒllen. Er gilt als strukturierter Arbeiter. Aber er wird sicher immer dann, wenn er denkt, dass er sich Ă€uĂern muss, seine machtvollstes Instrument gebrauchen: das Wort. Und dieses beherrscht er wie nur wenige.
Gauck und Merkel
Gauck ist sicherlich nicht der Bundeskanzlerin Angela Merkel erste Mal – wie mögen beide christlich sein und beide aus dem Osten. Das ist aber schon ungefĂ€hr alles, was die beiden verbindet.
Gauck wird ein partei- und klĂŒngelfreier BundesprĂ€sident sein.
Meine groĂe Hoffnung ist – das er Zuversicht und dank seiner Rhetorik den Unterschied zwischen Kritik und Nörgelei klar macht. Denn das Nörgeln beherrschen die Deutschen – die Kritik und den Umgang damit oft nicht.

Der Aufrechte. Auf Joachim Gauck lasten viele Hoffnungen. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia
Weiter hoffe ich, dass Gauck nach auĂen unsere deutsche Demokratie sehr gut vertritt und nach innen klar macht, dass wir eines der glĂŒcklichsten LĂ€nder dieser Welt sein mĂŒssen, denn unsere Freiheit, unser Rechtssystem, unsere Wirtschaft, unsere Kultur und unsere Bildung funktioniert im Vergleich mit anderen LĂ€ndern sehr gut bis brillant. Das vergessen leider viele immer wieder.
Gauck ist dafĂŒr der richtige Mann. Beide Eltern waren in der NSDAP – wie viele. Der Vater in Kriegsgefangenschaft – wie viele. Gauck wuchs unter dem Regime der DDR auf – wie viele.
Und Gauck schÀtzt und liebt die Freiheit, die die Wiedervereinigung gebracht hat. Er weià auch, was das Gegenteil bedeutet.
Ganz sicher ist der Rostocker kein RevolutionĂ€r. Er ist nicht, anders als oft dargestellt, eine treibende revolutionĂ€re Kraft „Wir sind das Volk“ gewesen. Er kam spĂ€ter dazu, aber er war dann sicher eine wichtige Person.
Jetzt ist er der oberste Deutsche. Ein Aufrechter.
Hoffen wir, dass es ihm gelingt, diese Haltung zu wahren. Es wird genug geben, die ihm schwer machen werden.
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