Heddesheim/Viernheim/Rhein-Neckar, 19. Juli 2011. (red) Statt ihre institutionellen Möglichkeiten zu nutzen, schreiben GrĂŒne GemeinderĂ€te Leserbriefe an den Mannheimer Morgen. An die Zeitung, die die Pfenning-Ansiedlung durch unkritische und lĂŒckenhafte Berichterstattung mit befördert hat. Muss man das verstehen?
Von Hardy Prothmann
Um das Verhalten der Heddesheimer GrĂŒnen richtig einzuordnen, muss man sie genau betrachten. Es sind keine „Revoluzzer“, keine Spontis, keine „SystemverĂ€nderer“. Die Heddesheimer GrĂŒnen sind im Kern eher konservativ und traditionell eingestellt.
Dazu gehört, dass man sich eigentlich nach einer „guten Stimmung“ im Gemeinderat sehnt, seine Duz-Freundschaften pflegen kann und sich nicht zu sehr in eine exponierte Lage bringt.
„Trotz Bauchschmerzen“
Vor der Kommunalwahl 2009 haben die GrĂŒnen „trotz Bauchschmerzen“ der Pfenning-Ansiedlung zugestimmt. Sie haben ihre Möglichkeiten nicht genutzt, sondern sich ĂŒberrumpeln lassen. Vom Arbeitsplatzargument, der Gewerbesteuer und der „Schiene“ als vermeintlich „grĂŒner Industrieansiedlung“.
In allerletzter Sekunde haben sie damals einen Turn-Around geschafft und damit drei Sitze mehr im Gemeinderat gewonnen. Die ĂĆberraschung aus 2009 wiederholte sich 2011 bei der Landtagswahl. Im Land regiert mit einem Male GrĂŒn-Rot.
Auch in Heddesheim wĂ€re das „vorstellbar“, wenn die SPD mit den GrĂŒnen gemeinsame Sache machen wĂŒrde. Inklusive meiner Stimme könnte es hier eine Mehrheit von 12 Stimmen geben. Wie gesagt: „könnte“ – die systematische NĂ€he der meisten SPD-GemeinderĂ€te zum BĂŒrgermeister verhindert das. Teils wegen „Freundschaften“, teils wegen verwandtschaftlicher VerhĂ€ltnisse, so ist die Ehefrau des SPD-Sprechers JĂŒrgen Merx die SekretĂ€rin des BĂŒrgermeisters. Wer will da einen „kontroversen Kurs“ erwarten?
Die SPD richtet sich lieber als AnhĂ€ngsel von CDU, FDP und BĂŒrgermeister ein.
Und die GrĂŒnen fĂŒhlen sich nicht wirklich wohl in ihrer Rolle – sie können mit Sicherheit davon ausgehen, dass alle ihre AntrĂ€ge lange kein positives Gehör finden werden, denn der Stachel der Wahlniederlage bei den drei anderen Parteien sitzt und dass die GrĂŒnen mit dem Prothmann oft einer Meinung waren, disqualifiziert die GrĂŒnen in den Augen der anderen zusĂ€tzlich.
GrĂŒnes Dilemma
Die Leserbriefe von GĂŒnther Heinisch und Kurt Klemm belegen dieses Dilemma sehr deutlich: Man ruht sich darauf aus, dass es ist, wie es ist und „hat keine Probleme mit dem Stillstand“, so Heinisch.
Herr Klemm möchte erst „die ganze Wahrheit auf den Tisch“ und stellt sich vor, dass „der Gemeinderat jetzt alles tun sollte, um Schaden von der Gemeinde abzuwehren“.

Quelle: MM
Das eine ist eine Wegschau-Haltung, das andere eine Utopie. Herr Heinisch richtet sich wohlig darin ein, dass angeblich „nichts“ passiert, Herr Klemm hofft darauf, dass sich „der“ Gemeinderat damit befasst.
Wegschauen und utopische Vorstellungen haben aber mit den GrĂŒnen zusammen „Pfenning“ erst in Gang gesetzt.
Glauben die GrĂŒnen tatsĂ€chlich, dass sich „der“ Gemeinderat um weitere Details der „Pfenning“-Entwicklung kĂŒmmern wird? Wie „grĂŒnĂ€ugig“ kann man eigentlich sein?
Pfenning geht weiter – keine Sorge
TatsĂ€chlich wird „Pfenning“ – wer auch immer das ist – seinen Plan fortsetzen. Und je lĂ€nger „der“ Gemeinderat dies zulĂ€Ăt, je lĂ€nger der Gemeinderat nichts unternimmt, umso hĂ€rter und unverĂ€nderbarer werden die Fakten geschaffen werden. Haben die GrĂŒnen denn gar nichts gelernt?
Was soll man den Betonköpfen bei CDU, SPD und FDP vorwerfen, was nicht schon bekannt ist? Hier sind keine Initiativen zu erwarten, schon gar keine Kontrolle oder fĂŒr das Unternehmen „unangenehme Fragen“. Man wird weiter alles abnicken – angeblich zum Vorteil der Gemeinde.
Wenn die GrĂŒnen nichts unternehmen und ihre institutionellen Möglichkeiten nicht nutzen, muss ihre bisherige Haltung absolut in Frage gestellt werden. Eine „Sondersitzung“ des Gemeinderats ist da noch ein vergleichsweise mildes Mittel.
Wenn sie nichts unternehmen, haben sie ein bisschen „Opposition“ gespielt und sind nach kurzer Zeit eingebrochen – denn die Sehnsucht nach „Friede und Anerkennung im kommunalen Sandkasten“ scheint gröĂer als der Wille, sich nicht schon wieder ĂŒber den Tisch ziehen zu lassen.
TatsĂ€chlich kann man davon ausgehen, dass das so ist. Die GrĂŒnen werden mit groĂer Sicherheit „kein Fass“ aufmachen, sondern sich entgegen aller „Parteipolitik“ ohne BĂŒrgerbeteiligung und Transparenz in nicht-öffentlichen Sitzungen und Hintergrund-GesprĂ€chen nicht mehr aus der Deckung wagen. In der stillen Hoffnung, dass „Pfenning“ sich verhoben hat und sich das „Problem“ von selbst erledigt.
Die GrĂŒnen sind verantwortlich fĂŒr jede ihrer Unterlassungen.
Sollte dem nicht so sein, muss man sie voll verantwortlich fĂŒr jede aktive Unterlassung machen.
Zur Erinnerung: „Pfenning“ – was auch immer das ist – ist ein „Mega-Projekt“. Die Fragen zu ArbeitsplĂ€tzen, Gewerbesteuer, Verkehr, Gefahrstoffen sind neu aufgeworfen worden. Die Devise, „Wir warten jetzt mal ab“, ist eine passive Haltung, eine, die dem Ort bis heute nur negative Folgen beschert hat. Durch teure Gutachten, Anwaltskosten, IFOK-Blabla und so weiter bis hin zur Spaltung der Ortsgemeinschaft. Man kann da gerne auf den BĂŒrgermeister zeigen oder andere – damit zielt man auf die richtigen, aber die GrĂŒnen sind mit in diesem Boot, wenn sie es unterlassen zu handeln.
Und man darf gespannt sein, wie BĂŒrgermeister Kessler und seine Vassallen den GrĂŒnen den nicht vorhandenen Schneid abkaufen. Vermutlich werden Herr Doll, Herr Merx und Herr Hasselbring wie ĂŒblich vorbereitete Fragen stellen, die dann ebenso vorbereitet beantwortet werden und unter bedĂ€chtigem, „verantwortungsvollem“ Nicken zur Kenntnis genommen werden. Die Botschaft ist auch schon klar: „Eigentlich alles ganz positiv.“
Dann fĂŒhrt Herr Heinisch das Wort und mahnt an, Herr Schuhmann gibt zu bedenken, vielleicht gibt es noch die eine oder andere WortĂ€uĂerung und das wars dann. Derweil plant „Pfenning“ – was auch immer das ist – weiter und macht, was es will.
Die GrĂŒnen halten den Ball flach, weil sie das GefĂŒhl haben, sie können nichts mehr tun. Denn sie sind in der Klemme – wenn sie etwas tun, bedeutet das harte Arbeit und viel Ăârger. Dabei hĂ€tten sie so gerne Frieden und Anerkennung.
Die GrĂŒnen mĂŒssen sich entscheiden – 2014 entscheiden die WĂ€hler erneut und angesichts der GröĂe des „Themas“ wird man sich genau erinnern, welche „Haltung“ die GrĂŒnen vertreten und welchen „Einsatz“ sie gebracht haben. Mal ganz abgesehen vom „Nachwuchsproblem“ – denn auf breiter Front ist nicht erkennbar, wie die GrĂŒnen wieder sechs oder mehr geeignete Kandidaten fĂŒr die Wahl aufstellen können.
Aus dieser Klemme kommen sie nicht heraus. Leider muss man vermuten, dass sie sich einklemmen lassen und bewegungsunfĂ€hig werden – zu groĂ ist die Sehnsucht nach Friede, Freude, Eierkuchen. Und wenn sie wieder nur drittgröĂte Kraft sind, mĂŒssen sie auch nicht mehr ganz so verantwortlich sein.
Auch das ist eine Zukunftsperspektive.
P.S.
Lieber Kurt Klemm – Sie schreiben in Ihrem Leserbrief, dass es „nach dem Bericht des MM keine ArbeitsplĂ€tze“ in Heddesheim gĂ€be. Ich möchte Sie gerne darauf hinweisen, dass alle Folgen der „Nicht-Konzentration“ im MM-Artikel nicht beschrieben worden sind, sondern Sie diese wahrscheinlich hier nachgelesen haben. Wenn Sie schon „Quellen“ zitieren, dann bitte richtig.
Anmerkung der Redaktion:
Hardy Prothmann ist verantwortlich fĂŒr dieses redaktionelle Angebot und seit 2009 partei- und fraktionsfreier Gemeinderat in Heddesheim. Er hat sich umfassend mit dem Projekt auseinandergesetzt und nach sorgfĂ€ltiger PrĂŒfung zu Vor- und Nachteilen dieser Ansiedlung wegen erheblicher Zweifel an der SeriositĂ€t der Aussagen von „Pfenning“ gegen das Projekt entschieden und in allen Punkten abgelehnt.
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