Dienstag, 30. Mai 2023

„Es wurde deutlich, wie schwach und ungenĂŒgend sĂ€mtliche Gutachten sind.“

Guten Tag!

Heddesheim, 19. Dezember 2010. Am 09. Dezember 2010 fand im BĂŒrgerhaus ein Erörterungstermin zum Planfeststellungsverfahren „Gleisanschluss Pfenning“ statt.

GĂŒnther Heinisch, GrĂŒnen-Gemeinderat, sieht seine Zweifel am „Pfenning“-Projekt bestĂ€tigt: „Unterm Strich bleiben Belastungen und summieren sich vielleicht zu untragbaren Situationen“, sagt er und kritisiert im Interview, dass eine ordentliche PrĂŒfung im Gemeinderat nicht stattgefunden hat.

Geleitet wurde die Sitzung von Thorsten Maiwald vom RegierungsprĂ€sidium Karlsruhe. Anwesend waren zudem – zeitweise – BĂŒrgermeister Kessler, Mitarbeiter des Bauamts, Vertreter der „Pfenning“-Gruppe mit zwei AnwĂ€lten, Rolf Breitwieser als Anwohner samt Anwalt und die Einwender GĂŒnther Heinisch und Kurt Klemm, stellvertretend fĂŒr den Naturschutzbund e.V.. Außerdem Vertreter des Verbands Region Rhein-Neckar und des Verkehrsverbunds.

ZunĂ€chst sollte die Sitzung nicht-öffentlich sein, wurde dann aber als öffentlich freigegeben, da keine EinwĂ€nde bestanden, Zuschauer zuzulassen. Rund ein halbes Dutzend BĂŒrgerInnen verfolgten deshalb die Erörtertung, die von 09:00 Uhr bis 16:30 Uhr dauerte.

Interview: Hardy Prothmann

Herr Heinisch, Sie haben am Erörterungstermin teilgenommen. Warum?

GĂŒnther Heinisch: „Weil ich als BĂŒrger eine Einwendung gegen den Gleisanschluss gemacht habe.“

Moment, sind die GrĂŒnen nicht fĂŒr das Gleis?

Heinisch: „Aber selbstverstĂ€ndlich. Jedoch ist Gleis nicht gleich Gleis, was man auch bei Stuttgart 21 sieht. Uns ist ein sinnvolles S-Bahn-Projekt lieber, als das Wohl einer einzelnen Firma. Meine Eingaben umfassen insgesamt 48 Seiten und kritisieren auch beim Gleisanschluss mangelhafte Gutachten und eine ungenĂŒgende Debatte zum Thema und den Folgen einer solchen baulichen Maßnahme im Gemeinderat.“

Was meinen Sie beispielsweise?

heinisch

GrĂŒnen-Verkehrsexperte GĂŒnther Heinisch. Foto: privat

Heinisch: „Ganz klar das LĂ€rmschutz-Gutachten. Hier wurde beispielsweise deutlich, dass der Gutachter seine Berechnungen auf falschen Angaben erstellt hat.“

Woher wissen Sie das?

Heinisch: „Das wurde wĂ€hrend der Anhörung deutlich. Der Gutachter musste sich wie andere auch auf Angaben von Pfenning als Grundlage seiner Arbeit verlassen. Danach hieß es, es gĂ€be drei Zugbewegungen pro Tag. TatsĂ€chlich wurde festgestellt, dass diese ZĂŒge natĂŒrlich wieder wegfahren und dazwischen rangiert werden muß. Insgesamt ergeben sich pro Tag mindestens 12 Fahrten bei tĂ€glich drei ZĂŒgen. Den Gutachter trifft keine Schuld bei der falschen Bewertung, er wurde falsch informiert. Wörtlich sagte er: „Das ist das erste, was ich höre.“ Und er fand die neuen Informationen sehr interessant.“

Und weiter?

Heinisch: „Auch das Artenschutzgutachten musste ja bereitsnachgebessert werden. Interessant war der Zynismus, der an den Tag gelegt wurde. Kurt Klemm war als UmweltschĂŒtzer anwesend und hat seine Erkenntnisse zum Feldhamstervorkommen vorgetragen. Er musste sich von Pfenning-AnwĂ€lten fragen lassen, ob er „Hamster-Experte“ sei. Die Antwort war eine Gegenfrage: Ob der Gutachter, im Hauptberuf ein Physiotherapeut, ein Hamster-Experte sei. Das hatte schon fast einen Kreuzverhör-Charakter einer Gerichtsverhandlung“.

Kam auch das Feinstaub-Gutachten zur Sprache?

Heinisch: „Aber sicher. Hier stellte sich nachtrĂ€glich heraus, daß nur die Werte der Autobahn berĂŒcksichtigt worden sind, der Pfenning-Verkehr und die Feinstauberzeugung durch die Zuglieferungen und die RangiertĂ€tigkeiten blieben außen vor. Ebenso der Feinstaub, den die Bahnlinie selbst erzeugt.

Gab es ein Ergebnis?

Heinisch: „Aus meiner Sicht schon: Es wurde deutlich, wie schwach und ungenĂŒgend sĂ€mtliche Gutachten sind, mit denen Pfenning hier durchgedrĂŒckt werden soll. Und etwas anderes hat die Anhörung gezeigt, das erschreckende Unvermögen und/oder die Unwilligkeit des Heddesheimer Gemeinderates in seiner 12:9 Mehrheit, das zu erkennen und danach zu handeln.“

Wie meinen Sie das?

Heinisch: „Die Gutachten wurden einfach durchgewunken. Weder die CDU, noch die SPD oder FDP hatten auch nur eine Frage dazu. Und das RegierungsprĂ€sidium ging davon aus, dass der Gleisanschluss im Gemeinerat diskutiert worden sei.“

Er war Thema.

Heinisch: „Das hat BĂŒrgermeister Michael Kessler auch so geantwortet. Es ist darĂŒber geredet worden, dass er geplant sei und mittlerweile ein Antragsverfahren eröffnet wurde. Inhaltlich, in den Details und welche Auswirkungen in Sachen LĂ€rm und Feinstaub das haben wird, darĂŒber wurde aber nicht informiert und debattiert. Eine ernstzunehmende AbwĂ€gung hat nicht stattgefunden.“

Wie war die Reaktion?

Heinisch: „Zumindest der Anwalt von Herrn Breitwieser fand diesen Punkt sehr interessant.“

Was wollen Sie damit andeuten?

Heinisch: „Ganz sicher suchen die AnwĂ€lte, die die Mitglieder der der IG neinzupfenning vertreten, nach Verfahrensfehlern. Vielleicht handelt es sich hier um einen.“

Nochmal zurĂŒck zum Anfang: Ist es nicht ein wenig paradox, dass Sie als GrĂŒner 48 Seiten EinwĂ€ndungen gegen einen Schienentransport schreiben?

Heinisch: „GrundsĂ€tzlich sind wir fĂŒr die Schiene, aber wir sind auch fĂŒr sinnvolle Schienenprojekte. Um ein solches handelt es sich hier nicht, denn es gefĂ€hrdeit die S-Bahn. DarĂŒber hinaus muss man das jeweilige Projekt im gesamten sehen. Auch beim angeblich geplanten Gleis basieren die Gutachten auf teils unzureichenden Daten, das hatten wir auch schon beim Planfestellungsverfahren zum Logistikzentrum. Unterm Strich bleiben Belastungen und summieren sich vielleicht zu untragbaren Situationen. Die GrĂŒnen verlangen eine ordentliche PrĂŒfung und klare und durchschaubare Informationen.“

Sie trennen nicht zwischen Gleis und Logistikzentrum?

Heinisch: „Wieso sollte ich? Ohne Logistikzentrum braucht es kein Gleis. Diese kĂŒnstliche Trennung haben der BĂŒrgermeister und seine Mehrheit vorgenommen. Es ist aber ein Projekt. Ich erinnere da an die CDU, die ganz klar gesagt hat: Pfenning nur mit Gleis. Es handelt sich nicht um zwei Projekte, sondern klar um ein Gesamtprojekt. Der Gleisanschluss muss ebenfalls ordentlich auf seine Vor- und Nachteile und auf mögliche Alternativen abgewogen werden. Im Heddesheimer Gemeinderat hat dies leider nicht stattgefunden.“

Zur Person:
GĂŒnther Heinisch ist ein Sprecher des BĂŒndnis90/Die GrĂŒnen-Ortsverbands Heddesheim und Mitglied der GrĂŒnen-Gemeinderatsfraktion. Er hat sich fĂŒr die Fraktion umfangreich mit dem Thema Verkehr befasst und bereits das Verkehrsgutachten als „ungenĂŒgend“ und „geschönt“ bewertet.

Hintergrund:
Die Gemeinde Hirschberg an der Bergstraße prĂŒft ein Normenkontrollverfahren gegen den „Pfenning„-Bebauungsplan, unter anderem, weil der „Verkehrslenkungsvertrag“ zu Lasten der Gemeinde Hirschberg gehe. Aber auch, weil im Jahr 2000 ein Verkehrsgutachten dem Hirschberger Kreisel am Gewerbegebiet den „Kollaps“ voraussagt und derselbe Gutachter zehn Jahre spĂ€ter diesem Kreisel auch mit „Pfenning“-Verkehr noch ein ausreichend attestiert.

Anmerkung der Redaktion:
Hardy Prothmann ist verantwortlich fĂŒr das heddesheimblog und außerdem partei- und fraktionsfreier Gemeinderat.