Sonntag, 26. März 2023

Hat der Gemeinderat den Bebauungsplan verkauft?

Heddesheim als Verlierer? Pfenning als Gewinner?

Anlieger B. gegen Bebauungsplan der Gemeinde Heddesheim. Was wird der VGH entscheiden?

 

Mannheim/Heddesheim, 12. September 2012. (red/pro) Die Verhandlung der Klage des Anliegers B. gegen den Bebauungsplan „Pfenning“ (nördlich der Benzstraße) könnte in einem für alle Seiten überraschenden Urteil enden. Am Ende wären die Gemeinde Heddesheim zusammen mit dem Kläger die großen Verlierer und Pfenning der große Gewinner. Die spannendste Frage, die das Gericht klären muss, ist, ob die Abwägungen im Gemeinderat offen stattfinden konnten oder es einen Einfluss gegeben hat, der eine unvoreingenommene Abwägung verhindert hat.

Von Hardy Prothmann

Nachdem viele einzelne Punkte der Klageschrift bereits im Vorfeld über Korrespondenz abgearbeitet worden waren, wurden heute vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) besonders strittige Punkte verhandelt. Vor allem zu Verfahrensfehlern, Fehlern beim Lärmgutachten und die brisante Frage, ob die Abwägungsentscheidungen durch Verträge  „infiziert“ waren, sprich, eine unbelastete, offene Abwägung im Gemeinderat nicht gegeben war.

Verfahrene Fehler?

Der Anwalt des Klägers zielte bei seiner Beschwerde gegen das Verfahren zunächst auf die Offenlage. Die zweite Offenlage habe nach Einschätzung des Gerichts insgesamt den Erfordernissen genügt. Dies sei die voraussichtliche Einschätzung. Zu klären sei aber, so das Gericht, ob die privaten Anregungen in vollem Umfang mit hätten ausgelegt werden müssen oder die zusammenfassende Darstellung der Gemeinde genügte.

Zur Erinnerung: Bei der ersten Offenlage gab es 910 Anregungen, bei der zweiten immerhin noch 139. Man kann hier also ein überraschend deutliches Engagement erkennen und viele Informationen erwarten. Hier fiel der juristische Begriff der „Anstoßwirkung“. Die Offenlage soll Betroffenen durch Einsicht in die Unterlagen ermöglichen, „eigene Anregungen anzustoßen“.

Erwartungsgemäß bejahte Thomas Burmeister, der Anwalt der Gemeinde, das – der Anwalt des Klägers, Jürgen Behrendt, stellte das in Frage. Das Gericht sagte:

Die Frage wird zu klären sein, ob die vorgenommene Offenlage als Anstoßwirkung ausreicht und ob es erforderlich ist, auch private Anregungen auszulegen?

Der zweite verhandelte Komplex widmete sich dem Betriebsszenario und ob dieses „realistisch“ sei. Der „Pfenning“-Geschäftsführer Uwe Nitzinger machte dazu Ausführungen und wurde vom Gericht befragt. Nach seiner Darstellung würden auf den Kunden BASF 100 tägliche Lkw entfallen, auf Lidl 70 und auf den Neukunden Kraft Foods 63. In Summe seien das 233 Lkw am Tag und 466 Lkw-Bewegungen (An- und Abfahrt). Auf Nachfragen bestätigte er, dass diese Zahl in Spitzenzeiten höher sein könnte, aber die Zahl von 800 Bewegungen nicht überschritten werde.

Viel Lärm um nichts?

Das Gericht ließ sich den Ablauf genau erklären, denn es ging im Anschluss um die Frage, welcher Lärm erzeugt wird, aus Lkw-Verkehr und einem möglichen Gleisanschluss, der zwar nicht realisiert sei, aber dem Betrieb zugerechnet werden müsse. Der Gutachter zeigte deutliche Schwächen in seinen Ausführungen und zwischen den Anwälten entspann sich eine Diskussion, ob die Verkehrslärmimmissionen auf den allgemeinen Verkehrsflächen als „betriebsbedingt“ hinzugerechnet werden müsse. Auch hier verneinte der Anwalt der Gemeinde, während der Klägeranwalt erhebliche Bedenken anmeldete. Vor allem Lkw, die mit Kühlaggregaten vor 6 Uhr oder nach 22 Uhr einträfen, würden in den Straßen parken und für Lärm sorgen. Diese müssten dem Betrieb zugerechnet werden und fehlten im Gutachten.

Was das Gericht nicht erfragte, war die Art der Lkw, um die es in Sachen Lärm geht. Die 40-Tonner. Wie viele kleinere Fahrzeuge künftig das Gelände anfahren werden, ist überhaupt nicht erörtert. Nach aktuellen Berichten der Lebensmittelzeitung ist „Pfenning“ mit führend bei der Belieferung von Filialgeschäften. Im Verkehrslenkungsvertrag sind nur Lkw über 18 Tonnen von der Durchfahrt durch Heddesheim erfasst. Alles, was kleiner ist, kann durchbrummen.

Verkaufter Bebauungsplan?

Der spannendste Punkt der Verhandlung war die Frage, ob die Abwägungen zum Bebauungsplan frei und ohne Einfluss vorgenommen werden konnten. Nach Einschätzung des Klägeranwalts war dies nicht der Fall:

Ich glaube, dass der Gemeinderat nicht frei entscheiden konnte.

Als Begründung führte der Anwalt den Städtebaulichen Vertrag an, in dem sich Pfenning verpflichtet, vier Auszubildende aus Heddesheim einzustellen und den Firmensicht von Viernheim weg in die Gemeinde zu verlegen:

Dass die Gemeinde gerne die möglichen Gewerbesteuerzahlungen durch den Firmensitz bei sich haben will, verstehe ich absolut. Wenn ich mir aber die Wünsche des Bauherrn anschaue, die insgesamt im Bebauungsplan umgesetzt worden sind und dieser bedingende Wunsch der Gemeinde als vertragliche Regelung vor der Abwägung geschlossen worden ist, dann muss eine freie Abwägung in Zweifel gezogen werden. Dieser Vertrag hat den Bebauungsplan infiziert.

Das Gericht fragte nach, ob der Anwalt hier ein „Kopplungsgeschäft“ sehe? Dies müsse geprüft werden, sagte der Anwalt, was das Gericht aufnahm. Der Gemeindeanwalt bestritt zumindest den Teil mit den Azubis. Interessanterweise äußerte sich der „Pfenning“-Anwalt, der sonst wenig sagte:

Die Formulierungen im Städtebaulichen Vertrag sind nicht so ganz glücklich gewählt. Aber in dessen Ausgestaltung war ich nicht mit einbezogen.

Natürlich warten alle Beteiligten nun mit großer Spannung auf die Urteilsverkündung am kommenden Dienstag, 14 Uhr. Wird das Gericht die Klage zulassen und den Bebauungsplan für ungültig erklären? Die Antwort könnte lauten: Ja und Nein. Ja, es lässt die Klage zu, Nein, der Bebauungsplan ist fehlerhaft, aber nicht ungültig, wenn er „geheilt“ wird.

Vorstellbar wären ein neues Lärmgutachten und damit verbundene Auflagen für Pfenning. Daran würde sich eine neue Offenlage anschließen, was diesen angefochtenen Teil ebenfalls „mitheilen“ würde. Um die möglicherweise unsittliche  „Koppelung“ aufzuheben, könnte das Gericht entscheiden, dass diese Passi aus dem Städtebaulichen Vertrag unwirksam sind und zur Heilung herausgenommen werden müssen, um eine Entkopplung herzustellen.

Die Akten sind die Grundlage für die Entscheidung. Ist alles dokumentiert? Fehlt was?

Das wäre ein salomonisches Urteil im Sinne des Baugesetzes und angesichts der Tatsache, dass der Bau weitgehend realisiert ist. So gravierend sind die Mängel nicht, dass diese eine 100-Millionen-Euro-Investition zu Fall bringen. Dies könnte von privatwirtschaftlicher Seite drohen, falls der Deal mit Union Investment platzt (wir berichteten exklusiv).

„Pfenning“ als großer Gewinner?

Für den Kläger würde eine solche Entscheidung keine Befriedigung bringen, denn er wollte den Bau verhindern. Aber vielleicht eine Entlastung beim Lärm. Er hätte ein wenig gewonnen, aber insgesamt verloren. Für die Gemeinde Heddesheim wäre es ein Totalverlust. Weder die zugesagten Azubi-Plätze müsste Pfenning bereitstellen, noch den Firmensitz nach Heddesheim verlagern. Eventuell wäre auch der Verkehrslenkungsvertrag hinfällig. „Pfenning“ hingegen wäre der große Gewinner. Denn das Unternehmen würde aus den vertraglichen Bindungen entlassen werden, hat das Projekt realisiert und kann frei agieren.

Die Gemeinde Heddesheim als großer Verlierer?

Für Bürgermeister Michael Kessler und die Befürworter im Gemeinderat wäre das politisch der absolute Super-Gau. Schon heute ist klar, dass sich die „Pfenning“-Ja-Sager komplett verkalkuliert haben. Der Gleis-Anschluss, also „Öko-Logistik“, war zunächst das entscheidende Argument. Ob das Gleis je kommt? Wer weiß. Die Generationen-Investition des regional-verbundenen Unternehmers Karl-Martin Pfenning? Makulatur. Er hat gekauft, gebaut und das Projekt sehr lukrativ vergoldet (wir berichten über die genaue Zahl des zweistelligen Millionengewinns, sobald wir die Zahlen belegen können). Konzentration des Geschäfts in Heddesheim? Kein einziges Lager ist umgezogen. Bis zu 1.000 Arbeitsplätze? Aktuell werden 200 genannt. Vielleicht werden es 500. Viel mehr aber nicht. Beträchtliche Gewerbesteuerzahlungen? Erstens war die Geschäftsentwicklung von „Pfenning“ in den vergangenen Jahren rückläufig und zweitens ist zweifelhaft, ob Pfenning den Firmensitz tatsächlich verlagert.

Unterm Strich hat „Pfenning“ alles erreicht: Einen Spitzenstandort für billiges Geld erworben, alle Ziele der Bauplanung durchbekommen, ordentlich Gewinn gemacht. Für Heddesheim bleiben viele leere Versprechen und jede Menge Verkehr. Und falls der Firmensitz nicht umzieht, gibt es noch nicht einmal mehr die vermutlich sowieso nicht bedeutende Gewerbesteuerzahlung.

Ausblick

Soviel ist sicher: Die Zukunft von Heddesheim ist – wie auch immer – schon heute abhängig von diesem Unternehmen, dass sich bislang als absolut unzuverlässig in seinen Zusagen erwiesen hat. Die Gemeinde hat schwere Schäden erlitten, bevor das Projekt überhaupt fertig ist. Das Dorf ist weiterhin gespalten. Im Dezember will Pfenning „fertig“ sein, vielleicht kommt dann schon der Weihnachts-Spitzenverkehr, spätestens Ostern 2013. Ende 2013 und Anfang 2014 geht es dann richtig rund und dann folgen Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen. Weitere „Überraschungen“ werden folgen.

 

Anm. d. Red.: Hardy Prothmann ist verantwortlicher Journalist für das Heddesheimblog. Von Juli 2009 bis Februar 2012 war er partei- und fraktionsfreies Mitglied des Heddesheimer Gemeinderats und hat an den Entscheidungen mitgewirkt. Die über 400 Artikel zum Thema finden Sie unter der Kategorie „Pfenning.

Gemeinde Hirschberg sieht Verkehrslenkungsverträge zu ihren Lasten

Gute Nachbarschaft?

Die Edeka soll um ein zentrales Getränkelager der Tochter "Kempf" erweitert werden. Quelle: Edeka

 

Hirschberg, 22. Juni 2012. (red) Zwischen den Gemeinden Hirschbeg und Heddesheim knirscht es gewaltig. Bürgermeister Manuel Just übt deutliche Kritik an der Nachbargemeinde – grundsätzlich steht er Gewerbeentwicklungen positiv gegenüber, aber nicht, wenn seine Gemeinde darunter zu leiden hat. Ein eigenes Verkehrsgutachten soll prüfen, ob Hirschberg den schwarzen Peter zieht, wenn in Heddesheim mit der Pfenning-Ansiedlung nun auch noch die Edeka-Erweiterung kommen sollte. Die Möglichkeiten der Gemeinde Hirschberg sind begrenzt – mittlerweile ist es aber vorbei mit Höflichkeiten. Gemeinderat Werner Volk bezeichnete unlängst die Verkehrslenkungsverträge als „nahezu bösartig“. Grund genug, den Verwaltungschef nach seiner Sicht der Dinge zu fragen.

Im unserem Interview bringt Bürgermeister Manuel Just deutlich seinen Ärger zum Ausdrück:

Die Verkehrslenkungsverträge sind zu Lasten Dritter geschlossen worden.

Mit „Dritten“ meint er die Gemeinde Hirschberg – denn bei Staus auf der A5 werden die Lkw über die B3 durch Hirschberg geleitet. Weiter sieht der Hirschberger Bürgermeister eigene Entwicklungen gefährdet. Immerhin ist er zuversichtlich, dass es einen weiteren Kreisel zur Verkehrsentlastung geben wird – die Ertüchtigung des bestehendes Kreisels vor dem Hirschberger Gewerbegebiet ist aber die aus seiner Sicht wichtigste Entlastungsmaßname.

Grundsätzlich zeigt sich der junge Hirschberger Bürgermeister Just positiv gegenüber Gewerbeentwicklungen – ganz klar ärgert er sich aber auch, weil Heddesheim ohne Rücksicht auf den Nachbarn plant. Aktuell hat der Ausschuss für Technik und Umwelt in Hirschberg beschlossen, ein eigenes Verkehrsgutachten anfertigen zu lassen. Der Grund: Gemeinderat und Bürgermeister sehen „erhebliche Plausibilitätsprobleme“bei den bestehenden Gutachten, die die Gemeinde Heddesheim eingeholt hat.

Das Verhältnis der beiden Bürgermeister bezeichnet Just als „professionell“ – mehr nicht.

Das ausführliche Interview lesen Sie hier auf dem Hirschbergblog.de

 

Erneute Offenlage „Pfenning“ erforderlich. Dokumentation der Sitzungsvorlage

Guten Tag!

Heddesheim, 18. Juni 2010. In Sachen „Pfenning“ wird es eine erneute Offenlage des Bebauungsplanentwurfs „Nördlich der Benzstraße“ geben müssen. Der Grund: Formfehler. In der kommenden Gemeinderatssitzung soll der Gemeinderat auf Antrag der Verwaltung insgesamt 910 eingegangene Einwendungen in einem Rutsch durchwinken und eine erneute Offenlage beschließen.

Rund 200 Seiten umfassen die teils neuen, ergänzten, veränderten Gutachten, die zusammengefassten Stellungnahmen und weiteres Material, das am Ende mit zwei Anträgen behandelt werden soll: Die Verwaltung schlägt die Zustimmung zur Behandlung der eingegangenen Stellungnahmen der Behörden und Träger öffentlicher Belange sowie der Öffentlichkeit „wie in Teil 1 und 2 der Beschlussvorlage“ vor.

Danach soll der Beschluss auf eine erneute Offenlage des Bebauungsplanentwurfs für einen weiteren Monat gefasst werden.

Die erneute Offenlage muss wegen eines „Formfehlers“ erfolgen:

„Es wurde bemängelt, dass die vorgenommenen allgemeinen Formulierungen mit dem Wortlaut „Umweltbericht mit Ausgleichskonzept“, „verschiedene Fachgutachten“ und „sonstige bereits vorliegende umweltbezogene Stellungnahmen“ den gesetztlichen Anforderungen nicht gerecht wird und somit fehlerhaft war“, heißt es in der Begründung des Antrags.

Und weiter:
„Es wird aus Gründen der Planungssicherheit unterstellt, dass hier ein formaler Fehler vorliegt.“

Darüber hinaus mussten „zusätzliche Änderungen“ und „Ergänzungen des Planentwurfs“ vorgenommen werden.

Aus diesen Gründen soll eine erneute Offenlage beschlossen werden.

Bei der Gemeinderatssitzung am 24. Juni 2010 werden das Planungsbüro „Sartorius“ und Rechtsanwalt Dr. Thomas Burmeister „Änderungen am Bebauungsplanentwurf“ erläutern, schreibt die Verwaltung.

Die Sitzungsvorlage TOP 4 „Bebauungsplan „Nördlich der Benzstraße“ können Sie hier downloaden.

Einen schönen Tag wünscht
Das heddesheimblog