Mittwoch, 22. MĂ€rz 2023

„Fakten“ als „Auftrag“? Die Berichterstattung des MM

Guten Tag!

Heddesheim, 06. MĂ€rz 2010. Die Berichterstattung des Mannheimer Morgen (MM) in Sachen „Pfenning“ ist weitgehend frei von Recherche und Fakten. Das Ă€ndert sich auch nicht, wenn der MM dann mal „recherchiert“. Denn die Zeitung tut nur so, als ob.

Von Hardy Prothmann

Der Mannheimer Morgen berichtete am 04. MĂ€rz unter der ÃƓberschrift: „Gleis: „PrĂŒfung“ oder „Zusage“ – oder beides?“ ĂŒber Fragen der Fraktion BĂŒndnis90/Die GrĂŒnen zum angeblich geplanten Gleisanschluss an das geplante Logistikzentrum „Pfenning“:
„An dieser Machbarkeit meldeten die GrĂŒnen erhebliche Zweifel an. Dagegen hatte das Logistikunternehmen im Vorfeld mehrfach, u. a. in einem „MM“-Interview im Mai 2009, versichert: „Die Zusage der Bahn gibt es.“

0410pfenning

Dokumentation: Die "GefÀlligkeitsberichterstattung" geht weiter unter dem Deckmantel von "Recherche". Quelle: MM

Hintergrund: Die GrĂŒnen hatten beantragt, das Bebauungsplanverfahren so lange auszusetzen, bis es Klarheit ĂŒber einen realistischen, zeitnahen Gleisanschluss gibt (siehe unseren Bericht).

Weiter berichtet die MM-Redakteurin Anja Görlitz ĂŒber ihre RecherchebemĂŒhungen:
„Auf eine erste Anfrage des „MM“ bei der Bahn im vergangenen Jahr hatte es geheißen: „Keine Auskunft zu Kundenbeziehungen.“ Auf unsere erneute Nachfrage in dieser Woche, ob der Gleisanschluss an der geplanten Stelle möglich ist, antwortete nun ein Sprecher: „Die technische und betriebliche Machbarkeit sind zurzeit noch in der PrĂŒfung.“ Allerdings sei man „mit der entsprechenden Firma (Pfenning, d. Red) in guten VerhandlungsgesprĂ€chen“ und selbst „an der Entwicklung des Gleisanschlusses interessiert“.“

Der MM bleibt hartnĂ€ckig und will es wissen. Die Recherchethese lautet: „PrĂŒfung“ ist aber eben nicht gleich „Zusage“. Widerspricht die Bahn-Auskunft also den bisherigen Aussagen des Logistikunternehmens?“

Recherchethese: Kein Widerspruch!

Der MM ĂŒberprĂŒft seine These und fragt nach – bei „Pfenning“, wo sonst?:
„Der „MM“ hat bei „Pfenning“ um Stellungnahme gebeten. „Es gibt keinen Widerspruch“, sagte daraufhin Pfenning-GeschĂ€ftsfĂŒhrer Uwe Nitzinger gestern. Offiziell habe die Bahn noch keinen „unterschriebenen Planungsauftrag“, dementsprechend antworte ein „offizieller“ Pressesprecher auf eine „offizielle“ Presseanfrage nur mit dem, „was Fakt ist“.“

„Fakt ist“ nach dem Bericht die Aussage, dass es eine PrĂŒfung gibt. Das allerdings ist nur die EinschĂ€tzung der „Fakten“ zu einer Aussage eines „offiziellen Pressesprechers“ zu einer „offiziellen Presseanfrage“. (Die Frage, ob es auch „inoffizielle Pressesprecher“ und „inoffizielle Presseanfragen“ gibt, lĂ€sst der MM unbeantwortet, Anm. d. Red.)

Zur Absicherung der Recherche bemĂŒht der MM einen SachverstĂ€ndigen – den GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Unternehmensgruppe „Pfenning“, Uwe Nitzinger:
„Aus der fĂŒr den Gleisanschluss zustĂ€ndigen Fachabteilung habe man aber die klare Aussage „Ja, das geht“, so Nitzinger. „Die grundsĂ€tzliche Machbarkeit ist gegeben, jetzt geht es um die Detailplanung.“

„Pfenning“: Frage beschĂ€ftigt uns nicht!

„Ja, es geht also“, transportiert der Bericht des MM. Doch was, wenn aus einem „es geht“ ein „es geht nicht“ wird? Der MM hakt nach:
„Auf die Frage, ob „Pfenning“ gegebenenfalls auch ohne Gleisanschluss nach Heddesheim kĂ€me, antwortete der GeschĂ€ftsfĂŒhrer: „Mit dieser Frage beschĂ€ftigen wir uns nicht. Wir haben nirgendwo ein Signal bekommen, dass sich an der Machbarkeit des Anschlusses etwas geĂ€ndert haben sollte.“

Na dann. Soll wohl heißen, „Machbarkeit=100 Prozent Realisierung“. Da sich die Firma „Pfenning“ nicht mit der Frage beschĂ€ftigt, stellt der MM auch weitere Fragen ein und lĂ€sst nochmals den Experten Nitzinger ran, wenn auch ĂŒberwiegend in indirekter Rede:
„Derzeit wĂŒrden in Viernheim im Jahresdurchschnitt 15 bis 20 Waggons tĂ€glich ĂŒber die Schiene angenommen. „Im Sommer mehr, im Winter weniger“, so Nitzinger. Platz-KapazitĂ€t bestehe am derzeitigen Standort, um dreimal tĂ€glich neun Waggons zu stellen. Im Sommer erreiche man zuweilen mehr als das Maximum dessen, was demnach ĂŒber das Gleis abgewickelt werden könne. Mit der geplanten Erhöhung der Stellmöglichkeit auf 18 Waggons in Heddesheim wolle man diese „Spitzen bewĂ€ltigen“ und ĂŒberdies die Möglichkeit haben, neue, „gleis-affine“ Kunden zu gewinnen.“

In der nĂ€chsten Folge der Rechercheserie erklĂ€rt der MM dann sicherlich auch, warum die Aussage „Sommer mehr, Winter weniger“ auf die Lieferung von Waschmitteln (der Hauptkunde, der ĂŒber die Bahn „Pfenning“ beliefert, ist Henkel) zutrifft. Wahrscheinlich, weil im Sommer mehr geschwitzt wird als im Winter und deshalb mehr gewaschen und deshalb mehr Waschmittel benötigt wird, oder so.

Was der MM leider nicht recherchiert hat.

Schade nur, dass der MM bei seiner Recherche ĂŒbersehen hat, dass ein anderes Medium die Frage zur „Machbarkeit“ bereits am 09. Mai 2009 beantwortet hat. Damals sagte der GeschĂ€ftsfĂŒhrer der „Pfenning“-Gruppe, Uwe Nitzinger, dass die Verhandlungen mit der Bahn „in trockenen TĂŒchern seien“.

Konkret hießen die Fragen und Antworten damals in unserem Interview am 09. Mai 2009: (Unterhalb des „Pfenning“-Lkw-Bildes im Interview)
Wie steht es mit den Verhandlungen mit der Bahn? Dauern die an oder stehen Sie vor einem Abschluss?
Nitzinger: „Die sind in trockenen TĂŒchern. Die Bahn hat da ganze Arbeit geleistet. Sie können sich vorstellen, wie kompliziert eine Lösung ist, wenn Sie wissen, dass immer nur kurze Zeitfenster bleiben, um die ZĂŒge auf die Strecke zu bringen, weil auf der Linie der ICE entlang rauscht. Wir werden drei Gleise haben, eins zu den Hallen, eins fĂŒr die leeren Waggons und eins fĂŒr die Loks zum Rangieren.“

Wer bezahlt das und wie teuer ist der Bau?
Nitzinger: „Wir. Das kostet uns rund 2,5 Millionen Euro.“

Immerhin hatte Pfenning schon vier Monate vor dem Gemeinderatsbeschluss zur Ansiedlung Anfang 2009 diesen Gleisanschluss bei der Bahn im September 2008 „prĂŒfen“ lassen.

Wieso heute, fast eineinhalb Jahre spĂ€ter, die „PrĂŒfung“ immer noch „lĂ€uft“ und anscheinend nichts „in offiziellen trockenen TĂŒchern“ ist, beantwortet der MM-Artikel nicht.

Das war auch nicht die Aufgabenstellung. Die hieß vermutlich, als Botschaft zu verbreiten: „Zweifel? Keine! Die Zusage gibt es!“