Freitag, 24. MĂ€rz 2023

Warum Spenden und Sponsoring Transparenz brauchen

Geprothmannt: UneigennĂŒtzige WohltĂ€tigkeit? Von wegen! Spenden und Sponsoring sind Werbung

100 Euro sind viel Geld - manche zahlen das aber aus der "Porto-Kasse" und machen daraus ein Vielfaches an "Image"-Gewinn. Quelle: 100-Euro-Schein

Rhein-Neckar, 12. Dezember 2011. (red) Zur Zeit jagt eine SpendenĂŒbergabe die nĂ€chste – so wie vergangenes Jahr auch und nĂ€chstes Jahr wieder. Besonders in der Vorweihnachtszeit laden viele Firmen und Gemeinden ein, ĂŒber mildtĂ€tige Spenden fĂŒr den guten Zweck zu „berichten“. Klares Ziel dieser Aktionen: Die Spender und Sponsoren wollen sich damit ein gutes Image verschaffen – dabei ist das nichts anderes als Werbung.

Von Hardy Prothmann

Die Redaktion fĂŒr die Lokalblogs in Nordbaden hat eine strikte Regel: Wir berichten nicht ĂŒber Spenden, egal wie großzĂŒgig diese sind. Denn hinter fast jeder Spende steckt immer ein „KalkĂŒl“, ein Hintergedanke und der ist nicht „mildtĂ€tig“, sondern egoistisch: Die spendende Firma oder Institution will sich damit ein gutes Image verschaffen.

Das ist auch absolut erlaubt – nur machen wir uns nicht zum Handlanger und zur erweiterten Pressestelle der Spender und Sponsoren. Wer aus Überzeugung spendet oder unterstĂŒtzt, braucht seine Haltung nicht an die „große Glocke“ zu hĂ€ngen.

Millionen von privaten Spendern halten das so – sie geben Geld fĂŒr alle möglichen Hilfsorganisationen und hoffen, dass damit anderen geholfen wird. Die allermeisten Spenderinnen und Spender bleiben „anonym“ – es geht ihnen um die Hilfe und nicht um eine öffentliche Nennung.

Wer hingegen der „Öffentlichkeit“ seine „GroßzĂŒgigkeit“ mitteilen möchte, kann eine Anzeige schalten. Das ist, wie gesagt, absolut erlaubt.

Hirschberg: Bericht ĂŒber eine Spende? Ja, gerne. Schleichwerbung? Nein, danke.

Aktuell haben wir ĂŒber die Spende einer Interessengemeinschaft „Storchenkerwe“ in Hirschberg berichtet: Die Einladung erschien frei von „Firmenwerbung“ – denn die Initiative des Ortsfestes spendete Geld fĂŒr gemeinnĂŒtzige Zwecke. Deshalb haben wir den Termin wahrgenommen.

Vor Ort prĂ€sentierte man aber Spendenschecks mit Logo und Schriftzug einer regionalen Bank. Diese Werbung haben wir aus dem Foto herausretuschiert (weiße FlĂ€che).

Das ist die einzige „saubere“ Lösung – alles andere ist eine Form von Schleichwerbung, untergrĂ€bt die GlaubwĂŒrdigkeit von Journalismus (sofern die bei gewissen Medien nicht sowieso schon „six feed under“ ist) und schadet letztlich auch dem „Werbekunden“ – muss der doch ganz besonders an einem glaubwĂŒrdigen Umfeld interessiert sein.

Penetrant wird es – und das ist zunehmend der Fall – wenn die Sponsoren und Spender sogar die Berichterstattung vorschreiben wollen. Dagegen hilft nur konsequente AufklĂ€rung und konsequente „Nicht-Berichterstattung“ bei „HĂ€rtefĂ€llen“.

Penetrantes Sportsponsoring

Selbst in der Provinz treibt dieses Sponsorenunwesen nicht nur seltsame, sondern völlig inaktzeptable „BlĂŒten“. Ein lokaler Tennisverein wollte uns beispielsweise nur Fotos gestatten, wenn das Sponsorlogo mit im Bild ist.

Das Ergebnis kann man hier nachlesen: „Kein Gruppenfoto ohne Sponsor“

Sehr krass ist dieses Beispiel: Eine Apotheke wird von einem „Marketing-Verband“ ausgezeichnet, nicht etwa weil die Apotheke am meisten Geld gespendet hat, sondern deren Kunden. Wir wollten darĂŒber berichten – und wurden vermutlich (aus Sorge) wegen unserer bekannten, kritischen Haltung nicht eingeladen. Wir haben trotzdem berichtet: Kein Kinderlachen fĂŒr das Heddesheimblog.

taz verpixelt Sportfotos und stellt die Aktion anscheinend klammheimlich wieder ein.

Die taz hatte im August angekĂŒndigt, ab sofort alle Sportfotos zu verpixeln. Die BegrĂŒndung:

Die Werbung im Fußball, Biathlon oder Handball ist mit den Jahren der Kommerzialisierung einfach zu aufdringlich, zu omniprĂ€sent geworden. Da mĂŒssen intelligentere Lösungen her. Zum Beispiel: Weg mit dieser Flimmerbande.

Und:

Wir sind nicht mehr bereit, Eure Werbebotschaft auf Trikots und Werbebanden zu verbreiten. Es kann ja auch nicht Aufgabe einer Zeitung sein, die mit kritischer Distanz ĂŒber Sport berichtet, tĂ€glich kostenlose Werbung von Vereinen und deren Sponsoren ins Blatt zu heben. Wir wollen durch die Verpixelung journalistisch noch unabhĂ€ngiger werden.

Guter Ansatz – leider scheint die taz das nicht durchgehalten zu haben. Vielleicht wars auch nur ne Sommerloch-Saure-Gurken-Zeit-Meldung. Eine ErklĂ€rung, warum nicht mehr verpixelt wird, konnte ich nicht finden (Anfrage ist gestellt, der Artikel wird gerne nach einem Hinweis ergĂ€nzt).

Wir werden das in Zukunft weiter so halten: Wenn Spender und Sponsoren mit Ihren Logos genannt und abgebildet werden wollen, erhalten Sie ein Angebot zum Schalten einer gewerblichen Anzeige. Solche „Berichte“ werden wir entsprechend als Anzeige kennzeichnen.

Andernfalls werden wir konsequent Spender und Logos aus Texten und Bildern entfernen – denn es  geht doch um MildtĂ€tigkeit? Oder geht es doch um etwas anderes? Sollten wir deshalb nicht mehr zu solchen AnlĂ€ssen eingeladen werden, können wir gerne darauf verzichten.

Trennungsgebot

Gut und richtig wĂ€re, wenn vor allem Zeitungen diesem Beispiel folgen wĂŒrden – das aber darf man tatsĂ€chlich bezweifeln, denn dort gibt es schon lĂ€ngst kein Trennungsgebot zwischen Redaktion und Anzeigen mehr, sondern nur noch die Haltung, dass man Anzeigenkunden nicht „verprellen“ will.

Die Masse der Leserinnen und Leser zahlt zwar insgesamt viel und bedeutendes Geld fĂŒrs „Abo“ – unterm Strich sind das aber knapp 30 Euro und was bedeutet so ein Betrag, wenn an anderen „AuftrĂ€gen“ ein paar mehr Nullen dranhĂ€ngen, also 3.000, 30.000 oder gar 3.000.000 Euro? Es wird anhand der „Nullen“ schnell klar, auf wen man „RĂŒcksicht“ nimmt und fĂŒr welche „Nullen-Informationen“ man sich entscheidet.

"Redaktionelles" Foto ab Spendenhöhe von 500 Euro - bitte Text mitschicken.

Allerdings gibt es auch hier „Regeln“ – die hĂ€ngen von der Höhe der Spende ab. Der Mannheimer Morgen macht zum Beispiel „grundsĂ€tzlich“ erst ab 500 Euro Spendensumme ein Foto. Warum, wieso, weshalb? DarĂŒber gibt es keine uns bekannten Informationen.

Ethisches Handeln

Ganz grundsĂ€tzlich verantwortet jedes Medium die eigenen redaktionelle Ethik und die Art seiner „Informationen“ im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten selbst – und auch die daraus resultierende GlaubwĂŒrdigkeit.

Mal schauen, wie Spender und Sponsoren mit unserer transparenten Haltung umgehen – dazu wird es, sofern interessant, einen Nachbericht geben.

Soviel sei noch angemerkt: Unternehmen, die mindestens zehn Prozent ihres Gewinns spenden, werden wir sofort lobend erwĂ€hnen, weil das tatsĂ€chlich Spenden sind, die „bemerkenswert“ sind. Keine Sorge – es gibt vermutlich kein einziges Unternehmen, das so verfĂ€hrt.

Vereine sollten sich nicht zu jedem Preis „kaufen“ lassen

Vereine, die sich fĂŒr ein paar Euro „Spendengeld“ oder „Sponsoring“ als VermarktungsflĂ€che missbrauchen lassen, sollten tatsĂ€chlich darĂŒber nachdenken, worum es geht.

Um Förderung von Kultur, Jugend oder Sport oder darum, dass die ehrenamtlichen Helfer wirklich sehr viel Arbeit aufbringen und sich von Firmen durch im Vergleich minimale „Förderung“ dann die hier „erwirtschaftete“ Aufmerksamkeit abkaufen lassen? Das kann nicht im Sinne von Kultur, Jugend und Sport sein – und auch nicht im Sinne der Unternehmen.

Und ein besonders GeschmĂ€ckle bekommen solche Spenden dann, wenn die Spenderfirmen nicht nur beim Image die Nutznießer sind, sondern durch AuftrĂ€ge und GeschĂ€fte mit den Vereinen wiederum einen ganz klaren geschĂ€ftlichen Vorteil suchen.

Dann haben Spenden sogar eher die Funktion einer Bestechung und sind vollends pervertiert. Und auch das ist leider oft schon fast „ĂŒblich“.

Spendenziele mĂŒssen transparent sein

Gemeinden mĂŒssen Spenden beispielsweise lĂ€ngst öffentlich machen und transparent darstellen – das sieht das GeldwĂ€schegesetz so vor. Und dafĂŒr gibt es ganz sicher GrĂŒnde.

Damit Sie mich richtig verstehen: Spenden sind gut und wichtig. Und jeder Euro hat seinen Wert.

Spenden sollten aber das sein, was sie sein sollen: Ein Beitrag zu einer besseren Welt. Ganz privat, ganz individuell nach den Möglichkeiten.

Wer Spenden und „Sponsoring“ auch nur im Ansatz fĂŒr eigene „Zwecke“ einsetzt, muss sich moralisch selbst verpflichten, seinen Anteil an Eigennutz klar darzustellen – damit keine „MissverstĂ€ndnisse“ aufkommen.

Wenn ein Großkonzern beispielsweise 1 Million Euro spendet, ist das vielen Medien eine Nachricht wert. Zeitungen wie der MM berichten mit Bild erst ab 500 Euro. FĂŒr den Konzern bedeutet 1 Million vielleicht nur einen 0,000-irgendwas Anteil an seinen Möglichkeiten. FĂŒr eine Initiative sind 500 oder 1.000 Euro hingegen alles, was man „aufbieten“ kann.

Wer ist nun „großzĂŒgiger“? Wer verdient mehr Aufmerksamkeit? WorĂŒber sollte man dankbarer sein? WorĂŒber berichten?

Denken Sie mal drĂŒber nach – eine Meinung zu dem Thema ist gar nicht so einfach zu finden.

Ist halt alles immer „relativ“ – dafĂŒr muss man kein Einstein sein.

Ihr

Anmerkung: Wir haben anfĂ€nglich auch ĂŒber Spenden berichtet und vor kurzem noch im Weinheimblog ĂŒber eine Aktion zu Defibrilatoren in der Stadt. Dabei wurde auch eine spendende Bank genannt. KĂŒnftig werden wir das kompromisslos handhaben.