Montag, 29. Mai 2023

Japanische Atom-Unfälle strahlen auf Wahlkampf ab – Mappus unter Druck


Guten Tag!

Rhein-Neckar/Stuttgart, 14. März 2011. Die Reaktor-Unfälle infolge des Erdbebens und des Tsunamis in Japan haben eventuell direkte „Folgen für Baden-Württemberg“. Ministerpräsident Stefan Mappus und die Regierungskoalition von CDU und FDP kommen unter enormen Rechtfertigungsdruck. In den Umfragen liegen Bündnis90/Die Grünen und SPD leicht vorne – dieser Abstand könnte sich vergrößern.

Von Hardy Prothmann

Zwei Wochen vor der Landtagswahl passiert der Gau – in Japan. Aber aus Sicht der Landesregierung auch in Baden-Württemberg.

Ist definitiv "für" die Atomenergie. Ministerpräsident Stefan Mappus, der die Grünen gerne als "Dagegen"-Partei bezeichnet. Das richtet sich nun gegen ihn selbst.

Nachdem übers Wochenende immer klarer wurde, dass Japan vor einer nuklearen Katastrophe ungeahnten Ausmaßes steht, wird der Druck auf Ministerpräsident Stefan Mappus enorm steigen. Er hat nie einen Zweifel daran gelassen, wie er zur Atompolitik steht: Er ist sozusagen der Vertreter der Atompolitik und keinesfalls des Ausstiegs.

Die größte anzunehmende Unfall geschieht weit weg. Stefan Mappus bietet „jegliche erdenklich Hilfe“ an – vielleicht ohne realisiert zu haben, dass er die zur Zeit selbst auch dringend benötigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird dafür kaum zur Verfügung stehen – sie hat dasselbe Problem.

Er kann Flötentöne suchen wie er will und in der ARD sagen: „Ich bin gerne bereit den nationalen Dialog zu führen, wie man das erreichen kann.“ „Das“ ist der Atomausstieg – „man“ ist er selbst.

Mappus – der Atommann vor dem Gau.

Der Bundestag hat am 28. Oktober 2010 mit schwarz-gelber Mehrheit für eine Laufzeitverlängerung entschieden. Die Betriebszeiten der vor 1980 in Betrieb gegangenen sieben Anlagen wurden um acht Jahre verlängert und die der zehn übrigen Atomkraftwerke um vierzehn Jahre. Einer der vehementesten Vertreter: Stefan Mappus.

Nachdem er mit Ach und viel Krach gerade sein Führungsdesaster in Sachen Stuttgart21 hinter sich gebracht hat, bleibt ihm kaum Zeit die Katastrophe in Japan für sich selbst in den Griff zu bekommen.

Der Gau ist da, eventuell folgt der Super-Gau in Fukushima. Schon jetzt steht fest, dass große Gebiete um die havarierten Atommeiler in Japan unbewohnbar sein werden.

Die Bilder aus Japan werden den Wahlkampf und Mappus beherrschen.

In den kommenden Tagen werden Bilder veröffentlicht werden: Von vielen, von sehr vielen Opfern. Und es werden Zahlen über verstrahlte Menschen veröffentlicht werden. Und es werden Daten über die nukleare Wolke folgen.

Bilder und immer detaillierte Informationen werden die Aufmerksamkeit der Menschen beherrschen.

Und die Atomgegner müssen nicht mehr viel machen. Sie müssen nicht argumentieren. Sie müssen nur sagen, wie schrecklich das alles ist. Und dass sie fassungslos sind. Und das wird das sein, was jeder vernünftige Mensch mit Herz auch denkt.

Mappus war immer der „Dagegen“-Vertreter. Gegen den schnellen Atomausstieg.

Und Stefan Mappus verliert seinen deftigsten Wahlspruch – die Grünen als die „Dagegen-Partei“ zu bezeichnen.

Denn wer nicht gegen das fürchterliche Schicksal ist, das hunderttausende Japaner, vielleicht sogar Millionen erleben müssen, der ist „dafür“, was sich dort gerade abspielt: Eine der größten Katastrophen der Neuzeit.

Ausgelöst durch eine unglaubliche Naturgewalt und fortgeführt durch eine Technologie, die man nicht mehr unter Kontrolle hat.

Wie war das damals mit Tschernobyl?


Guten Tag!

Rhein-Neckar, 14. März 2011. Unser Gastautor Carsten Stoffel erinnert in seinem Beitrag an den Super-Gau von Tschernobyl, der sich vor fast 25 Jahren ereignete. Der katastrophale Unfall war eine der bislang fürchterlichsten Umweltkatastrophen der Neuzeit. Ein Rückblick.

Am 26. April 1986, vor fast 25 Jahren, ereignete sich durch eine Kernschmelze in Block 4 des Reaktors von Tschernobyl eine der bislang größten atomaren Unfälle. Aufnahme 2006. Bild: Wikipedia, Carl Montgomery

Von Carsten Stoffel

Es war Samstag, der 26. April 1986, der als schwarzer Tag in die Geschichte der Welt eingehen sollte. Bereits am Vortag hatte diese unglückliche Verkettung von Umständen begonnen.

Es sollte der Stromausfall der Kühlsysteme des Reaktors simuliert werden. Jene Situation, die wir derzeit im Atomkraftwerk Fukoshima erleben.

„Bedienfehler“ löst die bislang schlimmste atomare Katastrophe aus.

Grund für uns einmal zurück zu blicken. Am 26. April 1986 um 1:23 Uhr passiert nach einem Bedienungsfehler das Unfassbare. In Block 4 des Kernkraftwerks, nahe der Stadt Tschernobyl, kommt es zu einer folgenschweren nuklearen Kettenreaktion.

Der 1000 Tonnen schwere Deckel des Reaktorkerns, sowie das Dach des Reaktorgebäudes, werden durch die Wucht der Detonation weggerissen. Radioaktive Strahlung kann ungehindert in die Atmosphäre gelangen.

Vertuschung statt Aufklärung.

Die damaligen, kommunistischen Machthaber in Moskau versuchen den Vorfall herunter zu spielen. Mit primitiv anmutenden Methoden wurde versucht, den Schaden zu begrenzen.

Von den damals eingesetzten Helfern vor Ort sollen 1000 Personen bereits am ersten Tag einer tödlichen Strahlendosis ausgesetzt worden sein. Erst einen Tag später begannen die kommunistischen Machthaber damit, die in der nähe gelegene Stadt Prypiat zu evakuieren.

Am 28. April wurde man erstmals in Schweden auf eine erhöhte Strahlung aufmerksam. In einem Schwedischen AKW wurde Strahlungsalarm ausgelöst. Als fest stand, nicht für die erhöhte Strahlung verantwortlich zu sein, kam aufgrund der Windrichtung schnell die damalige Sowjetunion in Verdacht.

Erst am 30. April 1986 zeigte die ARD-Tagesschau ein durch die Sowjets retuschiertes Foto vom Unglücksreaktor.

Detuschland und Europa betroffen.

Durch den „unglücklicherweise“ anhaltenden Ostwind war auch Deutschland und der Rest der heutigen EU von den Folgen des Reaktorunglücks betroffen.

Karte der kontaminierten Gebiete nach dem Reaktorunfall - in Japan droht der Super-Bau in mindestens drei Reaktoren. Klicken Sie auf das Bild für eine größere Darstellung. Quelle: Wikipedia/Sting

Damals beherrschte die Angst um verseuchte Lebensmittel Wochen lang die öffentliche Debatte. Es wurde empfohlen, Äcker mit Saat und Früchten umzupflügen. Spielplätze wurden gesperrt und der Sand der Sandkästen auf Spielplätzen ausgetauscht.

Kleingärtner wurden aufgefordert, nichts aus ihrem Garten zu essen, da die Früchte möglicherweise mit Cäsium 135 belastet hätten sein können.

Die Rewe-Gruppe vernichtete damals Lebensmittel im Wert von drei Millionen DM, die unverkäuflich waren.

Angebliche „Übergangstechnologie“.

Politiker überschlugen sich damals mit Erklärungen zur Kernenergie, und dem Ausstieg aus dieser Technologie, die bereits 1986 von den Spitzen der FDP und CDU als Übergangstechnologie bezeichnet wurde. Als direkte Folge wurde das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gegründet.

Obwohl es bereits vor Tschernobyl Pannen im Umgang mit der Atomkraft gegeben hatte, war der Super-Gau von Tschernobyl eine Zäsur, die unter anderem dafür sorgte, dass die Anti-Atomkraftbewegung mehr und mehr Zulauf bekam.

Info:
Carsten Stoffel ist Redaktionsmitglied von solinger-bote.de und Mitglied im Netzwerk istlokal.de.
Das Netzwerk istlokal.de hat sich im Dezember 2010 gegründet und befindet sich im Aufbau. Fast 50 „Blogs“ und „Internet-Zeitungen“ aus ganz Deutschland beteiligen sich bereits an diesem Projekt, das den Lokaljournalismus fördern will.
Die Mitglieder unterstützen sich in den Bereichen Journalismus, Vermarktung, Technik und Recht.
Hardy Prothmann, verantwortlich für dieses Blog, ist Gründungsmitglied von istlokal.de.

Bürgertelefon soll Fragen zu Auswirkungen der Atom-Katastrophe auf Baden-Württemberg beantworten


DIN 4844-2 Warnzeichen D-W005 Warnung vor radioaktiven Stoffen oder ionisierenden Strahlen (auch auf abschirmenden Behältern). Quelle: Wikipedia

Rhein-Neckar/Stuttgart, 14. März 2011. (red) Das Baden-Württembergische Umweltministerium hat eine Hotline geschaltet, über die sich besorgte Bürgerinnen und Bürger zu „Auswirkungen der Geschehnisse auf Baden-Württemberg“, also den Folgen der japanischen Kernkraftwerk-Katastrophe erkundigen können sollen.

Das Umweltministerium bietet folgenden „Service“ ohne nähere Erläuterung an.

„Aktuelle Informationen zu den Unfällen in den japanischen Kernkraftwerken unter 0711 – 126 2713

Nach den Unfällen in japanischen Kernkraftwerken hat das Umweltministerium unter der Rufnummer 0711 – 126 2713 ein Bürgertelefon eingerichtet. Besorgte Bürgerinnen und Bürger des Landes können sich über eventuelle Auswirkungen der Geschehnisse auf Baden-Württemberg informieren. Das Bürgertelefon ist bis auf Weiteres täglich von 8 Uhr bis 20 Uhr besetzt.

Informationen zur aktuellen Lage in Japan unter anderem auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: http://www.bmu.bund.de

Sofern Sie den „Service“ in Anspruch nehmen, dürfen Sie Ihre Erfahrung gerne als Kommentar hier veröffentlichen.

Einen schönen Tag wünscht
Das rheinneckarblog

Chaos-Berichterstattung: Verschmolzene Nachrichten

Guten Tag!

Rhein-Neckar/Japan/Welt, 13. März 2011. (red) Die Erdbeben-Katastrophe hat zuerst Japan erschüttert und enorme Zerstörungen angerichtet. Auf die Naturkatastrophe folgt die technische Katastrophe. Weitere, weltweite „Erschütterungen“ werden folgen. Politische und wirtschaftliche, eventuell auch gesundheitliche. Währenddessen ist die Berichterstattung über die Katastrophe ein Teil davon.

Von Hardy Prothmann

Die erste Meldung, die ich zur Erdbeben-Katastrophe in Japan wahr genommen habe, sprach von einem starken Beben und mehreren Dutzend Toten.

Ein "Retter" hält einen Jungen", trägt ihn aus der Zone der chaotischen Störung. Der Jung scheint unverletzt, die Kleidung ist sauber, er hat beide Schuhe an, gibt keinen Laut von sich. Ist das glaubhaft, wenn man die Zerstörung im Hintergrund sieht? Oder ist das eine "gestellte" Aufnahme? Die ARD stellt die Frage nicht, sondern zeigt die Bilder und bestätigt damit deren "Echtheit". Quelle: ARD

Jede Hoffnung auf einen „glimpflichen Ausgang“ der Trägodie habe ich mittlerweile aufgegeben.

Denn ein paar Stunden später sind es schon hundert oder zweihundert Tote und ein „enorm schwereres“ Beben.

Einen Tag später ist es das „schwerste, je gemessene“ Beben, dass die japanische Insel seit Beginn der Aufzeichnungen erschüttert hat und es sind „vermutlich“ über 1.000 Tote.

Wiederum Stunden später sind es „möglicherweise“ mehr als 10.000 Tote – die Küstenstadt Minamisanriku sei „völlig zerstört“.

Seit das Beben der Stärke 8,8 auf der Richter-Skala am 11. März 2011 um 06:45 Uhr unserer Zeit das weit entfernte Japan erschüttert hat, sind noch nicht einmal zwei Tage vergangen.

Die Energie der Katastrophe wird immer unfassbarer.

Und die Nachrichten verdichten sich, schmelzen zusammen. Die Energie der Zerstörung wird immer deutlicher, wenn auch immer noch unfassbar.

Das auslösende große Beben ist vorbei, Nachbeben erschüttern das Land.

Und die fürchterlichste Katastrophe läuft langsam, aber „sicher“ ab. In Block 1 des Kernkraftwerks Fukushima I droht eine „Kernschmelze“.

Die Kettenreaktion der Nachrichtenschleife wiederholt sich.

Auch andere Reaktoren sollen „Probleme“ haben – die Nachrichtenschleife beginnt von vorne.

Erst heißt es, es drohe keine Gefahr. Dann, es gäbe größere Schäden, aber alles sei aber unter Kontrolle. Dann werden Schwierigkeiten gemeldet – die sind natürlich „unvermutet“.

Alles, was nach „echten Schwierigkeiten“ klingen könnte, wir dementiert.

Alle Nachrichten sind unsicher. Dann wird bestätigt, dass Fukushima „möglicherweise außer Kontrolle“ sei. Dann explodiert was. Was genau, kann niemand ganz genau sagen. Aber die Bevölkerung wird zur „Ruhe“ aufgefordert.

"Kontrolleure" winken Personen durch. Ist das glaubwürdig, wenn einer nach dem anderen "durchgewunken" wird? Quelle: Spiegel online

Dann wird eine Sicherheitszone von zehn Kilometern eingerichtet, später auf 20 Kilometer erweitert.

Dann verdichten sich die Nachrichten, dass eine Kernschmelze bevorstehe oder bereits begonnen habe.

Dann gibt es Meldungen, dass Menschen „in Sicherheit“ gebracht, also vermutlich evakuiert würden.

200.000 Menschen in Sicherheit?

Dann sind es „vermutlich“ 100.000, dann 110.000 und gegen Mitternacht meldet Spiegel Online: „Japan bringt 200.000 Menschen in Sicherheit.“

Das mag man so gerne glauben: Sicherheit für die Menschen in den betroffenen Gebieten.

Überall laufen Videobilder: Menschen werden auf „radioktive Konterminierung“ geprüft und dürfen weggehen, Helfer holen Kinder, Alte und Verletzte aus den feuchten Müllwüsten, die der Tsunami hinterlassen hat.

Auffanglager werden gezeigt und statt „Durchhalteparolen“ dürfen interviewte Personen sagen, dass sie Angst haben, aber hoffen und es keinen Ausweg gibt.

Tatsache ist:

Seit um 06:45 Uhr unserer Zeit ein gigantisches Erdbeben Japan erschütterte, wird zunächst Japan von einer unglaublichen Katastrophe heimgesucht.

Das Erbeben hat enorme, noch nicht bezifferbare Schäden ausgelöst.

Auf das Erdbeben folgt ein Tsunami mit einer unglaublich zerstörerischen Energie. Aus der sichereren Hubschrauberperspektive aufgenommene Bilder belegen eine natürliche Zerstörungsgewalt, die bar jeder „Ideologie“ ist, sondern nur physikalischen Gesetzen folgt. Es gibt kein „gut“ oder „schlecht“, sondern nur hohe Wellen mit einem gigantischen Druck, die alles mitreißen.

Auf die Naturkatastrophe folgt die technische Katastrophe. Die Infrastruktur des Landes ist beschädigt. Die Kühlsysteme von einigen Atomkraftwerken sind angegriffen und versagen.

Die Medien transportieren lange vor der möglichweise stattfindenden Kernschmelze Meldungen aus allen Richtungen, die alle nicht „sicher“ sind.

Die Hoffnung ist zu spüren – die Meldungen entwickeln sich schlecht.

Oft ist den Meldungen die Hoffnung anzumerken, dass die Katastrophe nach der Katastrophe ausbleibt.

Aber die Meldungen entwickeln sich schlecht und es wird immer klarer, dass der Tsunami die schlimmste Naturkatastrophe in der „aufgezeichneten“ Geschichte Japans ist, aber die sich ankündigende technische Katastrophe noch „schlimmer“ sein könnte.

Um das Kernkraftwerk Fukushima wird eine „Sicherheitszone“ eingerichtet, erst zehn Kilometer, dann zwanzig Kilometer.

Ob ARD, ZDF, Spiegel oder andere Nachrichten"quellen" - überall diesselben Bilder derselben Turnhalle, die als Beleg dafür herhalten muss, dass hunderttausende von Menschen evakutiert werden. Quelle: Spiegel online

Angeblich werden 200.000 Menschen „in Sicherheit“ gebracht. Innerhalb von Stunden – wie das „logistisch“ in einem Land möglich ist, dessen Infrastruktur empflindlich gestört wurde, berichtet kein Medium. Ebensowenig, wie man mal eben innerhalb von Stunden eine Logistik aufbaut, um 200.000 Menschen „aufzufangen“.

Die Medien berichten trotzdem weiter. Meldung um Meldung kommt in die Redaktionen, wird dort „bearbeitet“ und verlässt sie wieder – dann und dann sind die Nachrichten auf Sendung, dann und dann müssen Zeitungen gedruckt werden. Immer braucht es die „neueste“ Nachricht, die „letzte Meldung“.

Doch die Zeitverschiebung verstärkt das Chaos – Europa ist acht Stunden „hinter“ Japan. Wer sich am Nachmittag oder Abend informieren will, gekommt keine neuen Nachrichten, denn es ist dann Nacht in Japan.

Nachrichten ohne Halbwertzeit.

Und niemals sagt jemand: „Stop – nichts, von dem, was wir berichten, kann irgendjemand überprüfen. Solange das nicht „gecheckt“ ist, gehe ich damit nicht auf Sendung.“ Oder: „Sie sehen hier Bilder, die wir gekauft haben. Über die Zuverlässigkeit können wir Ihnen keine Auskunft geben, weil wir nicht vor Ort waren.“

Es gibt keine Halbzeitpause und schon gar keine Halbwertzeit für Nachrichten.

Nach und nach „verdichten“ sich aber die Nachrichten und es wird immer „klarer“, dass alles, was noch Stunden zuvor gemeldet worden ist, keine Gültigkeit mehr hat.

Aus Sicht der Medien, vor allem der Hörfunk- und Fernsehsender, ist das egal. Je mehr Dramatik, umso besser – damit kann man den „Flow“, also die Nachrichtenkette wunderbar weiterführen.

Voranschreitendes Unglück für Tageszeitungen.

Für die Tageszeitungen, vor allem die lokalen, ist ein solch dramatisch voranschreitendes Unglück aber eine andauernd zeitversetzte Katastrophe. Was in der Zeitung als Nachricht steht, ist schon längst „verglüht“ und stimmt aktuell nicht mehr.

Gerade die Lokalzeitungen sind „doppelt getroffen“ – einerseits von dem unglaublichen Ereignis und seiner Geschwindigkeit und andererseits, weil sie keine eigenen Leute vor Ort haben. Korrespondenten leistet sich so gut wie keine Monopolzeitung mehr.

Sie können nur abschreiben, was „die Agenturen“ berichten. Und das nur bis zum Druck des Blattes – jede Korrektur in den Stunden danach findet in der Lokalzeitung nicht mehr statt.

Kollektiver Gau aller „Nachrichtenredaktionen“.

Was es bedeutet, mal eben innerhalb von „Stunden“ 200.000 Menschen dauerhaft zu evakuieren, fragt keiner. Die sind „in Sicherheit gebracht“ und „schlucken Jod-Tabletten“, damit sich kein radioaktives Jog in deren Schilddrüse einlagert.

Die Bilder, wo diese „200.000 Menschen“ untergebracht sind, fehlen. Die Frage, wie man das mal eben so innerhalb eines Tages organisiert, auch.

Über Großveranstaltungen im Heimatland wie Rock-Konzerte wird hingegen über Monate im voraus berichtet, über die Herausforderungen für den Verkehr, die Polizei, die Rettungskräfte, die Veranstalter und die zu erwartende Show – und das bei funktionierender Infrastruktur.

Sehnsucht nach Halt im Chaos, während die Kerne schmelzen.

Darum geht es aber gerade nicht. Es geht um die Sehnsucht, dass irgendjemand weiß, was er tut. Es geht um einen „Halt“ im Tsunami der sich überschlagenden Nachrichten.

Im Internet und dann auch im Fernsehen werden eine „Turnhalle“ und ein „Zeltunterstand“ mit Bildern von „Kontrolleuren“ in vermeintlichen Maler-Papieranzügen gezeigt, mit der Bildaussage, das „alles unter Kontrolle“ ist.

Nachrichten im Sog der Kernschmelze.

Spätestens dann wird klar, dass eine journalistische Kernschmelze begonnen hat und nichts mehr „unter Kontrolle“ ist. Dass nur noch in Konkurrenz zu anderen um „die besten Bilder“ ein Theater veranstaltet wird, das seinesgleichen sucht.

Ich gehe davon aus, dass die „Nachrichten“ der kommenden Tage eine Katastrophe zeigen, die noch „unglaublicher als unglaublich“ sein wird.

Die Informationen werden erschütternd sein – für Weltbilder, für die Wirtschaft, für die Politik, für den Glauben an die „Zukunft“ – zumindest in Japan, aber vermutlich in der ganzen Welt.

Über die Folgen hat noch niemand berichtet – sie werden ebenfalls „unglaublich“ sein.

Bis man sie glauben muss.