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Rhein-Neckar, 24. MĂ€rz 2011. (cm) Jeder Autofahrer kennt sie. Kleine ZĂ€une am Fahrbahnrand. Sie dienen dazu, Amphibien vor dem ĂĆberqueren der StraĂe zu hindern, damit sie nicht zum Opfer vorbeifahrender Autos werden. Manchmal werden sogar ganze StraĂen gesperrt. Doch wieso dieser Aufwand? Welche Funktion erfĂŒllen diese Tiere im Ăkosystem? Wir haben mit Christiane Köhler, GeschĂ€ftsfĂŒhrerin des Naturschutzbundes Deutschland fĂŒr den Bereich Rhein-Neckar-Odenwald gesprochen.
Interview: Christian MĂŒhlbauer
Jedes Jahr werden StraĂen gesperrt oder SchutzzĂ€une aufgebaut, um Krötenwanderungen zu ermöglichen. Wieso ist es so wichtig die Tiere zu schĂŒtzen? Der Aufwand ist ja verhĂ€ltnismĂ€Ăig groĂ.
Christiane Köhler: „Zum einen ist es aus Tierschutz-GrĂŒnden wichtig, die Tiere nicht einfach sinnlos zu töten, indem Sie ĂŒberfahren werden. Zum anderen erfĂŒllen Amphibien eine wichtige Funktion im Naturhaushalt, sie tragen dazu bei, dass Schad-Insekten dezimiert werden und sind selbst wichtige Nahrung fĂŒr viele Wirbeltiere.“
Was ist eigentlich die Ursache fĂŒr die Wanderung?
Köhler: „Amphibien sind eine sehr ursprĂŒngliche Tiergruppe am ĂĆbergang vom Wasser- zum Landleben. Sie mĂŒssen zur Fortpflanzung noch das Wasser aufsuchen, da bei Ihnen eine sogenannte „Ă€uĂere Befruchtung“ stattfindet. Das heiĂt, Eizellen und Spermien werden nicht im Körper ĂŒbertragen, sondern sie werden ins Wasser abgegeben und treffen sich dort auĂerhalb des Körpers der Tiere. Auch die Kaulquappen benötigen Wasser zu ihrer Entwicklung. Andererseits können die erwachsenen Tiere, wenn sie sich an Land verteilen wesentlich mehr Nahrung finden, als wenn alle Tiere im Teich bleiben wĂŒrden. Daher wandern sie nach der Paarung weg vom Teich.“
Die Kröten wandern ja stets ĂŒber „diesselbe“ Route. Woher wissen die Tiere, wo sie hin mĂŒssen?
Köhler: „Das Wanderverhalten an sich ist gut untersucht, doch wie beispielsweise die Erdkröte, unsere hĂ€ufigste Krötenart, Jahr fĂŒr Jahr das gleiche GewĂ€sser wiederfindet, ist noch nicht endgĂŒltig geklĂ€rt. Dass sie den Laichplatz sehen ist unmöglich, weil die Winterquartiere meist ĂŒber einen Kilometer entfernt liegen. Da sie bei der Wanderung andere GewĂ€sser durchqueren, ist die Orientierung anhand von „Feuchtigkeitswerten“ auszuschlieĂen. Auch die Vermutung, dass sich Amphibien durch ihren Geruchssinn orientieren, ist durch Verfrachtungsversuche widerlegt worden. Weitere Vermutungen, wie die Orientierung auf Grundlage der Landschaftskenntnis, der Erdanziehung oder der Navigation anhand von Himmelskörpern konnten bis heute nicht bewiesen werden.“
Wie lange dauert so eine Krötenwanderung?
Köhler: „Die Dauer der Krötenwanderung insgesamt und auch die des einzelnen Tieres ist sehr stark von der Witterung abhĂ€ngig. Kröten wandern in der Regel nur, wenn es abends zu Beginn der DĂ€mmerung noch mindestens 7 Grad Celsius warm ist und wenn es feucht und nicht zu windig ist. Das liegt daran, dass alle Amphibien eine empfindliche feuchte Haut haben, die nicht austrocknen darf. Zudem sind sie wechselwarm und wĂ€ren bei zu niedrigen Temperaturen einfach zu unbeweglich.
In der Regel dauert die Hinwander-Zeit zum Teich fĂŒr eine gesamte Krötenpopulation etwa 14 Tage. Die einzelnen Tiere brauchen vom Winterversteck bis zum Teich mehrere Tage.“
Welche Entfernung legen die Kröten bei dieser Wanderung zurĂŒck?
Köhler: „Die Entfernung ist abhĂ€ngig von der Entfernung des Winterversteckes zum Teich. Erdkröten können bis zu 1200 m weit wandern, die kleinen Molche nur wenige 100 m weit.“
Wie ist es um den Bestand der Kröten bestellt?
Köhler: „Die Populationsentwicklung der KrötenbestĂ€nde ist lokal sehr unterschiedlich. Einzelne Vorkommen, die schon fast erloschen waren, haben sich in den letzten Jahren erholt. Einige konnten durch die Neuanlage von Teichen durch den Naturschutzbund gerettet werden. Insgesamt gesehen ist der Trend aber leider negativ. Die Autofahrer nehmen oft keine RĂŒcksicht, auf den StraĂen kommen jedes Jahr hunderte Amphibien um. Zudem werden die Populationen durch Nahrungsmangel, das ZuschĂŒtten von KleingewĂ€ssern und den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft geschwĂ€cht.“
Welche Funktion erfĂŒllen die Tiere im Ăkosystem?
Köhler: „Amphibien fressen eine Vielzahl von Insekten und Schnecken, welche zum Teil auch SchĂ€dlinge fĂŒr den Menschen darstellen. Zudem sind sie selbst wichtige Nahrung fĂŒr groĂe Fische und Vögel wie zum Beispiel Graureiher und Storch.“
Kann eine Krötenwanderung auf nicht-gesperrten StraĂen fĂŒr Autofahrer auch gefĂ€hrlich werden?
Köhler: „Falls es zu einer massenhaften Krötenwanderung auf bestimmten Strecken kommt, und sehr viele Tiere ĂŒberfahren werden, kann es auch fĂŒr die Autofahrer gefĂ€hrlich werden. Die ĂŒberfahrenen Tiere bilden schnell eine schmierige Masse auf der StraĂe, wodurch Autofahrer ins Schleudern kommen können.“
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