Dienstag, 30. Mai 2023

Kampagne: Die Vielfalt der Zeitung

Rhein-Neckar/Koblenz/Bundesgebiet, 13. September 2011. Die Kampagne „Die Vielfalt der Zeitung“ geht auch 2011 weiter – solange, bis ein Verlag sie ab- oder einkauft. Das Netz ist aufgerufen, die Zeitung zu retten. Absurd? Keineswegs. Die Zeitung ist eine WundertĂŒte. Denn auch in TĂŒten können Wunder schlummern…

Aktualisiert: Dieser Artikel wurde seit Erscheinen am 03. MĂ€rz 2011 fortlaufend aktualisiert und wird heute mit aktuellem Datum neu veröffentlicht. Schließlich geht es um Zeitungen! In den vergangenen Monaten streikten Redakteure ĂŒberall im Land und erzĂ€hlten was von QualitĂ€tsjournalismus. Doch darum geht es gar nicht. Es geht um Service. Um Nutzwert. Mittlerweile hat unsere Kampagne 47. Argumente fĂŒr die Zeitung. Allen, die mitmachen, wird eine Erfolgsbeteiligung garantiert, falls ein Zeitungsverlag die Kampagne endlich kauft. Denn es geht um die Zukunft der Zeitung – nein, sogar mehr. Es geht um die Zukunft der Zivilisation, oder so Ă€hnlich!

Von Hardy Prothmann

"Ein bisschen Spaß muss sein...", Christian Lindner, Chefredakteur der Rhein-Zeitung ist eigentlich ein ganz seriöser Journalist - hat aber auch ab und an den Schalk im Nacken. Hier prĂ€sentiert er in bunten Hosen die Bastelanleitung fĂŒr eine Narrenkappe. Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der Rhein-Zeitung.

Die Zeitungen habens arg schwer – die Abos und Leserzahlen gehen zurĂŒck und noch viel schlimmer: Die WerbeumsĂ€tze. Laut Experte Marian Semm verlieren Zeitungen pro 100.000 Auflage seit 2001 rund vier Prozent Umsatzerlöse, was rund einer Million Euro entspricht.

Der MM beispielsweise hat im zweiten Quartal 2010 gut 1.500 Abos verloren und eine Besserung ist nicht in Sicht.

Da ich mit der Zeitung aufgewachsen bin, bestĂŒrzt mich diese Situation zutiefst. Ähnlich wie bei den Robben-Babys, dem Deutschen Wald und ganz allgemein der Umwelt und unserer Zukunft, muss eine Kampagne her, die dieses langsame Dahinsiechen aufhĂ€lt und die Zukunft der Zeitung sichert.

Vergessen Sie das Leistungsschutzrecht, verehrte Verlage. Selbst die Wirtschaft hĂ€lt das fĂŒr eine Art von Raubrittertum. ÃƓberzeugen Sie mit Leistung, dass ist der beste Schutz und das beste Recht.

Ich habe deshalb im Oktober 2010 eine Kampagne gestartet, mit der die bedrohten Zeitungsverlage die Vielfalt der Zeitung darstellen und bewerben können.

Im vergangenen Jahr kamen sage und schreibe 36 VorschlĂ€ge zusammen. Nummer 37 und der erste fĂŒr dieses Jahr kommt von der Rhein-Zeitung (Koblenz) – die schlĂ€gt vor, dass man Narrenkappen aus der Zeitung basteln kann. Sehr kreativ, wie ich finde.

Machen Sie auch mit: Reichen Sie VorschlĂ€ge ein. Save the wundertĂŒte!

Denn die Zeitung ist eine wahre WundertĂŒte – es steckt viel mehr in ihr, als man zunĂ€chst vermutet.

Das lĂ€sst sich in Wort, Bild, Ton und Video in eine wunderbare Imagekampagne umsetzen. Darum dĂŒrfen die Verlag ab sofort gerne pitchen – natĂŒrlich könnten die auch Ideen klauen (was man durchaus gewohnt ist), aber ich setze hoffnungsvoll auf einen Rest von Ehrlichkeit.

Ein Zeitungskollege schreibt als Vorschlag: „Man kann daraus Papierkugeln basteln und Prothmann damit bewerfen. Besser jedenfalls als mit WattebĂ€uschchen“. Diesen Vorschlag lasse ich nicht unerwĂ€hnt, fĂŒge ihn aber nicht als ernst gemeint ein.

Ihre Zeitung – Ihre Vielfalt:

  1. Man kann einen Fisch drin einwickeln (jahrhundertealte Tradition).
  2. Man kann MĂŒcken damit totschlagen (sowie die Zeit).
  3. Man kann sich draufsetzen (gerade bei vollgekoteten ParkbÀnken sinnvoll).
  4. Man kann Geschirr darin einschlagen (wer schon mal umgezogen ist, weiß das).
  5. Man kann damit Fenster putzen (auch wenn manche auf HaRa schwören).
  6. Man kann damit MeerschweinchenstĂ€lle auslegen (auch fĂŒr Kaninchen und Goldhamster geeignet).
  7. Man kann damit RĂ€ume zum Renovieren auslegen (das weiß doch jeder).
  8. Man kann daraus „MalerhĂŒte“ bauen (ist echt einfach).
  9. Man kann darin Blumen einwickeln, vorzugsweise auf dem Wochenmarkt (auf dem Markt Ihrer Wahl).
  10. Man kann damit basteln (Kindergarten und Schule und privat).
  11. Man kann damit Kunst machen (siehe Beuys).
  12. Man kann damit eine Unterlage fĂŒr Gipsarme machen (einfach mal ausprobieren).
  13. Man kann sie gegen Fettablagerung auf KĂŒchenschrĂ€nke legen (das weiß jede gute Hausfrau).
  14. Man kann daraus Möbel basteln (Kreativkurs).
  15. Man kann daraus zusammengerollt eine Selbstverteidigungswaffe machen (siehe Jackie Chan).
  16. Man kann investigativ durch die Zeitungslochtechnik recherchieren (James Bond).
  17. Man kann andere im Zug davon abhalten, ein GesprÀch anzufangen (in allen Bahnen dieser Welt).
  18. Man kann damit wichtig aussehen, vor allem, wen man möglichst viele Bordexemplare auf einmal in allen Sprachen mit zum Platz nimmt.
  19. Man kann damit nasse Schuhe trocknen (Wanderer-Trick 1).
  20. Man kann damit auch im Wald – Sie wissen schon (Wanderer-Trick 2).
  21. Man kann damit den Kamin anzĂŒnden. (read it – then burn it- Prinzip)
  22. Man kann sich damit daten (die und die Zeitung unterm Arm).
  23. Man kann sie sammeln.
  24. Man kann Artikel aus ihr Ausschneiden (sehr beliebt bei BĂŒrgermeistern und GemeinderĂ€ten der GrĂŒnen).
  25. Man kann sich dahinter verstecken (auch den klĂŒgsten Kopf).
  26. Man kann unter Zugabe von Leim jeden Trabbi damit reparieren (fragen Sie Ossis).
  27. Man kann damit seinen Frust abbauen: Stichwort Wutkrumpeln (macht viel mehr Spaß als WutbĂ€lle).
  28. Man kann die Wutkrumpel seinen Katzen zum Spielen geben (die haben auch Spaß damit).
  29. Man kann die Zeitung im Zug vergessen und hoffen, dass sich jemand anderes drĂŒber freut (Danke an Phil, siehe Kommentare).
  30. Man kann sich aus der Zeitung ein Kleid basteln (Danke an Christian Lindner, Chefredakteur Rhein-Zeitung http://ht.ly/31TTj).
  31. Man kann damit seinen Hund erziehen (politisch vielleicht nicht ganz korrekt – danke an Paul J. Hahn).
  32. Man kann damit seinen BrieftrÀger trainieren (erweiterter Vorschlag auf Arg. 31, Danke an Thomas).
  33. Man kann den Hund die Zeitung zerfetzen lassen und damit andere SchÀden vermeiden (Danke an Thomas).
  34. Man kann daraus Buchstaben fĂŒr Bekenner- und Erpresserschreiben ausschneiden (Danke an Michael Klems).
  35. Man kann sie kĂŒndigen und bei Abo-Neuabschluss ne Kaffeemaschine als PrĂ€mie bekommen.
  36. Man kann sie wunderbar als Unterlage beim GemĂŒseschĂ€len verwenden (Danke an Karen Belghaus).
  37. Man dann sich daraus eine Narrenkappe basteln (besten Dank an Christian Lindner von der Rhein-Zeitung.)
  38. Man kann aus Zeitungen auch BrĂŒcken bauen (Japan). (Danke an Christoph von Gallera)
  39. Man kann Zeitungen als TĂŒrsturzfĂŒllung verwenden (im eigenen Haus gefunden als FĂŒllmaterial aus den 50-er Jahren). (Danke an Christoph von Gallera)
  40. Man kann mit einer Zeitung unterm Arm so tun, als wÀre man gebildet. (Danke an Michi.)
  41. Man kann mit einer Zeitung politisch korrekt Geschenke einpacken. (Dank an Michi.)
  42. Man kann mit einer Zeitung Boxen ausstopfen. (Danke an Michi.)
  43. Zur Not kann man sie auch als Klopapier verwenden. (Danke an Michi.)
  44. Man kann mit einer Zeitung und Kleister hĂŒbsche Lampfenschirme basteln. (Danke an Michi.)
  45. Man kann mit der Zeitung auch „Langeweile“ ĂŒberwinden und zunĂ€chst ein Zimmer damit tapezieren und dann erst alle „A“-Buchstaben, dann alle „B“ usw, einkringeln – vielleicht ein neuer Therapie-Ansatz? (Danke an Marietta)
  46. Man kann die Zeitung als Unterlage verwenden, damit man die Tischdecke nicht verkleckert. (Dank an Giesela S.)
  47. Man kann mit einer Zeitung (politisch korrekt) Geschenke einpacken. (Dank an Torsten S.)

Das sind jede Menge gute GrĂŒnde, die zeigen, wie vielfĂ€ltig Zeitung ist oder sein kann – auch wenn viele sie fĂŒr einfĂ€ltig halten. Ob man sie auch noch lesen kann oder will, ist doch nun wirklich nur ein Grund unter vielen.

Und versuchen Sie mal einen der oben genannten GrĂŒnde mit Ihrem Notebook, Ihrem Handy  oder dem IPad… (naja, bis auf Grund 22, 40).

Sie sehen – die QualitĂ€t der guten alten Tante Zeitung ist einfach atemberaubend vielfĂ€ltig.

Unglaublich ist auch ihr Beitrag zur VölkerverstĂ€ndigung – den ĂŒberall auf der Welt, in allen Sprachen, mit allen politischen HintergrĂŒnden gelten alle Pro-Argumente ĂŒberall gleich.

Und jetzt kommen Sie und zeigen mir auch nur ein einziges Produkt, ein einziges Kulturgut, das Àhnlich vielfÀltig wie die Zeitung ist.

Sie werden keins finden – die Zeitung ist das Symbol fĂŒr Vielfalt, fĂŒr jedweden Nutzen. Oder?

Jetzt muss sich nur noch eine Zeitung finden, die mutig, humorvoll und selbstironisch genug ist, all diese positiven Eigenschaften zu bewerben.

Mal schauen, wer sich so alles um diese einzigartige Kampagne bewerben wird.

Sollte es so sein wie seit vielen Jahren, kopiert irgendjemand aus dem Internet die Idee sehr erfolgreich und die Zeitungen haben wieder das frustvolle Nachsehen.

Lehnen Sie sich auf, verehrte Zeitungsverleger. Geben Sie Gas. Seien Sie mutig.

Es lohnt sich.

Wenn Sie jetzt denken, dass Sie dafĂŒr nichts zahlen mĂŒssen, sind Sie schief gewickelt.

Gute Ideen haben immer ihren Preis – schlechte Zeitungen nicht.

Ist der Mannheimer Morgen ein Sanierungsfall?

Guten Tag!

Heddesheim, 09. September 2010. Heute berichtet der Mannheimer Morgen unter der ÃƓberschrift „Die Sanierung geht weiter“ ĂŒber den Ammoniak-Unfall an der Eisbahn vom Montag. Angeblich hat der Redakteur Hans-JĂŒrgen Emmerich einen vierspaltigen Bericht geschrieben. Doch das ist eine TĂ€uschung.

Von Hardy Prothmann

Die Zeitungsbranche ist bundesweit in der Krise – mehrere hundert festangestellte Redakteure haben allein im vergangenen Jahr ihre Jobs verloren. Der Grund: Verluste im AnzeigengeschĂ€ft und vor allem die stetigen Abo-RĂŒckgĂ€nge stetzen den Zeitungen massiv zu – und dafĂŒr gibt es GrĂŒnde.

Im Anzeigenbereich haben die Zeitungen die frĂŒheren „Goldgruben“, die so genannten „RubrikenmĂ€rkte“ Auto, Jobs, Immobilien lĂ€ngst an Internetangebote verloren. Und auch im Nachrichtenbereich habe es die Zeitungen zunehmend schwerer, gegen die Internetkonkurrenz anzugehen. Fast jede Nachricht gibt es schon am Vortag meist viel ausfĂŒhrlicher und kostenfrei im Internet – sei es Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur.

Qualitatives Problem bei der Berichterstattung.

Hinzu kommt ein qualitatives Problem in der Berichterstattung. Statt eigene Recherche zu leisten und eigene Gedanken zu verarbeiten, transportieren Zeitungen immer hÀufiger vorgefertigte Berichte. Und tun so, als sei das eine eigene Leistung.

emmerich

Umgeschriebene Pressemitteilung wird als "eigener Bericht" ausgegeben. Quelle: MM

So auch heute im Mannheimer Morgen. Der Bericht unter der ÃƓberschrift „Die Sanierung geht weiter“ ist angeblich durch den Redakteur Hans-JĂŒrgen Emmerich geschrieben worden. Vierspaltig mit großem Aufmacherfoto. TatsĂ€chlich handelt es sich bei dem „Redakteursbericht“ um eine umgeschriebene Pressemitteilung der Gemeinde Heddesheim.

Ist das Umschreiben einer Pressemitteilung eine „journalistische“ Leistung, die es rechtfertigt, dass ein Redakteur dies als eigene, unabhĂ€ngige Berichterstattung ausgibt? Immerhin steht er fĂŒr seinen Namen damit ein.

Mogelpackung.

Oder kann oder muss man das nicht eher als eine gedruckte BankrotterklĂ€rung verstehen? Journalismus lebt vor allem von der GlaubwĂŒrdigkeit. Dazu gehört, dass Journalisten die von ihnen veröffentlichten Informationen sorgfĂ€ltig prĂŒfen, nachrecherchieren und ihre Quellen belegen. Dazu gehört, dass wo „MM“ oder „Emmerich“ draufsteht, das auch drin sein sollte. Alles andere ist eine Mogelpackung.

Hans-JĂŒrgen Emmerich benennt mehrfach seine „Quelle“, die Gemeinde Heddesheim. Soweit in Ordnung. Dass aber der ĂŒberwiegende Teil des Textes 1:1 ĂŒbernommen ist und nur hier und da ein wenig umgeschrieben wurde – darĂŒber informiert er die LeserInnen nicht. Eine Information hat er tatsĂ€chlich nachrecherchiert, die nicht in der Pressemitteilung vorhanden war: 20.000 Euro sind fĂŒr die Sanierungsarbeiten im Gemeindehaushalt 2010 eingestellt.

Diese Praxis, sich fremde Inhalte anzueignen und so zu tun als ob, ist allerdings gang und gĂ€be bei vielen Zeitungen, denen der journalistische Anstand lĂ€ngst abhanden gekommen ist. Diese Praxis lĂ€uft meist nach einem einfachen Muster ab. Es gibt eine Textvorlage, eine Presseinformation, einen PR-Artikel oder eine dpa-Meldung, man „recherchiert“ ein, zwei Fakten zusĂ€tzlich und schwupsdiwups tut man so, als sei das eine eigenstĂ€ndige Leistung und schreibt seinen Namen drĂŒber. Damit macht sich der MM selbst zum journalistischen Sanierungsfall.

Nicht immer ist eine PrĂŒfung und Nachrecherche fĂŒr Redaktionen einfach. Der BĂŒrgermeister Michael Kessler hat zum Beispiel wegen der intensiven Recherchen und der aus seiner Sicht missliebigen Berichte im heddesheimblog seinen Mitarbeitern einen Maulkorb verpasst – sie dĂŒrfen dem heddesheimblog keine Auskunft erteilen (was viele aber doch tun und dabei wissen, dass wir unsere Quellen schĂŒtzen). Der Mannheimer Morgen hat dieses Problem nicht, denn der berichtet meist so, wie sich der BĂŒrgermeister das vorstellt.

GrĂŒnde der Kritik.

Unsere Kritik an der Arbeit des Mannheimer Morgen hat verschiedene GrĂŒnde: Ganz klar stehen wir mit der Zeitung in Konkurrenz um Aufmerksamkeit. Journalistisch betrachten wir den MM schon lange nicht mehr als Konkurrenz, weil dessen Lokalberichterstattung ĂŒberwiegend frei von eigener Recherche und journalistischer Kompetenz ist. Ganz im Gegenteil findet hier hĂ€ufig eine „interessierte“ Berichterstattung statt und noch viel schlimmer: ÃƓber Dinge, die der Redaktion und den „guten Verbindungen“ nicht passen, wird erst gar nicht berichtet.

Es gibt aber noch einen viel gewichtigeren Grund, warum wir ĂŒber die aus unserer Sicht mangelhafte Berichterstattung informieren: Wir nehmen unsere LeserInnen ernst, genauso, wie unsere Aufgabe, die BĂŒrgerInnen umfassend, wahrhaftig und vor allem unabhĂ€ngig zu informieren. Dabei verweisen wir auch auf die Arbeit von anderen Redaktionen, wenn diese einen „Mehrwert“ an Informationen fĂŒr die LeserInnen haben. Denn keine Redaktion dieser Welt hat immer alle Informationen und setzt jedes Thema immer am besten um – wer das behauptet, lĂŒgt.

Verlorene ExklusivitĂ€t. Verlorene GlaubwĂŒrdigkeit.

ZurĂŒck zum Internet. Die Lokalberichterstattung war bis vor einiger Zeit der einzig „exklusive“ Inhalt, den Lokalzeitungen noch hatten. Doch auch hier verliert die Zeitung an „ExklusivitĂ€t“, also an Wert, in dem Maß, in dem eine solide Lokalberichterstattung auch im Internet stattfindet.

Schneller, hintergrĂŒndiger, transparenter, sind drei Eigenschaften von Internet-Angeboten, die den Zeitungen bundesweit zu schaffen macht. Es gibt löbliche Ausnahmen wie die Stuttgarter Zeitung oder die Rhein-Zeitung in Koblenz, die mit journalistischem Ehrgeiz ausgestattet sind.

Der Mannheimer Morgen gehört definitiv nicht dazu. Ein Beispiel? Im „Fall“ Kachelmann ist es der Zeitung wieder einmal nicht gelungen, journalistisch der bundesweiten Konkurrenz voraus zu sein. ÃƓberall in der Republik konnte man meist exklusivere Nachrichten zur Sache lesen, als im „MM“. Das war auch so beim „Peter Graf“-Prozess oder dem „Flowtex“-Skandal, um nur zwei weitere prominente Beispiele zu nennen.

Stattdessen feiert die Zeitung Vereine, Fasching, Feste ab. Dabei handelt es sich um „Terminjournalismus“. Zu den Terminen werden „Reporter“ geschickt, die schreiben auf, was man ihnen sagt oder wie im Fall Emmerich, schreiben sie einfach mal eine Pressemitteilung um und tun so, als sei das eine eigene Leistung.

Dem Anspruch, als „4. Gewalt“ Behörden, Ämter, Institutionen, Firmen und andere im Sinne der Öffentlichkeit zu kontrollieren, kommt eine solche Presse lĂ€ngst nicht mehr nach. Und da es immer noch viele (vor allem Ă€ltere) Menschen gibt, die sich nur aus einer Quelle, der Zeitung, „informieren“, hat das auch nachteilige Wirkungen auf unser demokratische Gesellschaft.

Es gibt noch mehr GrĂŒnde, warum der Mannheimer Morgen durch das heddesheimblog hĂ€ufig kritisiert wird. Ich habe als Student meine ersten journalististischen Erfahrungen bei dieser Zeitung gesammelt und war von 1991-1994 freier Mitarbeiter dieser Zeitung, die einstmals einen wirklich guten Ruf hatte und bekannte Journalisten hervorgebracht hat, beispielsweise Hugo MĂŒller-Vogg, der spĂ€ter langjĂ€hriger Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war und heute als Kolumnist fĂŒr die Bild-Zeitung tĂ€tig ist. FrĂŒher habe ich gerne diese Zeitung als Referenz genannt, heute muss man sich schon fast dafĂŒr schĂ€men.

Journalistische Ehre

Der Hauptgrund aber ist und bleibt die journalistische Haltung: Die Menschen haben ein Recht darauf, ordentlich und transparent informiert zu werden.

Es ist auch eine Frage der journalistischen Ehre: Sie, liebe Leserinnen und Leser, können sich beim heddesheimblog darauf verlassen, dass, wo heddesheimblog drauf steht, auch heddesheimblog drin ist.

Auch wir ĂŒbernehmen hin und wieder fremde Berichte und Pressemitteilungen – so auch zum aktuellen Thema „Ammoniak-Unfall“ an der Eisbahn. Aber wir ordnen die Information so ein, dass unsere LeserInnen wissen, wer diese Information verfasst hat.

Anmerkung der Redaktion: Wer sich die MĂŒhe machen will, kann die Pressemitteilung der Gemeinde mit dem Bericht des Mannheimer Morgen vergleichen.