Dienstag, 30. Mai 2023

Ägypten: „Vermutungen und Klischees sind immer das Gegenteil von Information.“


Guten Tag!

02. Februar 2011. Die Ereignisse in Kairo sind nicht unser „Berichtsgebiet“ – wir schauen aber wie viele Menschen hier vor Ort auf das, was dort vor Ort passiert. Werden wir gut informiert? Daran gibt es erhebliche Zweifel, wie wir im Interview mit Christoph Maria Fröhder erfahren. Und immer, wenn die Ereignisse sich ĂŒberschlagen, gilt die alte „Reporterweisheit“: „Traue keinem.“

Vorbemerkung: Der freie Journalist Christoph Maria Fröhder ist einer der renommiertesten deutschen Krisenreporter und investigen Journalisten. Er berichtet seit fast 40 Jahren von den „Brennpunkten“ der Welt – ob Kambodscha, Vietnam, Afghanistan, Angola, Kosovo oder Irak. Seine exklusiven Berichte haben sich nie am „Mainstream“ orientiert. Als Reporter in Bagdad stieß er 1990/91 zusammen mit dem Tagesthemen-Moderator „Hajo“ Friedrichs die Debatte an, welchen „Bildern“ man trauen kann. Zensur und Manipulation sind allgegenwĂ€rtig, vor allem in Krisengebieten – so die Mahnung. Fröhder ist ein vielfach preisgekrönter Journalist und lebt in Frankfurt/Main.

Interview: Hardy Prothmann

Herr Fröhder, wie beurteilen Sie die aktuelle Berichterstattung in Deutschland ĂŒber die Unruhen in Ägypten?

Christoph Maria Fröhder: „Mich stört vor allem der Mangel an Hintergrundgeschichten und vernĂŒnftigen Einordnungen, was da gerade vor sich geht. Bislang beschrĂ€nken sich die großen Medien auf eine chronologische Berichterstattung. Dann ist das und dann ist das passiert.“

Hier passiert gerade Geschichte.

Warum ist eine intensivere Berichterstattung ihrer Meinung nach nötig?

Mittendrin und nie dabei: Christoph Maria Fröhder im Irak 2003. Bild: privat

Fröhder: „Ägypten ist ein Nachbarland – fĂŒr alle Mittelmeerstaaten. Ägypten ist das wichtigste arabische Land in der Region mit der grĂ¶ĂŸten Armee und ein direkter Nachbar zu Israel. Und Ägypten ist ein Kulturland von herausragender Bedeutung. Und hier passiert gerade Geschichte.“

Was wĂŒrden Sie versuchen, wenn Sie vor Ort wĂ€ren?

Fröhder: „Das liegt doch auf der Hand. Das MilitĂ€r hĂ€lt sich bislang auffallend zurĂŒck und betont, dass MilitĂ€r und Volk eins sind. Wie geht das? Hat Mubarak keinen Zugriff mehr auf das MilitĂ€r? Wer entscheidet dann? Da muss man losziehen, Fragen stellen und sich das vom MilitĂ€r erklĂ€ren lassen.“

Das geht im Ausnahmezustand?

Fröhder: „Die FĂŒhrungspersonen des MilitĂ€rs sind ĂŒberraschend gebildete Leute, die auch ĂŒber ein entsprechendes Selbstbewusstsein verfĂŒgen – zumindest ist das meine Erfahrung. Ich war bei den Kontakten meist angenehm enttĂ€uscht, dass meine Vorurteile widerlegt worden sind. Die sind ĂŒberraschend offen, wenn man weiß, wie man sie zu nehmen hat. Außerdem nimmt man sie in die Pflicht.“

Wie meinen Sie das?

Fröhder: „Die MilitĂ€rs wissen sehr wohl, was Medien bedeuten. Wenn man sie zu Aussagen vor der Kamera bekommt, nimmt man sie in die Pflicht, nĂ€mlich beim Wort. Und wenn es heißt, die Armee und das Volk sind eins, dann will ich das von einem hochrangigen Offizier hören und dokumentieren. Sehr spannend ist, wie das MilitĂ€r sich verhĂ€lt. Die Leute dĂŒrfen auf die Panzer und diese sogar mit Anti-Mubarak-Parolen besprĂŒhen. Man muss doch herausfinden wollen, warum das möglich ist. Oder auch die Gemeinsamkeit von Christen und Moslems. Das ist doch hochspannend und ein wichtiges Signal fĂŒr die Zukunft.“

Recherche statt MĂ€rchen!

Wie sind Sie inhaltlich mit den verbreiteten Informationen zufrieden?

Fröhder: „Ich kann mich nur wundern, was alles geschrieben wird. Beispielsweise ĂŒber Omar Suleiman, den eingesetzten Vize von Mubarak. Die „graue Eminenz“ wird fast schon heroisch verklĂ€rt. Dabei gibt es genug Hinweise, dass Suleiman als Geheimdienstchef in Folterungen und andere Verbrechen direkt verwickelt war. Dem sollte man mal nachgehen, statt MĂ€rchen nachzuerzĂ€hlen.“

Was wĂŒrden Sie noch vor Ort berichten?

Fröhder: „NatĂŒrlich ĂŒber die Opposition, die HoffnungstrĂ€ger. Das schĂŒtzt diese Leute auch vor ÃƓbergriffen. CNN ist es beispielsweise problemlos gelungen, ein 40-minĂŒtiges Interview mit ElBaradei zu bekommen, obwohl der unter Hausarrest stand. Wie das? Die sind hingefahren und habens im Garten hinterm Haus gemacht. Was ich bei ARD und ZDF gesehen habe, waren dagegen Schnittbilder wĂ€hrend einer Demo, mit begrenzter Aussage.“

Was meinen Sie?

Fröhder: „Fast nur so genannte Aufsager und kaum selbstrecherchierte, selbstgedrehte Geschichten. Da hat Antonia Rados bei RTL mit Bildern von improvisierten Lazaretten der Muslimbruderschaft mehr gezeigt. Solche Geschichten wĂ€ren nach meiner EinschĂ€tzung in den vergangenen Tagen immer möglich gewesen.“

„Man muss kritisch einordnen.“ Christoph Maria Fröhder

Waren die RTL-Bilder ĂŒber die Lazarette der MuslimbrĂŒder nicht zu unkritisch?

Spezialgebiet: Kontinuierliche Beobachtung. Christoph Maria Fröhder. Bild: privat

Fröhder: „Doch. NatĂŒrlich versuchen die sich dadurch ans Volk ranzumachen. Das muss man kritisch einordnen. Man muss aber auch herausfinden, ob sie wirklich fĂŒr einen totalitĂ€ren Gottesstaat stehen oder nicht. Die MuslimbrĂŒder waren lange verboten und die Frage ist, ob sie nicht eine gesellschaftliche Gruppe sind, die ihren Platz suchen und haben und darĂŒber muss man zutreffend berichten. Vermutungen und Klischees sind immer das Gegenteil von Information.“

Welche Berichte wĂŒrden Sie sich noch wĂŒnschen?

Fröhder: „Wo sind die Hintergrundstories ĂŒber die jugendliche Elite? Die Studenten, die jungen Vordenker? Oder die vielen gut ausgebildeten Frauen? Auch hier gilt die Frage: Haben die Ideen, was aus Ägypten werden kann und soll? Sind sie organisiert? Stehen sie dem Land zur VerfĂŒgung? Man muss vernĂŒnftigen Leuten eine Stimme geben, die sonst bei den Bildern in der Masse untergehen. Und was passiert eigentlich draußen auf dem Land oder in anderen StĂ€dten? Ich sehe fast nur Bilder vom Tahrir-Platz.“

Folklore vs. Journalismus.

Vielleicht liegt es daran, dass man die nicht kennt?

Fröhder: „Ganz bestimmt sogar. Das ist etwas, was ich schon sehr lange kritisiere. Klar, es wird hier und da aus Nordafrika berichtet. Aber was? Folkloristisches Zeugs. Eine kontinuierliche journalistische Beobachtung ĂŒber die kritische Entwicklung zur Gewaltherrschaft kann ich nicht erkennen. Man muss Kontakte halten und pflegen. Ohne die versteht man nichts und kommt auch nicht zu den interessanten Menschen.“

Wie informieren Sie sich zur Zeit?

Fröhder: „ÃƓber CNN, ABC, Al Jazeera, aber vor allem ĂŒber die New York Times oder auch El Pais und Le Monde. Da gibt es großen journalistischen Ehrgeiz.“

Der Blogger Richard Gutjahr ist kurzentschlossen von Israel nach Kairo geflogen. Halten Sie das fĂŒr journalistischen Ehrgeiz und eine gute Idee?

Fröhder: „Ich kenne Herrn Gutjahr nicht. Es könnte fĂŒr ihn problematisch werden, wenn er niemanden kennt, kein Netzwerk hat. FĂŒr ihn sehe ich auch ein wirtschaftliches Problem. FĂŒr Zimmer, Fahrzeug, Dolmetscher mĂŒssen Sie mindestens 500 Dollar pro Tag rechnen. Dazu kommen ÃƓbertragungskosten. Das kann schnell ein finanzielles Abenteuer werden. Ansonsten ist es natĂŒrlich richtig, vor Ort zu sein, aber nur, wenn man weiß, was man will und wer die Abnehmer sind.“

„Man kann nicht aus dem Stand ĂŒber komplexe Vorkommnisse berichten.“

HĂ€tten Sie das gemacht?

Fröhder: „Ich bin nicht ĂŒber die VerhĂ€ltnisse von Herrn Gutjahr unterrichtet. Ich kann fĂŒr mich nur sagen, dass ich es immer abgelehnt habe, im Schnellschußverfahren aus einem Land zu berichten, in dem ich zuvor nie gewesen bin, zu wenig Wissen habe und keine Kontakte. Ohne diese Voraussetzungen ist eine hintergrĂŒndige und verlĂ€ssliche Berichterstattung nicht möglich. Man kann nicht einfach aus dem Stand ĂŒber sehr komplexe Vorkommnisse berichten.“

Wird man noch ernst genommen, wenn man solche AuftrÀge ablehnt?

Fröhder: „Wer nachdenkt, sollte ernst genommen werden. Der Mut, einen Auftrag abzulehnen, ist leider nicht sehr entwickelt. Viele denken, sie können alles. Das Ergebnis sehen wir gerade.“

Auch die Tageszeitungen haben offensichtlich niemanden vor Ort. Warum?

Fröhder: „Weil die nicht miteinander reden und kooperieren und keinen Sinn fĂŒr spannende Berichterstattung haben. Wer hindert die großen Zeitungen daran, ein Team zu schicken, das Kontakte hat, sich auskennt und fundiert von vor Ort berichten kann? Die Kosten? Das ist lĂ€cherlich. Man begnĂŒgt sich mit Agenturmeldungen.“

Das Internet hat erkennbar an Bedeutung zugenommen.

Wie beurteilen Sie das Internet und seine Rolle fĂŒr die Berichterstattung?

Fröhder: „Es hat erkennbar an Bedeutung zugenommen. Das gilt fĂŒr Informationen von Akteuren vor Ort genauso, wie fĂŒr die Online-Redaktionen und Blogs der großen Redaktionen. Allerdings ist gerade das Niveau sehr schwankend. Wenn ich zum Beispiel lese, dass der Chef eines großen Mediums einen Diktator wie Mubarak kumpelhaft als „der Bursche“ bezeichnet, strĂ€uben sich mir die Haare. Man muss nicht versuchen, sich durch eine solche Sprache jungen Menschen anzudienen. Die fallen auf solche Plumpheiten nicht herein. Sorge habe ich vor den vielen Videoaufnahmen mit Handies. Sie sind – auch wegen ihrer schlechten QualitĂ€t – sehr leicht zu fĂ€lschen. Hier sollten Redaktionen sehr zurĂŒckhaltend sein und solche Bilder nur in AusnahmefĂ€llen ĂŒbernehmen.“

Links:

Christoph Maria Fröhder, wikipedia, tagesschau.de, Spiegel: „Lösegeld und sĂŒĂŸer Tee“

Richard Gutjahr, Gutjahr’s blog

Al JazeeraLive-ÃƓbertragung

New York Times

El Pais

Le Monde

Krieg der Eitelkeiten

Netzwertig.de ĂŒber den freien Korrespondenten Ulrich Tilgner, der das ZDF wegen „BĂŒndnisrĂŒcksichten“ verlassen hat.

Netzwerk Recherche

Anmerkung der Redaktion:
Wir haben verschiedene Links auf wikipedia gesetzt, das wir selbst fĂŒr die Recherche benutzen – aber niemals den dort angegebenen Informationen „trauen“, solange wir keine anderen Belege fĂŒr diese Informationen recherchiert haben.

Die freien Journalisten Christoph Maria Fröhder und Hardy Prothmann sind GrĂŒndungsmitglieder von Netzwerk Recherche. Sie kennen sich seit 1996.

Tödlicher Stich ins Herz – weitere Waffen gefunden

Guten Tag!

Region Rhein-Neckar/Ludwigshafen, 19. Februar 2010. Gegen den 23-jĂ€hrigen Mann, der gestern in Ludwigshafen einen 58-jĂ€hrigen Lehrer niedergestochen hatte, erging heute Haftbefehl wegen Mordes aus niedrigen BeweggrĂŒnden. In der Wohnung des Mannes fanden die Ermittler weitere Waffen und Chemikalien, die eventuell fĂŒr einen Bombenbau vorgesehen waren.

Gemeinsame PresseerklÀrung der Staatsanwaltschaft Frankenthal und des PolizeiprÀsidiums Rheinpfalz:

„Nach der noch gestern durchgefĂŒhrten Obduktion bei der Rechtsmedizin in Mainz liegt das vorlĂ€ufige Obduktionsergebnis vor. Danach fĂŒgte der 23-jĂ€hrige ehemalige SchĂŒler der BBS II seinem Opfer mehreren Messerstiche zu. Tödlich verletzt wurde der 58-JĂ€hrige durch einen Stich in die Brust, der das Herz verletzte.

Der 23-JĂ€hrige wurde heute um 11.30 Uhr dem Haftrichter vorgefĂŒhrt. Die VorfĂŒhrung erfolgte beim PolizeiprĂ€sidium Rheinpfalz in Ludwigshafen. Auf Antrag der zustĂ€ndigen Staatsanwaltschaft Frankenthal erging Haftbefehl wegen Mordes aus niedrigen BeweggrĂŒnden.
Im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung machte der Beschuldigte keine weiteren Angaben.

Bei der zwischenzeitlich erfolgten Durchsuchung seiner Wohnung in Ludwigshafen wurden 16 Schusswaffen, darunter Schreckschuss-, Luftdruck- und Gotcha-Waffen sichergestellt. Weiterhin entdeckte der EntschĂ€rfungsdienst des Landeskriminalamtes Chemikalien, die zum Bau von SprengsĂ€tzen geeignet sein können. Sie werden zurzeit beim LKA untersucht. ZusĂ€tzlich wertet die Polizei derzeit schriftliche und elektronische Aufzeichnungen des TatverdĂ€chtigen aus. Diese deuten darauf hin, dass er sich mit vorangegangen Amoktaten befasst und möglicherweise bereits vor einiger Zeit mit der Planung einer eigenen Gewalttat begonnen hat.“

Mord aus niedrigen BeweggrĂŒnden – Ex-SchĂŒler tötet Lehrer mit Messer

Guten Tag!

Region Rhein-Neckar/Ludwigshafen, 18. Februar 2010. An der Ludwigshafener Berufsfachschule Technik II in Mundenheim ist heute ein Lehrer von einem ehemaligen SchĂŒler getötet worden. Als Tatmotiv hat der 23-jĂ€hrige mutmaßliche TĂ€ter „Wut“ angegeben.

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Die rheinland-pfÀlzische Wissenschaftsministerin Doris Ahnen (SPD) und der leitende Oberstaatsanwalt Lothar Liebig. Bild: hblog

Die Teilnehmer der Pressekonferenz im Ludwigshafener PolizeiprĂ€sidium waren sichtlich erschĂŒttert ĂŒber die Tat: „Wir gehen von einer Tat aus niedrigen BeweggrĂŒnden aus“, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Lothar Liebig gegenĂŒber der Presse.

Rund 70 Reporter filmten, fotografierten und schrieben mit. Noch gibt es wenige Details: Alles deutet darauf hin, dass es kein Amoklauf war, sondern eine gezielte Attacke auf den getöteten 58 Jahre alten Lehrer, der seinen Wohnsitz in Hessen hat.

Verletzt wurden ein weiterer Lehrer und der Schulleiter Walter Lautwein. Beide konnten sich aber in Sicherheit bringen. Die Schule wurde umgehend gerÀumt, SpezialkrÀfte der Polizei verhafteten kurz darauf den TatverdÀchtigen.

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Die Berufsbildende Schule Technik II in Ludwigshafen. Bild: hblog

Dieser soll strafrechtlich bislang nicht auffĂ€llig gewesen sein und habe nach eigenen Angaben die Schule bereits 2004 verlassen. „Wut“ ĂŒber die schlechte Benotung sei angeblich das Tatmotiv gewesen.

Hinweis:
Der fĂŒr dieses blog verantwortliche Journalist Hardy Prothmann auf Focus online: Trostlose Lebenssituation

Redaktion

Amoklauf an Berufsschule in Ludwigshafen? Lehrer getötet

Guten Tag!

Region Rhein-Neckar, 18. Februar 2010. An der Ludwigshafener Berufsfachschule Technik II in Mundenheim soll es am Vormittag zu einem Amoklauf gekommen sein. Dabei wurde ein Lehrer getötet. Der mutmaßliche TĂ€ter soll gefasst sein.

Die Nachrichtenlage ist dĂŒnn. Laut Polizei soll sich die Tat gegen 10:00 Uhr ereignet haben. Angeblich soll ein bereits gefasster 23-jĂ€hriger der mutmaßliche TĂ€ter sein, der mehrere Personen angegriffen haben soll. Ein Lehrer starb an seinen Verletzungen.

Welche Waffe der TĂ€ter benutzte, ist auch noch nicht klar. Vermutlich ein Messer.

Die Schule ist nach Angaben der Polizei durch ein Großaufgebot der Polizei schnell gerĂ€umt worden. Eltern und SchĂŒler werden nach Angaben der Behörden psychologisch betreut.

Die Berufsbildende Schule Technik II im Ludwigshafener Stadtteil Mundenheim hat 3.200 SchĂŒler und 130 Lehrer.

Redaktion