Sonntag, 24. September 2023

In eigener Sache

Besinnlichkeiten, Bescherungen, Botschaften

 

Rhein-Neckar, 24. Dezember 2012. (red) Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern eine besinnliche Weihnachtszeit, schöne Bescherungen und frohe Botschaften. Auch wenn der „Wettergott“ es nun dieses Jahr gar nicht gut mit uns gemeint hat und uns sommerlich anmutende Temperaturen von 14° Grad beschert hat. Immerhin ist die Welt nicht untergegangen – sie dreht sich weiter. Wir lassen das Jahr geruhsam ausklingen. Ab der zweiten Januarwoche sind wir wieder voll im Einsatz für Sie da.

Von Hardy Prothmann

Heute Abend wird es überall Bescherungen geben – schöne Geschenke, die hoffentlich Freude machen. Es wird zusammen gelacht, gefeiert, auch gestritten und gebetet, zurück- und vorgeschaut, sich erinnert. Und natürlich gut gegessen und getrunken.

Bei uns ist das ganze Jahr Weihnachten. Wir bescheren Sie, unsere Leserinnen und Leser, fast täglich und kostenlos mit „Botschaften“. Die sind leider nicht immer „froh“, sondern geben wieder, was in unserer Welt passiert. Denn das haben wir uns zur Aufgabe gemacht und das erwarten Sie selbstverständlich von uns.

Ist das aber so selbstverständlich, wie es scheint? Das ist es nicht. Wir erbringen eine Dienstleistung für die Allgemeinheit, die tausende von Menschen kostenlos nutzen, die aber alles andere als kostenfrei ist. Wir haben in technische Geräte investiert, haben laufende Kosten für Büroräume, Arbeitsmaterialien, Fahrzeuge. Der größte Posten sind die Honorarkosten für unsere Mitarbeiter, die sehr engagiert Informationen zusammensuchen, sortieren, verarbeiten und aufbereiten.

Umbruchszeit

Während wir diese journalistische Dienstleistung aufbauen und ausweiten, stellen andere diese ein. Spätestens im Jahr 2012 ist klar geworden, dass der Medienmarkt in einem entscheidenden Umbruch ist. Die Verlierer dieses Prozesses werden die gedruckten Zeitungen sein. Nur ein paar Beispiele: In Hamburg wurde die Financial Times Deutschland eingestellt, in Nürnberg die Abendzeitung und hier bei uns vor Ort das Stadtmagazin Meier. Diese Medien sind aus dem Meinungsmarkt verschwunden. Deren Informationen – egal, wie gut oder schlecht sie gewesen sein mögen – werden fehlen.

Stabile Demokratien zeichnen sich aber durch Meinungsfreiheit aus. Bei uns ist diese grundgesetzlich durch Artikel 5 unserer Verfassung geschützt. Um sich eine umfassende Meinung bilden zu können, brauchen wir alle verlässliche und umfassende Informationen, die wir gegeneinander abwägen. Um eine Haltung zu entwickeln oder Entscheidungen zu treffen.

Während im Printbereich viele Angebote ersatzlos verschwinden, entstehen bundesweit seit einiger Zeit neue Angebote wie unseres oder von Kollegen. Einige Dutzend haben sich im Netzwerk istlokal.de zusammengefunden und suchen gemeinsam neue Wege, um einen guten, hintergründigen Lokaljournalismus anbieten zu können.

Kritischer Journalismus bedroht

Wir gehen dabei jeden Tag ein hohes Risiko ein. Denn sobald jemand mit unseren Veröffentlichungen nicht „einverstanden“ ist, drohen Abmahnungen und Klagen wie vor einem Jahr durch den Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele oder die vermeintliche „Tierschutz“-Organisation Peta oder der Heddesheimer Bürgermeister Michael Kessler – in nur drei Jahren sind wir über ein Dutzend Mal abgemahnt worden. Das finanzielle Risiko lag dabei immer zwischen 2.000-10.000 Euro. Insgesamt haben wir bereits über 10.000 Euro an Anwalts- und Gerichtskosten bezahlen müssen. Wie heftig es dabei zugehen kann, zeigt das Beispiel Regensburg-Digital. Unser Kollege Stefan Aigner wurde von der katholischen Kirche verklagt, weil er Zahlungen der Kirche an ein Missbrauchsopfer als „Schweigegeld“ bezeichnet hatte. Durch Spendenzahlungen von Lesern hatte er die finanziellen Mittel, um sich juristisch zu wehren. Das Hamburger Landgericht untersagte dem engagierten Journalisten zunächst diese Behauptung, das Hamburger Oberlandesgericht hob das Urteil auf und die Diözese Regensburg legte dagegen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Die Karlsruher Richter lehnten die Beschwerde ab.

Ganz überwiegend wird kritische Berichterstattung aber anerkannt. An dieser Stelle möchten wir alle die loben, die bereit sind, Kritik nicht nur auszuhalten, sondern anzunehmen und weiter den Austausch suchen. Wir stehen mit dutzenden von Behörden, mit hunderten von unseren Leserinnen und Lesern in gutem Kontakt, die uns immer wieder wertvolle Hinweise über das Geschehen vor Ort geben, die uns Informationen zukommen lassen, die wir prüfen, aufbereiten und veröffentlichen.

Hochwertige Informationen sind wertvoll

Über dieses Engagement sind wir sehr dankbar. Ebenso über das Vertrauen, dass uns unsere Werbekunden schenken. Die Einnahmen aus der Werbung bezahlen unsere Arbeit. Unsere Werbekunden wiederum nutzen die durch uns erzeugte Aufmerksamkeit gerne, weil sie den Medienwandel verstehen und feststellen, dass wir zwar immer wieder streitbare, aber insgesamt sehr hochwertige Informationen anbieten. Weil wir Informationen nicht langweilig verwalten, sondern einordnen und bewerten.

Im kommenden Jahr werden wir ähnlich wie unser Berliner Kooperationspartner Prenzlauerberg-Nachrichten einen Freundeskreis schaffen und eine finanzielle Unterstützung bei Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, einwerben. Wir wissen, dass der überwiegende Teil unserer Leserinnen und Leser unsere Arbeit wertschätzt und lassen uns überraschen, inwieweit das „honoriert“ wird. Sie, liebe Leserin, lieber Leser, können also selbst ihren Teil beitragen, um unseren kritischen Journalismus, den wir nicht aus Selbstzweck, sondern für Sie machen, zu unterstützen. In Stuttgart hat „Kontext – Die Wochenzeitung“ über 1.000 Unterstützer gefunden, die zehn Euro und mehr im Monat (ohne Abo-Bindung) zahlen, um deren journalistische Arbeit zu finanzieren. Sicher aus der Überzeugung heraus, dass kritischer Journalismus absolut notwendig ist, damit die Demokratie lebendig bleibt.

Während Großverlage Teile ihrer Angebote einfach einstellen, wenn sie nicht genug abwerfen, bauen wir auf und investieren. Die Geschäfte entwickeln sich positiv – Ihre Unterstützung können wir trotzdem gut brauchen. Und die ist gut angelegt, weil wir im Gegensatz zu anderen Medien tatsächlich unabhängig arbeiten.

Schlechte Nachrichten vs. positive Entwicklungen

Wir nutzen zum Jahresende die „besinnliche“ Zeit, um über das zu Ende gehende Jahr nachzudenken und das kommende Jahr vorauszudenken. Wir ziehen Bilanz, was uns gut gelungen ist, was weniger, was wir besser machen können. Sie unterstützen uns dabei fortwährend, durch Kommentare, Postings auf Facebook, emails, Anfrufe und persönliche Gespräche. Dafür danken wir ebenfalls sehr herzlich.

Leider besteht unsere Arbeit oft nicht aus „frohen Botschaften“ – denn wir müssen über Missstände berichten, damit diese bekannt und hoffentlich beseitigt werden. Wir freuen uns aber immer, wenn wir positive Nachrichten oder zufriedenstellende Lösungen verbreiten können. Und manchmal kommt beides zusammen: Die Aktivitäten der rechtsradikalen NPD sind schlechte Nachrichten, der Widerstand von Gegendemonstranten dagegen sind sehr gute Nachrichten. Die Katastrophe von Fukushima war eine besonders schlechte Entwicklung, das daraus entwickelte Umdenken in Richtung Energiewende ist eine positive Wendung. Dass wir privaten Energieverbraucher geschröpft werden, während Stromfresserbetriebe von der Bundesregierung verschont werden, ist eine doppelt schlechte Nachricht. Wir informieren Sie über all das und helfen Ihnen, sich ein Bild zu machen und sich eine möglichst differenzierte Meinung bilden zu können.

Eine sehr schöne Nachricht ist, dass unser Flashmob-Video, das wir im vergangenen Jahr in Weinheim produziert haben, mittlerweile fast 50.000 Menschen gesehen haben. In einer schönen, friedlichen Atmosphäre singen Menschen zusammen und erfreuen sich und andere an schöner Musik. In diesem Sinne wünschen ich Ihnen stellvertretend für die gesamte Redaktion Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch.

Ihr

Hardy Prothmann
Chefredakteur

P.S. Bei aktuell wichtigen Ereignissen finden Sie selbstverständlich auch in der Ferienzeit Informationen bei uns.

 

Pflichten für Güterhändler gesetzlich verschärft - Strafen bis 100.000 Euro möglich

Vom Immobilienmakler zum „IM Makler“

Der Immobilienverband Deutschland informiert seine Mitglieder derzeit intensiv über das Geldwäschegesetz und die damit einhergehenden Pflichten. (Quelle: ivd.net)

 

Rhein-Neckar, 13. Dezember 2012. (red/aw) Die Bundesregierung hat Ende 2011 das Geldwäschebekämpfungsrecht mit einem “Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention” verschärft. Davon betroffen sind „Güterhandler“ wie Steuerberater, Anwälte, Treuhänder und auch Immobilienmakler. Mit fragwürdigen Verpflichtungen sollen diese Berufsgruppen die Bundesregierung im Kampf gegen Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche unterstützen.

Besonders die Immobilienmakler haben mit den Auflagen des Geldwäschegesetzes (GWG) zu kämpfen. Laut dem GWG sind Makler dazu verpflichtet “angemessene geschäfts- und kundenbezogene Sicherungssysteme und Kontrollen zu entwickeln, diese zu dokumentieren und fortlaufend zu aktualisieren”. Was soviel bedeutet wie: Der Makler soll den potenziellen Kunden bereits im ersten Kontakt „ausspionieren“.

Tut er dies nicht, begeht er eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 100.000 Euro Bußgeld bestraft werden kann. Der Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Verwalter und Sachverständigen e.V. (IVD) kritisiert vor allem den frühen Zeitpunkt der Identifizierung. Nicht wenige Kunden werden von dem ungewohnten Interesse an persönlichen Informationen beim ersten Kontakt abgeschreckt.

Verweigert der Kunde die Informationen oder kommt dem Makler etwas seltsam am Verhalten des Kunden vor, etwa weil der Befragte ausweichend antwortet, dann ist er verpflichtet eine Verdachtsmeldung bei der zuständigen Behörde abzugeben. Es ist davon auszugehen, dass durch dieses Verfahren eine Vielzahl von unbescholtenen Personen auf den schwarzen Listen der Behörden landen, nur weil diese sich wie auch immer „nicht normal“ verhalten haben.

Baden-Württemberg ist bei der Durchsetzung dieser Pflicht für Immobilienmakler deutschlandweit ganz vorne. Bereits seit Februar 2011 werden Makler-Büros verstärkt überprüft, um zu gewährleisten, dass sie ihrer Nachweispflicht nachkommen.

Den vollständigen Bericht von unserer Autorin Alexandra Weichbrodt lesen Sie auf unserem Regionalportal Rheinneckarblog.de.

Journalist vs. katholische Kirche

Geprothmannt: Solidarität mit Aigner

Der Regensburger Dom – Sinnbild der Meinungsverachtung und des Schweigegelds. Quelle: Regensburg-digital.de

Rhein-Neckar/Regensburg, 24. September 2012. (red) Der Regensburger Journalist Stefan Aigner ist jemand, der genau hinschaut. Jemand, der sich um Opfer kümmert. Jemand, der die längst vergessene Kunst der Sozialreportage im Lokalen wieder aufleben lässt. Jemand, dem es nicht egal ist, ob man „Streumunition“ als „intelligente Wirksysteme“ bezeichnet. Und immer wieder wird der Journalist von Konzernen verklagt: Ob von Waffenfabrikanten wie „Diel“, ob von Glaubensfabrikanten wie der „Diözese Regensburg“ oder von einer XXL-Möbelfabrikantenkette. Die katholische Kirche will Stefan Aigner exkommunizieren und geht bis vors weltlich jüngste Gericht. Der Glaubenskonzern will dem Regensburger Journalisten verbieten lassen, im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch Geldzahlungen als „Schweigegeld“ zu bezeichnen.

Von Hardy Prothmann

Die Diözese Regensburg hat die Widerwärtigkeit als Glaubensprinzip entdeckt. Der juristische Glaubenskampf eines Bischofs Müller ist an Erbärmlichkeit nicht zu überbieten. Über Jahrzehnte  hat die katholische Kirche den Missbrauch von Schutzbefohlenen „gedeckt“.

Der Skandal des mannigfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern Jugendlichen durch katholische Priester oder sonstige Angestellte dieser Kirche hat nicht nur die Glaubensgemeinde, sondern das ganze Land erschüttert. Eine glaubhafte Aufklärung durch die Verantwortlichen hat nicht stattgefunden. Die Missbrauchsopfer wurden durch diese Kirche nochmals verhöhnt und öffentlich vergewaltigt.

„Beigeschmack“

Der Regensburger Journalist Stefan Aigner hat sich vor Ort „um das Thema gekümmert“. Und Zahlungen an ein vergewaltiges Opfer als „Beigeschmack von Schweigegeld“ bezeichnet. Wie auch der Spiegel. Das Magazin formulierte härter: Schweigen gegen Geld. Von „Beigeschmack“ ist da keine Rede.

Die Diözese Regensburg hat im Zuge des „fliegenden Gerichtsstands“ dann in Hamburg gegen Spiegel und Aigner geklagt. „Fliegender Gerichtsstand“ meint – da das Internet überall ist, sucht man sich das Gericht aus, bei dem man sich die besten „Chancen“ ausrechnet. Was das über eine Gerichtsbarkeit „im Namen des Volkes“ aussagt, soll hier nicht debattiert werden.

Das Landgericht Hamburg hat erwartungsgemäß sowohl den Spiegel als auch Aigner verurteilt, die Behauptung von „Schweigegeldzahlungen“ zu unterlassen. Doch das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts kassiert. Das passiert oft, aber nur, wenn man es sich leisten kann. Stefan Aigner konnte das, weil er rund 10.000 Euro Spendengelder einwerben konnte, um sich zu wehren. Sonst wäre er ruiniert gewesen. Im Sinne der Kirche. Denn Aigner hatte vorher versucht, eine Einigung zu erzielen. Sowas wollte das Bistum nicht. Bischof Müller steht für Inquisition.

Verfassungsbeschwerde gegen „Schweigegeld“

Gegen das Urteil des Oberlandesgericht hat die Diözese Regensburg nun laut einem Bericht von regensburg-digital.de „Verfassungsbeschwerde“ eingelegt. Bischof Müller als Verantwortlicher will also vom höchsten deutschen Gericht klären lassen, ob Zahlungen an die Familie eines von einem katholischen Priester zweifelsfrei missbrauchten Jungen als „Schweigegeld“ bezeichnet werden darf oder nicht.

Abseits jeder juristischen „Einordnung“ macht das fassungslos. Jede Scham fehlt. Jedes Schuldbewusstsein. Jede Verantwortlichkeit. Selbst wenn es kein Schweigegeld gewesen wäre, vermisst man bis heute Demut und Anstand bei der Diözese Regensburg. Vielleicht „stinkt der Kopf vom Fisch her“ hier besonders von der Person Müller, aber insgesamt ist das Verhalten der katholischen Kirche in Sachen Aufklärung in ganz Deutschland auf ungläubiges Entsetzen gestoßen.

Um auch das festzustellen: Die „ungeheuerliche“ Klage richtet sich allein gegen einen großen Verlag, den Spiegel und gegen einen freien Journalisten, Stefan Aigner. Auch das erstaunlich oder auch nicht. Die vor Ort „etablierte Presse“ hat entweder gar nicht oder im Sinne der Kirche berichtet. Eine kritische Berichterstattung hat es hier nicht gegeben. Vor Ort soll alles seinen Gang gehen wie immer, Kritik ist nur „in Maßen“ erwünscht, was sich häufig in Maßbierberichterstattung bestätigt, die Tageszeitungen bedienen teuer bezahlende Kunden gut und der Rest findet nicht statt.

Regensburg ist überall

Regensburg ist überall. Genau wie Heddesheim, Ilvesheim oder Weinheim. Was anders ist: Es gibt neue, freie und unabhängige journalistische Angebote. Die sich trauen, hintergründig zu berichten. Und immer öfter finden sie Themen, die deutschlandweit Interesse finden, während Lokalzeitungen in ihrer Instant-Bratwurst-Soße schwimmen. Im Gegensatz zu denen, die sich nichts in den Block diktieren lassen, sondern auf dem Blog anprangern, was schief läuft.

Teilen Sie diesen Artikel, informieren Sie Ihre Freunde und Bekannten über neue Möglichkeiten. Fragen Sie sich, was Ihrer Meinung nach „öffentlich“ sein muss. Informieren Sie wirklich kritische Journalisten. Helfen Sie mit Ihrem Interesse Stefan Aigner – denn der macht das nicht für sein Bankkonto, sondern aus Überzeugung. Ich halte ihn für einen ganz herausragenden Journalisten, der mit Herzblut und einer nach Artikel 5 Grundgesetz bestimmten Haltung eine Stütze unserer Demokratie ist. Einen Preis wird er für seine engagierte Arbeit vermutlich nie gewinnen. Denn er ist kein Teil des „Print-Preis-Systems“, das sich nur selbst huldigt.

 

 

 

In eigener Sache: heddesheimblog beim 15. Mainzer MedienDisput

Guten Tag!

Heddesheim, 27. November 2010. Am Donnerstag, den 25. November 2010, war das heddesheimblog auf dem 15. MainzerMedienDisput vertreten. Hardy Prothmann war als Teilnehmer der Diskussionsrunde „David gegen Goliath – die digitale Steinschleuder“ geladen. Man stellte sich der Frage, welche Perspektive lokaljournalistische Onlineangebote haben und ob sie eine Konkurrenz zum etablierten Printmedienmarkt sind.

Von Christian Mühlbauer

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck eröffnete die Veranstaltung und forderte mehr „Staatsferne“ in den Aufsichtsratsgremien der öffentlich-rechtlichen Sender.

Die aktuelle Debatte über eine gesetzliche Einschränkung von Berichten in Zusammenhang mit möglichen Terror-Akten kommentierte er: „Ich halte solche Überlegungen für inakzeptabel. Die Medien in Deutschland berichten ganz überwiegend so, dass man erkennt, dass sich die Journalistinnen und Journalisten ihrer Verantwortung bewusst sind.“

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Von Links: Alfons Pieter, Peter Schink, Dr. Christian Stöcker, Thomas Mrazek, Stefan Aigner, Hardy Prothmann. Bild: Christian Mühlbauer

Zu den geladenen Gästen des „Panel 4“ gehörten Alfons Pieper (wir-in-nrw.de), Peter Schink (Blog Age), Dr. Christian Stöcker (Stellv. Ressortleiter Spiegel Online, Netzwelt), Stefan Aigner (Regensburg Digital) sowie Hardy Prothmann (heddesheimblog). Die Moderation wurde von Thomas Mrazek (Vorsitzender DJV Fachausschuss Online) durchgeführt.

Gegen die Hofberichterstattung.

Nach einer kurzen Einführung stellten die Teilnehmer ihre Projekte sowie ihre Sicht auf die aktuelle Lage dar. Der frühere stellvertretende Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, Alfons Pieper (69), betreibt das wir-in-nrw.de-Blog erst seit Dezember 2009.

Sein Team umfasse 6-7 professionelle Journalisten, die alle anonym schreiben, „weil sie als Printjournalisten angestellt sind“. Auslöser für die Schaffung des Blogs war die „Hofberichterstattung in Nordrhein-Westfalen“.

Die Berichterstattung hatte den früheren nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers enorm unter Druck gesetzt.

Direkt im Anschluss stellte Hardy Prothmann seine lokalen Blogs zu Heddesheim, Hirschberg, Ladenburg und ab kommender Woche Weinheim, vor. Wie er erklärte, habe er das lokaljournalistische Angebot im Mai 2009 ins Leben gerufen. Aufhänger sei damals das Logistikzentrum „Pfenning“ gewesen, welches sich in der Gemeinde Heddesheim ansiedeln wolle.

Bei seiner Recherche fand er heraus, dass es in den Jahren zuvor zahlreiche negative Berichte über „Pfenning“ gab. Nachdem sich das Unternehmen in Heddesheim ansiedeln wollte, blieben diese jedoch aus. Unzufrieden mit der „Hurra-Berichterstattung“ des Mannheimer Morgen nahm er die Berichterstattung selbst in die Hand.

Stefan Aigner aus Regensburg macht seinen Lokaljournalismus auf „regensburg-digital.de“ schon seit drei Jahren. Ursprünglich war das Projekt aus einem Anzeigenblatt hervorgegangen. Inzwischen betreibt Aigner das Projekt in Eigenregie, unterstützt durch einen Kulturverein, über den Aigner Spenden erhält.

Unabhängig, mutig, unterfinanziert.

Mrazek merkte insbesondere den Untertitel des Blogs an: „Unabhängig, mutig, unterfinanziert“. Wie schlecht es um die Einnahmen bestellt ist, legte Aigner ebenfalls offen: „Ich lebe nur unwesentlich über HartzIV-Niveau, aber ich komme zurecht.“

Ihm folgte die Vorstellung von Dr. Christian Stöcker, stellvertretender Ressortleiter Netzwelt bei Spiegel Online. Gleich zu Beginn vermittelte er seine Kernbotschaft: „Die deutsche Bloggerszene ist eine Bereicherung für die Medienlandschaft.“ Dabei betonte er, dass es durchaus Blogs mit journalistischem Anspruch geben würde. „Blogs werden jedoch keinen Journalismus ersetzen, da sie sich nicht an Standards gebunden sehen“, so Stöcker.

Es folgte Peter Schink. Schink war unter anderem für den Relaunch von Welt Online verantwortlich. Darüber hinaus ist er aktiver Blogger und betreibt eines der ältesten deutschen Blogs. Als Vertreter der Blogosphäre warf er einen Blick auf die Stellung von Blogs im gegenwärtigen Mediensystem. „Was ist anders, wenn ein einzelner etwas publiziert statt eines Verlags?“, war seine Frage an die anwesenden Zuhörer.

Hardy Prothmann hielt den beiden entgegen, dass „kleine Blogs“ oft kritischer als „große Medienhäuser“ berichten, weil die „Abhängigkeiten“ fehlten. Zudem würden viele Redaktionen nur vom Schreibtisch aus arbeiten und nicht draußen bei den Menschen sein. Standards wie Recherche, sichere Fakten, Quellenschutz und andere professionelle journalistische Qualitäten finden selbstverständlich bei guten Blogs statt – oft besser als in „Monopolredaktionen“.

Eine schwierige Situation

Auf die Frage, wie es um die Finanzierung und Akzeptanz der Angebote stehe, redeten alle Teilnehmer Tacheles. Das größte Problem sei, so Alfons Pieper, dass man „keine Rechtsabteilung in der Hinterhand“ habe. Eine Klage oder einen Prozess könne man faktisch nicht riskieren. Auch wenn man monatlich inzwischen 2,5 Millionen Seitenaufrufe erhalten würde. Das wir-in-nrw-Blog ist aber auch nicht-kommerziell angelegt.

Wie riskant die Situation sein kann, verdeutlichte Stefan Aigner. Er wurde bereits mit drei Klagen überzogen. Zwei davon konnte er gewinnen. Ein Prozess steht noch aus. Auf den juristischen „Streit“ mit der Erzdiözese konnte er sich jedoch nur durch Spenden einlassen. „Momentan reicht es für 1,5 Instanzen“, so Aigner.

Aigner hatte in einem Missbrauchsfall durch einen katholischen Priester an einem Jungen eine spätere Geldzahlung als „Schweigegeld“ bezeichnet. Die Kirche will ihm das juristisch untersagen lassen. Die Prozesse wolle man grundsätzlich durchfechten. Schließlich hat ein Gericht bei einem der beiden vorangegangenen Prozesse schon festgestellt, dass „Wahrheit grundsätzlich nicht rechtswidrig“ ist.

Auch Hardy Prothmann hatte schon mehrere „Klage“-Drohungen: „Das ist schon erstaunlich – als ich noch für große Medien berichtet habe, gab es keine einzige Klage, jetzt versucht man mich und andere damit einzuschüchtern.“

Ein Blick in die Zukunft

Das nach wie vor konkrete Problem ist und bleibt also die Finanzierung. Primär würde diese bisher über Werbung ermöglicht.

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Hardy Prothmann gibt im Anschluss an seine Podiumsdiskussion einer Journalsitenschülerin ein Interview. Bild: Christian Mühlbauer

Wie es zukünftig mit lokaljournalistischen Blogs weitergehe, konnte man nicht abschließend beantworten. Professioneller, journalistisch ausgebildeter Nachwuchs sei jedenfalls vorhanden. Vielleicht kommen in der Zukunft Zusammenschlüsse von journalistischen Blogs in Form von Netzwerken zustande. Man müsse aber auch festhalten, so Peter Schink, dass die deutsche Blogosphäre im Vergleich zu anderen Ländern nicht gut entwickelt sei.

Auch die Frage der Refinanzierung werde sich über kurz oder lang lösen lassen, wie Dr. Stöcker festhielt. So sei „viel Luft für Werbung“, wenn man den Anzeigenmarkt Print mit dem Anzeigenmarkt Online vergleiche.

Hardy Prothmann merkte an, dass Online-Werbung oft noch erklärungsbedürftig sei, sich der Trend aber eindeutig weg vom Print hin zu Online entwickle: „Printwerbung ist im Vergleich zu Onlinewerbung extrem teuer und wenig erfolgreich – online trägt weiter, ist schneller, flexibler und kann einfach mehr.“

Hinweis:
Der MainzerMedienDisput wurde 1996 erstmalig veranstaltet und wird von der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz getragen. Die Medienpartner des Disputs sind der Südwestrundfunk (SWR) und das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF).

Anmerkung der Redaktion:

Christian Mühlbauer absolviert ein redaktionelles Praktikum bei uns in der Zeit vom 22. November – 10. Dezember 2010. Herr Mühlbauer studiert an der Fachhochschule Ansbach „Ressortjournalismus.“

Kunst, Beuys, Business

Guten Tag!

Heddesheim, 05. November 2010. Der Heddesheimer Künstler Dr. Kurt Fleckenstein hat zur Zeit eine Ausstellung in Regensburg, die die die „zunehmende Automatisierung, das allerorten reduzierte Service-Angebot“ thematisiert. Aus Regensburg berichtet Stefan Aigner.

Von Stefan Aigner

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Kurt Fleckenstein bei der Eröffnung in Regensburg.

Kunstwerke sind es nicht – die Plakate, die da an den Wänden im neuen Ausstellungsraum des Neuen Kunstvereins hängen – in einer ehemaligen Sparkassen-Filiale im Einkaufszentrum in Regensburg-Königswiesen Nord. Wie bei einem Ableger des Finanzunternehmens sieht es dort nach wie vor aus, obwohl weder das Original-Logo noch das Wort „Sparkasse“ auftauchen.

„Beratung inklusive“ heißt die Installation des Heddesheimers Kurt Fleckenstein, der damit die „zunehmende Automatisierung, das allerorten reduzierte Service-Angebot“ thematisieren will. Passend – direkt neben der Sparkassen-Filiale, wo nur noch Automaten stehen, und einer vollautomatisierten Packstation der Post.

„Auf den Spuren von Joseph Beuys“ wandle Fleckenstein damit, meint Kunstvereins-Vorsitzender Reiner R. Schmidt in seiner Laudatio. Als studierter Landschaftsarchitekt zeige Fleckenstein ein Gespür für „das Verhältnis von Raum und Mensch“ und habe hier eine „soziale Plastik im Beuys’schen Sinne“ entworfen.

Wie sieht sie nun aus, diese „soziale Plastik“: Das Sparkassen-Logo wurde leicht verfremdet, die Mitte des Raums durchzieht ein roter Empfangsteppich, der zu einem ausladenden Beratungstisch führt, an dem Mitglieder des Kunstvereins im adretten Business-Outfit die Vernissagen-Besucher über Anlagemöglichkeiten in Kunst informieren. An den frisch gestrichenen Wänden hängen Fotos im Sparkassen-Design.

Die Sprüche zu den gekauften Fotos hat Fleckenstein selbst getextet – erst auf den zweiten, manchmal erst dritten Blick und manchmal überhaupt nicht fällt auf, dass Text und Bild nicht wirklich für eine gute Finanzberatung werben. Das Urteil dazu reicht von „reflektiert, mit sehr viel Kritik und sehr viel Ironie“, wie Reiner Schmidt meint, bis hin zu einem „die Idee ist ganz originell“ oder „recht witzig“ von einigen Gästen. In Kombination mit prominenten Besuchern entfaltet das eine oder andere Plakat aber doch noch etwas Hintersinn, etwa als die SPD-Landtagsabgeordnete Margit Wild geraume Zeit nachdenklich bei dem Spruch „Was auch passiert, wir passen uns an“ verweilt und schließlich halblaut murmelt: „Das könnte ein Wahlplakat meiner Partei sein.“

„Leichte Dissonanzen“ mit der Sparkasse habe es im Vorfeld der Ausstellung gegeben, erzählt Fleckenstein, an anderer Stelle spricht er gar davon, dass er mit einer Unterlassungsklage rechne und sich darauf freue, das Thema vor Gericht zu erörtern – nichts von alledem ist eingetreten.

Im Gegenteil: Die Sparkasse, von der das Projekt, wie allseits betont, nicht gesponsert wurde, hat die Installation sogar als Werbeträger für sich entdeckt und Vorstand Dr. Rudolf Gingele als „Überraschungsgrußredner“ vorbei geschickt, um Lob zu spenden.

Im ersten Moment sei man doch „etwas verwundert“ gewesen, bekennt Gingele. Stein des Anstoßes war, wie zu erfahren ist, das Foto eines älteren Flintenweibs, Untertitel „Die behandeln mich mit Respekt“ – doch später sei man dann doch „deutlich positiv berührt“ gewesen und habe „mit leichtem Stutzen“ festgestellt: „Das ist wirklich Kunst.“ Gingele hebt die „sympathische und intellektuelle Art“ der Installation hervor und als er bekennt: „Ich fühle mich etwas verfremdet“ gibt es Gelächter und höflichen Applaus.

Es gibt auch keine Grund für die Sparkasse, der Installation ablehnend gegenüber zu stehen: Sie tut nicht weh, ist recht gefällig und man fragt sich doch, warum nicht das Design „Hypovereinsbank“ gewählt wurde – diese hatte eine solche Verfremdungsaktion abgelehnt, wie bei der Eröffnung mehrfach erwähnt wird, und wäre vielleicht eher für eine Klärung des Themas vor Gericht zu haben gewesen. Die Installation ist noch bis zum 20. November zu sehen.

Der Bericht ist eine Übernahme von „regensburg-digital.de„.
Dort finden Sie auch weitere Fotos.