Samstag, 23. September 2023

Der gläserne Gemeinderat: Was die Zahlen 910, 220, 12 und 9 bedeuten

Guten Tag!

Heddesheim, 30. Juni 2010. Das Ergebnis der Gemeinderatssitzung vom 24. Juni 2010 stand von vorne herein fest. Der Verlauf nicht – aber um den ging es auch nicht. Erstaunlich ist das Ergebnis trotzdem.

Von Hardy Prothmann

Von außen betrachtet kann man das, was im Heddesheimer Gemeinderat am 24. Juni 2010 verhandelt wurde, überhaupt nicht glauben.

Kann es tatsächlich sein, dass bis auf die Grünen das Gremium bei 910 Einwendungen durch BürgerInnen nicht wenigstens eine „kritische Anmerkung“ teilen kann?

Kann es sein, dass sich 220 BürgerInnen die außerordentliche Mühe machen, Einwendungen zu formulieren, die von der „Mehrheit“ von 12 gegenüber den neun kritischen Gemeinderäten einfach überstimmt werden?

Das kann nicht nur so sein, das ist so.

Die Fraktionen der CDU, SPD und FDP haben keine kritischen Fragen in Sachen „Pfenning“ – ausgenommen die Gemeinderäte Michael Bowien (SPD) und Martin Kemmet (CDU).

CDU, SPD und FDP halten die Einwendungen für „Kopien“ der Vorlagen der „Grünen“.

Und wenn?

Es ist bestürzend, dass CDU, SPD und FDP in der Sache nicht einen Schritt weiterkommen und sich jeglichem Nachdenken verweigern.

Alle Einwender sind namentlich benannt worden. „Einfache“ BürgerInnen, die mir ihrem Namen für ihre Einwendungen einstehen. Für ihre Meinung, ihre Haltung, ihre Sorgen.

CDU, SPD (bis auf die Ausnahmen) und FDP diskreditierten in dieser Gemeinderatssitzung die öffentliche Anteilnahme dieser Bürger aufs Übelste.

Es ist das gute Recht dieser BürgerInnen, sich der „Textbausteine“ der „Grünen“ zu bedienen, wenn diese ihre Meinung, ihre Haltung, ihre Sorgen wiedergeben.

Und es ist ein enormer Erfolg der „Grünen“, dass so viel BürgerInnen sich dieser bedienten – darunter viele, die nicht „grün“ sind, sondern CDU, SPD und vielleicht auch FDP.

Und es ist eine Schande für CDU, SPD und FDP, dass es nicht auch einen Einwand von deren Seite gab. Diese Schande hat die Koalition der 11+1=12 bislang nicht bemerkt.

Es ist eine Schande, dass alle „Vereinbarungen“ mit „Pfenning“ nicht auf die Arbeit der Befürworter dieser mehr als umstrittenen Ansiedlung zurückgehen, sondern auf die Gegner.

Es ist eine Schande, dass diese Befürworter sich im Gemeinderat so abfällig über die BürgerInnen äußern, deren Wohl sie angeblich repräsentieren.

Es ist eine Schande, dass es kein Werben, keine Argumentation, keine Angebote, keine Beweise aus dieser „Ecke“ gibt, sondern nur die sture Gewissheit, dass 12 mehr als 9 ist.

Und es ist eine große Schande für die 12, dass diese denken, sie handelten demokratisch.

Sie repräsentieren mit 12 Stimmen die stumme Mehrheit gegenüber 220 Bürgern, die 910 Einwendungen formuliert haben – mehr nicht.

Diese zwölf Stimmen, die sich auf ihre drei Sprecher Doll, Merx und Hasselbring reduziert haben, bestätigten öffentlich, dass sie „außerstande“ waren, die 910 Einwendungen zu lesen.

Diese auf drei Stimmen geschmolzene „Mehrheit“ beschränkt sich auf die Zusammenfassung und verzichtet auf eine Prüfung. Diese drei „Vorstimmer“ sagen, wo der Rest die Hand zu heben hat – das Wort erhebt der Rest so gut wie nie.

Die Namen hinter Herrn Doll, Herrn Merx, Herrn Hasselbring lauten Ursula Brechtel, Reiner Hege, Walter Gerwien, Dieter Kielmayer, Hans Siegel, Karin Hoffmeister-Bugla, Jürgen Habarth, Rainer Lang. Dazu kommt ein Bürgermeister, der noch nicht mal mehr so tut, als würde er die Einwendungen „schätzen“.

Diese zwölf Personen haben keine Sorgen, keine Nöte und sind ausschließlich am „Wohl der Gemeinde“ interessiert, was sie durch ihre „konsequente“ Abstimmung demonstrieren.

Demokratie ist mit Sicherheit mehr, als eine Mehrheit zu haben.

Eine Debatte darüber hat es nicht gegeben.

hardyprothmann

Anmerkung der Redaktion:
Hardy Prothmann ist verantwortlich für das heddesheimblog und ist partei- sowie fraktonsfreier Gemeinderat.

„Dünnes Eis?“ Heftige Debatte und Sitzungsunterbrechung bestimmen Wahl eines Umlegungsausschusses

Guten Tag!

Heddesheim, 18. Dezember 2009. Heftig debattiert wurde TOP 9 der Gemeinderatssitzung vom 17. Dezember 2009: Während Bürgermeister Kessler versuchte, den Antrag auf einen Umlegungsausschuss als selbstverständlichen Vorgang zur Erreichung „planerischer Ziele“ darzustellen, sprachen die Grünen von dem „Versuch einer Enteignung“. Weil sich überraschenderweise ein Gemeinderat ausserhalb einer gemeinsamen Wahlliste für die Ausschussmitglieder ebenfalls zur Wahl stellte, kam es zu einer Sitzungsunterbrechung.

Der Heddesheimer Gemeinderat hat in der Sitzung vom 17. Dezember 2009 mehrheitlich für den Antrag der Verwaltung für einen Umlegungsausschuss „Nördlich der Benzstraße“ gestimmt. In der Begründung zum Antrag heiß es:
„Die Gemeinde Heddesheim beabsichtigt, einzelne Grundstücke im Bereich des sich in der Aufstellung befindenden Bebauungsplanes Gewerbegebiet „Nördlich der Benzstraße“ neu zu ordnen, so dass nach Lage, Form und Größe für die vorgesehene bauliche Nutzung zweckmäßig gestaltete Parzellen entstehen.“

In der Debatte um die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit eines solchen „nicht-ständigen Umlegungsausschusses“ kam schnell Fahrt. Bürgermeister Michael Kessler stellte zunächst den Antrag vor.

Enteignung oder Planungsziel?

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Klaus Schuhmann kritisierte: „Es ist seit langer Zeit bekannt, dass ein Eigentümer nicht verkaufen will. So wie ich das sehe, soll jetzt hier das Gelände eines Privateigentümers wegen der Interessen eines Privatunternehmens verlegt werden. Ich kann da kein öffentliches Interesse, das für eine Umlegung notwendig ist, erkennen.“

Gemeinderat Kurt Klemm sagte: „Mit der Anordnung der Umlegung „Nördlich der Benzstraße“ wird für mich ganz klar der Versuch unternommen, sich fremden Eigentums zu ermächtigen. Diese Anordnung hat nur ein Ziel, den Willen eines ehrenhaften Bürgers zu brechen. Und Sie, meine Damen und Herren von der CDU, SPD und FDP sind eifrig dabei, dieses moralische Unrecht zu unterstützen. Bei diesem Bürger handelt es sich um einen Ehrenbürger der Gemeinde und langjährigem Gemeinderat.“

An dieser Stelle wurde Kurt Klemm von Bürgermeister Michael Kessler unterbrochen, der ihn darauf hinwies, dass er den nur in nicht-öffentlicher Sitzung genannten Namen des Eigentümers besser nicht nennen sollte.

Schaden für die Gemeinde?

Kurt Klemm (Grüne) sagte weiter: „Halten Sie inne und besinnen sich auf den Eid, den Sie hier geschworen haben, nämlich jeglichen Schaden von unserer Gemeinde und ihren Bürgern abzuwenden. Sie sind im Begriff, ein großes Unrecht zu begehen.“

Bürgermeister Kessler sagte: „Es geht nicht darum, jemandem sein Eigentum wegzunehmen. Es geht um planerische Ziele. Das hat nichts mit Enteignung zu tun.“

Gemeinderat Günter Heinisch (Grüne) sagte: „Was Sie hier vorhaben, führt uns als Gemeinde auf sehr dünnes Eis.“ Heinisch verwies auf das „Boxberg-Urteil“ und sagte: „Das Bundesverfassungsgericht hat damals festgestellt, dass dies eine „eigentumsentziehende Maßnahme“ war und hat diese korrigiert.“ (Anm. d. Red: Das Unternehmen Daimler-Benz hatte für den Bau einer Teststrecke die Enteignung von Grundstücke beantragt. Das BVerfG hatte dies 1987 zurückgewiesen, da kein Interesse des Gemeinwohls erkennbar war.)

Weiter sagte Günter Heinisch: „Wir bauen hier keine Schule, sondern es geht um eine privatwirtschaftliche Nutzung.“

Bürgermeister Kessler sagte: „Wir brauchen hier keine Schaufensterreden.“

In der weiteren Debatte kritisierte Klaus Schuhmann die vorgeschlagenen Sachverständigen: „In unseren Augen sind der Architekt Stündemann und der Rechtsbeistand Dr. Burmeister befangen, da sie beide von der Gemeinde bezahlt werden, die Pfenning-Ansiedlung voranzubringen. Wir fordern als zusätzlichen Sachverständigen Dr. Kurt Fleckenstein, der uns seine Bereitschaft dazu signalisiert hat und öffentlich bestellter Gutachter ist.“

Bürgermeister Kessler stellte fest, dass er es „unmöglich“ finde, dass diesen Herren „Befangenheit“ unterstellt würde und sagte: „Jetzt reichts aber.“

„Jetzt reichts aber!“

Daraufhin meldete sich Rainer Edinger (Grüne) zu Wort: „Herr Bürgermeister, ich appelliere dringend an Sie, die Souveränität des Gemeinderats zu achten, damit diese gewahrt bleibt. Sprüche wie „Jetzt reichts aber“ verbitte ich mir. Im Gegenteil fordere ich Sie dazu auf: Sie haben auch andere Meinungen zu respektieren.“ Aus dem Publikum und Gemeinderat gab es deutlichen Applaus für diese Wortmeldung.

Danach meldeten sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Josef Doll und wiederholte sinngemäß den Antrag der Verwaltung und bekräftigte die Zustimmung der CDU und sagte, „diese Umlegung, die hier vorgesehen sei, solle nur das Gebiet neu ordnen. Sein Gemeinderatskollege Rainer Hege sagte sehr laut, er wäre damals gegen Bocksberg mit Transparenten auf Demos gewesen: „Und heute? Heute wären die Bauern froh, sie hätten ihr Gelände verkauft.“ Gemeinderat Prothmann sagte zu Doll: „So wie das formulieren, braucht es keinen Ausschuss, der eine Umlegung prüft, die ist für Sie schon entschieden.“

Nach der Debatte fragte der fraktions- und parteilose Gemeinderat Hardy Prothmann (verantwortlich für das heddesheimblog, Anm. d. Red.), wie denn die Mitglieder für diesen Ausschuss bestimmt würden. Bürgermeister Kessler sagte, die würden durch die Fraktionen vorgeschlagen.

Daraufhin fragte Gemeinderat Prothmann, ob denn der FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Hasselbring noch Fraktionsstatus habe, da er wegen Befangenheit durch seine Kollegin Ingrid Kemmet allein am Ratstisch sitze. Die Bemerkung führte zu allgemeiner Heiterkeit unter den Anwesenden. Bürgermeister Kessler bejahte das.

Sitzungsunterbrechung

Prothmann wollte weiter wissen, ob er auch vorschlagen könne, was der Bürgermeister ebenfalls nach kurzer Beratung mit dem Hauptamtsleiter Julien Christof bejahte. Gemeinderat Prothmann schlug daraufhin Gemeinderat Michael Bowien (SPD) und Martin Kemmet (CDU) vor. Bürgermeister Kessler meinte, Prothmann könne nicht andere vorschlagen, sondern nur sich selbst. Daraufhin schlug Prothmann sich selbst vor.

Gemeinderätin und 1. stellvertretende Bürgermeisterin Ursula Brechtel (CDU) sagte: „Sind wir denn hier im Kindergarten?“ Gemeinderat Prothmann sagte: „Wieso meinen Sie das, Frau Brechtel, sind etwa nur im Kindergarten Fragen erlaubt?“

Im Anschluss kam es zu einer Sitzungsunterbrechung, weil die Verwaltungsangestellten und der Bürgermeister sich erst beraten mussten, wie denn in diesem Fall vorzugehen sei. Offensichtlich war die Verwaltung auf diese Situation nicht vorbereitet. Zur Beratung wurden die Fraktionsvorsitzenden herbeigeholt.

Nach der Pause stand fest, dass zwei Listen zur Wahl standen. Liste 1 führte sechs Kandidaten für den Umlegungsausschuss, je 2 von der CDU und Bündnis90/Die Grünen, je einer von SPD und FDP sowie in gleicher Zahl je einen Stellvertreter. Auf Liste 2 stand nur der Kandidat Hardy Prothmann.

Gemeinderat Prothmann beantragte eine geheime Wahl. Bürgermeister Kessler sagte: „Das habe ich mir schon gedacht.“

Überraschender Wahlausgang

Danach wurde in einer Ecke auf der Fensterbank ohne Sichtschutz gewählt. Da zwei Gemeinderäte in der Sache befangen waren, einer entschuldigt fehlte und der Bürgermeister nicht stimmberechtigt ist, gab es 19 abzugebende Stimmen (23-4=19). 12 stimmten für die Liste 1, 6 für Liste 2, eine Enthaltung.

Damit sind folgende Gemeinderäte in den Umlegungsausschuss gewählt: Dr. Josef Doll und Dieter Kielmayer (CDU), Günter Heinisch und Kurt Klemm (Grüne), Rainer Lang (SPD), Hardy Prothmann (partei- und fraktionslos). Aus Liste 1 wurde somit Frank Hasselbring (FDP) nicht in den Ausschuss gewählt, aber als Stellvertreter.

Nach dieser Wahl sollte es zur Abstimmung über den Antrag der Verwaltung kommen. Gemeinderat Schuhmann unterbrach und forderte, dass zuerst über den von den Grünen vorgeschlagenen weiteren Sachverständigen Fleckenstein abgestimmt werden sollte. 8 stimmten mit Ja, 11 mit Nein, einer enthielt sich.

Danach wurde über den Antrag abgestimmt: 11 stimmten mit Ja, 7 mit Nein, zwei enthielten sich. Damit ist der Antrag angenommen.

Anmerkung der Redaktion: Wir werden den Antrag später noch online stellen.

Einen schönen Tag wünscht
Das heddesheimblog