
Verkleidung und AnonymitÀt sind beim Karneval "normal". Die Verwendung von Pseudonymen fördert im Netz Meinungsfreiheit. Bundesinnenminister Friedrich will das verbieten. Quelle: wikipedia/Muu-karhu
Rhein-Neckar/Gmund, 10. August 2011. (red) Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich fordert vor dem Hintergrund der TerroranschlĂ€ge in Norwegen, dass Blogger beim Verfassen von BeitrĂ€gen ihre IdentitĂ€t preisgeben sollten. Er bezieht damit auch anonyme Kommentatoren mit in die Diskussion ein. Die Frage ist, ob das wirklich Sinn macht. Unser Partnerblog „TegernseerStimme.de“ sieht den VorstoĂ kritisch.
Von Peter Posztos
Friedrich begrĂŒndet seine Forderung nach der Preisgabe des Namens damit, dass ansonsten politisch motivierte TĂ€ter ihre Hassparolen ungeniert im Internet preisgeben können. Er ist der Ansicht, dass gewöhnliche Blogger oder Kommentatoren sich nicht zu versteckten brĂ€uchten.
Vielmehr sollten sie „mit offenem“ Visier schreiben. Gerade das anonymisierte Internet habe dazu gefĂŒhrt, dass sich radikalisierte EinzeltĂ€ter herangebildet hĂ€tten, die vor nichts zurĂŒckschrecken wĂŒrden.
Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke gibt allerdings zu Bedenken, dass der mutmaĂliche AttentĂ€ter von Norwegen ein wenig gelungenes Beispiel ist. Er sei nĂ€mlich dort unter seinem Namen aufgetreten.
DarĂŒber hinaus könnten sich Menschen gerade auch in Foren hĂ€ufig viel offener Ă€uĂern, wenn sie unter einem Pseudonym auftreten. „Hier reicht es aber vollkommen aus, wenn der Blogbetreiber etwa gegen rassistische oder diffamierende BeitrĂ€ge vorgeht und diese löscht“, weiĂ Christian Solmecke.
„Anonyme Kommentare sind fĂŒr mich nicht relevant, egal was derjenige zu sagen hat“
Bei der Tegernseer Stimme werden wir des öfteren mit dem Vorwurf konfrontiert, dass anonyme Kommentare aufgrund ihrer AnonymitĂ€t nicht Ernst genommen werden könnten. Gerade die weniger netzaffinen Personen mit hohem Verantwortungsbereich sind schnell mit Forderungen nach der Auflösung der AnonymitĂ€t von Kommentatoren zur Stelle. „Andernfalls werden wir uns mit solchen Anfragen nicht beschĂ€ftigten“ ist eine gĂ€ngige Floskel, die mit der RealitĂ€t wenig zu tun hat.
Denn vor allem bei politischen Themen wird immer wieder deutlich, wie wichtig AnonymitÀt ganz allgemein sein kann. Und das nicht nur in totalitÀren Staaten wie China oder bei demokratischen VorgÀngen wie einem Wahlgang.
Auch im Netz ist AnonymitĂ€t manchmal heilsam und nötig. Kommentare unter Klarnamen werden noch Jahre spĂ€ter gefunden. Eine objektive, aber trotzdem klare MeinungsĂ€uĂerung gegenĂŒber dem Lieblingsprojekt eines BĂŒrgermeisters wird zwar möglicherweise die Chance auf den Bau des Eigenheimes nicht entscheidend verringern. VergröĂern dĂŒrfte sie diese jedoch auch nicht.
Was auch immer der genaue Anlass ist. Im Endeffekt gibt es tausende guter GrĂŒnde warum jemand einen anderen Namen benutzen möchte, als seinen Geburtsnamen. Manche Leute haben Sorge, dass ihr Leben oder ihre Existenzgrundlage bedroht werden. Oder dass ihnen politische beziehungsweise ökonomische Nachteile entstehen.
Andere wollen Diskriminierung vermeiden – das kann auch Diskriminierung im Bekannten- und sogar Freundeskreis beinhalten. Oder auch einfach nur einen Namen nehmen, der leichter zu merken oder buchstabieren ist.
Der Betreiber kann, im Gegensatz zu seinen Kommentatoren, nie anonym sein
Ganz anders ist es mit dem Betreiber eines Blogs. Denn dieser, so Solmecke, könne sich nach der aktuellen Rechtslage nicht hinter seiner AnonymitĂ€t verstecken. Auch Blogs mĂŒssen bereits heute zumindest mit Name und Anschrift des Betreibers versehen sein.
Dies ergibt sich bei werbefinanzierten Angeboten bereits schon aus ç 5 Abs. 1 TMG und bei redaktionell gestalteten Webseiten aus ç 55 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV). FĂŒr die ĂŒbrigen Blog-Angebote folgt das aus ç 55 Abs. 1 RStV. Hiernach ist ein Impressum lediglich bei Webseiten entbehrlich, die ausschlieĂlich persönlichen oder familiĂ€ren Zwecken dienen. Aus dem Grund warnt Solmecke: „Wer diesen Vorgaben nicht genĂŒgt, gegen den kann durch Abmahnung oder einstweilige VerfĂŒgung vorgegangen werden.“
Uns interessiert nicht, ob ein Kommentator anonym ist, sondern was jemand zu sagen hat
Bei der immer öfter diskutierten Frage aber, ob das Internet ein besserer Ort wird, wenn wir alle nur noch mit unserem echten Namen unterwegs sind, hilft das jedoch nicht weiter.
Wir meinen: diese Frage soll und darf jeder fĂŒr sich selbst beantworten. Man muss anonyme Kommentare nicht mögen. Aber man sollte sie akzeptieren als anerkanntes Mittel seine Meinung im rechtlichen Rahmen – und dies gilt auch fĂŒr das Internet – kundzutun. Oder wie die Zeit schreibt:
Anonyme Kommentare bieten zwei unschĂ€tzbare Vorteile: Auch die Ăângstlichen, die Schwachen und die Zögerlichen trauen sich, unter dem Schutz der AnonymitĂ€t ihre Meinung zu sagen. Und dank des Schutzes der AnonymitĂ€t können wir sehen, was Menschen wirklich denken.
Das mag manchmal affektiert, arrogant oder sogar atemberaubend dumm daherkommen. Nur sind dies alles keine GrĂŒnde das in jeder Hinsicht schĂŒtzenswerte Gut der Meinungsfreiheit einzuschrĂ€nken. Und so werden wir es auf der Tegernseer Stimme auch zukĂŒnftig handhaben wie bisher. Die GrĂŒnde, die jemand fĂŒr einen anonymen Kommentar hat, sind uns egal. Wenn er oder sie anonym kommentieren möchte, ist das in Ordnung. Entscheidend ist nur was jemand zu sagen hat.
Bedeutet: Gegen allzu persönliche oder sogar diffamierende Leserkommentare werden wir auch weiterhin vorgehen, diese eventuell kĂŒrzen oder gegebenfalls löschen.
Denn solche „Wortmeldungen“ sind oft nicht nur rechtlich unzulĂ€ssig, sondern bringen auch eine fruchtbare Diskussion im Normalfall nicht weiter. Und an der sollte uns allen – ob anonym oder nicht – gelegen sein.

Peter Posztos ist GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Netzwerks LokaleStimme.de
Zur Person:
Peter Posztos (33) betreibt seit April 2010 das lokale Informationsportal TegernseerStimme.de.
Als MitgrĂŒnder von verschiedenen Online-Portalen ist der Diplom-Kaufmann und Jungunternehmer bereits ein „alter Hase“ im Internet.
Er gehört zu den MitgrĂŒndern von istlokal.de, einem Verband unabhĂ€ngiger, lokaljournalistischer Angebote in Deutschland. Istlokal.de vereint zur Zeit rund 50 Angebote in ganz Deutschland, die alle unabhĂ€ngig voneinander arbeiten, sich aber ĂŒber die gemeinsame Plattform unterstĂŒtzen.
Dazu gehört auch der Austausch von Texten – um die Meinungsvielfalt zu fördern und zu zeigen. Das Thema Meinungsfreiheit ist eines der zentralen Anliegen von istlokal.de. Der aktuelle VorstoĂ von Bundesinnenminister Friedrich ist ein Thema, dass alle Internet-Redaktionen und deren Leserinnen und Leser betrifft.
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