Donnerstag, 23. MĂ€rz 2023

Geprothmannt: Mit „klassischen Medien“ werden Sie aus zweiter Hand informiert. PrĂ€dikat: „mangelhaft“.


Guten Tag!

07. Februar 2011. Haben Sie mitbekommen, dass in der arabischen Welt eine Revolution stattfindet? Ja? Wie haben Sie sich darĂŒber informiert? ÃƓber ARD und ZDF? In Ihrer lokalen Tageszeitung? Dann sind Sie leider vermutlich sehr schlecht informiert. Oder haben Sie sich online informiert? Dann könnten Sie besser informiert sein, wenn Sie die richtigen Quellen kennen.

Von Hardy Prothmann

Wer sich in Deutschland ĂŒber die Revolution in den arabischen Staaten informieren möchte, ist denkbar schlecht beraten, wenn er dafĂŒr ARD und ZDF oder „seine Zeitung“ benutzt und darauf vertraut, umfassend, hintergrĂŒndig und aktuell informiert zu werden.

Informationen? Klar – gibts im Ausland.

Tatsache ist: Man ist viel besser informiert, wenn man die Programme von Al Jazeera, CNN oder BBC einschaltet. Oder die Berichterstattung der amerikanischen New York Times, der spanischen El Pais, der französischen Le Monde oder des britischen Guardian verfolgt.

Das Problem dabei ist: Man muss schon einigermaßen gut Englisch können, um die Nachrichten der Sender und Zeitungen zu verfolgen. Oder ausreichend Spanisch oder Französisch. Gute arabische Sprachkenntnisse wĂ€ren noch mehr von Vorteil – denn dann könnte man viele Originalmeldungen verstehen.

Begrenzte Globalisierung.

Das grĂ¶ĂŸte Problem: Wenn man das nicht kann, ist man auf die Angebote von ARD und ZDF oder der Lokalzeitungen im wahrsten Sinne des Wortes „begrenzt“ – und das in Zeiten der Globalisierung.

Sie können sicher davon ausgehen, dass weder der Mannheimer Morgen, noch die Rhein-Neckar-Zeitung und schon gar nicht die Weinheimer Nachrichten irgendeine eigene redaktionelle Leistung zur Lage anbieten wollen oder können. Was Sie auf den Titelseiten lesen, sind ganz ĂŒberwiegend „Agenturmeldungen“.

Die erscheinen auch in Dutzenden anderen Zeitungen. 1:1. Das sind Berichte, die wie industriell gefertigte TielkĂŒhlpizzen vervielfĂ€ltigt werden. Ohne „eigenes Rezpt“, ohne eigene „Experten“, ohne eine eigenstĂ€ndige Leistung der jeweiligen Redaktion.

Vor Ort ist immer lokal.

Unser Anspruch ist die lokale und regionale Berichterstattung – aber immer, wenn die Nachrichtenlage es erfordert, bringen wir auch die „Weltnachrichten“ zu unseren Leserinnen und Lesern. Denn wir alle leben vor Ort, interessieren uns aber auch dafĂŒr, was woanders passiert.

Hardy Prothmann schreibt seine Meinung auf. Die ist "geprothmannt". Bild: sap

Unser Interview mit Christoph Maria Fröhder, einem der erfahrensten und besten deutschen Krisenreporter der vergangenen Jahrzehnte auf dem Rheinneckarblog hat Wellen geschlagen. ARD und ZDF waren „not amused“ ĂŒber die klaren Worte und die eindeutige Kritik. „Intern“ haben wir erfahren, dass das ZDF „stinksauer“ auf uns ist.

„So what“, sagen wir und sind ebenfalls „stinksauer“ – ĂŒber die unzureichende und schlechte Berichterstattung der mit Milliarden an GEZ-GebĂŒhren „gepamperten“ Sender, von denen wir und unsere Leserinnen und Leser zu Recht mehr als diese schwachen Leistungen erwarten.

ÃƓber das Interview mit Herrn Fröhder hinaus haben wir uns um exklusive Nachrichten bemĂŒht und „berichten“ anders, als das öffentlich-rechtliche Sender und Zeitungen tun. Wir verlinken Quellen und kommentieren diese auf Facebook und Twitter. Zwei Internet-Dienste, die mit dafĂŒr verantwortlich gemacht werden, dass die „arabische Revolution“ gegen den Terror und die Diktaturen ĂŒberhaupt möglich geworden ist.

Es gibt durchaus eine Verbindung zwischen den arabischen LĂ€ndern und Deutschland. Wer sich hier wie dort auf die „klassischen Medien“ verlĂ€sst, erhĂ€lt immer nur gefilterte Nachrichten.

Zweifel an der QualitĂ€t mĂŒssen immer möglich sein.

ARD und ZDF sind ebenso wie Lokalzeitungen sicherlich nicht mit der Rolle von staatlich gesteuerten Medien in Diktaturen zu vergleichen – aber man darf durchaus Zweifel an der QualitĂ€t ihrer Produkte haben. Vor allem dann, wenn man vergleicht, was das Produkt, in diesem Fall Journalismus, leistet.

WĂŒrde man den Journalismus vieler deutscher Medien mit der Autoindustrie vergleichen, stĂ€nde unumstĂ¶ĂŸlich fest, dass deutsche Medien deutlich weniger Komfort, Leistung, Innovation bieten als „auslĂ€ndische Anbieter“, dass das Preis-LeistungsverhĂ€ltnis ebenso wie die „Pannenstatistik“ und auch der „Service“ katastrophal sind und unterm Strich einfach nur ein „mangelhaft“ ĂŒbrig bleibt.

Das gilt selbst fĂŒr den „gelben Faktor“, also die so genannte „Yellow-Press“. Alle interessanten „Nachrichten“ und „Infos“, die man hierzu in Deutschland lesen kann, sind nur ein „Ab-„Klatsch internationaler Meldungen und werden in Deutschland „wiederverwertet“. Ausnahmen liefern ab und an Bild und Bunte, die „Promis“ aus der vorletzten Reihe irgendwie „interessant“ machen.

Die UmbrĂŒche in der arabischen Gesellschaft zeigen einen desaströsen Zustand des deutschen Journalismus. Wo lesen, hören, sehen Sie die Berichte von vor Ort ĂŒber das, was Muslime hier erleben, wenn diese die Nachrichten in Tunesien und Ägypten verfolgen? Wo sind die Berichte, wie Deutschland sich mit seiner weltweit einzigartigen „Erfindung“ des Mauerfalls als Partner fĂŒr europĂ€ische NachbarlĂ€nder (und das sind alle Mittelmeer-Anreiner-Staaten) einsetzen könnte?

Geduld? hat die Welt nicht mehr.

Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel diskreditiert sich völlig, wenn sie zur „Geduld“ mit einem Diktator wie Husni Mubarak aufruft. ÃƓbersetzt heißt das: „Habt Geduld mit mir, denn ich habe keine Ahnung, wie ich mit der Situation umgehen soll.“

Was haben Tunesien und Ägypten nun mit unserer lokalen und regionalen Berichterstattung zu tun?

Sehr viel mehr, als heute, hier und jetzt auf den ersten Blick klar sein mag.

ZukĂŒnftig werden Entscheidungen und Entwicklungen, die in Bayern oder Schleswig-Holstein fallen, auch in Nordbaden ein Rolle spielen.

Warum? Weil man hier vor Ort erfahren kann, was dort vor Ort passiert oder passiert ist.

Facebook und Twitter schaffen Demokratie. Absurd? Nein. Real.

Man kann diese Informationen verwenden, um den Schaden, der woanders entstanden ist, abzuwenden. Und noch viel besser: Man kann das, was woanders gut oder sehr gut „gelaufen ist“ einfach ĂŒbernehmen. Gut informiert – mit allen „problematischen“ und allen „positiven“ Erfahrungen.

Das ist ein Erfolg der „Facebook“-Generation, der freien Medien oder auch nur der „Handy-Revolution“, wie Beobachter Ägypten einordnen. Man verbindet sich, man kommuniziert miteinander, man tauscht sich aus, man hat mehr als eine Quelle der Information.

Das ist die Basis fĂŒr friedliche „Revolutionen“ – die Ă€gyptischen Regime-Gegner sind nicht als Brandschatzer und Gewaltverbrecher aufgefallen, sondern durch ihren Willen zur Demokratie – sehr zur Verwirrung „geprĂ€gter“ Meinungen, die sich schwer tun, eine Muslim-Bruderschaft als notwendige Organisation anzuerkennen.

Das ist neu, das ist einzigartig, das gibt Hoffnung.

Von den Medien darf man erwarten, dass sie Mubarak einen alten Mann sein lassen. Der 82-jĂ€hrige Diktator soll sich in Heidelberg behandeln lassen dĂŒrfen. Egal, was das kostet. Gönnen wir ihm den „goldenen Abgang“ – der Mann ist so reich und hat sein Volk so sehr betrogen. Bringt irgendein „Tribunal“ eine Besserung fĂŒr seine „Untaten“?

Eher nicht.

Tunesien und Ägypten sind beliebte ReiselĂ€ner der Deutschen – und mal ganz ehrlich? Lohnt es sich nicht, fĂŒr einen entspannten Urlaub unter afrikanischer Sonne, ein wenig fĂŒr Demokratie, gerechte Löhne und stabile VerhĂ€ltnisse einzutreten?

Der „Service“ wĂŒrde sicher davon profitieren. Oder auch unserer aller Bekenntnis zur Demokratie.

Deswegen: Nutzen Sie die neue Medien. Verfolgen Sie, was passiert.

Schreiben Sie Ihre Meinung auf. Schreiben Sie an die ProgrammbeirÀte von ARD und ZDF. Stellen Sie Forderungen. Schreiben Sie an die Zeitungen und fordern Sie mehr Informationen.

Die Menschen in Ägypten und Tunesien und anderswo tun das auch. Weil sie gerne in einer freiheitlichen Ordnung leben wĂŒrden.

Diese Menschen gehen dabei ein hohes Risiko ein – wir haben die Möglichkeit, ohne Risiko fĂŒr Menschenrechte, Freiheit und Demokratie einzutreten.

Tun wir das nicht, wÀchst das Risiko, dass wir das irgendwann nicht mehr ohne Risiko können.

Anmerkung der Reaktion:
Unsere „allererste“ Aufgabe, die lokale Berichterstattung mag etwas „gelitten“ haben – wir hoffen, Sie sehen uns das nach, angesichts der Belastung. Wir sind nur ein kleines Team. Sie können sicher sein, dass wir an den Themen vor Ort dranbleiben.

„Geprothmannt“ erscheint im Wechsel mit anderen Kolumnen immer montags.