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Guten Tag!
Heddesheim, 29. November 2010. Auf dem Speicher gibt es eine Blechkiste, darin liegen, fein sĂ€uberlich in Stapel sortiert und mit unterschiedlich farbigen BĂ€ndchen zusammengehalten, alte Briefe – Liebesbriefe, versteht sich. Dokumente der Sehnsucht und der groĂen GefĂŒhle. Schade, dass es in Zeiten von email das kaum noch gibt, meint Gabi.

Liebesbriefe - jedes BĂ€ndchen steht fĂŒr eine bestimmte Zeit.
Bei der Vorstellung, dass vielleicht irgendwann meine Tochter die heiĂen LiebesschwĂŒre, die dramatischen Abschiedsworte lesen wird, wird mir ganz heiĂ und gleichzeitig bedauere ich die heutige Generation, die sich ihre Zuneigung nur mehr per sms oder per facebook verkĂŒndet. Denn diese Worte werden irgendwann endgĂŒltig, zumindest fĂŒr die nĂ€chste Generation, verloren sein – denn digitale LiebesgrĂŒĂe kann man nicht zusammenbinden.
Verborgene Briefe erzÀhlen eine Geschichte
Ich erinnere mich noch gut, als meine Kusinen und ich nach dem Tod unserer GroĂmutter zwischen alten Bildern und Ansichtskarten zwei Briefe entdeckt haben, die eine Geschichte erzĂ€hlten, die wir nicht kannten. War der gute Freund der Familie fĂŒr unsere GroĂmutter mehr gewesen, hatte sie sich diese Leidenschaft verboten oder sie gar heimlich ausgelebt? Wir waren elektrisiert und aufgeregt, wĂŒrden wir noch mehr finden, könnten wir das Geheimnis lĂŒften. „Lasst gut sein“, sagte meine Tante, „wenn sie gewollt hĂ€tte, dass wir mehr erfahren, hĂ€tte sie dafĂŒr gesorgt“.
Meine Briefe wird meine Tochter lesen dĂŒrfen, sie bergen keine groĂen Geheimnisse, sie erzĂ€hlen nur meine Geschichte mit den kleinen und groĂen Dramen, die das Leben so mit sich bringen.
Mein erster Freund beklebte seine Liebesbeteuerungen mit „Liebe ist ..“- Aufklebern, zugegebenermaĂen etwas albern, aber da waren wir auch erst 15 Jahre. Ein rosa BĂ€ndchen markiert diese frĂŒhe Zeit.
Der Bundeswehr verdanke ich einen stattlichen Stapel
Einen stattlichen Stapel habe ich der Bundeswehr zu verdanken. Mein damaliger Freund, er 19, ich 16 Jahre, leistete seinen Dienst im hohen Norden und telefonieren war damals endlos teuer und GesprĂ€che bei der Bundeswehr auf dem Gang oder vor den Ohren der ganzen Familie – schnurlose Telefone waren erst im Kommen – zu fĂŒhren war alles andere als intim – und Handys gab es noch lange nicht. Wir schrieben uns gegenseitig 2 bis 3 Briefe die Woche, da kommt in 18 Monaten schon allerhand zusammen. Dieser Stapel ist sehr dick und mit einem roten Band markiert.
WĂ€hrend meines Studiums hatte ich einen Freund, der drei Monate in England einen Sprachkurs machte. Selbstredend wurden viele Worte auf Papier ĂŒber den Ăârmelkanal geschickt.
Ich weiĂ noch allzu gut, mit welchem GefĂŒhl man morgens zum Briefkasten gerannt ist, wie groĂ das EntzĂŒcken ob eines Briefes und wie herb die EnttĂ€uschung, ob der gĂ€hnenden Leere war.
Auf die letzten Worte kommt es an.
Und der Liebesbriefkenner weiĂ, worauf es ankommt: Richtig, auf die letzten SĂ€tze. Ein Brief ist dann besonders gelungen, wenn am Ende die Liebe beteuert wird, der Briefschreiber sehnsĂŒchtig klingt und einsam und schmachtend auf das Wiedersehen wartet.
Lange Landschaftsbeschreibungen sind tot langweilig und abtörnend, die Beschreibung von tollen Partys oder netten Bekanntschaften fĂŒhrt zur tiefen Depression.
Der Stapel mit den englischen Briefmarken kann sich auf alle FĂ€lle sehen lassen, auch wenn wir in dieser Zeit doch schon hĂ€ufiger zum Telefon gegriffen haben und die Landschaftsbeschreibungen teilweise ĂĆberhand nahmen. Hier habe ich ein dunkelrotes Samtband drum gebunden.
Dicke Briefe voller Sehnsucht
Am Ende meines Studiums ging ich fĂŒr ein Semester nach Wien. Mein Freund hatte inzwischen gewechselt. Dicke UmschlĂ€ge, gefĂŒllt mit Sehnsucht und kleiner Schrift auf vielen Seite flatterten in meine Studentenbude. Es waren die schönsten Briefe, die ich je bekommen habe, allein deswegen hĂ€tte ich ihn heiraten sollen, aber er war nicht „der Richtige“ trotz allâ der schönen Worte. Seinen Briefstapel habe ich mit einem lila Band geschmĂŒckt.
Als ich meinen Mann kennenlernte, hatte die Zeit der Emails und Handys schon begonnen. Briefe haben wir uns vor allem dann geschrieben, wenn es wirklich „ernst“ wurde, wenn man sich die Worte gut ĂŒberlegen musste, und das machen wir auch heute noch so.
Aber auch einige, besonders schöne, emails habe ich ausgedruckt und aufgehoben, ein Band habe ich nicht drum gebunden.
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