Donnerstag, 23. MĂ€rz 2023

Gemeinderat Kurt Klemm antwortet auf Kommentare

„Man darf Kulturdenkmale nicht vergammeln lassen.“

Fotografische Dokumentation: ErhĂ€lt man mit diesen "Maßnahmen" ein GebĂ€ude oder beschleunigt man den Zerfallsprozess? Bilder: privat

Heddesheim, 08. MĂ€rz 2012. (red) Kurt Klemm hatte in der vergangenen Gemeinderatssitzung einen Disput mit BĂŒrgermeister Michael Kessler zum Schlatterhaus – vielmehr, wie damit umgegangen worden ist. Dieses wird in KĂŒrze abgerissen. Eine Kommentatorin zeigte dafĂŒr VerstĂ€ndnis – Kurt Klemm antwortet.

Anm. d. Red.: Da wir kein Möglichkeit haben, in Kommentaren Bilder zu veröffentlichen, dokumentieren wir die Antwort als Artikel.

Kommentar: Kurt Klemm

„Hallo Suhedd, den Inhalt Ihres Leserbriefes kann ich sehr gut verstehen, doch ich möchte, da auch ich das GebĂ€ude sehr gut kenne nicht falsch verstanden werden. Bei meinem Protest ging es auf keinen Fall darum, dass dieses GebĂ€ude in der Oberdorfstraße 3 nicht abgerissen wird, viel mehr wollte ich protestieren wie mit unseren Kulturdenkmalen in der Vergangenheit schon umgegangen wurde.

Ich begleite das ehemalige ev. Pfarrhaus seit ĂŒber 40 Jahren und kenne sehr wohl die Probleme dieses Kulturdenkmales. Aber all meine Bitten in dieser Zeit, gegen diesen, fĂŒr alle ersichtlichen Verfall etwas zu unternehmen, verhallten ungehört (siehe Bild 2010).

Es kann daher nicht angehen, dass es in unserem Lande zum Erhalt dieser KulturdenkmĂ€ler Gesetze gibt, aber keiner hĂ€lt sich daran. In Paragraph 6 Erhaltungspflicht heißt es:

„EigentĂŒmer und Besitzer von Kulturdenkmalen haben diese im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten und pfleglich zu behandeln. Das Land (Baden-WĂŒrttemberg) trĂ€gt hierzu durch ZuschĂŒsse nach Maßgabe der zur VerfĂŒgung stehenden Haushaltsmittel bei.“

Einer Gemeinde wie Heddesheim sollten Kulturdenkmale erhaltenswert sein und sie nicht als abbruchreife Tauschobjekte vergammeln zu lassen.

Die Liste der abgerissenen Kulturdenkmale in Heddesheim ist lang und ich kann nur hoffen dass alle noch vorhandenen Kulturdenkmale von unseren BĂŒrgern in Zukunft sehr aufmerksam und kritisch beobachtet werden, wie zum Beispiel der „Badische Hof“ in der Schaafeckstraße 3.

Es muss einfach einen Weg geben, um Kulturdenkmale fĂŒr unsere Nachwelt zu erhalten.

Kurt Klemm protestiert

Schlatterhaus wird abgerissen

Ist angeblich seit hundert Jahren nicht mehr zu retten und wird jetzt abgerissen: Das Schlatterhaus.

Heddesheim, 05. MĂ€rz 2012. Das alte Pfarrhaus, besser gekannt als Schlatterhaus, wird abgerissen. Nicht ohne deutliche Protestnote des Gemeinderats Kurt Klemm, der dem BĂŒrgermeister vorgeworfen hat, er habe das Haus verloddern lassen.

Von Hardy Prothmann

Es ist eines der Ă€ltesten GebĂ€ude Heddesheims und eines der geschichtstrĂ€chtigsten, das Schlatter-Haus in der Oberdorfstraße 3. Ab 1832 wirkte der gebĂŒrtige Weinheimer Georg Friedrich Schlatter in Heddesheim, wo er auch Schulvisitator und Verwalter des Dekanats war.

Er gilt als einer der Vorreiter der Badischen Revolution, beseelt durch Liberalismus und war ein bedeutender Kritiker der ZustĂ€nde in Staat und Kirche. Seine kritische Haltung brachte ihm als „LandesverrĂ€ter“ zehn Jahre Zuchthaus ein, außerdem wurde er aus dem Kirchendienst entlassen.

Zuchthaus fĂŒr den RevolutionĂ€r

Der Vater, seine Frau und seine 17 Kinder bĂŒĂŸten die kritische Haltung mit großer Not.

Schlatter setzte sich neben der Kritik an Staat und Kirche fĂŒr die Gleichberechtigung der Juden ein und war ein entschiedener Gegner der Todesstrafe. Außerdem kritisierte er aus eigener Erfahrung die Haftbedingungen in den damaligen GefĂ€ngnissen. Ein moderner, kritischer Geist, den man sich heute in der evangelischen Kirche in Heddesheim auch wĂŒnschen wĂŒrde.

Angeblich ist das GebĂ€ude nach Aussagen von BĂŒrgermeister Michael Kessler bereits seit einhundert Jahren nicht zu retten. Stellt sich die Frage, warum es dann nicht lĂ€ngst abgerissen worden ist. Seit 2003 gehört es der Gemeinde. Auf die Frage von Gemeinderat Kurt Klemm, was die Gemeinde zum Erhalt des GebĂ€udes getan habe, entgegnete Kessler nur, dass man nichts habe tun können.

Verloddern vs. verludern

Klemm unterstellte, dass es dazu auch keinen Willen gegeben habe, sondern bewusst keine fehlenden Ziegel ersetzt worden seien und offene Fenster dem GebÀude noch mehr zugesetzt hÀtten:

„Man hat das GebĂ€ude verloddern lassen.“

BM Kessler entgegnete, wie ĂŒblich sehr ungehalten:

„Das ist eine Unterstellung, wenn Sie sagen, wir hĂ€tten das GebĂ€ude verludern lassen.“

Verloddern oder verludern – fest steht, dass es keinerlei Ambitionen gegeben hat, das alte Haus, an dem eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Heddesheimer Geschichte gewirkt hat, doch erhalten zu können. Noch nicht einmal die Fassade als „gutem Anschein“.

Mit drei Enthaltungen und einer Gegenstimme der GrĂŒnen stimmte der Rest des Gemeinderats fĂŒr den Abriss.

Symbolischer Abriss?

Man kann das auch symbolisch sehen – das Kulturdenkmal eines kritischen Geistes wird durch die BefĂŒrworter des Abrisses fĂŒr immer getilgt. Das wird viele nicht verwundern.

Wird ebenfalls abgerissen - Weidigstraße 1.

Immerhin bleibt es als fotografische und zeichnische Dokumentation der Nachwelt erhalten – das erledigt allerdings das Denkmalamt.

Den Abriss erledigt das Heddesheimer Unternehmen Grimmig GmbH fĂŒr gut 21.000 Euro. Zum selben Tagesordnungspunkt wurde auch der Abriss des GebĂ€udes Weidigstraße 1 fĂŒr knapp 14.000 Euro beschlossen.

Die Gemeinde plant einen FlĂ€chentausch, danach geht das GrundstĂŒck des Schlatterhauses zurĂŒck an die Evangelische Kirchengemeinde, die dort ein neues Gemeindehaus errichten möchte. Man darf gespannt sein, welche Anstrengungen unternommen werden, fĂŒr das Andenken an den RevolutionĂ€r Schlatter unternommen werden. Denn RevolutionĂ€re und freie Geister haben es in Heddesheim bekanntlich nicht ganz einfach.