Guten Tag
Heddesheim, 12. Januar 2010. Unser Kommentar „Was Meinungsfreiheit bedeutet oder wie der MM die Meinung manipuliert“ hĂ€lt den absoluten Rekord, was die Zugriffszahlen innerhalb 24 Stunden angeht. Verschiedene Kommentatoren merken an, dass die Kritik zu hart ausgefallen sei und nicht alles an der Person von Frau Görlitz festgemacht werden könne. Zu einigen der Kommentare nimmt die Redaktion Stellung.

Oben Ausriss aus dem Orgininalartikel, unten das von uns manipulierte Bild (mit einem Archivbild einer Seniorenfeier). Die Motivwahl ergibt ganz unterschiedliche "Botschaften". Wahl und Perspektive von Bildern sind fĂŒr sich die erste Information, die der Leser erhĂ€lt. Klicken Sie auf das Bild fĂŒr eine gröĂere Darstellung. Montage: hblog
Das heddesheimblog bekennt sich zu einem kritischen Journalismus. Was heiĂt das? Wir verstehen Kritik nach ihrer Bedeutungsherkunft: „Kritik“ bedeutet „sich mit einer Sache auseinander setzen“. Das heiĂt, Kritik ist per se nicht negativ oder positiv – sie setzt sich intensiv sowohl mit positiven als auch negativen Aspekten des Betrachtungsgegenstand auseinander.
Der betreffende Kommentar ĂŒber die journalistische Leistung der Redakteurin Anja Görlitz und der publizistischen Linie ihres Arbeitgebers Mannheimer Morgen ist nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern hat eine Vorgeschichte.
In den Jahren 2000-2003 hat der Mannheimer Morgen in einer Vielzahl von Texten, meist im Wirtschaftsteil der Zeitung, sehr kritisch (vulgo „negativ“) ĂŒber die Unternehmensgruppe „Pfenning“ berichtet. Eine Zusammenfassung dieser Berichte haben wir als einen der ersten Texte hier im heddesheimblog veröffentlicht.
Seit Februar 2009 berichtet der Mannheimer Morgen, respektive Frau Görlitz, ĂŒberwiegend unkritisch (vulgo „positiv“) ĂŒber die geplante Ansiedlung von „Pfenning“ im Heddesheimer Gewerbegebiet. Seitdem ist nicht ein Artikel im MM erschienen, der eine eigenstĂ€ndige Themensetzung erkennen lĂ€sst. Ebenso sind eigenstĂ€ndige Recherchen nicht erkennbar. Die Texte sind ĂŒberwiegend Ergebnisse von Terminberichterstattung.
Ein Hinweis auf frĂŒhere Texte ĂŒber „schlimme ZustĂ€nde“ bei „Pfenning“ fehlt in dieser Berichterstattung vollstĂ€ndig. Dabei lernen schon Praktikanten, dass ein Blick ins eigene Archiv am Beginn jeder Recherche und nachfolgender Berichterstattung stehen sollte.
„Der deutsche Journalist braucht nicht bestochen zu werden.
Er ist schon froh, eingeladen zu werden.“
Kurt Tucholsky
Damit meinen wir keineswegs, dass nur „kritisch“ berichtet, wer gegen die Ansiedlung schreibt. Ganz im Gegenteil. Im heddesheimblog ist das bislang umfangreichste Interview mit dem „Pfenning“-GeschĂ€ftsfĂŒhrer Uwe Nitzinger in der Sache erschienen.
Ein guter Journalismus hat unserer Auffassung nach viele Funktionen. Er dokumentiert das Zeitgeschehen, er informiert nachrichtlich ĂŒber Ereignisse, er unterhĂ€lt mit gut geschriebenen Texten, er bietet Service. Aber guter Journalismus schaut auch den MĂ€chtigen auf die Finger und versucht durch eigenstĂ€ndige Thesen und Recherchen auch „unliebsame“ Informationen zu finden und zu veröffentlichen.
Dazu braucht es eine „kritische“ Haltung. FĂŒr uns bedeutet das: Wir fragen nach dem „sowohl als auch“ (Anm. d. Red.: Hinter dem Link finden Sie den ersten auf dem heddesheimblog veröffentlichten Text). Nach den positiven wie den negativen Aspekten. Dazu recherchieren wir ergebnisoffen. Sofern wir relevante Dinge recherchieren konnten, veröffentlichen wir diese und stehen dafĂŒr gerade.
Auch beim Mannheimer Morgen gibt es kritische Journalisten, die guten Journalismus betreiben. Leider zu wenige. Und leider gibt es zu viel Bratwurstjournalismus.
Die Kritik an diesem und anderen Artikeln von Frau Görlitz ist „nicht persönlich gemeint, sondern rein geschĂ€ftlich“. Als Mensch ist sie nach unserer Erfahrung eine sympathische Frau.
Verantwortliche Journalisten wissen, dass die Medienkompetenz vieler BĂŒrger nicht besonders ausgeprĂ€gt ist. Dies können sie ausnutzen oder sie können versuchen, diese zu befördern.
Das heddesheimblog steht deshalb fĂŒr Transparenz. Wir berichten deshalb auch ĂŒber die Berichterstattung der anderen. Dazu Ă€uĂern wir auch Meinungen. Wenn unsere Berichterstattung und die der anderen hilft, eine eigene, fundierte Meinung zu finden, haben wir unser Aufgabe erfĂŒllt.
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jawiejetzt schreibt:
ja, da sind wie wieder ganz im ĂŒbertragenen Sinn. NatĂŒrlich hat auch die Journalistin eine Verantwortung fĂŒr die Inhalte die sie bringt.
Aber worauf das hinaus lĂ€uft ist, daĂ man jeden Journalisten aufforden muĂ, so lange den Job zu wechseln, bis er eine Zeitung findet, die ihn oder sie entweder schreiben lĂ€Ăt, was er oder sie will oder mit deren Linie sich die eigene Linie völlig deckt.
Sie haben im Grundsatz sicher recht, aber die Frage ist ob subjektiver Journalismus in einem Lokalteil einer öffentlich rechtlichen Zeitung schlimmeren strafrechtlich relevanten Vorkommnissen gleichzusetzen ist.
Auch vor Gericht gilt es eine „Tat“ abzuwĂ€gen und (strafrechtlich) einzuordnen.
Wer von uns kann sagen was Frau Görlitz schreiben wĂŒrde, wenn sie dĂŒrfte wie sie wollte???
Und ob sie dann noch lange beim MM wĂ€reĂąâŹÂŠ
Stellungnahme der Redaktion:
Der Mannheimer Morgen ist mitnichten eine „öffentlich-rechtliche“ Zeitung. Es handelt sich um ein privatwirtschaftliches Unternehmen.
Wir können auch nicht erkennen, wo wir in unserem Kommentar die Zeitung mit „strafrechtlich relevanten Vorkommnissen“ gleichsetzen. Manipulation ist nicht strafbar, Volksverhetzung sehr wohl, aber das haben wir definitiv nicht geschrieben und nicht gemeint.
Uns interessiert auch nicht, was Frau Görlitz schreiben wĂŒrde, wenn sie dĂŒrfte, sondern was sie schreibt. Allein dafĂŒr ist sie verantwortlich. Und allein daran messen wir sie und die Redaktionsleitung und die Chefredaktion.
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Raum fĂŒr Notizen schreibt
Hallo Herr Prothmann,
danke fĂŒr Ihre Anregungen. Hier allerdings stimme ich nicht mit Ihren Ansichten ĂŒberein.
Ein offizieller Neujahrsempfang ist nach meinem Empfinden kein Anlass fĂŒr eine umfassende Darstellung einer Problematik, die ja offenbar schon seit Monaten in der lokalen Presse geschildert wird. Man mag ja grundsĂ€tzlich unzufrieden mit der Richtung oder Art der Berichterstattung sein, aber dies nun ausgerechnet an einem Empfang festzumachen, bei dem der BĂŒrgermeister als Gastgeber nun mal das Recht der groĂen Rede hat, erscheint mir völlig ĂŒberzogen.
Auch die Behauptung der „Propaganda“, die Sie im Artikel ausgemacht zu haben glauben, erschlieĂt sich mir nicht ganz. War die Reaktion des Publikums auf die Aussagen des BĂŒrgermeisters denn völlig anders als dargestellt? Wollte die Zeitung tatsĂ€chlich die Aussage „BĂŒrgermeister und BĂŒrger sind sich einig“ darstellen, hĂ€tte man sicher auch ein Publikumsbild ohne BĂŒrgermeister verwenden können.
Die „Schuld“ liegt meiner Meinung nach nicht beim Mannheimer Morgen (dessen Berichterstattung ich nur aus der Ferne kenne), sondern im Wesen der NeujahrsempfĂ€nge, die landauf, landab zu Schönwetterreden genutzt werden. In den ersten Wochen des Monats werden sie vermutlich in ausnahmslos jeder Lokalzeitung einen Bericht wie den von Frau Görlitz finden. Das mag man ja grundsĂ€tzlich verurteilen – aber den Bericht ĂŒber den Empfang als Meinungsmanipulation zu bezeichnen, schieĂt doch deutlich ĂŒber das Ziel hinaus.
Stellungnahme der Redaktion
Es ist Ihr gutes Recht, nicht mit unseren Ansichten ĂŒbereinzustimmen.
Wir verurteilen auch niemanden – das machen Richter. Unser Kommentar Ă€uĂert eine Meinung. Diese Meinung basiert auf Recherche und Fakten, mit denen wir die MeinungsĂ€uĂerungen belegen.
Und dass landauf, landab Lokalzeitungen „Bratwurstjournalismus“ betreiben ist bekannt und bedauerlich.
Wir alle werden grundsÀtzlich durch Informationen beeinflusst. Journalisten haben aber, das entsprechende SelbstverstÀndnis vorausgesetzt, die Aufgabe, eine einseitige Beeinflussung zu vermeiden.
In unserem Kommentar ist auch nicht von „Schuld“ die Rede. Sondern von einer bewussten oder unbedarften Manipulation. Diese erfolgt in Verkennung der UmstĂ€nde durch eine Text- Bildschere (so nennt man das Zusammenspiel von Text und Bild), die dem Zitat eines BĂŒrgermeisters ein kraftvoll wirkendes Bild zur Seite stellt. Alles weitere steht im Kommentar, den wir hier nicht wiederholen wollen.
TatsĂ€chlich haben wir uns redaktionell auch Gedanken darĂŒber gemacht, ob der Artikel vielleicht als „Aufruf“ durch die Autorin zu verstehen sein sollte, wieder aufeinander zuzugehen. Doch das ist Spekulation und selbst wenn dies dies Motivation gewesen sein sollte, ist das Ergebnis grĂŒndlich schief gegangen. DarĂŒber hinaus wĂ€re das auch illusionistisches Wunschdenken, was wir ebenfalls sachlich begrĂŒndet im Kommentar dargestellt haben. Der BĂŒrgermeister hat noch keinen Schritt auf die Gegner des Projekts zugemacht, ganz im Gegenteil.
Und wieso soll man einem „Recht der groĂen Rede“ (die keine solche war) nachgeben? Zumal, wenn man weiĂ, dass die Inhalte nicht mit der Wirklichkeit ĂŒbereinstimmen? Der BĂŒrgermeister hat Hausrecht und kann sagen was er will. Ihrem Argument, dass es ĂŒblich sei, diese Schönwetterreden abzudrucken, können wir nicht folgen. Wir erkennen aber Ihre Aussage an, dass dieses ĂĆbel durchaus ĂŒblich ist.
Was das Bild angeht: Wir gehen davon aus, dass hier unbewusst dies Bild gewĂ€hlt wurde, da der BĂŒrgermeister mit gesenktem Kopf perspektivisch kaum zu erkennen ist. Aber das ist nur eine Vermutung. Sie unterschĂ€tzen unserer Meinung nach die Kraft der Bildsprache, die hier mit einem kurzen Zitat verstĂ€rkt wird, dem jeder vernĂŒnftige Mensch zustimmen wird („Appell ans Wir-GefĂŒhl“)
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Jeeves schreibt:
„Da heiĂt es dann zwangslĂ€ufig „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, das natĂŒrlich ganz im ĂŒbertragenen Sinne.
Daher in dubio pro reo, sollte man das nicht an der Person Frau Görlitz festmachen.“
Autsch. ĂĆbertragen Sie das mal auf andere (vor allem schlimmere) Vorkommnisse. Der TĂ€ter ist unschuldig? Nur der Auftraggeber und die UmstĂ€nde (also hier sogar nur: der gut bezahlte Job) sind Schuld? Da sind nicht nur unsere Gesetze und Gerichte ganz anderer Auffassung.
Stellungnahme der Redaktion:
Wir halten es fĂŒr eine bedauerliche Tatsache, dass der GefĂ€lligkeitsjournalismus ĂŒberwiegt. Genau deswegen kritisieren wir dies auch und freuen uns, dass, wie im vorliegenden Fall ĂŒber die Verlinkung bei Bildblog, sich eine so groĂe Zahl von Kollegen und anderen interessierten Menschen sich mit dem Thema auseinandersetzt.
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Torsten schreibt:
Konkrete Frage an den praktizierenden Journalisten: Wie sollten die 100 Zeilen fehlende Information in den Artikel zum Neujahrsempfang untergebracht werden? Wie kann das Wort „Finanzkrise“ in dem Artikel stehen ohne dass ein Telefonbuch voll ErlĂ€uterungen dahinter kommt?
Der Mannheimer Morgen mag einseitig und unkritisch sein, aber diese Kritik ist fehlgeleitet.
Stellungnahme der Redaktion:
Das ist einfach zu beantworten. Schauen Sie sich den Artikel an: Ein kleineres Bild oder kein Bild und schon hĂ€tte es jede Menge Platz fĂŒr mehr als 100 Zeilen gegeben. Und das Wort „Finanzkrise“ ist so oft medial berichtet worden, dass man dazu nicht mehr viel erklĂ€ren muss, oder?
Einen schönen Tag wĂŒnscht
Das heddesheimblog
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