Freitag, 24. März 2023

Gläserner Gemeinderat: Im Frühjahr gibt es einen Markt – was für einen ist unklar

Guten Tag!

Heddesheim, 13. Oktober 2010. Ab dem kommenden Frühjahr wird es auf dem Dorfplatz einen Wochenmarkt geben – mit welchen Angeboten ist noch unklar. Der Markt wird freitags stattfinden, weil angeblich Samstag kein guter Tag ist. Über einen Mittwoch oder Donnerstag wurde nicht diskutiert – ebensowenig über die Bedürfnisse der Heddesheimer BürgerInnen.

Von Hardy Prothmann

Wenn man im Gemeinderat Herrn Hasselbring (Fraktionsvorsitzender FDP) zuhört, was der so sagt, dann weiß man genau, wo der Mann einkauft: Bevorzugt in Ladenburg und Umgebung, nur nicht in Heddesheim: „In Schriesheim, Hirschberg und Ladenburg gibt es oder entsteht eine Einkaufsqualität, die wir hier nicht mehr kriegen.“ „Super, toll, klasse“, sagt der Mann mit einer Lebendigkeit, die sonst so gar nicht an den Tag legt.

Herr Hasselbring kauft gerne in der Nachbarschaft ein.

Herr Hasselbring lässt sich so ausführlich schwärmend über die tollen Standorte in der Nachbarschaft aus, dass Bürgermeister Kessler kommentiert: „Bitte keine Werbung Herr Hasselbring.“ Darüber wird gelacht. Haha. Dabei ist es ein ernstes Thema.

In Ladenburg ist mit der Kombination aus Edeka, Aldi und DM, ausreichend Parkplätzen und Gastronomie an der Wallstadter Straße eine Einkaufsgelegenheit entstanden, die viele Heddesheimer anzieht – seit einiger Zeit sowieso, da die Viernheimer Brücke noch bis Jahresende Baustelle ist. Zudem lockt die Altstadt – vergangenen Freitag war dort Einkaufsnacht mit ordentlich Betrieb – im krassen Gegensatz zur Heddesheimer Einkaufsnacht, die ganz klar ein Misserfolg war und das bleiben wird, solange es keinen besonderen Anreiz gibt.

In Hirschberg wird im Neubaugebiet „Sterzwinkel“ ebenfalls ein moderner Edeka-Markt entstehen – der aus Sicht der angeblich „bis zu 1.000 Arbeitnehmern“ der geplanten „Pfenning“-Ansiedlung bei weitem einfacher zu erreichen sein wird, als der Heddesheimer Edeka-Markt, der nun wahrlich keine Augenweide ist. Sofern die „bis zu 800“ Lkw täglich die Strecke nicht komplett verstopfen.

Gerüchte.

In Heddesheim hat die Metzgerei Schmich zugemacht, bekanntermaßen ist der Discount Treff schon lange zu und glaubt man den Gerüchten, die viele kennen, wird das auch so bleiben. Treff gehört ebenfalls zum Edeka-Konzern und man sagt, die Miete würde für den leeren Laden weiterbezahlt, damit sich dort keine Konkurrenz ansiedelt. Das ist ein Gerücht, für das Argumente sprechen. Andererseits kann man genauso gut glauben, dass da niemand rein will, weil Heddesheim und die Lage im Speziellen nicht attraktiv genug sind – es mangelt an Parkplätzen und die wollen alle haben.

Meinen Einwurf, dass man auch in Heddesheim bei einem Wochenmarkt auf ausreichend Parkplätze achten müsse, wollte niemand zur Kenntnis nehmen. Mein Antrag, über das Internet die Wünsche der Heddesheimer Bevölkerung einzusammeln, um ein möglichst zielgenaues Angebot entwickeln zu können wurde nur von den Gemeinderatskollegen Reiner Edinger und Kurt Klemm unterstützt.

Nun hat der Gemeinderat einstimmig den Antrag der SPD auf einen Wochenmarkt beschlossen – also auch ich. Warum? Von meiner Seite als Signal. Ich glaube nämlich, dass ein attraktiver Markt ein positives Signal setzen kann. Das Angebot und die Preise müssen stimmen. Wenn man Herrn Kessler im Mai genau zugehört hat, wünscht der sich Käse, Bio und Fisch und „was man sonst nicht im Ort finden kann“.

Angebote.

Naja, es gibt einen Fischwagen, im Edeka gibt es auch Bio und eine solide Käsetheke – irgendwie verstehe ich den Bürgermeister nie so recht. Ein Angebot mit Gemüse und Obst ist nicht explizit besprochen worden und wird meiner Meinung nach nicht kommen. Denn das wäre eine Konkurrenz für den CDU-Vorsitzenden und Gemeinderat Rainer Hege, der einen Scheunenladen betreibt und sich demonstrativ für befangen erklärt hat. Die Mehrheit der CDU-Mitglieder stimmte denn auch gegen den Antrag der SPD: „Wir sehen eine Konkurrenz für die bestehenden Betriebe“, sagte Dr. Josef Doll, der CDU-Fraktionsvorsitzende. Näher erläutert hat er das nicht.

Und Käse, Bio, Fisch? Das sind eher hochpreisige Angebote, die sich nicht jeder leisten können wird – vielleicht wusste Herr Kielmayer schon mehr als andere, als er meinte: „Da holt man sich Appetit, aber eingekauft wird im Supermarkt.“ Ich fand das Argument absurd – da guckt man vielleicht ein- zwei Mal und beschließt dann, dass es zu teuer ist. Sicherlich geht niemand freiwillig dahin, wo er sich nichts leisten kann.

Fragen darf man aber schon, was Herr Doll denn meinen könnte? Können Brillen, Bücher, Blumen, Orthopädie-Geräte, Schuhe, Zahnpflege, Friseurdienstleistungen, Reisebüro, Sonnenstudio, Kiosk und Bürobedarf Konkurrenz durch einen Wochenmarkt bekommen? Keines dieser Geschäfte dürfte einen „Lebensmittel-„Markt als Konkurrenz betreiben. Der Edeka-Markt kann das verschmerzen, weil er noch andere Artikel anbietet. Der Tschibo-Laden mit Backwaren wäre schon eher „betroffen“, doch der ist im Gemeinderat nicht vertreten. Der Hege-Laden noch mehr und das hat die CDU ja auch ein klares Signal gegeben.

Bereits Ende 2009 wurde der Markt von der SPD erstmals in den Gemeinderat gebracht – jetzt entschieden und frühestens in weiteren sechs Monaten soll es losgehen. Auch das ist „Standortpolitik“. Man muss sich nur wundern, wie schnell „Pfenning“ dageben vorangebracht wurde.

Geheimnisse.

Als großes Geheimnis bleibt, was denn so an Standbetreibern kommen wird. Schließlich liebt Herr Kessler Geheimnisse und hasst es, das Volk zu fragen – das hat er mit vielen Repräsentanten im Gemeinderat gemein.

Während der Bürgermeister 2009 noch sehr unentschlossen war, gibt er sich nun zuversichtlich, dass der Markt „Kaufkraft im Ort gehalten oder zurückgeholt werden kann“.

Kurt Klemm begrüßte den Markt als „Ort der Begegnung“, „Grünen“-Specher Klaus Schuhmann ebenso, vor allem wegen der „älteren Leute“: „Man darf die, die nicht so mobil sind, nicht vergessen.“

CDU-Enthaltung.

Frau Brechtel, Herr Doll, Herr Kielmayer und Herr Schaaf (alle CDU) enthielten sich der Stimme, trotz des „Alten“-Arguments, das sie sonst immer hochhalten.

Auch ich finde eine Markt in Heddesheim gut, weil er den Ort attraktiv macht und den leblosen Dorfplatz wenigstens einmal die Woche mit Leben füllen kann. Tatsächlich befürchte ich, dass der Bauernmarkt vor dem Rhein-Neckar-Zentrum und in Ladenburg, die zeitgleich stattfinden, eine harte Konkurrenz sind und somit der Freitag kein gut gewählter Tag ist.

Und dann kommt es noch auf das Angebot an – man darf gespannt sein, was das sein wird.

Bevor der Markt überhaupt starten wird, ist eines aber klar: Für die Wünsche der Heddesheimer BürgerInnen haben sich weder Herr Kessler noch die Mehrheit im Gemeinderat interessiert.

Und das finde ich bedauerlich.

hardyprothmann

Anmerkung der Redaktion:
Hardy Prothmann ist partei- und fraktionsfreier Gemeinderat und verantwortlich für das heddesheimblog.

Download:
Gemeinderat-Protokoll Mai 2010 über die Diskussion zum Markt-Antrag der SPD.

Ist Stuttgart 21 überall?

Guten Tag

Heddesheim, 22. September 2010. (red) Die „IG neinzupfenning“ hat heute mit der Verteilung eines neuen Flyers begonnen. Darin fordert die Interessengemeinschaft auf, „hörbar und sichtbar Widerstand zu leisten“.

Von Hardy Prothmann

Die „IG neinzupfenning“ ruft mittels eines Flugblatts erneut zum Widerstand gegen die geplante „Pfenning“-Ansiedlung auf. Für den kommenden Samstag ist eine „Tour de Flur“ geplant, Treffpunkt ist um 11:00 Uhr.

Zur kommenden Gemeinderatssitzung am 30. September 2010 ruft die IG zu einem „Treffen“ vor dem Rathaus um 16:30 Uhr auf.

Beide Veranstaltungen sind nach unseren Informationen nicht als Demonstrationen angemeldet und sollen das auch nicht sein.

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Ist Stuttgart 21 überall?

Ausweislich des Flyers orientiert sich die IG nun an den Protesten zu „Stuttgart 21“, dem vermutlich größten Infrastrukturprojekt Europas, dem Gegner „Unsinn, Großmannssucht und Geldverschwendung“ vorwerfen und dessen Befürworter die „wirtschaftlichen und konjunkturellen Vorteile“ hervorheben.

Stuttgart ist weit, aber nicht sehr weit weg. Die entscheidende Frage lautet: „Ist Stuttgart 21 überall?“ Die IG behauptet das.

Wie groß aber sind die Chancen, dass die IG tatsächlich viele BürgerInnen für eine friedliche „Tour de Flur“ am Samstag und ein „Treffen“ zur kommenden Gemeinderatssitzung motivieren kann?

Rückschau.

Hier lohnt eine Rückschau.

In der Auseinandersetzung in Sachen „Pfenning“ gibt es auf der politischen Ebene, also dem Gemeinderat zwei Fraktionen: Die Befürworter mit 12 Stimmen und die Gegner der Ansiedlung mit 9 Stimmen.

Die Mehrheit ist eindeutig und in der vergangenen Gemeinderatssitzung wurde der Bebauungsplan als Satzung mit ebendieser Mehrheit 12:9 beschlossen.

Das entspricht einem prozentualen Mehrheitsverhältnis von 57,1 Prozent zu 42,9 Prozent. Nimmt man die Stimme des Bürgermeisters heraus und betrachtet nur die Mehrheitsverhältnisse der Gemeinderäte, bleibt noch eine Mehrheit von 55 zu 45 Prozent.

Berechnungen.

Diese Mehrheit entspricht nicht dem Ergebnis der Bürgerbefragung, die mit 50,35 Prozent zu 49,65 Prozent ausgegangen ist. Nur 0,7 Prozentpunkte Unterschied liegen zwischen den Befürwortern und den Gegnern. Konkret stimmten 2.910 Bürgerinnen für und 2.870 Bürgerinnen gegen die Ansiedlung von „Pfenning“. Die „absolute Mehrheit“ entsprach also 40 Stimmen. 59 Stimmen wurden nicht gezählt, weil sie ungültig waren.

Übertrüge man dieses „Mehrheitsverhältnis“ auf den Gemeinderat, hätte es dort eine Patt-Situation gegeben, weil 0,7 Prozentpunkte nicht darstellbar sind.

Ein Patt, also gleich viele Stimmen für und gegen ein Projekt bedeutet automatisch die Ablehnung.

Nähme man nun also an, die Stimmen der Gemeinderäte wären zehn zu zehn ausgegangen und die hauchdünne Mehrheit wäre die Stimme des Bürgermeisters, hätte dieser auch mit 11:10 trotzdem die entscheidende Mehrheit hergestellt.

Falls Sie meinen, das dies haarspalterische Rechenbeispiele sind, dann verkennen Sie die politische Dimension der Deutung. Bei der Mehrheit der 12 Stimmen scheint eine klare Mehrheit zu herrschen. Dem ist aber nicht so.

In der Tradition der gemeinderatlichen Entscheidungen ist jeder Bürgermeister immer sehr bemüht, klare Mehrheiten für sich zu gewinnen. Eine Mehrheit von fünf oder sieben Prozentpunkten ist eine Mehrheit, aber eben keine klare.

Was klare Mehrheiten sind, zeigen andere Verfahren, bei denen zwei Drittel der Stimmen eine solche klare Mehrheit darstellen.

In der Wirtschaft sind beim Aktienrecht klare Mehrheiten 75 Prozent plus eine Stimme, das heißt, die „Minderheit“ hat nur 24,9 Prozent. Häufig werden sogar Mehrheiten von 80 Prozent plus eine Stimme angestrebt, um keine Zweifel aufkommen zu lassen.

Davon ist die Mehrheit im Heddesheimer Gemeinderat weit entfernt. Um es nochmals zu verdeutlichen. Hätte sich nur ein Gemeinderat „gegen Pfenning“ umentschieden, wäre es 11:10 ausgegangen. Dünner könnte keine Mehrheit sein. Größer kann aber auch kein Druck auf einzelne sein, dieser „eine“ zu sein.

Formale vs. politische Diskussion.

In der formalen Diskussion um die Frage, welche Mehrheiten aktzeptabel sind und nicht, ist die Frage schnell und eindeutig beantwortet: 12:9 oder auch 11:10 sind eine Mehrheit, die ausreicht, um in der Sache einen Beschluss für oder wider zu fassen.

Im politischen Alltag hingegen sind beide Mehrheiten höchst problematisch, da beide beim besten Willen keine „Konsens“-Entscheidung auch nur vermuten lassen. (Lesen Sie unser Interview mit Hans-Georg Wehling zur Sache – einem der anerkanntesten Experten in Sachen Kommunalpolitik.)

Eine politisch „akzeptable“ Mehrheit von zwei Dritteln würde im Falle des Heddesheimer Gemeinderats bei 23 Stimmen mindestens 16 Ja-Stimmen voraussetzen. Da zwei Gemeinderäte „befangen sind“, also nur 21 stimmberechtigte Gemeinderäte übrig bleiben, genau 14 Ja-Stimmen.

Zurück zur „politischen Bewertung“ der 40 Stimmen, die als „Mehrheit“ für die Ansiedlung von „Pfenning“ definiert wurden.

Einen Unterschied von 0,7 Prozentpunkten kann niemand „allen Ernstes“ als „Mehrheit“ begreifen.

Die Bürgerbefragung ist als Patt ausgegangen – also von der Bürgerschaft so entschieden worden, dass sich Ja- und Nein-Stimmen aufheben.

Übertragen auf den Gemeinderat, hätte man erwarten dürfen, dass die Gemeinderäte (von denen jeder einzelne souverän ist und von denen jeder einzelne sich zum Wohl der Gemeinde verpflichtet hat) dies zur Kenntnis genommen hat und einen entsprechenden Beschluss herbei geführt haben müsste – nämlich den der Bürgerbefragung. Ein Patt und damit eine klare Ablehnung.

Konsens?

Und zurück zum Konsens. Nach Aussagen des Bürgermeisters Michael Kessler und der Befürwortersprecher Dr. Josef Doll (CDU), Jürgen Merx (SPD) und Frank Hasselbring (FDP) handelt es sich bei dieser Ansiedlung um eine „Jahrhundertentscheidung“. Und das ist sie tatsächlich.

Das Schicksal der Gemeinde Heddesheim ist mit Inkrafttreten des Satzungsbeschlusses und dem Beginn der Bautätigkeiten über Generationen hinweg an das Schicksal des Vorhabens „Pfenning“ gebunden.

Die Satzung ist noch nicht in Kraft getreten – dazu muss sie erst veröffentlicht werden. Einen Tag nach der Veröffentlichung ist die Satzung gemäß Ortsrecht in Kraft. Vermutlich wird die Veröffentlichung am morgigen Donnerstag im Gemeindeblatt erfolgen, in Kraft tritt sie demnach am Freitag, den 24. September 2010.

„Stuttgart 21“ ist im Vergleich zu „Pfenning“ klein, denn „Stuttgart 21“ wird weder für das Schicksal der Stadt Stuttgart, noch für das des Landes Baden-Württemberg und schon gar nicht für Deutschland verantwortlich sein. „Stuttgart 21“ hat aber ein enormes Potenzial, die politischen Kräfteverhältnisse in der kommenden Landtagswahl deutlich zu beeinflussen.

Auf die Kommunalwahl hat das Projekt schon gewirkt – die Grünen stellen in Stuttgart die stärkste Fraktion. Und auch bundespolitisch kann dieses Projekt Einfluss nehmen.

Kommunalwahl 2014.

„Pfenning“ wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kommunalwahl 2014 bestimmen. Sollten die versprochenen Segnungen nicht eintreffen, wird die Fraktion Bündnis90/Die Grünen vermutlich hinzugewinnen und hat beste Chancen, die stärkste Fraktion zu werden.

Was noch keinen „Machtwechsel“ bedeutet, denn zurzeit stellt die Fraktion ein knappes Viertel des Gemeinderats. Die Grünen könnten aber stärkste Fraktion werden und die CDU ablösen.

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Wieviele BürgerInnen werden kommen?

Denkbar ist auch, dass sich eine weitere kommunalpolitische Gruppe aufstellt, ob die nun Freie Wähler oder anders heißt, sei dahingestellt.

Sollten die versprochenen Segnungen eintreffen, würde das die Positionen der „Befürworter-Fraktion“ stärken. Davon ist allerdings nicht auszugehen, weil der „Segen“ erst Jahre nach Betriebsaufnahme Auswirkungen auf die Gemeinde haben könnte – vorher wird „abgeschrieben“.

Diese „parteipolitischen“ Planspiele sind nur für die interessant, die Kommunalpolitik betreiben und sich für „Kräfteverhältnisse“ interessieren.

Die IG neinzupfenning hat ein anderes „Kräfteverhältnis“ im Blick: „Stuttgart 21“. Eine Protestbewegung, die „unorganisiert“ aus vielen Quellen schöpft. Eine der Hauptquellen ist der zivile Widerstand gegen eine klüngelnde Parteipolitik und Wirtschaftslobbyismus. Gegen „Zentralisierung“ und „Gigantismus“.

Insofern ist der Vergleich „Stuttgart-Heddesheim“ nicht von der Hand zu weisen. Während in Stuttgart aber „große Kräfte“ wirken, muss man sich fragen, wie kraftvoll eine „Heddesheimer Bewegung“ einzustufen ist?

Während in Stuttgart viele Kräfte überregional auf das Projekt wirken, muss man fragen, ob es in Heddesheim allein zur „nachbarschaftlichen“ Solidarität reicht?

Öffentlichkeit.

Die Mitglieder der „IG neinzupfenning“ haben zweifellos einen wichtigen Beitrag im Prozess der geplanten Ansiedlung des Logistik-Riesen „Pfenning“ geleistet, aber niemals die Region, die Nachbarn eingebunden. Ein Fehler? Vermutlich.

Die IG hat Öffentlichkeit gesucht und hergestellt. Im Hintergrund wurden viele Informationen gesammelt und so gut es ging, aufbereitet. Sicherlich sind hier auch „persönliche“ Interessen der Gewerbetreibenden vor Ort wichtig gewesen.

Dies ist bis heute der „Hauptvorwurf“ der „Pfenning-Befürworter“ gegenüber den Initiatoren der IG, die aus einer Arbeitsgruppe des Bundes der Selbstständigen (BdS) hervorgegangen ist.

Innerhalb des BdS kam es zu einer Spaltung. Die Vorsitzende Nicole Kemmet verhehlt zwar bis heute ihre eindeutige Befürworter-Haltung und tut so, als vertrete sie alle im BdS organisierten Geschäftsleute. Offensichtlich tut sie das nicht und verfolgt vermutlich „eigene“ Interessen für ihren eigenen Betrieb, was legitim ist.

Was die IG nicht geschafft hat, ist, aus einer Masse von Gegnern, immerhin die Hälfte der abstimmenden BürgerInnen bei der Bürgerbefragung, eine organisierte Bewegung zu bilden, die sich „hörbar und sichtbar“ gegen das Projekt „Pfenning“ stellt. Also ein „Heddesheim 21“.

„Gemeinschaft der Interessen“?

Denn dafür hätte diese „Interessengemeinschaft“ eine tatsächliche „Gemeinschaft der Interessen“ sein müssen. Ein Sammelbecken für die Interessen der Bürger. Meiner Meinung nach wurde in dieser Hinsicht viel zu wenig gearbeitet und erreicht. Die IG hat den Impuls (was gut ist), aber bis heute nicht die Nachhaltigkeit gesucht (was schlecht ist).

Politik und Gegenpolitik wie bei „Stuttgart 21“ lebt von Ideen, vom Einsatz, vom Willen zur Entscheidung und vor allem von den Menschen, die sich für die eine oder andere Politik einsetzen.

Im Fall von „Stuttgart 21“ erlebt das Land Baden-Württemberg und auch ein wenig die gesamte Bundesrepublik einen Bürgerzorn, der so nicht erwartet wurde. „Stuttgart 21“ ist eine Metapher für Politikverdrossenheit, Frust, Zorn, Aufstand gegen „Verflechtungen“, die kaum noch jemand versteht.

Die „IG neinzupfenning“ lehnt sich zu recht daran an. Auch in Heddesheim gibt es viel Frust, Zorn und den Willen zum Aufstand gegen „Verflechtungen“, die sich aus Sicht der Gegner des „Pfenning“-Projekts in der Person des Bürgermeisters Michael Kessler und seiner „gezimmerten Mehrheit“ (MM) manifestieren.

Die IG hat versäumt, sich als „Organisation“ kontinuierlich zu etablieren und dem „System Kessler“ ein klar anderes System entgegenzusetzen.

Die Politikverdrossenheit der Bürger ist aber scheinheilig, wenn diese sich immer nur darauf verlassen, dass jemand anderes für sie „Systeme“ etabliert. Wo das hinführt, erkennt man an der „Linken“, die keine echte Partei sind, sondern nur ein „Frustsammelbecken“, das nicht mit Substanz überzeugen kann. Oder an „extremistischen“ Gruppierungen, die „Proteste“ einsammeln und dann nicht weiter wissen.

Politische und juristische „Konsequenzen“.

Heddesheimer BürgerInnen, die sich am Samstag und dann vor der Gemeinderatssitzung „treffen“ wollen, muss klar sein, dass diese Treffen im Verfahren „formal“ nichts mehr bewirken werden.

„Wirkungen“ werden nur noch juristische Auseinandersetzungen haben, die von Gewerbetreibenden angekündigt sind. Nach meinem Kenntnisstand werden sie juristisch sehr fachkundig vertreten.

Unabhängig davon versucht die IG, die Heddesheimer Bevölkerung zu Aktionen zu motivieren.

Das finde ich gut. Noch besser fände ich, wenn BürgerInnen Ansprüche an die IG stellten, Forderungen und Ziele definierten und sich aktiv für diese Gemeinde einsetzten.

Die IG bietet einen Termin an. Die Frage ist, ob sich genug Bürgerinnen finden, die für sich, für ihre Verantwortung, für ihre Gemeinde daran teilhaben werden und aus ihrem Engagement etwas machen wollen.

Ich bin gespannt, wie viele BürgerInnen am Samstag ein Zeichen setzen werden.

Niemand muss für seine persönliche Meinung Mitglied einer „IG“ oder einer Partei sein und werden. Artikel 5 Grundgesetz erlaubt uns allen, eine eigene Meinung zu haben und dafür einzutreten.

Wer sich konkret für Heddesheim interessiert und sich über „Pfenning“ hinaus mit der Zukunft der Gemeinde beschäftigen will, dem empfehle ich unser Interview mit Professor Hans-Georg Wehling, einem der renommiertesten Professoren in Sachen Kommunalpolitik.

Dieses Interview haben wir vor fast einem Jahr, am 06. Oktober 2009, veröffenlicht.

Anmerkung der Redaktion:
Hardy Prothmann ist freier Journalist, verantwortlich für das heddesheimblog und ist fraktions- und parteifreier Gemeinderat in Heddesheim.

Am Montag knackt der „100-Millionen-Euro-Kessler“ seinen Jackpot

Guten Tag!

Heddesheim, 09. September 2010. Unsere Dokumentation zu dem „erfundenen Zitat“: „Ich bin die Gemeinde“, macht eines deutlich, was die Menschen in Heddesheim instinktiv wissen. Bürgermeister Michael Kessler hat längst die Demut vor seinem Amt verloren.

Von Hardy Prothmann

Kein Mensch ist ohne Fehler.

Für die Christen unter uns ist Jesus das beste Beispiel. Für Anhänger der Pop-Kultur ist es sicherlich Michael Jackson.

In Heddesheim gibt es einen Menschen, der ohne Fehl und Tadel ist oder zumindest alles dafür tut, so zu scheinen: Michael Kessler.

Der Heddesheimer Bürgermeister Michael Kessler, Sohn des allgegenwärtigen früheren Bürgermeisters Fritz Kessler, ist nicht mehr kritisierbar. Anders formuliert: Für Kritik nicht mehr zugänglich. Noch anders formuliert: Kritikresistent. Noch anders formuliert: Kritikbefreit.

100-Millionen-Euro-Kessler.

Ich habe Herrn Bürgermeister Kessler zum ersten Mal Anfang 2009 zum Neubürgerempfang gesehen, dass zweite im April 2009 bei der Bürgerversammlung im Bürgerhaus, bei der er versprach, er würde ein „bedeutendes Unternehmen“ nach Heddesheim holen.

Ich habe damals den mir (bis heute) fremden Bürgermeister Kessler gefragt, ob er der „100-Millionen-Euro-Kessler“ werden will.

Diese Frage hat bis heute ihre Berechtigung. Denn es gibt keine guten Argumente mehr.

Das einzige, was bleibt: Sollte diese Investiton getätigt werden, kann Herr Michael Kessler mit Fug und Recht behaupten, dass er der Bürgermeister mit der größten Investionssumme seit vielen Jahrzehnten im Rhein-Neckar-Kreis ist. Der „100-Millionen-Euro-Kessler“.

Für seine Gemeinde Heddesheim ist in Sachen „Bedeutung“, „beträchtliche Gewerbesteuereinnahmen“, „bis zu 1.000 Arbeitsplätze“, „Gewinn für die Gemeinde“ längst keine Rede mehr.

Auch seine Marionetten im Gemeinderat, allen voran der sinnentleerte Dr. Joseph Doll, die „Einheit der 12“, hebt nur noch die Hand zur Bestätigung der Macht – Argumente, Fakten werden längst nicht mehr benannt. Denn sein Prestige-Objekt, die Ansiedlung des Logistik-Unternehmens „Pfenning“ entwickelt sich konkret mehr und mehr zum Fiasko.

Meister des Fiaskos.

Stattdessen wird über „noch mehr Verkehr“, „Belastungen“, „Spaltung“, „Unfrieden“, „Absolutismus“ und „Ich bin die Gemeinde“ geredet. Das beschauliche Dorf ist seit mehr als einem Jahr schon in höchster Alarmbereitschaft. Unfrieden, Bruch von Freundschaften, Übergriffe, Anfeindungen, ja sogar offener Hass bestimmen das Gemeindeleben.

Die Verantwortung dafür trägt Bürgermeister Michael Kessler, der sich immer mehr von seiner Funktion als Meister aller Bürger hin zum Despoten entwickelt.

Es gibt keinen Zweifel, dass sich der Leiter der Verwaltung, ein politischer Beamter auf Zeit, über das höchste Gremium der Gemeinde, den Gemeinderat, als „Ich bin die Gemeinde“ erhebt.

Herr Kessler wollte dieses „Zitat“ mit allen Mitteln aus der Welt schaffen und hat es durch seine unnachgiebige Sturheit nur verfestigt.

Alle BürgerInnen in Heddesheim haben sein „Ja“ auf die Frage: „Sind Sie die Gemeinde?“, genauso absolut richtig verstanden, wie er sich geäußert hat.

Seine Schwäche ist die vermeintliche Stärke.

Sein verzweifeltes Bemühen, nicht gesagt zu haben: „Ich bin die Gemeinde“, sondern nur „Ja“ gesagt zu haben auf die Frage: „Sind Sie die Gemeinde?“, zeigt nichts anderes als seine Schwäche.

Die BürgerInnen erwarten zu recht, dass ihr Bürgermeister weiß, was er will. Dass er Führung zeigt, um sich für ihr Wohl einzusetzen.

Weiß er, was er will? Will er das für die Gemeinde oder für sich?

Mindestens die Hälfte der BürgerInnen glauben in Bezug auf Herrn Kessler nicht mehr, dass er etwas für die Gemeinde will.

Sie sehen einen herrischen, unwirrschen, absolutistisch auftretenden „Bürgermeister“, der etwas durchpeitscht – ohne Rücksicht auf Verluste für die Allgemeinheit, für die Dorfgemeinschaft, für das allgemeine Wohl. Für alle, auch seine Kritiker.

Wer kann sich daran erinnern, dass ein freudiger Bürgermeister Kessler ein tolles Projekt beworben hat? Glaubwürdig, hoffnungsvoll, positiv?

Keine positive Ausstrahlung.

Wer kann sich an „Visionen“ erinnern? An das Versprechen, das es „voran geht“? Dass man eine positive Entscheidung getroffen hat?

Keiner? Das ist so absolut richtig. Genauso, wie die Beobachtung, dass der Bürgermeister Kessler die Gemeinderatssitzungen weitgehend aggressiv, herrisch, unwirsch und ohne das geringste Interesse auf den doch so oft beschworenen „Konsens“ führt.

Es gibt kein Werben für sein Projekt, sondern nur noch die Exekution der Macht. „Sind Sie die Gemeinde?“ – „Ja.“ Eine kürzere und klarere Antwort gibt es nicht.

Die Einsicht, dass nicht er selbst die Gemeinde ist, ist Herrn Kessler fremd. Er kann versuchen, seine Selbstsicht hinter dem Satz: „Ich vertrete die Gemeinde“ zu verschleiern. Jeder weiß, dass er das nicht denkt.

Herr Bürgermeister Kessler vertritt schon lange nicht mehr die Gemeinde, sondern nur noch die Hälfte plus „40 Stimmen“. Wenn überhaupt.

Größter Bürgermeister aller Zeiten.

Am kommenden Montag wird Herr Kessler sein „100-Millionen-Projekt“ zur Satzung bringen. Dann wird er seinen Vater um Längen überflügelt haben und der „100-Millionen-Euro-Kessler“ sein. Der größte Bürgermeister aller Zeiten im Rhein-Neckar-Kreis. Er wird der Phönix sein, „seiner Gemeinde“ hinterlässt er die Asche – und damit ist kein Geld gemeint, sondern verbrannte Erde.

Sein Dr. Joseph Doll (CDU) und sein Jürgen Merx (SPD) werden für die Fraktionen sprechen und je eine „Gegenstimme“ in ihren Reihen als „Demokratie“ missverstehen und sich im Schatten des selbstherrlichen Bürgermeisters zu sonnen versuchen. FDP-Chef Frank Hasselbring wird irgendetwas murmeln.

Tatsächlich wird es so sein, dass Michael Kessler als der „100-Millionen-Euro-Kessler“ in die Geschichte eingeht. Die Namen Doll, Merx und Hasselbring bleiben im Schatten. Niemand wird sich an sie erinnern. Schon gar nicht an die „stimmlosen Schweiger“ in den jeweiligen Fraktionen, die ebenfalls die Hand heben für etwas, dass sie auch nicht im Ansatz verstanden haben. Sie alle bleiben so bedeutungslos wie ihr „Engagement“ zur Sache.

Warum auch? Inhaltlich haben sie keine Rolle gespielt. Wichtig war nur, dass sie im entscheidenden Moment die Hand gehoben haben. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen – das ist ihre einzige, verbliebene „Bedeutung“.

CDU, SPD und FDP zahlen die Kessler-Zeche.

Und wenn das alles vorbei ist, werden sich die Herren und die Mitstimmer vielleicht fragen, ob sie dieses Schattendasein verdient haben.

Und die Prügel, die sie beziehen werden. Und die Wahlverluste bei der Kommunalwahl 2014.

Die Grünen schicken sich an, dann die stärkste Fraktion zu werden.

Das ist mehr als wahrscheinlich, denn weder die SPD, noch die FDP und schon gar nicht die CDU liefern inhaltlich eine überzeugende Rolle ab, während die Grünen längst ihr ursprüngliches Dilemma der frühen Zustimmung zu Pfenning überwunden haben.

Im Dorf wird seit langem spekuliert, ob Michael Kessler bei Pfenning einen „fetten Beratervertrag“ erhält. Das weiß Herr Kessler. Wenn nicht, dann hat er jegliche Nähe verloren.

Und wenn, wo bleibt sein glaubwürdiges Bekenntnis, der Bürgermeister sein zu wollen? Auch dann, wenn „Pfenning“ da sein wird?

Es scheint, dass sich Herr Kessler dann vom Acker macht, wenn „Pfenning“ den Acker umgepflügt hat.

„Sind sie die Gemeinde?“ – „Ja!“

Vielleicht ist die Frage kleinlich. Denn egal, ob Michael Kessler sich 2014 noch mal zur Wahl stellt oder nicht. Seine Rente ist sicher. Vielleicht kann er sie und sich mit einem „Beratervertrag“, wo auch immer, noch ein wenig aufbessern.

Doch das ist nicht so wichtig wie die Geschichte.

Wenn die Satzung am Montag durchgeht, ist er der unangefochtene „100-Millionen-Euro-Kessler“. Der Titel wird ihm bleiben. Er wird die Gemeinde sein, denn die „Pfenning“-Investition unter seiner Ägide ist eine „Generationenentscheidung“.

Dazu würde er gerne noch „gut dastehen“. Doch dafür stehen die Chancen eher schlecht.

Michael Kessler hat seinen Ruf untrennbar mit „Pfenning“ verknüpft.

Wenn er seinen „Gewinn“ einstreicht, muss er damit rechnen, dass er seinen „Einsatz“ bezahlen muss.

Der Zahltag kommt.

Kein Mensch ist ohne Fehler – und jeder Mensch bezahlt für seine Fehler.

Irgendwann. Irgendwie.

Diese Demut ist Herrn Kessler so fremd wie die Kraft, einen Fehler einzugestehen.

Es ist kein Trost, dass auch Herr Kessler irgendwann abgerechnet wird.

Die Bilanz der Schäden trägt die Dorfgemeinschaft.

Auf Gedeih und Verderb.