Samstag, 10. Juni 2023

Die größte Gefahr für Hunde, sich zu vergiften, lauert zu Hause

Giftanschlag auf Hund nicht festellbar

Auf Hunde müssen die Halter achten wie auf ihre Kinder. Die meisten Vergiftungen passieren im Haushalt. Gezielte Giftköderanschläge gab es in den vergangenen Jahren keine.

Hunde an die Leine!, rät die Polizei. Auf sie müssen „Herrchen“ und „Frauchen“ achten wie auf ihre Kinder. Foto: Wikimedia CC-BY-SA-2.0

 

Viernheim, 19. Juni 2013. (red/ld) Es ist ein Horrorszenario für Hundebesitzer, das sich vor knapp zwei Wochen so abgespielt hat: Ein Mann aus Viernheim ist verzweifelt. Seinem Hund – ein elf Jahre alter Huskie-Mischling – geht es nicht gut: In der Nacht hatte dieser sich mehrfach erbrochen, hatte Magenkrämpfe. Was ist mit ihm los? Die Diagnose des Tierarztes ist niederschmetternd: Der Hund ist vergiftet! Der Tierarzt muss ihn einschläfern. [Weiterlesen…]

Der Gemeinderat führte die Leinenpflicht ein und schaffte die Mittagsruhe ab

Hunde an die Leine!

Heddesheim, 22. Februar 2013. (red/ld/zef) Die Leinenpflicht gilt für den gesamten innerörtlichen Bereich, den Seeweg, den Badesee, sowie auf den Flächen, die an das Viernheimer Naturschutzgebiet Neuzenlache angrenzen: die Schäffertswiese, und der Rad- und Fußweg an der Werderstraße. Das beschloss gestern der Gemeinderat.  Gleichzeitig wurde die Mittagsruhe per Verordnung abgeschafft.

Von Lydia Dartsch und Ziad-Emanuel Farag

Im innerörtlichen Bereich wird die Leinenpflicht aus Sicherheitsgründen eingeführt. Andernfalls könnte es durch aufgeschreckte Passanten oder Hunde und dem Kraftverkehr schnell zu brenzligen Situationen kommen. Infolge dessen sei es in der Vergangenheit zu Konflikten zwischen Hundehaltern und Passanten gekommen. [Weiterlesen…]

„Und das Licht! So gemütlich!“ – bei freiem Eintritt


Rhein-Neckar, 09. Mai 2011 (red) Marietta berichtet aus ihrem bewegten Alltag. Ihre Geschichten kosten keinen Eintritt und sind mitten aus dem Leben – manchmal geht die Phantasie mit ihr durch, aber viellicht auch nur wegen der Realität. Doch was ist real, was phantastisch? Bei Marietta mischen sich die Sphären. Im Mittelpunkt steht der Mensch und der ist immer überraschend. Vor allem die eigenen Eltern. Und vor allem dann, wenn Fäsbuk auf Schwarzwald und Urlaubsträume trifft.

Von Marietta Herzberger

Es ist unvermeidlich. Drei- bis viermal im Jahr hat irgendeiner im ersten bis zweiten Verwandtschaftsgrad Geburtstag und man findet sich ein. Die Lokalität wechselt dabei ständig. Mal ist es die Wohnung meiner Eltern, mal unsere, mal der Balkon meiner Eltern oder unsere Terrasse.

Gelegentlich darf es auch mal ein Restaurant sein. Das kommt bei meinen Eltern aber nur in Frage, wenn das Restaurant bekannt, der Koch gut und ebenfalls bei meinem Vater bekannt ist. Die Hauptkriterien sind grundsätzlich und in jedem Fall der Preis, Nähe der Gaststätte sowie Größe und Konsistenz der Schnitzel und des Kochs. Bevorzugt sind Kegelbahnen mit Anschluss an die Gastronomie und Schützenvereine.

Wie bei de Gerda.

„Des schmeckt do fascht so gud wie bei de Gerda, sach ich. Un koschte duts beinoh nix. Do geh mer gern hi, gell Gerda!“, pflegt Hannes zu loben, wenn es geschmeckt hat, reichlich und günstig war.

Das Schicksal legte meinen diesjährigen Geburtstag auf einen Dienstag. Ich mag Dienstage. Nur nicht an meinem Wiegenfeste. Die obligatorische Einfindung meiner Eltern fand auf unserer Terrasse statt. Nachdem ich morgens meine Kollegen bereits mit reichlich Kuchen und Gebäck beglücken durfte – selbstgekauft versteht sich, denn von einer perfekten Hausfrau bin ich ungefähr so weit weg wie Papua Neuguinea von Toiletten mit fließend Wasser – schnitt ich am Nachmittag den in der Vorwoche gekauften und frisch aufgetauten Käsekuchen an.

Bitte glauben Sie nun nicht, meine Eltern wären mir auch nur im Ansatz zuwider. Nein, im Gegenteil. Ich liebe sie, wie eine Tochter ihre Eltern nur lieben kann. Mit all ihren kleinen Fehlern und liebenswerten Macken, welche im Alter bisweilen zutage treten. Ich trenne sie nur strikt von meinem Freundeskreis, der an meinen Geburtstagen zu einem anderen Zeitpunkt geladen wird. Aus Kostengründen und um unerträgliche Gesprächsspitzen zu vermeiden.

Es klingelt. Der Hund öffnet die Tür. Das Kind stürzt hinterher. Mein Mann brüllt: „Deine Eltern sind da!“

Schnell lege ich noch Servietten neben die Teller und bearbeite den Käsekuchen leicht mit den Fäusten. Wirkt authentischer. Dann haste ich ebenfalls zur Tür. Es ist ein heiteres Willkommen. Küsschen links, Küsschen rechts. Die stets selbstlose Ella will wissen, ob Opa auch ihr Geschenke mitgebracht hat, während der Hund an Oma Gerda hochspringt und versucht sie abzulecken.

„Der Kuche iss awer gud.“

Mein Mann hilft seinem Schwiegervater Hannes aus der Jacke. Bei Gerda hat das der Hund schon erledigt. Ella versucht ihre Oma in ihr Zimmer zu ziehen, um ihr die neue Bettwäsche zu zeigen. Das Ganze spielt sich auf ungefähr 1,5 qm Flur ab. Schließlich hat jeder sein Küsschen auf der Wange, die Jacke an der Garderobe, Geburtstagswünsche an mich übermittelt und mir das jährliche Geldgeschenk nebst Söhnlein Brillant überreicht.

Ella ist sauer, weil keiner ihre Bettwäsche bewundern will. Ich seufze. Auch das geht vorüber und wir an den Tisch.

„Der Kuche iss awer gud“, lobt mich Papa, „Hoscht den selwer gebagge?“

Mein Mann springt für mich in die Bresche: „Schmeckt der wie gekauft, Hannes?“
„Ah nää, isch froog jo nur.“

„Noch Kaffee?“

„Noch Kaffee?“, lächele ich meine Mutter an.

„Nee Kind“, winkt sie ab, „du weißt doch, so spät am Nachmittag…dann schlaf ich wieder nicht.“

„Die verträgt des nimmer, die Gerda. So iss des hald, wemmer ald werd“, sinniert Hannes.

Gerda nickt bedeutungsschwer: „Na ja, man muss schon auf die Ernährung achten. Auch wenn man nicht weiß, wie lange man noch lebt…“

Großes Kino: „Wie war denn euer Urlaub?“

Meine Tochter Ella verdreht die Augen und kaut Käsekuchen.

„Wie war denn euer Urlaub?“, wechselt mein Mann galant das Thema.

Ich habe einen guten Ehemann. Er erspürt negative Schwingungen sofort und steuert dagegen. Anders als ich. Ich steuere immer direkt drauf zu. Wir ergänzen uns. Aber ich schweife ab…

Der Blick, das Licht - 20 Jahre. Urlaub ist was schönes. Jeder hat eine andere Vorstellung davon. Marietta zahlt für die Extra-Vorstellung noch nicht mal Eintritt. Bild: wikipedia/Arminia

Leider ist Gegensteuern auch nicht immer die beste Wahl. Unwissentlich gibt er damit den Startschuss für Hannes gefürchtete Monologe.

„Mama?“, mein cleveres Kind erkennt die Situation pfeilschnell und versuchte, sich zu retten, „Darf ich raus, spielen gehen? Ich bin satt.“

„Klar“, sage ich neidvoll und entlasse sie mit einem huldvollen Wink in die Freiheit.

„Also des hädds bei uns frieher net gewwe“, entrüstet sich Hannes mit erhobenem Zeigefinger, „Mir häwwe am Tisch sitze bleiwe misse, bis…“

„Wo wart ihr in Urlaub?“ Mein Mann beugt sich nach vorne und schaut meinen Vater interessiert an. Wie macht er das nur? Ich lehne mich zurück, schaue alles andere als interessiert und atme tief.

„Ja, wo war mer in Urlaub?!“, kläfft mein Vater ungläubig, „Do wo mer immer sin. Seid zwonzisch Johr jetz schun.“

Besänftigend schiebt sich meine Mutter dazwischen: „Ach Hannes, lass doch“, und zu uns gewandt, „Beim Häuserwirt im Schwarzwald. Ihr wisst doch, der mit nur einer Ferienwohnung.“

Wir nicken eifrig und haben nicht den Hauch einer Ahnung.

Hannes haut begeistert mit der Hand auf den Tisch: „Also des iss ä suber Wohnung!“ Kurze Pause. „Awwer pass uff! Die derfter net in Fäsbuk oder im Innerned oder so zeige, gell! Sunschd griehe mer die vielleicht nimmer, wenn die donn jeder will!“ Wieder eine kurze, dieses Mal jedoch mahnende Pause. Das Gewicht der Worte soll sich setzen.

„Die hot alles, die Wohnung…Ä Kisch mit Gscherrspielmaschien unn e riese Schlofzimmer mit äm riese Bett. „Jo, allerdings…“, Hannes schaut meinen Mann taxierend an, „fer disch kenns e bissl eng werre, so um do so uff die Seit ons Bett zu kumme mit deiner Greeß und deiner Breit…“.

„Wie? Ich bin doch noch gar nicht breit!?“ Mein Mann ist sichtlich belustigt. Ich bin peinlich berührt und rühre meinen Kaffee um. Das mache ich bereits seit Beginn des Gesprächs.

„Ja nä, ich mähn doch so vom Zugang zum Bett her und so. Isse bissl eng, aber mir reicht des.“

„Achso…“, allgemeines Nicken. Nur nicht näher drauf eingehen.

Er fährt fort mit seiner Lobeshymne: „Ach, un des Wohnzimmer. So ä großes Wohnzimmer. Net altmodisch. Eher…modern. Un ä Leddersofa, eschd Kunschtledder. So ä großes Ums-Eck-Sofa. Do hoscht viel Blatz unn…“

„Ach und das Licht“, mischt sich schwärmend meine Mutter ein, „Wenn man da das Licht anmacht, das ist ja so gemütlich, so gemütlich. Da kann man abends sitzen …ach, so gemütlich.“

Suttereng

Hannes pflichtet ihr begeistert bei: „Die Terrass! Die Terass. So schee. Wonn du do drausse hogscht…“

„Ja, so gemütlich! Und das Licht!“ Mutters Augen glänzen.

„Möchte jemand ein Bier?“, fragt mein Mann. Ich nicke benommen. Eigentlich trinke ich kein Bier. Aber die Kaffetasse ist leer und Bier ist besser als gar kein Alkohol.

„Des iss so schee, wonn du do hoggscht. Okay, die Aussicht iss net so toll, weil do de Parkplatz direkt vor de Terass iss¸ aber…“

„…das Licht. So gemütlich“, ergänzt Mama.

Prost, ein Bier aufs Licht!

Hannes nippt am seinem Bier: “ Also…die Wohnung…so was Guudes.“

„Und das Licht!“

„In de Kisch steht´n riese Tisch. Do konscht dro sitze.“ Hannes wackelt leicht mit dem Kopf: „Un die Leit, die am Fenschder vorbei laafe, die stere net.“
Gerda nickt zustimmend.

„Wisster, die Wohnung liegt im Suttereng, do kenne die Leit net so nei gucke, wonn se vorbei laafe. Auch net ins Schlofzimmer. Awwer mer sinn jo Friehuffsteher!“
Frühaufsteher? Was? Habe ich etwas verpasst? Kurz eingenickt?

„Wieso Frühaufsteher?“, frage ich perplex.

Vom Vogel, vom Frühaufsteher und Briefträger.

„Ah, weil uns donn de Briefträger net steert.“

Nun ist auch mein weiser, stets jeder Situation gewachsener Mann irritiert: „Briefträger?“

„Ei jo, weil doch die Briefkäschde direkt am Schlofzimmer sin, so vun ausse, verschdehscht?“

Gerda lächelt erhaben: „Ja, wenn der Briefträger morgens um sechs Uhr die Briefe einwirft, dann sind wir ja schon lange wach.“

„De friehe Vogel,…kennt er doch, des Sprichword, gell?“

Müde lächle ich meinen Vater an. Was will ich eigentlich? Andere zahlen für so was Eintritt.

„Und das Licht! So gemütlich!“

„Gerda, mir packens. Danke fer den leckere Kuche und des Bier“, sagt mein Vater und drängt seine Frau. Ella zeigt ihr noch schnell die Bettwäsche, mein Mann räumt auf.

„Un ja ned ins Fäsbuk stelle, sonschd gibt’s Ärscher“, sagt mein Vater noch. „Nein, Papa, bestimmt nicht.“

Marietta Herzberger.

Anmerkung der Redaktion: Marietta Herzberger lebt in Weinheim und schreibt in ihren Kolumnen über den ganz normalen Wahnsinn des Alltags. Erfundene Geschichten, in denen doch das eine oder andere wahr ist. Die Personen gibt es meistens, manchmal nicht. Mal ist es, wie beschrieben, mal gnadenlos überzogen. Es sind keine „journalistischen“ Texte mit dem Anspruch auf Faktentreue, sondern Lesetext mit dem Ziel, Lesefreude zu verbreiten. Sie hat jede Menge Weisheiten gerne, zwei sind: „Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen“ – Konrad Adenauer. Und: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“ – Bertolt Brecht. Wir wünschen unseren Lesern viel Lesespaß mit ihren Texten!

Mariettas Kolumne: Einmal Haustier, bitte!


Guten Tag!

4. April 2011. Verläuft das Leben gleichmäßig und ohne große Überraschungen, wiegt man sich in Sicherheit. So kann es bleiben, so ist es gut. Gelegentlich jedoch wird der Mensch leichtsinnig und setzt die geliebte Ordnung aufs Spiel. Beispielsweise dann, wenn Kinder vorhanden sind und man plötzlich auf den Hund kommt.

Von Marietta Herzberger

Die grundsätzliche Aussage, welche nach zwölf Jahren tierloser Ehe zu treffen ist, und bis heute unverrückbare Gültigkeit hat und von mir niemals in Frage gestellt wurde, ist folgende: Ich bin eine glückliche Ehefrau. Mein Mann ist nicht einfach nur mein Mann, sondern auch Partner, guter Freund und gelegentlich auch Leidensgenosse. Aber das ist eine andere Geschichte. Wir sind ein eingespieltes Team und stolze Eltern eines liebreizenden, gelegentlich aufmüpfigen Kindes mit Namen Ella.

Wir bewohnen ein Haus im behaglichen Weinheim. Ruhige Lage und erstrebenswerte Spucknähe zur Autobahn inklusive. Möchte ich mit der Straßenbahn fahren, benötigt es lediglich ein paar leichtfüßige Schritte rechts aus unserer Haustüre heraus und -  rein ins Gefährt.

Zur Bushaltestelle wende ich mich leicht nach links. Das ist praktisch. Nur nachts nicht. Da nämlich stört das Bimmeln der OEG-Ampel-Warnanlage, das uns alle halbe Stunde mitteilt, dass die Zeit bis zum Weckerklingeln nahe rückt. Wir haben uns daran gewöhnt und schlafen mit Ohrstöpseln. Das blecherne Surren der Schranke, das ertönt, wenn sich diese herablässt und nach einigen Minuten- untermalt vom Bimmeln – wieder öffnet, versuchen wir noch irgendwie in unsere Träume einzubauen.

Träume vom Transsibirien-Express

In einer dieser schlaflosen Nächte hatte mein Mann die rettende Idee: „Schatz, lass uns vom Transsibieren-Express träumen. Da lässt sich das Bimmeln so schön einbetten.“ Ich fand „einbetten“ gut und passend. Seitdem steigen wir ab Einbruch der Dunkelheit beseligt ins Bett und treten unsere gemeinsame Reise an, bis es wieder hell wird.

Unsere Nachbarn sind größtenteils netter, aufgeräumter Durchschnitt und jeder pflegt seinen kleinen Reihenhausgarten mit Hingabe ohne bieder zu sein. Nein, nicht ganz. Am Ende der Straße wohnt ein älteres Ehepaar. Dieses ist stolzer Besitzer eines übersichtlichen, mit Inbrunst gepflegten Vorgartens, der sicherlich drei Bierkästen fasst und geometrisch einwandfrei mit kleinen, akkurat rund geschnittenen Buchsbaumkügelchen bestückt ist.

Damit dieses Kunstwerk niemand zerstört, wurde ein Stahlzaun in unauffälligem Braun, welches vorzüglich mit dem Altrosa des Hauses harmoniert, darum gezogen. Aber auch diese Nachbarn sind angenehm höflich und bis auf den Gartenzaun noch nicht straffällig geworden.

Kommt Zeit, kommt Wandel

Auf den Hund gekommen?

Wir sind also, wie schon gesagt, eine glückliche, kleine Familie. Ganz die Norm, nichts Außergewöhnliches. Nett, normal, beruhigend.

„Ihr seid so herrlich normal“, beneidete mich jüngst eine Freundin. Ich gebe ihr Recht. Allerdings hat sie nett und beruhigend vergessen. Bei Gelegenheit werde ich sie darauf ansprechen.

Doch zu einer Zeit des Wandels bestimmte meine kleine sanfte Tochter unerwartet energisch: „Mama, ich will ein Haustier!“

So ist das eben. Wenn die Zeiten pädagogisch wertvollen Spielzeugs vorbei sind, sucht man nach anderen Dingen.

Diverse Forschungen belegen, dass Kinder mit Haustieren, vor allem mit Hunden, über eine größere soziale Kompetenz verfügen und schneller bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, als Kinder ohne direkten Tierbezug.

Sie sind meist bewegungsfreudiger, zugleich ruhiger und ausgeglichener. Sie sind also zu Unzeiten gedämpft aktiv und das kann bisweilen erstrebenswert sein. Außerdem ist erwiesen: Einzelkinder können vereinzelt Defizite im Sozialverhalten aufweisen. Auch reiben sie sich nicht an Geschwistern, sondern an den Eltern, vorzugsweise an der Mutter. Im Prinzip war ich bereits überredet.

„Und was schwebt dir da vor?“ wollte ich von meinem blauäugigen Kind wissen.
„Ein Pferd!“
„Ein Pferd ist kein Haustier!“ widersprach eine männliche Stimme hinter dem Computer.
„Ist es doch! Es kann im Garten leben!“

„Wie wäre es mit einer Katze?“ warf ich ablenkend in die Runde. „Schatz!“, vorwurfsvoll wandte sich der Vater unserer  Tochter mir zu, „du weißt, dass ich allergisch gegen Katzen, Hasen und Meerschweinchen bin…!“

„Mir egal!“ brüllte es jetzt von dem tierlosen Einzelkind, „Ich (!) bin aber nicht algerisch! Papa kann ja ausziehen!“
„Ich ziehe nirgendwo hin. Soweit kommt es noch…!“

Schmollend pulte unser kleiner Sonnenschein mit dem großen Zeh Löcher in den Teppich. Während ich verzweifelt grübelte, welcher tierische Artgenosse in Frage kommen könnte, zupfte mich etwas am Ärmel.

„Wenn Papa tot ist, krieg ich dann einen Hasen?“

„Du Mama, wenn der Papa tot ist, krieg ich dann einen Hasen?“
„Ja klar, dann kriegst du einen Hasen, Süße.“

Mein Herzblatt schaute mich dankbar an. Warum? Was hatte ich gerade gesagt? Was lautete noch gleich ihre Frage? Katze? Hase? Wer ist tot? „Papa?“, säuselte unser Liebchen zart, „wann stirbst du denn?“

„Du stirbst?“, irgendwie hatte ich den Faden verloren. Ella schaute ihren Vater durchdringend an. Ja, fast schon hypnotisch. Offenbar erwartete sie nun, dass ihr Erzeuger tot vom Stuhl fallen würde. Der beschloss jedoch spontan, jetzt noch nicht abzutreten, trat stattdessen zu uns an den Tisch und gab seinem Unmut lautstark Raum: „Seid ihr noch zu retten!?“

Ich versuchte, das Gespräch weg von Tod und Teufel auf ein anderes Gleis zu lenken: „Ein Fisch wäre toll, oder? So ein Nemo in einem Glas“, und lächelte gleichzeitig versöhnlich meinem Mann zu: War nicht so gemeint, verzeihst du mir?

„Nemo ist doof!“
„Eine Maus“, kam der männliche Vorschlag. Er zwinkerte zurück: Weiß ich doch, schon okay.
„Maus ist auch doof!“
„Hamster?“, warf ich träge in die Runde.
„Total blöd!“

Eine Weile saßen wir uns schweigend gegenüber und suchten nach Alternativen. Doch weder Fußboden, Geheimschublade noch Zimmerdecke gaben etwas Brauchbares her. Schließlich, sich endlos ziehende zweieinhalb Minuten später, fand unsere Tochter als erste eine neue Idee: „Ein Hund?“ Sie verblüffte mich mit ihrer Raffinesse, die sie natürlich von mir hat, und richtete diese Frage mit engelsgleichem Blick an ihren Vater: „Einen Hund, Papa. Bitte, bitte, bitte.“

Fünfundzwanzigtausend Mal „Bitte“

Alle „Bittes“ hier aufzuzählen würde zu weit führen, also belasse ich es bei drei. Es waren aber deutlich mehr. Gefühlte Fünfundzwanzigtausend.

Mein Mann und ich schauten uns skeptisch an. Ein Hund. Dreimal am Tag Gassi. Fusselige Haare im ganzen Haus. Ein dreck- und fellverlierendes, sabberndes Betteltier, welches unserer klinisch reinen Ella genießerisch das Gesicht ableckt, wenn wir gerade nicht hinsehen? Konnten wir uns vorstellen, gelassen und heiter zu bleiben, wenn unser Goldlöckchen einträchtig mit einem verfressenen Kläffer vor dem Napf sitzen würde und die beiden sich das Trockenfutter teilen? Und überhaupt, was so was kostet!

In stiller Übereinkunft nickten wir uns zu. Wer von uns würde den, nach sorgfältigem Abwägen getroffenen Beschluss dem kleinen, voll banger Erwartung erstarrten Wesen überbringen?

Seufzend falteten wir die Hände. Ellas Augen wuchsen auf die Größe von Billardkugeln. Sie krallte sich in die Stuhllehne, während sie heiser flüsterte:“ Ein Hund…bitte…ein kleiner Hund…nicht viel….sooo klein!“ Sie formte mit ihren Händen und Fingern sowas in der Größe wirklich sehr, sehr kleinen Hundes.

„Also, wenn, dann ein richtiger Hund! Mit so einer Straßenratte kann ich nichts anfangen“, brummte mein geliebter, weiser Mann und zwinkerte unserem siebenjährigen Wonneproppen zu.

Ich richtete mich zu voller Sitzgröße auf, um dem Begeisterungsturm standhalten zu können, der nun eigentlich folgen musste. Gespannte Vorfreude ließ uns Eltern erzittern. Gleich würde sie uns um den Hals fallen, Freudentränen ihre unverdorbenen Wangen benässen.

„Ich dachte schon, ihr könnt euch nie entscheiden“, unser ausgesprochen wohlgeratener Sprössling verdrehte kurz die Augen, sprachs, stand auf und stellte ungerührt fest: “ Ich hab Hunger. Wann gibt’s Essen?“
„Gleich!“, hauchte ich mütterlich gefasst.
„Was gibt es denn?“
„Hot Dogs!“

Marietta Herzberger.

Anmerkung der Redaktion: Marietta Herzberger lebt in Weinheim und schreibt in ihren Kolumnen über den ganz normalen Wahnsinn des Alltags. Erfundene Geschichten, in denen doch das eine oder andere wahr ist. Die Personen gibt es meistens, manchmal nicht. Mal ist es, wie beschrieben, mal gnadenlos überzogen. Es sind keine „journalistischen“ Texte mit dem Anspruch auf Faktentreue, sondern Lesetext mit dem Ziel, Lesefreude zu verbreiten. Sie hat jede Menge Weisheiten gerne, zwei sind: „Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen“ – Konrad Adenauer. Und: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“ – Bertolt Brecht. Wir wünschen unseren Lesern viel Lesespaß mit ihren Texten!

Gabis Kolumne

Das System Katze und was ich über mich gelernt habe

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Guten Tag!

Heddesheim, 12. April 2010. Schmusekatze, Haustiger, Kratzbürste – Katzen haben viele Synonyme und wahrscheinlich alle zu Recht. Katzen sind längst keine Nutztiere mehr, sondern leben in der Familie. Zu Recht? Irgendwie schon, meint Gabi – auch, wenn sie das System Katze erst lernen musste.

Ich habe hier schon viel über meine Kinder und meinen Mann geschrieben, aber zwei Mitglieder unserer Familie habe ich bislang verschwiegen. Und das ist eigentlich sträflich, haben sich die beiden doch einen festen Platz in unserem Leben erobert: Ich meine unsere beiden Katzendamen.

Als ehemalige Hundebesitzerin war mir das System „Katze“ zunächst fremd.

katzen

Das System Katze musste Gabi erstmal lernen. Bild: privat

Eine Kollegin erzählte mir vor drei Jahren von jungen Kätzchen auf einem Bauernhof, die keiner wollte. Als die Kinder nicht zuhause waren, fuhren mein Mann und ich eine gute halbe Stunde zu diesem Hof, um uns die Kätzchen anzuschauen.

Hund und Katze?

Dort angekommen sahen wir sofort die Katzenmutter mit drei Jungen und einen riesigen Hofhund. Komisch, dachte ich, die sind wie „Hund und Katze“ heißt doch, dass man sich nicht versteht? Ich fragte meinen Mann. Der sagte das, was ich so an ihm „liebe“: „Das kommt darauf an.“

Gemeinsam fraßen Hund und Katzen aus einem sehr großen Napf.

Es kommt also darauf an. Auf was? „Ob die sich kennen und miteinander aufgewachsen sind.“ Aha, dachte ich. Wie im richtigen Leben.

Uns gefiel sofort ein kleines weißes Kätzchen mit einem graugestreiften Schwanz und einem grau-braunen Fleck auf dem Rücken, der so aussah, als wäre der Schwanz in Farbe getunkt worden und hätte dann den Rücken gestreift.

Das weiße Kätzchen könnten wir gerne mitnehmen, sagte uns der Sohn des Hauses, die anderen beiden seien schon vergeben.

Nutztiere.

In der Scheune sei noch ein weiteres Kätzchen, von dem er uns aber nur abraten könne, es sei das jüngste aus dem Wurf, wäre aggressiv, scheu und würde sofort zubeißen. Der etwa achtjährige Junge guckte uns herausfordernd an – anscheinend hatte er nicht zum ersten Mal Kätzchen weggegeben. Ich dachte: Wie kann der so cool sein und erinnerte mich, dass wir auf einem Bauernhof waren, wo die meisten Tiere einen „Nutzen“ haben.

Wir wollten aber gerne zwei Katzen. Der Junge seufzte nach dem Motto: Die wissen nicht, was sie tun – zog sich Arbeitshandschuhe an und machte sich auf die Suche. Mit einem kleine Etwas am Handschuh kam er zurück aus der Scheune.

Wie angekündigt, hatte sich die kleine Katze in den Handschuh verbissen und zappelte und kratzte. Auf dem Boden abgelegt fauchte sie, was das Zeug hielt.

Liebe auf den ersten Blick.

Und ich sah es genau, schon beim ersten Blick hatte sich mein Mann unsterblich verliebt.

Mit zwei völlig verängstigten Katzen im Auto machten wir uns auf den Rückweg.

Die nächsten Tage verbrachten wir damit, die beiden unter dem Sofa oder hinter dem Schrank hervorzulocken. Und schon nach kurzer Zeit wurde das weiße Kätzchen sehr zutraulich und war bald der Liebling der Kinder. Die kleine „Wilde“, war ein vollkommen verschüchtertes Tier, das sich kaum ans Futter traute und über Wochen sofort anfing zu fauchen, wenn sich ihr jemand näherte.

Das ist jetzt drei Jahre her. Und von Schüchternheit keine Spur mehr. Hat man einen Hund, ist man sein „Herrchen/Frauchen“, hat man Katzen so ist man ihr „Diener“.

Denn obwohl eine Katzenklappe den beiden „Damen“ ermöglicht jederzeit von Drinnen nach Draußen und umgekehrt zu gelangen, sorgen die beiden mit lautem Miauen und vorwurfsvollem Blick dafür, dass wir täglich unzählige Male die Haus- oder die Terrassentür öffnen, um sie raus oder rein zu lassen.

Jammern gehört zur Liebe.

Wenn ich morgens die Küche betrete, muss ich innerhalb der nächsten 5 Sekunden die Futternäpfe füllen, denn das jämmerliche Miauen und das Umstreifen meiner Beine, erinnert mich daran, dass hier zwei kurz vorm Verhungern sind – dramatischer geht’s nicht. Keins meiner Kinder hat je diesen Nerv getroffen, der mich fernsteuert wie eine Puppe.

Katzenkörbchen? Fehlanzeige. Beide haben sich inzwischen Plätze auf dem Sofa erobert. Dies wiederum geschieht nahezu lautlos raffiniert. Erst kuscheln sie sich an, wenn man auf dem Sofa sitzt oder liegt – und wer brächte es da übers Herz, sie da zu verscheuchen – und dann liegen sie zufällig auch mal dort, wenn keiner von uns dabei ist. Und irgendwann ist klar, dass es überhaupt keine Diskussion darüber gibt, dass das ihr Platz ist.

Und jetzt noch was zum Thema Jagd. Wer Katzen hat, darf nicht zimperlich sein.

Grausame Natur?

Unsere weiße Katze ist eine hervorragende Jägerin. Sobald der Frühling kommt, bringt sie uns kleine und große Mäuse, mit süßen Augen. Meistens lebend, denn Katzen sind ja „verspielt“.

Als Liebesbeweis bekam unser Sohn letzten Sommer einen Vogel ins Zimmer nicht ge-, sondern zerlegt. Bett und Boden waren übersät mit Federn, es sah aus wie ein Schlachtfeld.

Aber auch die Reste eine Mäusemahls sind nicht wirklich lecker.

Unsere Jägerin ist nicht nur großartig im Fangen, sondern – und das können Sie mir jetzt glauben oder nicht – sie imitiert auch Vogelstimmen. Sie sitzt vor der Terrassentür, beobachtet die Vögel im Garten und gibt gurrende Geräusche von sich, die sich manchmal auch anhören wie ein Gackern.

Die ehemals „Wilde“ ist sich für die Jagd meist zu fein oder es ist ihr einfach zu anstrengend, weil man ja auch sonst nicht verhungern muss.

Katzen lassen lieben.

Und während man von seinem Hund treu geliebt wird, lassen Katzen lieben.

Trotzdem: Kommen wir nach Hause, sind sie meist sofort zur Stelle. Schon von Weitem erkennen sie das Geräusch des Autos und sobald wir in den Hof fahren, kommen sie angetrottet.

Würde man jetzt erwartet, freudig begrüßt zu werden, würde man enttäuscht. Katzen haben eine andere Sprache – sie ist oft zurückhaltender, manchmal aber auch unerbittlich herzerwärmend, vor allem, wenn sie voller Zufriedenheit schnurren.

Der Blick, mit dem wir begrüßt werden, sagt: „Gut, dass ihr wieder da seid“. Dann drehen sich unsere Katzen um, und gehen wieder ihren Weg.

Sie sind Teil der Familie, längst keine „Nutztiere“ mehr, nicht wild, aber irgendwie doch.

Auch nach drei Jahren lerne ich immer noch das „System Katze“ – und das gibt einem etwas fürs Leben mit.
gabi