Donnerstag, 23. März 2023

Dokumentation: Die Antworten der SPD-Ortsvereine auf ihre Haltung zur Causa „Sarrazin“


Guten Tag

Heddesheim/Hirschberg/Ladenburg/Weinheim/Viernheim/Rhein-Neckar, 03. Mai 2011. Wir dokumentieren die Reaktionen auf unsere Umfrage vom Abend des 28. April 2011 an die SPD-Ortsvereine in Heddesheim, Hirschberg, Ladenburg, Viernheim und Weinheim. Auch an den Kreisverband SPD Rhein-Neckar sowie an den Landtagsabgeordneten Gerhard Kleinböck haben wir unsere Fragen verschickt und bis zum Abend des 02. Mai 2011 um Antwort gebeten.

Folgende Fragen hatten wir gestellt:

  • Sind Sie mit der Entscheidung einverstanden, dass Herr Sarrazin nicht aus der SPD ausgeschlossen worden ist? Bitte mit Begründung.
  • Wie geht Ihrer Meinung nach die Basis der Parteimitglieder mit dieser Entscheidung um?
  • Sind Ihnen schon Austritte bekannt?
  • Welches Bedeutung hat das Thema Integration für Sie persönlich?
  • Welches Bedeutung hat das Thema Integration für Ihren Ortsverband?
  • Würden Sie bitte Ihre wichtigsten politischen Aktivitäten in Sachen Integration aus den vergangenen zwei Jahren benennen? (Möglichst mit Link)

Folgende Antwort haben wir erhalten:

„Keine Antwort“ bedeutet, es gab überhaupt keine Antwort. Weder einen Verweis auf künftige Beratungen, noch ein Grund, warum die Anfrage abgelehnt worden ist.

Stimmt nicht ganz. Einen Ortsvereinsvorsitzenden haben wir zufällig am Montag getroffen und nach dem Stand der Dinge gefragt.

Als Auskunft erhielten wir: „Ich habe eine Meinung dazu. Wir werden aber nicht antworten, weil sich der Vorstand noch nicht mit dem Thema befasst hat.“ Wir haben entgegnet: „Dann schreiben Sie uns das doch als Antwort – das ist für die Leser noch eher nachvollziehbar als gar keine Antwort.“ Als Antwort erhielten wir: „Ja, mal schauen.“

Eine schönen Tag wünscht
Die Redaktion

SPD: Der Kampf der Systeme hat begonnen

Guten Tag!

Heddesheim, 29. März 2010. Jürgen Merx hat sich zurückgezogen. Stimmt nicht. Er hat nur den 1. Vorsitz aufgegeben und nimmt nun den 2. Vorsitz wahr. Harry Gimber ist neuer Chef – ohne Erfahrung. Michael Bowien ist „beratendes Mitglied“. Was wird der neue Vorstand leisten? Der Konflikt Bowien – Merx ist programmiert.

Von Hardy Prothmann

Als scheidender 1. Vorsitzender wünscht man sich eine andere Jahreshauptversammlung, als sie Jürgen Merx erlebt hat. Niemand war „voll des Lobes“, wie es in der Lokalpresse immer so schön heißt.

Niemand stand auf und würdigte all die großen Verdienste, während alle anderen nickten und raunten: „So war das.“

Und es waren enttäuschend wenige Mitglieder anwesend.

Keine Ehrerbietung für Merx. Wie bitter für einen, der das braucht.

Als scheidender Vorstand wünscht man sich etwas mehr Ehrerbietung – außer, man wird wieder Vorstand, wenn auch nur zweiter. Und außer, man weiß einen 1. Vorstand vor sich, der keine Erfahrung hat. Und außer, man hofft, andere doch noch zum Raunen bringen zu können, irgendwann.

Damit wird man zum Schattenmann.

Eine Rolle, die Jürgen Merx gut kennt und zuletzt in der vergangenen Gemeinderatssitzung bestätigt hat.

Die Antwort auf die Frage an den CDU-Vorsitzenden Dr. Josef Doll, ob dieser für alle drei Fraktionen (CDU, SPD und FDP) spreche, lies Merx kommentarlos einfach so durchgehen: „Ja“, sagte Doll.

Der Schattenmann.

Merx schwieg. Wie Schattenmänner das so tun.

Der einzige in der SPD-Fraktion, der offen Fragen stellt und sich zutraut, ebenso offen seine Meinung zu sagen, ist Michael Bowien.

Die beiden Männer könnten unterschiedlicher nicht sein.

Merx legt sehr viel Wert auf sein Äußeres und versucht durch „politische“ Texte im Mitteilungsblatt seinen „Weitblick“ zu demonstrieren. Dazu trägt er metallene Armbänder, wie sie in den 70-ern „in“ waren und bunte Armreifen, wie sie vor zehn Jahren „modern“ waren. Der Gang zum Frisör ist Teil seines Lebensgefühls. Seine Reden hält er vom Blatt, holprig, mit wenig Verve und meist staatstragend. Denn Jürgen Merx heischt nach Bestätigung.

Bowien ist meist unauffällig in der Kleidung, manchmal hat er keine Zeit für einen Frisörtermin vor einer Sitzung. Er trägt keinen auffälligen Schmuck. Und wenn er redet, dann frei und auf den Punkt. Er spricht nicht schnell, nicht langsam und sehr überlegt.

Systemunterschiede.

Merx ist kaufmännischer Angestellter – Bowien diplomierter Volkswirt und Prokurist.

Michael Bowien ist Neubürger in Heddesheim. Ein Zugezogener. Der einzige in der SPD-Fraktion. Er hat mit dem Heddesheimer System nichts zu tun. Er ist unabhängig.

Und trotzdem ist Michael Bowien bereit, sich für seine Wahlheimat einzusetzen. Er will sich einbringen. Auch, wenn er dabei sehr alleine ist.

Jürgen Merx hat mit dem Heddesheimer System sehr viel zu tun. Ist stellvertretender Kommandant der Feuerwehr. Seine Frau wird demnächst Sekretärin des Bürgermeisters. Merx duzt die meisten, die im System Heddesheim etwas zu sagen haben. Jürgen Merx weiß nicht, wie abhängig er ist. Oder er tut zumindest so. Jürgen Merx macht alles mit.

Michael Bowien wurde von ganz hinten auf der SPD-Liste überraschend in den Gemeinderat gewählt. Jürgen Merx wurde vorne auf der Liste sicher gewählt.

Michael Bowien interessiert sich für die Arbeitnehmerrechte und gerechte Löhne. Jürgen Merx betont, für ihn sei der „Autobahnanschluss“ für die „Pfenning“-Entscheidung ausschlaggebend gewesen und merkt nicht, dass er noch nicht ein einziges Mal für Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der geplanten „Pfenning“-Ansiedlung eingetreten ist und auch nur einen wahrnehmbaren Satz geäußert hat, den SPD-Mitglieder verstehen könnten.

Marketing vs. Haltung.

Jürgen Merx gesteht offen ein, dass die Grünen der SPD „marketingtechnisch“ etwas voraus hätten und handelt nicht.

Michael Bowien kritisiert die mangelhafte Vorbereitung der SPD-Wahlkandidaten und fordert eine bessere Schulung.

Jürgen Merx klebt an der Macht – gibt den 1. Vorsitz ab, um den „2.“ Vorsitz zu übernehmen und damit „alles beim Alten“ zu belassen.

Michael Bowien drängt sich nicht vor – wird aber „beratendes Vorstandsmitglied“ auf Vorschlag des neuen Vorsitzenden.

Jürgen Merx denkt immer noch, dass er „alles im Griff“ hat.

Michael Bowien äußert sich überlegt, analytisch und stringent.

Man darf gespannt sein, was aus der Heddesheimer SPD wird.

Soviel ist klar. Unterschiedlicher als die Systeme Bowien und Merx kann man sich die „innere Verfassung“ einer Partei nicht vorstellen.

Merx wird weiter alles mobilisieren, was er an Hausmacht aufzubieten hat. Das wurde bei der Jahreshauptversammlung bestätigt, wenn auch mit Murren.

Bowien wird weiter auf seinen Sachverstand vertrauen. Den hat er auch im Gemeinderat schon häufig bewiesen.

Haltung vs. Machterhalt.

Dabei hat Bowien zweierlei gelernt.

Bürgermeister Kessler (und die SPD, die CDU und die FPD) ist daran nicht interessiert und bügelt ihn im Zweifel ab. Je genauer die Analyse Bowiens, desto heftiger die Kritik des Bürgermeisters.

In solchen Momenten schweigt Jürgen Merx. Nicht etwa solidarisch mit dem „Genossen“. Sondern klar solidarisch mit dem Bürgermeister.

Für Bowien ist das der Vorbote der Dominanz durch Pfenning.

Merx ist gleichwohl die Heddesheimer Politik schon lange zu provinziell. Deswegen schreibt er irgendwelche Artikel über „Europa“, die er im Heddesheimer Mitteilungsblatt veröffentlicht. Daran kann ihn niemand hindern. Es gibt beim Mitteilungsblatt keine Redaktion, keine Kontrolle – die Veröffentlichung von Gemeinde-Anzeigen und vor allem die von gewerblichen Anzeigen ist hier wichtig. Ein „SPD“-Text fällt eher nicht auf.

Jürgen Merx ist allerdings nicht ganz frei von Erkenntnis. Selbstkritisch hat er auf der Jahreshauptversammlung anerkannt, dass „die Grünen“ der SPD „marketingtechnisch“ etwas voraus haben.

Michael Bowien ist da wenig überraschend schon Monate weiter. Er spricht mit den Grünen, auch mit der CDU.

Und es geht ihm nicht um Marketing, sondern um Argumente und Inhalte.

„Der Kampf der Systeme“ Merx und Bowien war bislang in der Vorbereitung.

Man darf davon ausgehen, dass er nach dieser Jahreshauptversammlung beginnt.

Langsam, stetig und irgendwann heftig.

Keine Informationen gibt es in diesem Zusammenhang zu/von/über Harry Gimber.

Man darf gespannt sein, was daraus wird.

„Pfenning“ verdirbt Merx den Abschied – Bowien beratendes Mitglied – Gimber ist Vorstand

Guten Tag!

Heddesheim, 29. März 2010. (red/pöl) Der SPD-Ortsverband Heddesheim traf sich am Freitag, den 26. März 2010 zur Jahreshauptversammlung in den Räumen der Feuerwehr Heddesheim.

Nur 22 der nach eigenen SPD-Angaben rund 100 Parteimitglieder in Heddesheim trugen sich als stimmberechtigte Mitglieder in die Anwesenheitsliste ein.

Merx kündigt zum wiederholten Male seinen Rücktritt vom 1. Vorsitz an.

Der 1. Vorsitzende Jürgen Merx verlas seinen Rechenschaftsbericht. Merx wies (wie schon mehrmals zuvor) darauf hin, dass er schon vor zwei Jahren den Entschluss gefasst habe, nach insgesamt fast 10 Jahren Amtszeit, zunächst als 2., dann 1. Vorsitzender nicht mehr für das Amt kandidieren zu wollen: „Was aber nicht heißt, dass ich mich ganz aus dem Vorstand zurückziehen werde.“

Es folgten der Bericht des Kassierers Ahmed El Manschawi: Durch die Wahlkampf-Aufwändungen wurde im vergangenen Jahr ein leichtes Minus gemacht. Die Kassenprüfer bescheinigten ihm eine durchweg korrekte Kassenführung.

Michael Bowien eröffnet die Aussprache.

Die Aussprache eröffnete Michael Bowien. Unabhängig davon, ob man für oder gegen Pfenning sei, dürfe das, was den Genossen im letzten Jahr unterlaufen sei, sich nicht mehr wiederholen: Man könne ein Projekt dieser Art und Größenordnung nicht ohne interne Diskussion begleiten, sagte Bowien.

Und weiter: Man könne auf keinen Fall eine Liste von 22 Kandidaten aufstellen, ohne diese mit dem Thema vertraut zu machen und schließlich könne man sich dann nicht auf einer Kandidatenvorstellung hinstellen und versuchen, ein solches Thema einfach auszuklammern.

„Die Grünen haben uns im Marketing Einiges voraus.“ Jürgen Merx

Dazu gab es zustimmende, aber auch entschuldigende Äußerungen. „Wir brauchen mehr Kommunikation nach innen“, sagte ein „Genosse“.

Jürgen Merx sagte: „Sicher waren wir der Gegenseite marketingtechnisch unterlegen. Man muss anerkennen, dass uns die Grünen da Einiges voraushaben.“

Auch sei es schwierig, 22 Personen in kurzer Zeit zu schulen und schließlich sei man von der rasanten Entwicklung doch irgendwie überrascht worden, waren andere vorgetragene Argumente.

Danach wurden Kassenwart und Vorstand entlastet.

Beim Bericht des Fraktionsvorsitzenden aus dem Gemeinderat wurde es wieder lebhaft.

Wir brauchen mehr Kommunikation. SPD-Mitglied

Wieder war Jürgen Merx an der Reihe. Zur Kommunalwahl, bei der die SPD wieder einen (und nur mit Glück keinen zweiten) Gemeinderatssitz abgeben musste: Eigentlich sei man davon ausgegangen, mit der Kandidatenliste gut aufgestellt gewesen zu sein und habe gehofft, einen oder zwei Sitze dazugewinnen zu können. Leider sei es anders gekommen, schlimmer, man habe soger einen Sitz verloren.

Merx verteidigte nochmals die Position der Fraktionsmehrheit, die in der Pfenning-Ansiedlung Vorteile für die Gemeinde sehe.

Auch in der hier folgenden Aussprache meldete sich Michael Bowien zu Wort. „Ich kann natürlich nicht anders, als die Gelegenheit wahrzunehmen, hier nochmals meine anderslautende Meinung darzustellen“, sagte Bowien.

Austauschbare Dienstleistung.

Bowien begründete seine Ablehnung vor allem damit, dass man ein wertvolles Gewerbegebiet für eine Branche hergebe, die in den nächsten Jahren nur unter Druck stehen werde: „Logistik ist eine austauschbare Dienstleistung, damit verdient man in Zukunft kein Geld“, sagte Bowien.

Logistik-Betriebe stünden unter enormem Kostendruck durch steigende Mautgebühren, steigende Spritkosten und steigende Fahrzeugkosten wegen erhöhter Umwelt-Standards bei gleichzeitigem Druck auf die Erlöse wegen heftigen Wettbewerbs, der sich durch die neuen EU-Richtlinien (Liberalisierung, Öffnung nach Ost-Europa) weiter verschärfen werde, sagte Bowien.

Ein SPD-Mitglied sagte: „Ich muss dem Michael Bowien vollkommen recht geben. Ich arbeite seit 20 Jahren in der Logistik-Branche und kann die Aussagen nur bestätigen. Wir haben sogar schon Aufträge zurückgegeben, weil wir damit nur noch Verluste eingefahren hätten.“

Die Äußerungen Bowiens erhielten auch Widerspruch. Insgesamt waren die Debatten aber erkennbar um Harmonie bemüht. Wenngleich sich eine „Einigung“ nicht abzeichnete.

Im Anschluss an die „Debatte“ folgten Neuwahlen.

Harry Gimber neuer Vorstand: „Ich bin unerfahren.“

Der alte Vorstand hatte sich auf Harry Gimber, 48 Jahre, Industriemeister, als Kandidaten für die Nachfolge von Merx geeinigt.

Gimber, nach eigener Aussage bislang in politischen Führungsämtern unerfahren, wurde einstimmig gewählt.

Zum 2. Vorsitzenden kandidierte Jürgen Merx, der bei 4 Enthaltungen gewählt wurde.

Neuer Schriftführer ist Wolfgang Nase. Carmen Urbach übernimmt ab sofort die Pressearbeit. Ahmad El Menschawi bleibt Kassierer.

Beisitzer sind: Dominic Brenneisen, Michael Holler, Reiner Lang, Jochen Neundörfer, Michael Rei und Thomas Werkhausen.

Michael Bowien wurde zusätzlich als beratendes Mitglied in den Vorstand gewählt.

Roland Raiser und Heinz Seeger nehmen weiterhin ihre Aufgabe als Kassenprüfer wahr.

Leonhard Schneider: Seit 60 Jahren in „der Partei“.

Es folgten noch die Wahlen von Kreisparteitagsdelegierten sowie Delegierten für die Konferenz zur Nominierung des Landtagskandidaten.

Im Anschluss ehrte der Ortsverband Leonhard Schneider für seine 60-jährige Parteizugehörigkeit.

Zur Gratulation kamen Lothar Bindung (MdB) und Gerhard Kleinböck (MdL). „Bei so langer Zugehörigkeit muss man ja fast fragen: wieso bist Du eigenlich noch in der Partei?“, sagte Binding und zeigte Humor.