Sonntag, 29. Januar 2023

Zeitgemäßes Design, "neue Maßstäbe" (bisher) Fehlanzeige

Ländle mit neuer Homepädsch

Rhein-Neckar, 04. Februar 2013. (red/zef) Seit dem 01. Februar 2013 hat das Land Baden-Württemberg eine neue Online-Plattform. Die Homepage soll neue Maßstäbe setzen, damit „sich die Bürgerinnen und Bürger mit Politik auseinandersetzen“, sagt die Silke Krebs, Ministerin im Staatsministerium. Wir haben uns die Seite angeschaut: „Neue Maßstäbe“ gilt im Vergleich mit der alten Seite bestimmt, das Design ist frisch und modern – inhaltlich und konzeptionell kann die Seite aber durchaus noch zulegen. Immerhin: In den ersten drei Stunden nach dem Start am 1. Februar haben bereits 2.500 Menschen insgesamt 15.000 Seiten aufgerufen – und das innerhalb von drei Stunden.

Von Ziad-Emanuel Farag

Oben sind die fünf strukturierenden Elemtente zu sehen, darunter der anschauliche Slider mit aktuellen Artikeln. Quelle: www.baden-wuerttemberg.de

 

Sofort sticht der ansprechende Slider ins Auge. Dieser präsentiert aktuelle politische Themen anschaulich. Hier kommen nicht nur Artikel, sondern auch andere Medien wie Videos oder Fotostrecken zum Einsatz  Aktuelle Beispiele wären: Ein Zeitstrahl darüber,was die grün-rote Landesregierung bisher geleistet hat, die Ganztagsschule oder die Bildungsgerechtigkeit. Man kann den Slider automatisch die Artikel abspielen lassen oder einfach bequem per Pfeil in der Mitte oder der Navigationsleiste unten wechseln.

Besonders brisant wirkt der „transparente Landeshaushalt“. Hier gibt es zwar viel Zahlenwerk: Das Regierungspräsidium Stuttgart erhält 8,4 Millionen Euro für Bundesautobahnen, während Kalrsruhe 4,4 Millionen Euro erhält . Viele Fragen bleiben hier aber völlig unbeantwortet: Wieviel Geld wird in welche Autobahnen investiert? Da stehen viele Zahlen – ohne weitere Informationen sind sie kaum zu nutzen. Da steht gar nichts! Bei den Hochschulen ist der Landeshaushalt auch sehr pauschal: Einzeln aufgeschlüsselt werden die aktuellen Zuwendungen für Baumaßnahmen. Über die Verteilung der restlichen 336 Millionen Euro erfährt man nichts. Bloß keine Verteilungskritik riskieren, scheint hier die Devise zu lauten. Der „transparente Landeshaushalt“ verspricht mehr als er hält. Die Bedienung ist zudem äußerst umständlich.

Die Seite unterteilt sich ingesamt in fünf Rubriken: “Unser Land”, “Regierung”, “BW gestalten” “Service” und “Beteiligungsportal”. Die ersten vier ermöglichen eine einfache Orientierung. Legt man den Cursor auf einer dieser Buttons, wird eine umfangreiche, aber übersichtliche Auflistung der Unterpunkte angezeigt. In der Rubrik „Regierung“ gelangt man schnell zu Vorstellungen der Regierungsmitglieder und ihrer Ministerien. „Unser Land“ bietet einen Überblick über alles Erdenkliche zu Baden-Württemberg. Geschichte, Geografie, Landesverfassung, ein Quiz zur Unterhaltung, Traditionen, hier ist alles dabei.

„BW gestalten“ erklärt, wie Baden-Württemberg künftig aussehen soll:  „Erfolgreiches Baden-Württemberg“ (Wirtschaftspolitik), „Schlaues Baden-Württemberg“ (Bildungspolitik), „Nachhaltiges Baden-Württemberg (Energiepolitik)“, „Bürgernahes Baden-Württemberg (Bürgerbeteiligung und Integration)“ und „Gerechtes Baden-Württemberg (Gleichstellung, Inklusion, Gesundheitspolitik)“. Dies liest sich aber zunehmend fade, irgendwann hat man dann genug von Baden-Württemberg. Wenigstens fasst die Landesregierung hierbei ihre politischen Ziele unter wenigen, verständlichen Schlagworten zusammen. In der Rubrik „Service“ erhält der Leser viele Informationen, um Kontakt zu Ämtern aufzunehmen, sich einen Überblick über Publiktationen zu verschaffen oder einfach einen Ansprechpartner zu erhalten.

Die Detailansicht in den einzelnen Rubriken. Quelle: www.baden-wuerttemberg.de

 

Das „Beteiligungsportal“ schließlich soll künftig “Mehr Demokratie klicken” gewährleisten. Dem müssen jedoch außer bloßen Ankündigungen Taten folgen. Dafür gibt es bereits auf der Startseite einen Textkasten, in dem man schnell eine Frage an die Landesregierung eintippen kann. Wir haben diese Funktion mit einer Frage am Freitag selbst getestet. Bis heute, den 04. Februar 2013, 17:00 Uhr haben wir noch keine Antwort erhalten.  Am, Dienstag, den 05. Februar, wurde sie um 14:43 beantwortet.

Wir erinnern uns: Baden-Württemberg soll gerecht werden. „Menschen mit Behinderung gehören in die Mitte der Gesellschaft. Deshalb bauen wir Barrieren und Benachteiligungen ab.“ Nirgendwo geht das schneller und einfacher als online. Eine Seite, die möglichst alle mit Behinderungen leicht nutzen können, ist unverhandelbar: Nirgendwo gibt es so wenige Barrieren wie am eigenenen Rechner. Hier scheitert die neue Homepage aber: Einige Artikel können zwar vorgelesen werden. Dies geschieht jedoch so blechern, dass man dem nicht folgen kann. Wenn doch, würde man es nicht wollen. Mit den verbreiteten Lesegeräten für Blinden fällt es diesen also deutlich einfacher, sich zu informieren. Der Button dafür ist viel zu klein. Sehbehinderte dürften ihn nicht ausmachen können. Hier wäre es ratsam, die entsprechende Funktion in der Zeile der Überschrift zu platzieren anstatt neben der Unterüberschrift.

Die Vorlesefunktion ist in dieser Zeile nur schwer zu sehen. Quelle: www.baden-wuerttemberg.de

 

Der neue Maßstab muss also noch ordentlich Maß nehmen, um tatsächlich überzeugen zu können. Immerhin, ein Anfang ist gemacht und man darf gespannt sein, was noch folgt.

Geprothmannt: „Occupy“ ist kein Schlachtruf, sondern ein Bekenntnis


"Niemand ist hoffnungsloser versklavt als der, der fälschlich glaubt, frei zu sein." Die junge Frau demonstriert mit einem Goethe-Zitat in New York bei "Occupy Wall Street". Foto: CC David Shankbone/wikipedia

Guten Tag!

Rhein-Neckar, 17. Oktober 2011 (red) Heute vor einem Monat „besetzten“ rund 1.000 Demonstranten die Wall-Street – also vielmehr Parks und Straßen in der Nähe der New Yorker-Börse. Als demokratische Vorbild nennen die Demonstranten den „arabischen Frühling“ – als Symbol für die Vertreibung der Diktatoren und Regimes. Für die „Occupy“-Bewegung sind das im Westen vor allem die Banken. Aber auch Politiker, vornehmlich konservative, werden kritisiert.

Von Hardy Prothmann

Was hat man davon zu halten? Von „Occupy Wall Street“? Alles nur eine Art „Demo-Mode“ junger, wohlhabender Freizeitdemonstranten, die ein wenig „Action“ brauchen? Oder ist das eine ernstzunehmende Entwicklung eines politischen Protestes gegen Systeme, die das Volk nicht mehr versteht? Vor allem das der Spekulation der „Hochfinanz“?

Die Demonstranten nehmen sich die Aufständischen des arabischen Frühlings zum Vorbild und sitzen oder marschieren gegen das Regime. Aus Ihrer Sicht nicht gegen waffenstarrende Dikatatoren, sondern gegen eine viel größere Macht. Das Regime des Geldes. Kontrolliert von den Banken. Und von der mit diesen auf vielfältige Weise verflochtetenen Politik.

Menschen haben Rechte – nicht nur die Pflicht zu zahlen

Es ist das gute Recht dieser Menschen, das sie wahrnehmen. Sie haben das Recht ihre Meinung zu äußern, sich zu versammeln und zu protestieren.

Auch in Deutschland haben mehrere zehntausend Menschen am Samstag demonstriert. Gegen die Banken. Gegen Geld-Systeme, die angeblich so erfolgreich sind und doch ständig „Rettungsschirme“ brauchen – also unser aller Geld. Weil sie sich mal eben „aus Versehen“ in ihrer Gier wieder verzockt haben. Die Boni der Manager sind meistens nicht gefährdet.

Der Seele des Protestes der Demonstranten nährt sich nicht aus Gier oder Neid. Sondern aus dem Austausch von Informationen. Und einer neuen Sicht auf die Welt. Und einer fehlenden Kontrolle der ehemaligen Kontrolleure über Informationen.

Hardy Prothmann sieht die Welt mit seiner Kolumne "Geprothmannt" ganz subjektiv.

„Occupy“ hat als ein Vorbild den „arabischen Frühling“ – aber es steckt mehr dahinter. Beispielsweise Wikileaks – die Aufdeckungsplattform hat für viel Aufregung gesorgt. Durch die Weitergabe geheimer Informationen. Dadurch wurde der Schmutz, nein, der Dreck der angeblich schönen, reinen Welt der angeblich so verantwortungsvollen Mächtigen nicht nur in Frage gestellt, sondern als System aus Lügen und Betrug entttarnt.

Wikileaks wäre ohne vernetzte Computer nicht vorstellbar. Geheimnisse wurden schon immer verraten – aber noch nie in diesem Ausmaß. Mordende amerikanische Soldaten im Irak oder haarsträubende Politikerdepeschen – die Wahrheiten kommen ans Licht.

Aber Wikileaks und Occupy haben noch andere Vorläufer. Greenpeace und Attac beispielsweise – zwei Gruppen, die sich durch gute Vernetzung immer wieder Informationen verschaffen und veröffentlichen konnten, die geheim bleiben sollten. Unsere heutige „moderne“ Umweltpolitik wäre ohne Greenpeace nicht vorstellbar.

Occupy ist weit mehr als ein bislang überschaubarer Protest

Auch Gruppen wie Transparency International oder der deutsche Verein Foebud tragen zur Information der Gesellschaft und zur Abschaltung von Missständen bei. Und überall gibt es jede Menge anderer „Aktivisten“, die nicht mehr hinnehmen, was ihnen vorgesetzt wird, sondern Fragen stellen, ihre Rechte einfordern und sich nicht einschüchtern lassen.

Auch die Gegner von Stuttgart 21 sind eine Art „Occupy“-Bewegung. Ein knappes Dutzend Bürger haben in Stuttgart fluegel.tv gegründet. Was mit einer Webcam begonnen hat, ist mittlerweile auch für die Politik ein ernstzunehmender „Medienpartner“. Denn fluegel.tv erreicht übers Internet so viele Menschen, wie sich erreichen lassen wollen. Und es sind viele. Und es werden immer mehr.

„Die Politik“ reagiert kopflos bis bösartig. Als am „schwarzen Donnerstag“, dem 30. September 2010, die Demonstranten mit Wasserwerfern und Pfefferspray angegriffen worden sind, war das politische Schicksal des damals amtierenden Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) besiegelt.

Die Menschen, die Mappus als Chaoten bezeichnet hat, sind Bürgerinnen und Bürger. Keine Gesetzlosen. Sondern anständige Leute, die ihre Rechte wahrnehmen. Nämlich sich zu versammeln und ihre Meinung zu äußern. Und die ist halt nicht die der CDU, FDP und großen Teilen der SPD. Was im Umkehrschluss nicht heißen muss, dass all „Grün“ oder „Links“ wählen – manche wählen aus „Pflichtgefühl“ trotzdem CDU oder SPD. Manche sind unbelehrbar und wählen FDP. Und andere die „Piraten“. Und viele vielleicht in Zukunft lieber die Straße als eine Partei.

Und jetzt steht fest, dass die CDU-Politiker Stefan Mappus und sein ehemaliger Finanzminister Willi Stächele Verfassungsbrecher sind. Politische Ganoven, die vermutlich schadlos davonkommen.

Selbst die konservative Welt schreibt:

„Baden-Württembergs Landtagspräsident Willi Stächele (CDU) ist zurückgetreten. „Ich gebe mein Amt zurück“, sagte Stächele in Stuttgart. Damit zog er die Konsequenz aus einem Urteil des Staatsgerichtshofs vom vergangenen Donnerstag.

Die Richter hatten ihm einen Verfassungsbruch bescheinigt, weil er als Finanzminister Ende 2010 beim Rückkauf der EnBW-Anteile durch das Land die Mitwirkungsrechte des Landtags umgangen hatte.“

Der „ehrenvolle“ Landtagspräsident Stächele war sich vor seinem Rücktritt nicht zu schade, den Verfassungsbruch als „staatsmännische Handlung“ zu umschreiben:

„Stächele hatte bisher einen Rücktritt abgelehnt und betont, es sei ihm beim EnBW-Deal um eine schnelle Entscheidung im Interesse und zum Wohle des Landes gegangen.“

Es ging Stächele also um das „Wohl des Landes“. Dass dabei Banken einen guten Schnitt gemacht haben und persönliche Verbindungen zwischen Mappus und Bankmanagern eine Rolle gespielt haben könnten – das soll man nicht denken dürfen.

Auch Stuttgart 21 hat viel mit Geld von Banken und anderen „Interessierten“ dem „Wohl des Landes“ zu tun. Das Projekt, das angeblich mal keine zwei Milliarden Euro kosten sollte, soll aktuell 4,5 Milliarden kosten – es gibt genug Hinweise, dass es viel mehr kosten wird. Und der neue starke Mann der Baden-Württembergischen CDU, Peter Hauk, hat im Wahlkampf verkündet, dass es „Baden-Württemberg egal sein kann, ob es zehn oder fünfzehn Milliarden Euro kostet„. Weiß der Mann mehr als andere? Kennt er schon die „echten“ Zahlen?

Hat er „aus dem Nähkästchen geplaudert“, vor einem Jahr in Hirschberg an der Bergstraße, einem kleinen Ort, wo er niemanden vermutet hat, der seine Worte weiterträgt? Unser Artikel über seinen Auftritt hatte innerhalb von zwei Tagen 26.000 Leserinnen und Leser. Wir haben email aus Moskau, London und Istanbul erhalten.

Das Spiel heißt Monopoly – wie es ausgeht, weiß jeder

Das ist noch nicht „Occupy“ – aber die Informationen führen dahin. Sie führen dazu, dass sich Menschen empören und dieses „Spiel“ nicht mehr mitmachen wollen.

Warum sind die Menschen in einigen arabischen Ländern auf die Straße gegangen? Zuerst in Tunesien, dann in Ägypten? Weil sie gut ausgebildet sind und Informationen austauschen. Und weil sie gemerkt haben, dass sie reingelegt werden.

Und weil sie merken, dass etwas nicht stimmt. Dass es der Mehrzahl immer schlechter geht, während wenige immer mehr haben.

In Griechenland und Spanien (zwei Ländern mit „erzkonservativen“ Gesellschaften) gibt es seit Monaten Massenproteste – in anderen Ländern gärt es. Auch in Deutschland sind solche Proteste nur noch eine Frage der Zeit.

Wenn immer mehr Menschen in Billigjobs „beschäftigt“ werden, die später noch nicht einmal eine Rente am Existenzminimum ermöglichen, dann steigen die Menschen aus. Das verstehen sie nicht mehr. Deswegen fordern sie Veränderungen.

Niemand muss deswegen das Gespenst des Kommunismus an die Wand malen. Sondern einfach nur nachdenken, was man will und wo man leben möchte.

Für viele ist Amerika immer noch ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Sofern man Geld hat, ist das gar nicht so falsch. Wenn man genau hinschaut, stellt man fest, dass Amerika pleite ist und die meisten Bürger dort vor existenziellen Fragen stehen.

Tunesien und Ägypten waren bis vor den Revolutionen beliebte Urlaubsländer – wenn man genau hinschaut, hat man aber nur gut bezahlte „Resorts“ gesehen und vom Elend der Leute nichts mitbekommen (wollen).

Auch in Deutschland wächst die Armut – auch wenn die Wirtschaft brummt

Und wenn man in Deutschland genau hinschaut, weiß man, dass Kinder ein Armutsrisiko bedeuten. Wenn man genau hinschaut, sieht man, wie die Armut wächst – obwohl die Wirtschaft bis vor kurzem brummte.

Die Konsequenzen werden – wenn man nicht hinschauen will – so sein, wie in vielen Teilen der Welt. Fürchterlich. Dort sind die Straßen gefährliche Orte und wer es sich leisten kann, meidet sie. Die „wohl“-habenden (siehe Stächele und andere, deren „Wohl“ immer auch Haben bedeutet) leben in bewachten Quartieren hinter hohen Mauern – wie im Knast. Wer ein wenig außerhalb von „idyllischen Paradisen“ der Urlaubsscheinwelt herumgekommen ist, weiß das.

Wer gerne dafür eintritt, in einem freien Land zu leben, das Bürgerrechte schützt und verteidigt, das die Zivilgesellschaft als Ziel hat und Bildung und Meinungs- sowie Informationsfreiheit als selbstverständlich erachtet, der wird ab einem gewissen Punkt sehr genau darüber nachdenken müssen, ob „Occupy“ nicht nur ein Bekenntnis, sondern im Zweifel ein Schlachtruf sein sollte. Für die Freiheit. Von möglichst vielen Menschen.

Bleiben Sie aufmerksam!

Ihr

P.S.
Wer die Meinung des Autors für eine „Einzelmeinung“ hält, kann gerne beim Debattenmagazin „Cicero“ weiterlesen.

In eigener Sache: rheinneckarblog istlokal.de


Guten Tag!

Rhein-Neckar, 25. Januar 2011. Ende 2010 haben die Journalisten Stefan Aigner und Hardy Prothmann sowie der Diplom-Medienpädagoge Thomas Pfeiffer das Netzwerk istlokal.de gestartet. Das Netzwerk unterstützt journalistische Angebote im Internet, die lokal oder regional informieren.

Von Hardy Prothmann

Die lokale Berichterstattung bietet die exklusivsten Nachrichten der Welt. Was vor Ort passiert, betrifft die Menschen, die dort leben. Egal ob in München, Berlin, Köln, Stuttgart, auf dem platten Land oder in einem Ballungsraum. Oder in New York, Los Angeles, Paris, London, Mailand, Barcelona.

In den vergangenen zwei Jahren sind in vielen Orten Deutschlands lokale „Blogs“ oder digitale Internet-Zeitungen entstanden und auch 2011 werden viele neue Angebote dazukommen. Mal sind es politisch engangierte Bürger, mal Journalisten, die das „nebenbei“ machen. Aber immer mehr Angebote werden mit dem Anspruch der Herausgeber betrieben, von dieser Arbeit auch leben zu können.

Kritischer Zustand des Journalismus.

Jeder, der ein kommerzielles Angbot betreibt, steht dabei vor denselben Problemen: Der lokale und regionale Werbemarkt im Internet ist noch nicht befriedigend entwickelt, noch nicht einmal ausreichend.

Das Portal von istlokal.de bietet vernetzten Journalismus.

Aus gutem Grund. Die Presselandschaft in Deutschland ist überwiegend monopolisiert. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es fast nur noch „Einzeitungskreise“ – sprich, es gibt keinen journalistischen Wettbewerb mehr vor Ort. Die Monopolzeitungen bestimmen, über wen was wann wie berichtet wird.

Wozu das führt, zeigt das Beispiel Stuttgart21 deutlich. Die Stuttgarter Zeitung hat kaum kritisch berichtet – aus gutem Grund. Wie der stern mit dem Hintergrundbericht „Fahrt auf schwäbischem Filz“ offenlegte, gehört die Zeitung zur Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), die vor einiger Zeit die Süddeutsche Zeitung gekauft hat.

„Fahrt auf schwäbischem Filz.“

Ein schwerer finanzieller Brocken, der das Unternehmen in Schwierigkeiten brachte. Über die Landesbank Baden-Württemberg nahm man ein Schuldscheindarlehen über 300 Millionen Euro auf, so der Bericht.

Darin heißt es: „Die LBBW war hierfür ein idealer Partner. Vorsitzender ihrer Trägerversammlung ist Ministerpräsident Mappus. In ihrem Verwaltungsrat hat die Politik das Sagen. Vorsitzender ist der CDU-Landtagsabgeordnete Peter Schneider, Präsident des baden-württembergischen Sparkassenverbands. Mitglieder des Verwaltungsrats sind unter anderem der Stuttgarter OB Wolfgang Schuster, die CDU-Landesminister Wolfgang Reinhart (Berlin/Europa) und Willi Stächele (Finanzen), die Unternehmer Heinz Dürr und Dieter Hundt und Claus Schmiedel, Chef der SPD-Fraktion im Landtag. Der hielt Stuttgart 21 bis vor kurzem für „menschenfreundlich, umweltfreundlich und relativ schnell realisierbar.“

Solche Verbindungen lassen vermuten, dass eine objektive Berichterstattung nicht mehr gegeben ist.

Der stern berichtet über die Verfilzung von Medien, Politik und Wirtschaft.

Zurück zum Werbemarkt – der wird von Zeitungen dominiert. Und jede Anzeige, die von Print nach Online abwandert, ist ein Verlust, der die Zeitungen trifft. Die haben folglich überhaupt kein Interesse, den Online-Werbemarkt zu entwickeln. Denn Online-Anzeigen sind günstiger, sprich, bringen den Zeitungen weniger Einnahmen.

Dramatische Entwicklung.

Und wer sich online informiert, auch durch Werbung, braucht keine Zeitung mehr – die teils dramatisch zurückgehenden Auflagen- und Abozahlen zeigen deutlich, unter welchem wirtschaftlichem Druck Zeitungen stehen.

Mit dramatischen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger: Die Berichterstattung wird zunehmend flacher, da die Zeitungsverlage in den vergangenen Jahren hunderte Journalisten entlassen haben. Es gibt Regionen in Deutschland, über die überhaupt keine Berichterstattung mehr stattfindet. Die ungeprüfte Übernahmen von „PR-Artikel“ ist an der Tagesordnung.

Wer aufmerksam die Zeitung liest, stellt fest, dass der überwiegende Teil der Artikel nicht mehr redaktionell vor Ort erarbeitet wird, sondern außerhalb der Zeitung. Ob als Agenturmeldung oder PR-Text.

Und es gibt jede Menge Lokalredakteure, die eine Pressemitteilung ein wenig umschreiben und dann unter ihrem Namen als eigenen Artikel veröffentlichen. Das ist Betrug am Leser. Und der findet täglich überall statt.

Journalismus ist wichtig für die Demokratie.

Und es schadet der Glaubwürdigkeit des Journalismus, der eigentlich die „4. Macht“ im Staate sein soll. Durch kritisches Prüfen von Informationen, durch Recherche von Hintergründen und Verbindungen, durch eine objektive Berichterstattung. Diese Aufgabe ist enorm wichtig, um eine Demokratie stabil zu halten.

Engagierte Bürger und freie Journalisten gründen deshalb ihre eigenen Medien – aus Frust über die unzulängliche „Lobby“-Berichterstattung der Zeitungen, die oft mehr verschweigen, denn berichten. Aus der Überzeugung heraus, dass dort immer weniger echter Journalismus stattfindet.

Die Alternative heißen Blog oder Internet-Zeitung – die Namensgebung spielt keine Rolle, sondern der Inhalt. Hier finden Dokumentation und kritische Berichte statt.

Vielfältige Herausforderungen.

„Bürgerjournalisten“ stehen dabei vor der Herausforderung, wie sie diese journalistische Tätigkeit wahrnehmen. Journalismus ist ein Handwerk, das man lernen kann und muss. Ohne Kenntnisse in Sachen Recherche, Schreiben und auch Medienrecht werden wichtige Informationen nicht gefunden oder es drohen Abmahnungen von denen, die sich durch die Berichte „gestört“ fühlen – sei es die Kirche, seien es Unternehmen oder Politiker oder Ämter.

Hardy Prothmann ist verantwortlicher Redakteur für die Angebote des rheinneckarblogs. Bild: sap

Professionelle Journalisten brauchen Einnahmen, von denen sie leben können und mit denen sie ihre Arbeit finanzieren. Also Werbeeinnahmen. Manche gründen auch Fördervereine, die die Arbeit über Mitgliedsbeiträge und Spenden finanzieren.

Das Netzwerk istlokal.de will eine Genossenschaft gründen, in der unabhängige Internet-Medien, die lokal und/oder regional berichten, sich organisieren. Um journalistische Aus- und Fortbildung anzubieten. Um sich bei technischen Lösungen zu unterstützen, um sich rechtlich wehren zu können und natürlich, um den lokal-regionalen Onlinewerbemarkt voranzubringen.

Wir stehen dabei in Konkurrenz zu den Tageszeitungen. Journalistisch und auch geschäftlich.

Vernetzter Journalismus.

Wo es schon teils herausragende lokale Angebote gibt, können Sie auf unserer Seite istlokal.de nachschauen. Wenn Sie selbst ein Angebot planen, können Sie sich gerne an uns wenden. Wenn Sie schon ein Angebot in Betrieb haben, schließen Sie sich uns an. Die notwendigen Informationen finden Sie auf unserer Website.

istlokal.de wird seine Mitglieder, egal ob hauptberufliche Journalisten oder Bürgerjournalisten, unterstützen. Zum einen zur Förderung der Presse- und Meinungsfreiheit, zum anderen als „Unternehmer“-Verband für professionelle Journalisten. Und wir sind überzeugt davon, dass wir auch die Wirtschaft, die Vereine, die Forschung und andere Bereiche der Gesellschaft mit einem verantwortungsvollen Journalismus unterstützen.

Für das erste Halbjahr 2011 ist eine Informationsveranstaltung geplant. Wir werden Sie über unsere Fortschritte zeitnah informieren.

Hintergrund:

Hardy Prothmann ist verantwortlich für das rheinneckarblog und betreibt zudem die lokalen Angebote heddesheimblog.de, hirschbergblog.de, ladenburgblog.de und weinheimblog.de. Für seine Arbeit wurde er 2009 und die „100 Journalisten des Jahres“ durch eine unabhängige Jury der Fachzeitschrift „MediumMagazin“ auf Platz 3 in der Kategorie „Regionales“ gewählt.

Er arbeitet seit 1991 als freier Journalist. Während des Studiums von 1991-1994 für den Mannheimer Morgen, ab 1995 überregional für fast alle großen Medien sowie die ARD. Er ist Gründungsmitglied von netzwerk recherche und Mitglied des Frankfurter Presseclubs. Im Mai 2009 startete er das heddesheimblog.de.

Stefan Aigner ist freier Journalist in Regensburg. Er betreibt die Seite regensburg-digital.de und ist bundesweit durch seine kritische Berichterstattung bekannt geworden, die ihm schon drei Prozesse eingebracht hat. Aktuell hat ihn die Diözese Regensburg verklagt, weil er die Zahlung von Geldern an die Eltern eines Missbrauchsopfers in Anlehnung an einen Spiegelbericht als „Schweigegeld“ benannt hat. Die katholische Kirche hat auf Unterlassung geklagt. Weil Stefan Aigner 10.000 Euro Spendengelder einwerben konnte, hat er sich auf den Prozess einlassen können. Das Hamburger Landgericht will das Urteil Ende Februar 2011 verkünden.

Thomas Pfeiffer ist Diplom-Medienpädagoge und Social Media-Experte. Er betreibt die Seite webevangelisten.de und ist Mitbegründer des Twittwoch, eines Vereins zur Förderung von Social Media-Anwendungen. Der passionierte Bergsteiger unterstützt das Netzwerk istlokal.de mit seinen Expertenkenntnissen. Als politisch interessierter Bürger ist er zudem „Genosse“ der links-liberalen Tageszeitung die „taz“ aus Berlin.

istlokal.de wurde am 28. Dezember 2010 in Heddesheim gegründet. Zur Zeit findet die Mitgliederwerbung statt. In Kürze wird der „Vorstand“ durch weitere Journalisten erweitert, die sich aktiv in das Netzwerk einbringen wollen. Geplant ist die Gründung einer Genossenschaft sowie einer operativen GmbH, die die organisatorischen Arbeiten übernimmt.

Wir sind offen für Sponsoren, die zu uns passen und Kooperationspartner, die gerne mit istlokal.de zusammenarbeiten möchten. Erste Gespräche werden mit der Fotografenagentur Freelens sowie dem Autoren-Netzwerk Freischreiber geführt.

Gabi´s Kolumne: Sind wir Helden?

Guten Tag!

Heddesheim, 07. November 2009.

Sind wir Helden?, fragt sich Gabi. Etwa weil wir eine Kindheit ohne Fahrradhelme und Kindersitze überlebt haben? Weil Arznei- und Putzmittel noch keinen Sicherheitsverschluss hatten und es noch keine Handys gab? Ganz zu schweigen von Babyphon, Türschutzgitter und Steckdosensicherungen?

Als ich mein erstes Kind bekam tauchte ich gleich ein in einen Ozean der Gefahren. Nein, eigentlich schon in der Schwangerschaft wusste ich, dass Rohmilchkäse für das Ungeborene fast genauso gefährlich werden kann wie Alkohol oder Zigaretten.

Kaum hatte ich meinen Sohn im Arm wurde ich von allen Seiten – wenn ich es nicht schon im Ratgeber gelesen hatte – über die drohenden Gefahren aufgeklärt: Das Neugeborene durfte nicht auf dem Bauch schlafen, ich durfte keine Zwiebeln oder Schlimmeres essen, dann bekam mein Baby Koliken und auf Kaffee musste ich in der Stillzeit völlig verzichten. Bestimmte Schnuller gaben gefährliche Chemikalien ab und über den Sinn oder Unsinn von Impfungen konnte man stundenlang diskutieren.

Risiken für die Kinder – wie alt sie auch sind und wo sie auch sind…

Kaum war diese Neugeborenenphase überlebt, kam das risikobehaftete Kleinkindalter. Die Wohnung musste sicher gemacht werden. Riegel für Schranktüren, Treppenabsperrungen, Herdsicherung, um nur einiges zu nennen, mussten her, damit das Kleinkind gefahrlos durch die Wohnung krabbeln konnte – ich erinnere mich an ein Kinderbild von mir im Laufstall, aber das war pädagogisch ein absolutes „No go“ und es gab in dieser Zeit bestimmt genug Menschen, die rückwirkend Hersteller von Laufställen verklagt hätten.

Wenn Kind und Eltern das alles bis zum Kindergarten überlebt hatten, begann der Stress mit dem geeigneten Kinderrad nebst Tüv-geprüftem Fahrradhelm. Beim Elternabend wurden wir darüber informiert, welche Teufel sich in der Frühstücksbox verstecken können und wie gesundheitsschädlich, der von der Werbung angepriesene Kinderriegel, eigentlich war.

Spätestens jetzt wurden uns auch die Gefahren der Medienwelt bewusst. Brutale Zeichentrickfilme, Computerspiele, die schon Kleinkinder abhängig machen, führten uns direkt ins Einschulungsalter.

Auch hier lauerten tausend Gefahren: Der Schulranzen musste nicht nur hübsch, sondern er musste auch ergonomisch geformt sein, um spätere Haltungsschäden zu vermeiden. Der Schulweg sollte sicher, aber auf alle Fälle zu Fuß – Bewegung muss schließlich sein – begangen werden. Und immer wieder die Diskussion um die Pausenbrote.

Nach der Grundschulzeit verließ mein Sohn die Sicherheit Heddesheims und musste in die große Stadt zur Schule fahren. Über die dort lauernden Gefahren möchte ich gar nicht schreiben …

Ist es ein Fortschritt, vor allem Angst zu haben?

Dass wir unsere Kinder behüten und beschützen wollen, versteht sich von selbst. Dass bei dem heutigen Verkehr Fahrradhelm und Autositz nicht zu umgehen sind, kann man nicht abreden. Aber manchmal frage ich mich, wie viel Freiräume geben wir noch unseren Kindern und auch uns, die sie und wir brauchen, um erwachsen zu werden, Erfahrungen zu machen bzw. los zu lassen.

Ist unsere Welt so gefährlich geworden, dass unsere Kinder ohne Handy nicht mehr „unterwegs“ sein können? Da fragt man sich nur, wer behütet werden muss.

Und man fragt sich, worin eigentlich der Fortschritt begründet ist, wenn nichts mehr geht und alles angstbesetzt ist? Ist das nicht ein Rückschritt?

Vielleicht waren wir Helden, weil und wie wir unsere Kindheit überlebt haben – aber heutzutage bewachen wir manchmal zu ängstlich die Kindheit und Jugend unserer Kinder. Denn Angst war noch nie ein guter Begleiter durchs Leben.

Gabi´s Kolumne: Hilfe, die Nikoläuse kommen


Heddesheim, 19. Oktober 2009

Es ist wieder soweit, meint Gabi. Alles kehrt wieder, aber immer früher und immer massiger und häufig auch anders: So auch die Nikoläuse oder auch Santa Clauses, Lichterketten, Räuchermännchen und was es sonst noch so gibt. „Brauche ich das alles?“, fragt sich Gabi, die nicht weiß, was besser ist: altmodisch oder modern sein?

Es ist wieder soweit, die Nikoläuse und Lebkuchen ziehen in die Lebensmittelgeschäfte ein. Kaum ist der Sommer vorüber – kurz unterbrochen von einer Halloween-Welle, die uns in meiner Kindheit und Jugend noch vollkommen unbekannt war – können wir uns kaum gegen die Marketingoffensive erwehren, die uns bewusst macht, dass die „besinnliche“ Zeit näher rückt.

Ab September horten sich in den Regalen der Lebensmittelketten Lebkuchen, Dominosteine und Schokoladenadventskalender. Bald darauf kommen die Schoko-Nikoläuse, Plätzchen und Marzipankartoffeln.

Spätestens ab 1. November finden wir Adventskränze, aus Plastik oder Tanne, Lichterketten, Christbaumkugeln, Räuchermännchen, Lametta … eben das ganze Equipement, was für eine schöne „deutsche“ Weihnacht notwendig ist. Und genau hier fängt dann die Verwirrung an.

Die Globalisierung der Welt führt auch zur Globalisierung der Bräuche.

Santa Claus mit den hohen Stiefeln und der Glocke in der Hand, der mit Rentierschlitten und vielen Päckchen durch den Winterhimmel zieht – war das jetzt unser deutscher Weihnachtsmann oder dann doch der Gehilfe vom Christkind – nein, stopp, das war doch Knecht Rupprecht. Und waren es jetzt Rentiere oder Elche? Oder kennen wir den Weihnachtselch und die Bäume, die im Januar geworfen werden nur von Ikea?

Die Stiefel werden an Nikolaus gefüllt, die Strümpfe am 25. Dezember. Aber bitte alles der Reihe nach, denn wir Kunden sind schon ganz verwirrt.

Die Globalisierung der Welt hat eindeutig auch zur Globalisierung von Traditionen und Bräuchen geführt. So weit, so gut.

Was mich daran stört, ist, dass uns vorgegaukelt wird, wir bräuchten alles: Die Halloween-Masken Ende Oktober genauso wie die traditionelle Martinsgans am 11. November.

Und in der Vorweihnachtszeit werden wahllos Traditionen aus dem Hut gezaubert – die einen möglichst großen Konsumerfolg garantieren.

Ich will ein schönes Fest – mehr nicht.

Also versuche ich für mich und meine Familie eine Klarheit zumindest in die zeitliche Abfolge zu bringen: Halloween lassen wir ausfallen, essen aber die Martinsgans und so lange meine Kinder klein waren haben wir auch regelmäßig Lampions gebastelt und sind mit der Laterne gegangen.

Frühestens Mitte November kaufe ich Lebkuchen und beginne die Adventskalender zu basteln. Zum 1. Advent schmücken wir den Adventskranz und kleben Papiersterne an die Fenster. Nun beginnen wir auch mit dem Plätzchen backen.

Das ist auch die Zeit der Weihnachtsmärkte mit Glühwein und Punsch. Am 6. Dezember werden die Stiefel vorgestellt und dann kann er kommen, der Mann im langen roten Mantel mit dem weißen Bart.

Den Christbaum schlagen wir Mitte Dezember im Wald, geschmückt wird am 23. Dezember abends. Jetzt wird auch die Krippe aufgestellt. Und am 24. Dezember kommt das gute, alte Christkind und auf dem Tisch steht duftend der Gänsebraten.

Bin ich jetzt altmodisch oder unmodern oder traditionsbewusst?

Egal. Ich mach das einfach so. Ich will ein schönes Fest – mehr nicht.

gabi

Gabi´s Kolumne: Wir Deutsche jammern und meckern gerne


Heddesheim, 12. Oktober 2009.

Gemeinsam jammern ist nicht wirklich schlimm, sondern gehört irgendwie zum guten Leben dazu und verbindet, meint Gabi.

Wer kennt sie nicht – die Gespräche übers Wetter: Drei Tage trüber Himmel und wir reden mit Freunden, im Büro oder auch auf der Straße mit anderen darüber, dass uns das depressiv macht.

Aber kaum haben wir drei Tage über 30 Grad, halten wir sie nicht aus, die Hitzeperiode. Sonne, Regen, Wind und Schnee… alles schlägt uns aufs Gemüt und was gibt es dann Schöneres als gemeinsam zu jammern.

Jammern verbindet.

Denn: Jammern verbindet. Kürzlich saß ich über eine Stunde im überfüllten Wartezimmer eines Augenarztes, als eine ältere Frau sich laut in den Raum beschwerte: „Das gibt’s doch gar nicht, jetzt sitze ich schon eine Ewigkeit hier und nichts tut sich“, woraufhin ein Mann mittleren Alters im Anzug ergänzte, „wenn ich so meinen Job machen würde…“ Zustimmendes Gemurmel im ganzen Raum. Im Leid des Wartens waren wir vereint.

Meine Kollegin lamentierte letzten Montag früh über ihr schreckliches Wochenende, sie lag zwei Tage mit Migräne im Bett, ihr Mann hatte Zahnschmerzen.

Gestern Nachmittag rief mich meine Freundin an und erzählte mir von der schrecklichen neuen Mathelehrerin ihres Sohnes, „die gibt so viel Hausaufgaben auf, dass der arme Junge den ganzen Nachmittag dran sitzt. Zudem kapiert das ja keiner und ich habe schließlich ja auch Besseres zu tun als meinen Tag mit Mathe zu verbringen.“

Stöhnen, Klagen, Beschweren.

„Also nach Frankreich fahren macht ja auch keinen Spaß mehr“, beschwerte sich eine Bekannte nach ihrem Urlaub. „Alles ist überteuert und die Straßen an der Côte d’Azur sind vollkommen überfüllt.“

„Bei den Preisen macht es ja überhaupt keinen Spaß mehr einkaufen zu gehen“, stöhnte eine Freundin, während sie mir ihre neuen Errungenschaften zeigte.

„Ich stand das ganze Wochenende nur in der Küche, kein Mensch hat mir geholfen“, klagte meine Mutter nach einem Besuch von Freunden.

Und wer kennt sie nicht die Tiraden nach den Feiertagen über das viele Essen und die zusätzlichen Kilos, denen man jetzt wieder mit einer Diät „zu Leibe“ rücken müsse.

Schluss mit dem Jammern und Motzen.

Irgendwann wurde es mir zu viel. Ich beschloss, jetzt ist es Schluss mit dem Jammern und Motzen. Ich werde nicht mehr einstimmen in die Litanei des Unglücks und vor allem möchte ich sie nicht mehr hören. Positiv möchte ich meine Tage beginnen und aufhören.

Die Regentage werde ich als Chance nutzen, das Haus auf Vorderfrau zu bringen. Das Warten beim Arzt werde ich mit Durchblättern von Zeitschriften genießen.

Und ich werde überfüllte Straßen und überteuerte Preise als gegeben hinnehmen, die vielen Hausaufgaben der Kinder als eine Bereicherung betrachten und mich an üppigem Essen und danach an meiner üppigen Figur erfreuen.

Ein paar Tage gelang es ganz gut mit dieser neuen Haltung durch den Alltag zu kommen, auch wenn mein Freundeskreis und meine Familie leicht irritiert reagierten.

Doch dann rief mich gestern Abend eine Freundin an und erzählte mir von ihrer schrecklichen Woche, von der vielen Arbeit, dass sie zu nichts gekommen sei und dass sie sich über ihren Mann und ihre Kinder geärgert hatte und dass der Chef ungerecht war …

Oder doch nicht?

„Oh, das kenne ich so gut“, platzte es aus mir heraus und die Worte des Jammern waren nicht mehr zurückzuhalten. Und es tat so gut, gemeinsam zu leiden.

Glücklich und zufrieden legte ich nach unserem Gespräch den Hörer auf.

Und mir war klar: Gemeinsames Jammern verbindet und macht alles ein bisschen leichter – irgendwie.

Gabi´s Kolumne: Was ist eine gute Ehefrau?


Gibt es das? Eine gute Ehefrau? Und ist es tatsächlich einfach, den Gatten glücklich zu machen? Fragen über Fragen, die Gabi beschäftigen.

Was ist eine gute Ehefrau …

…frage ich mich täglich aufs Neue. Meine Kollegin, zum Beispiel, betütelt ihren Göttergatten. Als er sich kürzlich das Bein brach, stellte sie überall in der Wohnungen Wasserflaschen und kleine Behältnisse mit Naschereien auf, damit der Arme während ihrer Arbeitszeit nie weit humpeln musste – ich gestehe, dieses Krankenschwester-Gen fehlt mir komplett.

Als ich mich kürzlich bei meiner Freundin über den unermüdlichen Arbeitseifer meines Mannes bitterlich beschwerte, dem sogar unser Urlaub zum Opfer fiel, tadelte sie mich mit den Worten: „Er macht das ja nicht nur für sich, da musst du ihn schon unterstützen. Ich musste für die Karriere meines Mannes auch schon auf einiges verzichten.“

Eine Freundin mit Zwillingen bekam verständlicherweise sehr wenig Schlaf in den ersten Jahren, bei ihr zu Besuch, erlebte ich, wie sie ihre Dreijährigen davon abhielt um 9 Uhr – sie war um 6 Uhr aufgestanden – den Vater zu wecken. „Papa hatte so eine anstrengende Woche, lasst ihn ausschlafen.
Ich schickte meine Kinder, als sie klein waren ins Schlafzimmer, damit sie ihren Vater aus dem Bett prügelten – und empfand dabei – ehrlich – Freude, wenn sie sich mit Gebrüll auf ihn stürzten.

„Du musst deinem Mann das Gefühl geben, dass du Verständnis für ihn hast und ihm natürlich eine gute Gesprächspartnerin sein… und lass dich niemals gehen, Männer wollen keine Frauen, die sich hängen lassen …“, riet mir eine gute Bekannte. „Man muss Männer bewundern, das brauchen sie für ihr Ego. Und Kritik solltest du die möglichst sparen.“

Okay, dann hatte ich wohl alles falsch verstanden und nahm mir vor in Zukunft alles besser zu machen.

Ich kochte ein fulminantes Mahl und wartete, hübsch gemacht, auf meinen Mann. Er kam, wie üblich, zu spät. Ich säuselte: „Mein armer Schatz, hattest du einen anstrengenden Tag, ich wärme gleich noch mal alles auf, setz’ dich nur schon hin, ich schenke dir ein Glas Wein ein.“

Sichtlich irritiert, gestand mir mein Gatte, dass er nach dem Abendessen noch mal an den Schreibtisch müsse. „Aber das macht doch gar nichts, dann bestell’ ich die Kinokarten wieder ab und bügle deine Hemden“, antwortete ich mit einem Lächeln.

„Du wolltest mit mir doch noch Mathe machen“, beschwert sich mein Sohn. „Aber Liebling, du hörst doch, dein Vater hat noch zu tun“, weise ich ihn zurecht.

Jetzt schauen mich auch die Kinder vollkommen verständnislos an.

Irgendwie gefalle ich mir in der Rolle ganz gut und fühle mich fast schon wie Mutter Theresa. „Lass nur den Teller stehen, ich mache das gerne für dich.“

„Was hast du heute denn Tolles gemacht?“, frage ich mit vollem Interesse. „Bestimmt war das sehr schwierig und du hast für alles fantastische Lösungen gefunden.“ Mein Mann strahlt.

So einfach ist es doch, einen Mann glücklich zu machen, denke ich.

Gute drei Stunden halte ich durch, kein kritisches Wort, nur Verständnis und Bewunderung.

Dann bricht es aus mir raus: „Kannst Du eigentlich mal deine Kaffeetassen aus dem Büro räumen und es nervt mich absolut, dass du nie pünktlich sein kannst und wenn du eh’ nie Zeit für mich hast, solltest du dir doch besser eine Haushälterin suchen als eine Ehefrau ….“

Upps, alle guten Vorsätze dahin.

Grinsend nimmt mich mein Mann in die Arme: „Gut, dass du wieder normal bist, ich habe mir schon Sorgen gemacht. Aber, wenn ich ehrlich bin, schön war’s schon, mal von dir verwöhnt und bewundert zu werden.“

Gabi´s Kolumne: Wenn aus Streit noch mehr Streit wird

Solidarität kann auch schnell zur Falle werden – sagt Gabi. Und stellvertretende Streits machen eigentlich überhaupt keinen Spaß – lassen sich aber manchmal nicht vermeiden.

Kinder streiten sich – das ist hinreichend bekannt. Es fängt an im Sandkasten, der Streit um den Eimer entbrennt sehr schnell und die Schaufel wird schnell mal über den Kopf des Kontrahenten gezogen.

Auch ich hatte leider nicht das Glück einen Pazifisten geboren zu haben und mein Sohn kratzte, haute und war in allem sehr wehrhaft. In der Krabbelgruppe gab es ein gelocktes Engelchen, die mit Freuden büschelweise die Haare der anderen Kinder ausriss und sich im Gegenzug Kratzer quer übers Gesicht einfing. Das Gesetz der Straße bei den Allerkleinsten.

Beim Bagger hört die Freundschaft auf

Hat man noch Verständnis bei den eigenen Kindern, so sieht man doch die Kinder anderer Leute sehr kritisch. Eine Freundin erklärte mir mal ganz ernsthaft, dass das Verlangen meines Sohnes nach dem Bagger ihres Kronprinzen dann doch zu sozialistisch sei und er alles Recht hätte, sich handgreiflich zu wehren.

Wird der Streit im Kindergarten noch meist körperlich ausgetragen, verlegt man sich in der Grundschule auf andere Kampfstrategien, hier wird gepetzt, gemoppt, die Freundschaft gekündigt. Und das vor allem bei den Mädchen.

Mit Tränen in den Augen kam meine Tochter ein ums andere Mal aus der Schule zurück und erklärte mir, ihre beste Freundin sei die allerletzte und sie würde nie wieder mit ihr sprechen, sie hätte böse bei anderen über sie gesprochen und sie in der Pause komplett ignoriert.

Teenager verlegen sich dann auf’s Ausgrenzen, d.h. Partys werden gefeiert, Unternehmungen geplant und wer in Ungnade fällt, darf nicht mitmachen – auch hier sind Tränen gewiss.

Wehe dem, der sich in den Streit involvieren lässt. Mütter schreien sich am Sandkasten an, holen wutentbrannt ihre Kinder vom Kindergarten ab und führen später Gespräche mit dem Klassenlehrer zum Schutz ihrer Sprösslinge.

Wer kennt sie nicht, die Wut.

Wer kennt sie nicht die Wut, die hoch kriecht, wenn das eigene Kind ungerecht behandelt wird. Und mehr als einmal habe ich mit guten Freundinnen böse Gespräche geführt und der Streit hat sich schnell an den Kaffeetisch verlagert.

Erst vor wenigen Wochen war ich kurz davor die Freundschaft mit einer guten Freundin auf’s Spiel zu setzen, weil sich unsere Töchter höllisch zerstritten hatten und ich natürlich der Version meiner Tochter Glauben schenkte. Das Telefongespräch von uns Erwachsenen endete mit gegenseitigem Auflegen und der Überzeugung:“Das war’s jetzt mit der Freundschaft“.

Und wie schön ist es, sich zu versöhnen.

Als ich zwei Tage später meine Tochter vom Sport abholte, kam sie mir Arm in Arm mit ihrer „das wird nie wieder meine Freundin“ entgegen, strahlte übers ganze Gesicht und meinte, man hätte sich wieder versöhnt, beide seien ja reichlich blöde gewesen und hätten gleichermaßen Schuld an dem Streit.

Da stand ich nun mit meiner Muttersolidarität.

Was den Kleinen gelingt, sollte uns Großen doch auch gelingen, dachte ich, schob allen Groll zur Seite, kaufte ein paar Blümchen, klingelte und kurze Zeit später strahlten auch meine Freundin und ich wieder und nahmen uns – mal wieder – fest vor, uns nicht mehr in die Streitigkeiten unserer Töchter einbeziehen zu lassen.

gabi

Gabi´s Kolumne: Verabredungen in der digitalen Zeit

Verabredungen treffen ist in unserer digitalen Zeit ja sehr einfach geworden, jeder ist jederzeit und überall erreichbar – denkt zumindest Gabi.

Kürzlich wollte ich mich mit einer Freundin auf einen Kaffee verabreden und rief sie an, auf ihrem Festnetz zuerst – der AB verkündete mir, dass die Familie inklusive Katze nicht da sei, man sich aber über eine Nachricht freue und gerne zurückrufe.

Bevor ich diesen freundlichen Dienst in Anspruch nahm, probierte ich die Handynummer, aber auch hier verwies mich die freundliche Stimme der Mobilbox auf einen späteren Zeitpunkt. Ich versuchte anschließend noch die Handynummern ihrer Kinder bis ich ihr schließlich per email – inzwischen leicht abgenervt – verkünden musste, dass ich leider jetzt keine Zeit mehr zum Kaffee trinken hätte.

Betrachten wir es mal ganz nüchtern: In jedem Haushalt sind heute mindestens zwei Telefone, schnurlos und mit Display, dazu kommt mindestens noch ein Handy pro Person, jeweils mit Anrufbeantworter oder Mailbox. Jeder hat mindestens eine email-Adresse – privat und beruflich.

Früher gab es ein Telefon. Das hing an einer Schnur.

Möchte ich jemanden erreichen, habe ich eine Fülle von Auswahlmöglichkeiten. Habe ich ein lang anhaltendes Freizeichen gibt es gleich mehrere Möglichkeiten, erstens es ist wirklich keiner Zuhause, aber dann müsste der AB anspringen, der Gewählte spricht auf der anderen Leitung oder aber er hat meine Nummer gesehen und möchte nicht mit mir kommunizieren.

Klingelt bei mir das Telefon, habe ich auch mehrere Möglichkeiten: Ich sehe die Nummer, freue mich, gehe ran. Ich sehe die Nummer und gehe nicht ran, die Gründe sind variabel. Die Nummer ist unterdrückt, das heißt es ist ein Verkaufsanruf, eine Umfrage oder ein vielleicht ein verflossener Liebhaber.

Auch immer wieder gerne erlebt: Es klingelt, ich renne durchs ganze Haus, verfluche Mann und Kinder und finde kein Telefon.

In meiner Kindheit gab es ein Telefon und eine Nummer pro Familie. War besetzt, wurde auf der Leitung telefoniert, war frei und keiner ging ran, war auch keiner zuhause. Ich wusste, wenn ich die Nummer wähle, lande ich nicht in Spanien oder Venezuela, sondern da, wo das Telefon steht. Und das Telefon hing an einer Schnur und man konnte es nicht verlegen.

Meine Freundin rief mich übrigens kurz darauf zurück und war ganz enttäuscht, dass ich nicht mehr komme, sie saß im Garten und hatte keines der Telefon gehört – über das Wlan hat sie dann zwischendurch auf ihrem „netbook“ ihre email „gecheckt“…

So einfach sind Erklärungen in der digitalen Zeit.

Gabi´s Kolumne: Urlaubserfahrungen

Egal wohin, egal wie lang: Wer in Urlaub fährt, kann hinterher immer etwas erzählen – nicht nur über den eigenen Urlaub, sondern auch über andere Urlauber. Und dann wird es manchmal abenteuerlich, sagt Gabi.

Die wie so oft zu kurzen Sommerferien, weil es hier zu wenig Sommer gab, neigen sich dem Ende zu. Immer mehr Urlaubsheimkehrer trudeln wieder ein und erzählen natürlich jede Menge. So unterhielt ich mich vor einen paar Tagen über die Urlaubsgewohnheiten der verschiedenen Nationen.

„Also, was ich schon gar nicht leiden kann, sind die russischen Urlauber in der Türkei. Die stürmen als erstes ans Buffet, häufen sich die Teller voll und lassen danach alles stehen“, erzählt eine Freundin, die gerade aus einem Cluburlaub in Side zurückgekommen ist.

„Also ganz schlimm habe ich die Engländer erlebt. Auf den Canaren kann man in bestimmte Orte gar nicht mehr gehen: Sobald da Engländer sind, ist es mit dem schönen Urlaub vorbei. Die trinken, ach was, die saufen jeden Abend und hinterlassen alles komplett verdreckt“, weiß eine Bekannte von ihren Urlaubserfahrungen zu berichten.

„Und mich nerven am meisten die Italiener. Wir waren in einer wunderschönen Hotelanlage in Tunesien – aber die Italiener haben richtig gestört, die sind laut, ihre Kinder sind verzogen, ständig klingeln die Handys und die rotten sich richtig gehend zusammen“, da mache der Urlaub ja gar kein Spaß mehr, erzählt eine weitere Bekannte.

Gesten saßen mein Mann und ich mit befreundeten Paaren zusammen, darunter zwei Franzosen aus dem Elsass, die vor einer Woche aus Griechenland heimgekehrt sind. Die französische Freundin erzählte ganz begeistert von einem Dorffest.
Die Besonderheit: Der Bürgermeister hat dabei die Spendierhosen an und alle Festbesucher (Griechen und Nichtgriechen) können sich kostenlos ihre Karaffen mit Wein befüllen und den dann genüsslich auf dem Fest picheln: Weißen, Roten und Retzina gab es. Klar hatten da alle viel Spaß. Peinlich fand sie nur die deutschen Urlauber, die sich es erst auf dem Fest gemütlich machten und dann so viele 1,5 Liter-Flaschen abfüllten, wie sie nur hatten und den Wein mit nach Hause nahmen: „Isch fand das schon ein bischen ordinaire“, rümpfte sie die Nase.

Ich erinnerte mich im selben Moment an ein eigenes Erlebnis vor Jahren: An die Besichtigung einer Käsehöhle in Roquefort, bei der die deutschen Touristen die Käse- und Rotwein“verkostung“ bis auf den letzten Krümel und letzten Tropfen leergeräumt hatten, während eine französische Reisegruppe wirklich nur kostete.

„Abär vielleischt ge´ört das ja zu eure mentalité?“, sagte meine französische Freundin.

Plötzlich schwiegen alle: „Wir sind nicht so“, dachte ich und bestimmt alle anderen am Tisch auch. Aber das waren Deutsche, also welche von „uns“. Wahrscheinlich tut es allen Nationen gut, sich ab und zu den Spiegel von anderen vorhalten zu lassen.

gabi

Gabi´s Kolumne: Sonntag ist Familientag

Schön, dass es die Familie gibt. Sie gibt einem Harmonie, Halt und Hoffnung – manchmal wird aber nur ein Kuchen draus, sagt Gabi. Hier backt zusammen, was zusammengebackt gehört.

„Und, was wollen wir heute Schönes unternehmen?“, versuche ich morgens am Frühstückstisch mit munterer Stimme meine Lieben zu motivieren.

Keine Reaktion. „Wir könnten doch laufen gehen…“. „Oh Gott, bloß nicht wandern“, kommt von meiner Tochter entsetzt. „Ich meinte ja nur auf die Strahlenburg, naja oder um den Anglersee, ich lade euch auch danach zum Eis ein“, sage ich. Die Begeisterung ist ungefähr so groß, als würde am Polarkreis jemand ernsthaft Eiswürfel verkaufen wollen.

„Warum gehen wir nicht bowlen?“, fragt mein Sohn.

Die Sonne scheint und ich sehe mich schon in einem düsteren Bowling-Center.

„Wir sollten etwas draußen machen, warum fahren wir nicht mit dem Fahrrad nach Feudenheim, dort könnten wir auch Eis essen“, meldet sich jetzt immerhin mein Mann zu Wort. „Auf keinen Fall Feudenheim, da kennt man mich“, entgegnet mein pubertierender Sohn, der mindestens „zwei Gründe“ hat, um nicht nach Freudenheim zu wollen – beide sind weiblich.

„Wenn ihr euch nicht entscheiden könnte – ich habe noch genug zu tun“. Mit diesen Worten verzieht sich mein Mann an den Schreibtisch. Was natürlich mein Sohn ebenfalls zum Anlass nimmt sein Zimmer aufzusuchen.

Prima, denke ich, was für ein schöner Sonntag. Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich all die glücklichen Familien, die in wahrer Harmonie das Sonntagsprogramm absolvieren, die gemeinsam wandern, bowlen, Fahrrad fahren… Mir bleibt nur die Beschäftigung mit der Wäsche.

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Eine runde Sache ist so ein Apfelkuchen als Mütter-Beschäftigungsprogramm, meint Gabi.

„Mama, wir könnten doch einen Kuchen backen“, schlägt meine Tochter vor und ich kann mich nicht des Gefühls erwehren, dass es sich dabei um ein Mutter-Beschäftigungs-Programm handelt.

Resigniert und frustriert hole ich Rührschüssel und Mixer hervor, meine Tochter studiert zwischenzeitlich das Backbuch.

„Und wie wollt ihr einen Kuchen backen ohne Eier“, lässt sich mein Mann vernehmen. „Richtig, alter Rechthaber“, denke ich, „die letzten haben wir heute Morgen zum Frühstück verbraten, zu dem Du an den gedeckten Tisch gekommen bist“.

„Zum Bauern?“, fragt mein Mann und grinst. Ich grinse auch. Der Schlawiener hat es geschafft: erst ein bisschen mosern und dann doch großzügig nachgeben ist die Strategie. Ich lass sie ihm und wir vier schwingen uns auf die Räder, fahren über die Felder zum Bauern, holen Eier, backen einen Apfelkuchen und verbringen anschließend mit einem „Grillerchen“ einen schönen Sonntagabend.

Keiner musste bowlen oder wandern, wir sind zusammen mit einem „Ziel“ Fahrrad gefahren und ich war beschäftigt: Ist doch super gelaufen.

Manchmal klappt es ja dann doch noch – und der Kuchen ist sehr lecker geworden.

Gabi´s Kolumne: Matchingpoints


Die wahre Liebe zu finden, war noch nie leicht und wird bestimmt nicht leichter, wenn sie zur Jagd nach dem Highscore wird, sagt Gabi.

Als ein „Date“ noch Verabredung oder vielleicht Rendez-vous hieß, verliebte man sich auf den ersten oder zweiten Blick. Man ging immer wieder in das gleiche Café, auch wenn die Freundin schon längst die Nase voll hatte, hoffte den Auserwählten dort zu treffen und durch Blickkontakt auf sich aufmerksam zu machen.

Das sieht heute ganz anders aus, den Tummelplatz der Gefühle findet man im Internet: Parship und elitepartner versprechen die Liebe fürs Leben mit dem Akademiker und wenn nicht mit dem, dann zumindest auf hohem Niveau.

Und ausschlaggebend sind hierbei die Matchingpunkte und nicht zu verwechseln mit den Matchpoints auf dem Tennisplatz.

herzen

100 Punkte sind ein Volltreffer, aber 80 auch schon sehr, sehr vielversprechend. Oder doch nicht?

Die Matchingpunkte zeigen inwieweit das eigene Profil und die Anforderungen mit dem möglichen Partner übereinstimmen, demnach wären 100 der Volltreffer, aber mit 80 Punkten kann man schon was anfangen.

Das System klingt einleuchtend und in Zeiten, in denen der Job immer mehr Zeit auffrisst, sprich, in der Mann oder Frau mehr Zeit in der Firma als mit Freunden verbringen, scheint es doch eine gute Möglichkeit zu sein, den Mann/die Frau fürs Leben zu finden.

Nach dreijähriger Singlezeit wollte so auch eine junge Freundin von mir das Glück im Netz finden. Noch keine Woche bei einer Partnervermittlung „mit Niveau“ angemeldet, hatte sie schon ihren „Favoriten“ ausgemacht: Zwar nur 70 Matchingpunkte, aber ansonsten alles, was das Herz begehrt, promovierter Mediziner, gut aussehend, interessiert an Reisen und: an ihr.

Man mailte höflichst hin und her, pro Tag zwei Mails, erzählte sich die Alltäglichkeiten, Vorlieben, Wochenenddienste, geplante Reisen …

„Ja und dann“, fragte ich meine Freundin neugierig, „wie ging es dann weiter?“

Seit Wochen passiert nichts. Warum nur?

Nichts, war die niederschmetternde Antwort, nichts passiert seit Wochen, keiner fragt nach der Telefonnummer oder ob man sich mal treffen könnte.

Vielleicht wisse man sich am Telefon auch nichts zu erzählen oder ein Treffen würde in einem Fiasko ändern, wie es kürzlich einer ihrer Freundinnen passiert sei.

Diese habe nämlich ein fünf Jahre altes Bild – sie noch mit langem Haar und gut 15 Kilo leichter – ins Internet gestellt und traf sich dann mit ihrem Auserwählten im Café in Heidelberg.

Mal ganz ehrlich, dass hieraus nicht die Liebe fürs Leben werden konnte, leuchtet ein.

Vielleicht hätte er ihr ja auch den Kurzhaarschnitt und die Kilos zuviel verziehen, aber die Unehrlichkeit ein altes Bild aus „besseren“ Zeiten zu verwenden und dann der fehlende Mut vor dem Treffen zu sagen: „Ich habe mich inzwischen ein bisschen verändert“, hält vielleicht eine virtuelle, aber bestimmt keine tatsächliche Zuneigung aus.

„Aber was hat das denn mit dir zu tun“, frage ich meine Freundin. „Du hast doch eher ab als zu genommen, deine Haare sind noch lang, das Bild ist neu.“ Sie sagt: „Ja, aber weiß ich, ob er ein altes Bild geschickt hat, ob seine Angaben stimmen, ob er von mir enttäuscht ist…?“

„Denk nicht weiter nach, ruf ihn an“, rate ich ihr.

„Nur Mut“, möchte ich ihr weiter sagen, bestimmte Dinge kann man nun mal nicht per Internet klären, man muss sich riechen, fühlen, man muss die Stimme und das Lachen hören.

Denn, und da bin ich mir sicher, hätten mein Mann und ich uns nach Matchingpoints gesucht – wir hätten uns nie kennengelernt.

gabi

Gabi´s Kolumne: Peinlichkeiten


Irgendwann wird alles, was mal gut war, einfach nur peinlich – sagt Gabi. Gelernt hat sie das von ihren Kindern.

Ich weiß noch als es anfing. Ich holte meinen 10jährigen Sohn in Heidelberg vom Hauptbahnhof ab. Er war zum ersten Mal allein mit dem Zug von seiner Oma alleine zurück gefahren.

Ich sah ihn aussteigen und rannte mit offenen Armen auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Ein gezischtes „Mama, bitte nicht in aller Öffentlichkeit“, machte mir schlagartig klar, die Zeit, dass Mütter peinlich sind, hatte begonnen. Vorbei die Zeit, dass man Hand in Hand durch die Straßen läuft, dass man im Eiscafe geküsst und am Badesee umarmt wird.

Ein paar Monate später wollte ich meinen Sohn mit einem Kinobesuch überraschen, mein Mann war geschäftlich unterwegs, die kleine Schwester übernachtete „auswärts“.

„Wir beide gehen heute Abend in „Harry Potter“, verkündete ich ihm freudig. Erst druckste er ein wenig rum, dann erklärte er mir, das ginge nicht, denn mit der Mutter „allein“ ins Kino zu gehen“, wäre absolut uncool, so als hätte man keine Freunde. Wenn mein Mann ihn zu einer Billardrunde auffordert, ist er dagegen ganz begeistert.

Wenn schon peinlich – dann richtig

In den folgenden Jahren, habe ich die Spielregeln gekannt und auch weitgehend akzeptiert, aber nur weitgehend. Als wir mal zusammen einkaufen waren, bestand er darauf, alleine in den angesagten Skaterladen zu gehen, ich sollte vor der Tür warten.

Kurze Zeit später betrat ich das Geschäft und rief meinem Sohn zu: „Bärchen, was hältst du von dem T-Shirt?“. Und ich möchte nicht verhehlen, dass mich die Röte, die sein Gesicht überzog, innerlich sehr freute. Wenn schon peinlich, dann wenigstens richtig.

Nachklapp: Vor Kurzem hatte mein Sohn Abschlussball und nach dem obligatorischen Eltern-Kind-Tanz küsste er mich auf der Tanzfläche und war sehr stolz auf mich und ich auf ihn. Und ich dachte mir, gut, dass Zeiten vorbei gehen.

Jetzt kommt meine Tochter in die Pubertät, noch geht sie mit mir Hand in Hand durch die Straßen, liebt es, mit mir ins Kino zu gehen und Mutter-Tochter-Shoppingtouren sind der Hit, aber als mein Mann kürzlich sagte „und bald gehen wir zusammen in die Disco“, verdrehte sie die Augen.

Gerechtigkeit muss sein.

gabi