Weinheim/Heddesheim/Berlin, 28. November 2011. Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (BĂŒndnis90/Die GrĂŒnen) wirft uns vor, ungerechtfertigt seine „PrivatsphĂ€re“ verletzt und falsche Angaben gemacht zu haben. Bundesweit heiĂt der Vorgang mittlerweile in den Medien „Fischfutter-AffĂ€re“ und meint doch nur ein reichlich absurdes Theater mit tatsĂ€chlich ernsten Folgen.
Von Hardy Prothmann

Ist jemand, der sich mit seiner GeschÀftsvisitenkarte ausweist, privat? Hans-Christian Ströbele sieht sich dann als "privat", wenn ihm das in den Kram passt.
Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hat mich als verantwortlichen Redakteur dieser Internet-Lokalzeitung am Freitag, den 25. November 2011, durch den („berĂŒhmt-berĂŒchtigen“) Rechtsanwalt Johannes Eisenberg abmahnen lassen.
Herr Ströbele hat mit seinem Anwalt einen „Streitwert“ von 10.000 Euro festgelegt, der gleichzeitig die Höhe der „Vertragsstrafe“ bei Wiederholung festlegt. Ich soll mich verpflichten, kĂŒnftig diese Behauptung zu unterlassen:
Bundestagsmitglied Christian Ströbele (GrĂŒne) zeigte 13-jĂ€hrigen Heddesheimer an.
Diese Aussage ist nicht korrekt und ich wiederhole sie auch nicht.
AuĂerdem soll ich Anwaltskosten in Höhe von 775,64 Euro fĂŒr ein zweiseitiges Schreiben zahlen. Herr Ströbele war „gnĂ€dig“. Er hĂ€tte auch 20.000 oder 50.000 oder 100.000 Euro oder eine Million als „Streitwert festlegen“ können – dementsprechend berechnet sich die AnwaltsgebĂŒhr. Herr Ströbele meint, dass 10.000 Euro fĂŒr diesen Satz ein „angemessener Wert“ sind.
Der Anwalt Johannes Eisenberg hat mir gleichzeitig „ausdrĂŒcklich eine jedwede auch nur indirekte publizistische Nutzung verboten“ – sprich: Die Abmahnung sollte diskret behandelt werden. Vermutlich aus GrĂŒnden der „PrivatsphĂ€renwahrung“.
Richtigstellung
Der inkriminierte Artikel selbst wurde nicht inhaltlich abgemahnt. AusschlieĂlich die Ăberschrift. Und diese war tatsĂ€chlich unverschuldet fehlerhaft. Herr Ströbele hat keinen Hinweis auf den Fehler gegeben, sondern nur abgemahnt. Ich habe erneut geprĂŒft, den Fehler identifiziert und korrigiert. Die korrekte Ăberschrift lautet:
Ehefrau von Bundestagsmitglied Christian Ströbele (GrĂŒne) zeigte 13-jĂ€hrigen Heddesheimer an
Ăber meinen Berliner Anwalt Dominic Blim habe ich deshalb am Sonntag eine UnterlassungserklĂ€rung an den Anwalt von Herrn Ströbele ĂŒbermitteln lassen.
Denn ich habe ĂŒberhaupt kein Interesse, eine fehlerhafte Sache zu behaupten. Und ich habe noch weniger Interesse, mich mit dem Privatleben von Herrn Ströbele zu befassen. Ich darf sogar behaupten, dass ich einen gewissen – sicher keinen wohligen – Schauer bei dem Gedanken an das Privatleben des Herrn Ströbele  empfinden wĂŒrde. Auch ohne „UnterlassungserklĂ€rungsabmahnung“ kann ich Herrn Ströbele versichern, dass ich ĂŒberhaupt kein Interesse an seinem Privatleben habe.
Vorsatz: Information der Ăffentlichkeit

Hardy Prothmann: "Journalismus hat nicht die Aufgabe zu gefallen, sondern zu informieren. Punkt."
Als Journalist habe ich einzig und allein ein Interesse, die Ăffentlichkeit zutreffend zu informieren und meine mir grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit auszuĂŒben. Diesem Vorsatz bin ich unter strenger Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht nachgekommen. Ich habe umfangreich recherchiert und nach Einholung aller mir zur VerfĂŒgung stehenden Informationen die „abgemahnte“ Schlagzeile formuliert.
Die Achtung von PrivatsphĂ€ren ist fĂŒr mich nicht nur  eine SelbstverstĂ€ndlichkeit, ganz im Gegenteil bin ich unter Journalistenkollegen als kritischer Mahner bekannt. Denn viel zu oft beschĂ€digen Journalisten durch schlechte Arbeit die gesamte Branche. Einerseits verteidige ich die Informationsfreiheit, andererseits kritisiere ich verfehlte Ăberschreitungen.
Ganz sicher passieren auch mir Fehler. War das ein Fehler? Ich wurde durch eine Informantin Anfang August auf den Vorfall aufmerksam gemacht, danach habe ich umfangreich recherchiert – im Bewusstsein, es mit einem „Prominenten“ zu tun zu haben.
Dann habe ich das „Thema“ liegen gelassen. Vor allem, um Informanten und Zeugen zu schĂŒtzen und um die „Einordnung“ reifen zu lassen. Es gab einen Vorfall, Streit, Stress, eine prominent-politische Persönlichkeit.
Aggressive „Promis“
Als verantwortungsbewusster Journalist weiĂ ich, dass je „prominenter“ eine Person ist, umso mehr Vorsicht angebracht ist. Nicht, weil diese Personen mehr Rechte als „normale Leute“ hĂ€tten – meist haben sie mehr Geld, bessere „Kontakte“ und sind oft sehr aggressiv.
Weil ich verantwortlich arbeite, habe ich den Akteuren Zeit gelassen, sich zu beruhigen. Als ich die Recherche wieder aufgenommen hatte, entsprachen die neuen „Erkenntnisse“ denen, die ich schon recherchiert hatte. Ich holte letztlich eine amtliche Auskunft ein, um die BestĂ€tigung des Vorfalls zu prĂŒfen.
Danach habe ich den Bericht geschrieben und veröffentlicht, der inhaltlich von Herrn Ströbele und seinem Anwalt auch nicht abgemahnt worden ist.
Kalkulierte Abmahnung
Ich habe im Sinne der journalistischen Sorgfaltspflicht Herrn Ströbele telefonisch und per email zu erreichen versucht. Herr Ströbele hat diesen Versuch einer Kontaktaufnahme mittlerweile indirekt ĂŒber einen Zeitungsbericht bestĂ€tigt, und hatte demnach keine „Zeit“ fĂŒr eine Antwort auf meine Nachfrage.
Herr Ströbele hatte aber die Zeit, weil er keine Zeit hatte, seinen Anwalt Eisenberg zu beauftragen, mich abmahnen zu lassen. Keine Zeit also. Weder fĂŒr eine Information, fĂŒr eine „Klar“-Stellung, fĂŒr eine Einigung. Genug Zeit aber, zu kalkulieren, dass ein Auftrag an den Anwalt die „Gegenseite“ schlappe fast 800 Euro kostet. Und zu kalkulieren, dass, wenn das nicht erfolgreich ist, selbst die knapp 800 Euro zu bezahlen.
Herr Ströbele hat auch nicht umgehend gehandelt, obwohl er frĂŒh Kenntnis hatte. Der Artikel erschien am Dienstag. Die Abmahnung kam am Freitagvormittag mit einer 8-Stunden-Frist, um reagieren zu können. Auch eigene RechtsanwĂ€lte sind freitags manchmal frĂŒh im Wochenende. Man könnte vermuten, dass das kalkuliert worden ist. Damit sage ich nicht, dass es das ist, ich sage nur, es könnte so sein.
„Klasse“-Fragen
Ganz ehrlich? „Soviel Zeit“, eben mal 800 Euro zu „riskieren“, möchten wohl viele Menschen gerne mal haben. Es gibt aber sehr viel mehr Menschen, die mit weniger als der HĂ€lfte ihren Lebensunterhalt „bestreiten“ mĂŒssen. Hans-Christian Ströbele gehört garantiert nicht zu dieser „Klasse“.
Freie Journalisten, denen Herr Ströbele ab und an und gerade vergangenen Samstag wieder mit irgendeinem Spruch von „Pressefreiheit“ und so den „RĂŒcken“ stĂ€rkte, neigen manchmal noch dazu, sich wirklich reinzuhĂ€ngen, zu recherchieren, nachzufragen, genau zu berichten.
Ăber die Bezahlung muss man nicht wirklich reden – es sind Hungerlöhne, die die meisten in diesem „Job“ erhalten. Von Herrn Ströbele ist mir kein Zitat bekannt, mit dem er dies, als Förderer der „Pressefreiheit“ mal angemahnt hĂ€tte. Ich kenne ihn seit ein paar Tagen nur als Abmahner mit saftigen GebĂŒhren fĂŒr „Star“-AnwĂ€lte.
Und daraus folgere ich, dass Herr Ströbele sich fĂŒr so etwas in der Art hĂ€lt, also einen Star. Ich meine jetzt nicht den Vogel, sondern eine prominente „Persönlichkeit“ mit einem „Recht auf PrivatsphĂ€re“.
Wann ist wer privat?
Nur seltsam, wenn ein Privatmann sich vor Ort als MdB per Visitenkarte ausweist. Und den beteiligten Personen erst dadurch bewusst wird, mit wem sie es „zu tun haben“.
Es gibt GerĂŒchte, dass das auch Beamte vor Ort „beeindruckt“ hat.
All das sind „kleine Geschichten“ im Umfeld des Themas zur „Fischfutter-AffĂ€re“, die im Umlauf sind. Manchmal werden „kleine Geschichten“ ja auch „groĂe Geschichten“, wie man unzweifelhaft gerade im Zusammenhang mit der Fischfutter-AffĂ€re feststellen konnte.
Ich mache jetzt das, was ich als Reporter immer tue: Ich suche Geschichten, die man aufschreiben muss, weil sie wichtig fĂŒr die öffentliche Meinung sind.
Aktuell recherchiere ich die Angaben einer prominenten Persönlichkeit, deren Wahrheitsgehalt zweifelhaft ist. Das ist harte Arbeit, vor allem, weil jede Fehlinformation durch andere den „eigenen Arsch kosten kann“.
Also gehe ich wie immer sorgfÀltig und systematisch vor.
„GefĂ€llt“ ist kein journalistisches Kriterium
Ich schĂŒtze dabei meine Informanten, halte mich aus PrivatsphĂ€ren raus (hat mir schon sehr oft Geschichten nicht möglich gemacht), gehe aber jedem Hinweis nach.
Und wenn die Story fertig ist, wird sie veröffentlicht.
Ganz egal, ob das jemandem „Prominenten“ gefĂ€llt oder nicht.
Der Unterschied zwischen Herrn Ströbele und anderen „einflussreichen Persönlichkeiten“ ist: Ich nutze Informationen, das Wort und die Meinungsfreiheit.
Andere nutzen Geld, Kontakte und Seilschaften und wenn das nicht taugt, einen „Promi“-Anwalt wie diesen Eisenhut oder wie immer der auch heiĂt.
Butter bei die Fische
Manchmal nutzt allerdings auch jemand seinen Verstand.
Doch das ist selten der Fall.
Trotzdem gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
FĂŒr Journalisten gilt: Butter bei die Fische.
Also zur Sache kommen, Klartext reden, Fakten veröffentlichen.
Herr Ströbele kann sicher sein, dass es Butter an die Fische geben wird.
Link:
Auf Facebook hatsich Hans-Christian Ströbele am Sonntagabend zur Sache geĂ€uĂert.
Spendenaufruf:
Sofern Sie uns unterstĂŒtzen möchten, bitten wir um eine Spende, denn wir rechnen wegen des Rufs von Anwalt Eisenberg mit einem Verfahren und Kosten von bis zu 5.000 Euro in erster Instanz, sofern die Sache vor Gericht geht. Und mit einer Verdoppelung, sollte eine zweite Instanz nötig sein. Wir werden die eingegangenen Spenden ausschlieĂlich fĂŒr die Rechtskosten verwenden.
Wir werden fortlaufend ĂŒber die Höhe der eingegangenen Spenden berichten. Die Namen der Spender behandeln wir anonym, auf Wunsch nennen wir sie auch. Geld, das nicht fĂŒr dieses Verfahren benötigt wird, werden wir dem Verein „Journalisten helfen Journalisten“ spenden, die vor allem Journalisten in Krisenregionen unterstĂŒtzen. Dort wird selten abgemahnt, dafĂŒr vorzugsweise gefoltert und geschossen, um Berichterstatter (mund)tot zu machen.
Bankverbindung: Hardy Prothmann, comdirect Konto:Â 218213700, BLZ:Â 20041133
Den aktualisierten Spendenstand finden Sie im Artikel zur „Fischfutter-AffĂ€re“ Ströbele
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