Dienstag, 30. Mai 2023

Was Jugendschöffen auszeichnet und erwartet

Mit Menschenkenntnis zum Richter werden

Justitia (Maarten van Heemskerck, 1556). Quelle: Wikipedia


Rhein-Neckar, 15. Januar 2013. (red/pm) Deutschland ist derzeit auf der Suche nach Jugendschöffen, die für eine fünfjährige Amtszeit ab 2014 die rechte Hand des Richters sind. Im ersten Halbjahr 2013 werden neue Jugendschöffen gewählt – bewerben kann man sich bereits jetzt bei den Kommunen des Rhein-Neckar-Kreises.

Von Alina Eisenhardt

Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil…

Dieser Satz ertönt in deutschen Gerichtshöfen, wenn ein Angeklagter sein Urteil erhält. Das Urteil wird nicht allein vom Richter gefällt. An seiner Seite stehen Schöffen, die ihm im Namen der Gerechtigkeit helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.

Schöffen sind laut Duden ehrenamtlich eingesetzte Laien, die zusammen mit dem Richter die Tat des Angeklagten beurteilen und das Maß der Strafe festlegen. “Diese Laienrichter gibt es schon seit Jahrhunderten.”, sagt Robert Gunderlach, Vorsitzender der Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen des Landesverbandes Baden-Württemberg e.V. Er selbst war im Landesgericht Stuttgart von 2000 – 2008 Schöffe.

Jugendschöffen sind spezialisierte Schöffen an einem Jugendgericht. Doch warum braucht man Jugendschöffen, wenn es bereits einen Berufsrichter gibt? Die Aufgabe eines Jugendschöffen ist es, anhand seiner Lebenserfahrung rechtliche Zusammenhänge erkennen und bewerten zu können. Ein Richter hat zwei Schöffen, die gleichberechtigte Stimmen haben. Das Richterteam (1 Berufsrichter, 2 Schöffen) zieht sich am Schluss der Hauptverhandlung zur Beratung zurück. Um ein Urteil auszusprechen ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

TÜV-Siegel in Pädagogik

Neben den allgemeinen Voraussetzungen wie Selbstbewusstsein und Unparteilichkeit muss ein Schöffe einen Menschen in seinem sozialen Umfeld beurteilen können. Ein hohes Maß an sozialer Kompetenz ist erforderlich. Um die erforderliche Lebenserfahrung und Menschenkenntnis aufbringen zu können, muss ein Schöffe zwischen 25 und 69 Jahre alt sein, wenn er sich für das Ehrenamt bewirbt.

Jugendschöffen sollten darüber hinaus Erfahrung in der Pädagogik aufweisen.

Dabei reicht es nicht, Kinder zu haben. Sie sollten in der Jugenderziehung über eine professionell Erfahrung verfügen, wie zum Beispiel Sozialarbeiter und Lehrer sie besitzen. Man braucht sozusagen ein TÜV-Siegel in Pädagogik,

sagt Robert Gunderlach.

“Man muss definitiv in sich gefestigt sein…”

Wer Interesse hat als Jugendschöffe zu arbeiten, der schickt seine Bewerbung an das zuständige Bürgermeisteramt. Diese leiten die Bewerbung dann an das Jugendamt weiter. Der Jugendhilfeausschuss des Rhein-Neckar-Kreises schlägt dabei beim Amtsgericht mindestens doppelt so viele Kandidaten vor, wie an Schöffen benötigt werden.

Probleme mit der Zahl der Bewerber gibt es dabei selten. “Die Zahl der Bewerber ist konstant. Viele Jugendschöffen bewerben sich auch für eine zweite Periode. Erst dann müssen sie für eine Periode aussetzen.”, erklärt Robert Gunderlach.

Das Ehrenamt kann sehr belastend sein:

Es kommt zwar auch auf den Fall und die Persönlichkeit an, aber man muss definitiv in sich gefestigt sein,

so Herr Gunderlach. Immerhin müsse man auch in schwierigen Fällen, wie einer Vergewaltigung ohne Zeugen, beurteilen können, ob der Vorfall tatsächlich so geschehen ist. Ihn selbst hätten viele Wirtschaftsstrafsachen, die tief in das Leben der Menschen blicken ließen, sehr bewegt.

Mit Menschenkenntnis zum Urteil

Als Schöffe bekommt man in der Regel 12 Gerichtstermine pro Jahr zugeteilt. In fünf Jahren sind das 60 Termine. Diese können nur einige Stunden dauern, aber auch Wochen oder gar Monate.

Wenn man eine Gerichtsverhandlung hat, weiß man erst nicht, worum es geht. Erst vor der Verhandlung klärt der Richter den Jugendschöffen in einer Kurzform über den Fall auf. Vor Gericht erfährt man dann genau, worum es geht. “Als Jugendschöffe soll man unvoreingenommen bleiben. Man soll keine Zeit haben, sich auf einen Fall vorzubereiten, sondern seine Alltagserfahrung und seine Menschenkenntnis nutzen. Immerhin ist man kein ausgebildeter Berufsrichter”, erklärt Robert Gunderlach.

Die Verantwortung, die man als Jugendschöffe eingeht, ist sehr hoch. Man kann im Krankheitsfall nicht einfach aussetzen, oder zurücktreten, wenn man keine Lust mehr hat. In der Regel kann nur ein Umzug zu einer Entlassung aus dem Amt führen. Möchte man das Schöffenamt tatsächlich niederlegen, entscheidet das Gericht, ob die Gründe ausreichend sind. Doch in der Regel passiert das nicht. “Immerhin treibt die Bewerber in der Regel ein gewisser Gerechtigkeitssinn an. Sie wollen sichergehen, dass es in den Fällen gerecht zugeht, das sie ein Teil dieser Gerechtigkeit sein können”, so Gunderlach.

Mariettas Kolumne

Von kleinen Zielen und großer Erschöpfung

//

Guten Tag!

Rhein-Neckar, 28. Februar 2011. Marietta hat sich für’s Neue Jahr vorgenommen, sich kleinere Zielen zu stecken und vor allem Gelassenheit zu üben. Das wurde auf eine harte Probe gestellt.

Von Marietta Herzberger

Das Neue Jahr ist ja schon einige Zeit alt und ich habe Gabis Ratschlag, sich kleine Ziele zu setzen, bis jetzt erfolgreich umgesetzt.

Und siehe da: Es funktioniert. Ein kleines Ziel seit diesem Jahr ist für mich: Gelassenheit üben. Nur nicht über Nichtigkeiten aufregen. Ein weiteres ist, große Ziele in viele kleine aufzuteilen.

Der Weg ist das Ziel.

Früher sagte ich mir: „Marietta, wenn du die zehn Kilometer nicht in 6 Minuten 30 pro Kilometer läufst, bist du ein Loser. Das muss drin sein.“ Das Resultat war ständige Frustration.

Heute laufe ich entspannt zwei bis dreimal fünf Kilometer die Woche oder auch nur einmal drei Kilometer oder gar nicht – wie gesagt – kleine Ziele. Dabei fühle ich mich gut. Gerade letzte Woche haben mich zwei übergewichtige Walker überholt. Egal. Der Weg ist das Ziel und falscher Ehrgeiz die Bremse dahin. Der Berg ist hoch.

Unlängst absolvierte ich meine gemütliche Runde im „Own-Zone-Bereich“, da lachte mich bei Kilometer Fünf eine aparte Grünfläche mit zwei Parkbänken an. Ach, dachte ich, da findest du jetzt einen Moment zu dir selbst, und ließ mich auf einer der beiden Bänke nieder.

Die Schaukel, das Klettergerüst und die Wippe störten mich nicht. Auch nicht die beiden kleinen, gar niedlich anzusehenden Kinder, welche friedlich nebeneinander im Sandkasten spielten. Vier Jahre alt mochten sie sein, vielleicht auch fünf.

Ein Mädchen, blond gelockt wie ein Engel. Ein Junge, frecher Haarschnitt, kecke Nase, blaue Latzhose und rotes Halstuch. Niedlich! Sie häuften Sand auf, gruben Löcher, häuften Sand auf und gruben Löcher. Hach, Kinder! Meine Tochter ist schon so groß.

Das Leben ist einfach und schön.

Ihre Mütter saßen auf der anderen Parkbank nebeneinander, still und im Anblick auf ihre Nachkommenschaft vertieft. Die blonde, dauergewellte, etwas fülligere Dame gehörte dem Äußeren nach wohl zu dem kleinen Engelchen.

Die rothaarige Mittdreißigerin wahrscheinlich zu dem Jungen. Soweit ich erkennen konnte, hatte sie die Augen geschlossen. Wahrscheinlich war sie vor lauter Entspannung eingenickt. Das Leben ist einfach und schön.

Es war ein Idyll der Ruhe und Entspannung. Genau das brauchte ich jetzt. Der Lauf hatte mich doch etwas erschöpft. Die Sonne kam heraus. Ich schloss meine Augen und döste gelöst vor mich hin.

„Meine Schaufel, du Loch!“ Ich öffnete ein Auge.

„Nein, die rote ist doch meine. Dir ist die gelbe“, sagte der kleine Junge kleinlaut und zeigte auf eine gelbe Schaufel, die einsam im Sand lag.

„Piss dich, du Arsch!“

Ich öffnete das andere Auge. Kamen diese unflätigen Worte von dem putzigen Mädchen?

Blauäugig, blondgelockt und rosige Bäckchen? Mein Blick erhaschte Unfassbares. Die kleine Süße hatte sich in eine Furie verwandelt.

Hasserfüllt schaute sie den Jungen an; die blonde Mähne hing ihr wirr ins vor Wut gerötete Gesicht, während sie fleißig dabei war, ihrem Gegenspieler etwas Rotes aus den Händen zu reißen.

Mit Erfolg. Doch damit war dem noch kein Ende gesetzt. Das Herzchen begann, wild mit der Schaufel auf den Jungen einzudreschen. Der wiederum versuchte erfolglos, sich zu wehren.

Ich lass mich nicht aus der Ruhe bringen.

Wie gesagt, ich war sehr erschöpft und übte mich in Gelassenheit. Kinder, dachte ich.

Jaja, die Mama wird das schon regeln und helfend einspringen.

Ich beschloss, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und senkte meine Lider wieder hinab.

„Naomi“, ertönte es donnerschlaglaut von nebenan, „lass den verdammten Balg in Ruh´.“

Mein Idyll verabschiedete sich und ging schon mal heim.

Die kleine Blonde hatte jedoch nicht die Absicht, aufzuhören. Nun folgte eine etwas massivere, gar dröhnende Aufforderung: „Naomi Schwöbel, här soford uff oder isch knall dir äni!“

Erziehung wird hier über Zuruf geregelt.

Offenbar regelt man hier die Erziehung über Zuruf. Die Dame dachte nämlich nicht daran, aufzustehen, lehnte sich zurück und zündete sich erst einmal eine Zigarette an.

In diesem Moment wachte wohl ihre Banknachbarin auf, erkannte die prekäre Situation sofort und eilte zu ihrem Sohn.

Löckchen hieb immer noch auf den Kleinen ein und schrie dabei wiederholt: „Meine Schaufel. Meine Schaufel.“

Die Mutter des Jungen nahm dem kleinen Biest die Schaufel weg und zog ihren Sohn aus der Gefahrenzone. Während sie ihrem Sprössling den Sand aus dem Mund pulte, wandte sie sich halb zu Mutter Schwöbel um und sagte folgende Worte: „Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn mein Lars-Olaf weiterhin mit ihrer Tochter spielt.“

Wie gesagt, ich war sehr erschöpft. Zu erschöpft, um mich zu erheben. Vielleicht aber auch zu neugierig, um zu gehen. Es versprach, interessant zu werden.

Mama Schwöbel wurde verdächtig rot im Gesicht und stürzte sich gleich darauf mit Kriegsgeheul auf Lars-Olafs Erziehungsberechtigte. Diese ließ überrumpelt die Schaufel fallen und von ihrem Kind ab. Die kleine blonde Bratze saß im Sand und schrie nach ihrer roten Schaufel.

Das war ein Gewusel und Gemenge vor dem Herrn. Irgendwann hatte Engelchen die rote Schaufel wieder und Lars-Olaf saß gefesselt und geknebelt auf der Wippe. Die alte Schwöbel kniete auf der Rothaarigen und war gerade dabei, deren Aufbegehren mit Sand zu ersticken. Sie nahm dazu die gelbe Schaufel. Die rote hatte ja ihre Tochter.

Nun, ich war immer noch sehr erschöpft. Voller Vertrauen auf die Vernunft und Weitsicht erwachsener Menschen, atmete ich tief durch. Der Berg ist hoch. Übe Gelassenheit.

Jemand musste wohl die Polizei gerufen haben. Ich hörte das typische Sirenengeheul. Aber da war ich schon längst zu Hause.

Marietta Herzberger.

Anmerkung der Redaktion: Marietta Herzberger lebt in Weinheim und schreibt in ihren Kolumnen über den ganz normalen Wahnsinn des Alltags. Erfundene Geschichten, in denen doch das eine oder andere wahr ist. Die Personen gibt es meistens, manchmal nicht. Mal ist es, wie beschrieben, mal gnadenlos überzogen. Es sind keine „journalistischen“ Texte mit dem Anspruch auf Faktentreue, sondern Lesetext mit dem Ziel, Lesefreude zu verbreiten. Sie hat jede Menge Weisheiten gerne, zwei sind: „Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen“ – Konrad Adenauer. Und: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“ – Bertolt Brecht. Wir begrüßen sie herzlich und freuen uns auf die Zusammenarbeit. Wir wünschen unseren Lesern viel Lesespaß mit ihren Texten!

Gabis Kolumne

„Ich werde das Kind schon schaukeln“

//

Guten Tag!

Heddesheim, 13. Dezember 2010. Pubertierende Kinder sind anstrengend, aber lange nicht so betreuungsintensiv wie Kleinkinder, musste Gabi noch einmal hautnah erfahren.

Die Windelzeit haben meine Freundinnen und ich ja Gott sei dank hinter uns gelassen – was natürlich nicht heißt, dass das Leben mit pubertierenden Kindern einfacher ist, aber es ist zumindest weniger betreuungsintensiv.

kind

Spielen macht Spaß!

Das wurde mir vor kurzem mal wieder bewusst, als mich eine Freundin – die sehr spät ihr erstes Kind bekommen hatte – bat, einen Nachmittag auf ihren goldgelockten einjährigen Sonnenschein aufzupassen.

Das müsste doch ein leichtes Spiel sein

„Klar“, sagte ich, „kein Problem“. Denn immerhin hatte ich ja zwei Kinder schon fast groß gezogen und mit einem Kleinkind dürfte das doch ein leichtes Spiel sein.

Kurz nach der Mittagszeit brachte sie mir also ihr Herzblatt vorbei, bepackt – o je, das hatte ich schon verdrängt – mit einer großen Tasche mit Windelutensilien, Flasche, Gläschen, Schnuller, Lieblingsschmusetier und Duplo-Steinen.

„So in einer Stunde kannst du ihm das Gläschen warm machen, anschließend müsste er müde werden und dann schläft er bestimmt zwei Stunden. Du kannst ihn dann auf die Spieldecke mit seinen Duplo-Steinen setzen und er beschäftigt sich ganz alleine. So gegen 19 Uhr gibst du ihm das Fläschchen, aber da müsste ich schon wieder zurück sein. Und frisch machen solltest du ihn, bevor du ihn hinlegst. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen, aber ich bin jederzeit auf dem Handy erreichbar“, erklärte mir meine Freundin, lächelte, drückte einen Schmatz auf das Goldköpfchen und überreichte mir ihren Sohn.

Bis zu diesem Augenblick hatte mich der kleine Wonneproppen noch freudig angestrahlt, als ihm aber bewusst wurde, dass seine Mutter im Begriff war ihn bei der „bösen“ Tante zurück zu lassen, verfinsterte sich seine Miene und binnen Sekunden brach ein fürchterliches Geschrei los.

„Geh’ nur, das bekomme ich schon hin“, meinte ich tapfer, nahm den strampelnden Einjährigen auf den Arm und zwinkerte meiner Freundin beruhigend zu. „Ich werde das Kind schon schaukeln“, versuchte ich sie zu beruhigen. Etwas unschlüssig schaute sie auf ihren schreienden Sohn und verließ dann mein Haus.

Nichts läuft nach Plan

Ich brauche Ihnen jetzt nicht zu erzählen, dass alles nicht nach dem Plan lief, den meine Freundin mir so freudig mitgeteilt hatte. Nachdem ich unzählige und vergebliche Versuche unternommen hatte, das schreiende Kind mit pädagogischen Maßnahmen zu beruhigen, kam mein Sohn mit einer Tüte Gummibärchen um die Ecke und fragte: „Kann man das Geschrei denn irgendwie abstellen?“. In dem Moment huschte ein Lächeln über das tränenüberströmte Gesicht des kleinen Goldschatzes und er quiekte „haben“ und deutete unmissverständlich auf die Haribo-Tüte. In meiner Verzweiflung hielt ich ihm ein rotes Bärchen hin, der Kleine strahlte, steckte das Fruchtgummi in seinen Mund und intonierte laut und verständlich „mehr“.

Nachdem er genüsslich die halbe Tüte verspeist hatte, schritt ich ein und nahm ihm die Tüte weg. Ich breitete die Spieldecke auf dem Boden aus, legte die Duplo-Steine vor ihn und ging in die Küche um das Gläschen zu wärmen. Keine zwei Minuten später hörte ich ohrenbetäubendes Geschepper. Wie langweilig waren doch seine Spielsachen im Vergleich zu dem CD-Regal, dessen Inhalt er mit einem Schwung auf den Boden befördert hatte. Goldschatz strahlte.

Okay, rief ich mir ins Gedächtnis, Kinder im Krabbelalter darf man nicht unbeaufsichtigt lassen. Ich schnappte mir den Kleinen und setzte ihn in der Küche vor eine Schublade mit Tupperware. Glücklich räumte er die Plastikdosen und Deckel aus und ich hatte Zeit, um festzustellen, dass der Inhalt des Gläschens eindeutig zu heiß war. Also, ab ins kalte Wasserbad.

Er hatte viel Spaß – ich weniger

Es wird Sie sicherlich nicht wundern, dass die Hälfte des Gläschens auf meinem Pulli und im Gesicht meines Goldköpfchens landete, zumindest hatte er viel Spaß dabei – ich weniger.

„So, mein Schatz, jetzt geht’s ab ins Bettchen“, erklärte ich meinem Herzchen, holte den Kuschelhasen und legte beide in mein Ehebett, natürlich nicht ohne zuvor dicke Decken an den Seiten aufzubauen, damit er nicht herausfallen konnte.

Kaum hatte ich ihn abgelegt, stieg ein eindeutiger Geruch in meine Nase. Mist, dachte ich, ich habe ganz vergessen, dass ich ihn noch wickeln muss. Ich rannte ins Wohnzimmer holte die Wickeltasche. Die Zeit hatte der kleine Schatz genutzt, quer über das Bett zu robben und die Bücher vom Nachttisch zu fegen. „Okay, okay, mein Fehler“, sagte ich und immerhin das Wickeln ging mir doch noch ganz gut von der Hand.

„So, mein Schatz, jetzt wird aber geschlafen“, gurrte ich freundlich. Goldköpfchen war aber ganz anderer Meinung, er setzte sich auf und deutete zur Tür. „Mama“, kam es weinerlich von seinen Lippen. „Die Mama kommt gleich wieder, du musst jetzt ein bisschen schlafen und dann ist deine Mama wieder da“, versuchte ich ihm zu erklären. Zu spät schon quollen dicke Tränen aus seinen blauen Augen und er schniefte herzerweichend. Also fuhr ich das volle Programm, sang Schlaflieder, legte mich zu ihm, streichelte sein Köpfchen – alles vergeblich, Goldschatz wollte nicht schlafen.

„Okay, dann gehen wir spielen“

„Okay, okay, dann gehen wir eben spielen“, gab ich auf, schnappte mir den Kleinen, der sofort wieder anfing zu strahlen und begab mich mit ihm ins Wohnzimmer. Wir ließen uns gemeinsam auf der Spieldecke nieder und ich begann mit Begeisterung die Bausteine aufeinander zu stapeln. Gelangweilt schaute mich der Kleine an und setzte sich in Bewegung Richtung Treppe. Mit „nein, Schätzchen, das ist keine gute Idee“, holte ich ihn von seiner Erkundungstour zurück, was eindeutig und laustark sein Missfallen erregte.

Verzweifelt schaute ich zur Uhr. Noch mindestens zwei Stunden würde es dauern, bis meine Freundin zurückkehren würde, das kann ja noch heiter werden.

In dem Moment hörte ich meine Tochter von der Schule nach Hause kommen. „Prima, Schatz, dass du da bist. Schau’ mal, wen wir zu Besuch haben. Magst du nicht ein wenig mit dem Kleinen spielen?“, empfing ich sie freudig. „Okay, ich nehme ihn eine halbe Stunde mit in mein Zimmer, da kann er die Kiste mit meinen alten Kuscheltieren ausräumen“, bot sie zu meiner Erleichterung an.

Alles überhaupt kein Problem

30 Minuten hatte ich Zeit, um das Chaos, was sich inzwischen ausgebreitet hatte, wieder einigermaßen zu beseitigen, in Ruhe eine Tasse Kaffee zu trinken und mich an das vertraute Gefühl zu erinnern, wie es war, als meine Kinder noch klein waren und ich jede Sekunde Auszeit genossen hatte.

Als meine Freundin pünktlich von ihrem Termin zurückkehrte, um ihren Sohn abzuholen, saß Goldlöckchen brav auf seiner Krabbeldecke, spielte mit seinen Duplo-Steinen und strahlte seine Mutter an.

„Hat alles gut geklappt?“, wollte sie wissen. „Klar“, sagte ich, „alles überhaupt kein Problem“, und dachte, Gott bin ich froh, dass meine Kinder schon so groß sind.

gabi

Gabis Kolumne

Nur eine „Klamottenfrage“ oder doch viel mehr?

Guten Tag

Heddesheim, 4. Oktober 2010. Unsere Kolumnistin Gabi fragt sich, wie Kinder sich heutzutage abgrenzen, wenn Eltern oft die gleichen Klamotten tragen und die gleiche Musik hören.

„Hot ma des awwl so?“, fragte mich meine Großtante – (ich weiß weder wie man das schreibt und kann es auch nicht wörtlich übersetzen, wusste aber sinngemäß, was sie meinte) – als ich ein Teenager war und mich kleidete, wie es gerade angesagt war.

Sie sagte nie, wie schrecklich meine Henna gefärbten Haare zu dem übergroßen grünen Pullover, den ich heimlich aus der Altkleidersammlung meines Vaters rausgezogen hatte, aussah. Ganz im Gegenteil, als ich ihr meine neuen geschnürten Stiefel zeigte, schlurfte sie in ihre Kammer und brachte mir schwarze Altdamen-Stiefetten herbei und meinte, die würden mir sicherlich passen.

Was junge Mädchen heutzutage tragen

Ihr Verhalten beruhte nicht auf großer modischer Toleranz, nein eher auf Verwunderung, „was die junge Mädchen heutzutage tragen“.

Das war bei meinem Vater ganz anders. Die täglichen Diskussionen über meine unordentlichen Haare am Abendbrottisch, sind mir noch gut – und in keiner guten – Erinnerung. Er flippte regelrecht aus, als er sah, dass ich mir ein zweites Ohrloch hatte stechen lassen, auch wenn ich das wochenlang unter meinen „unordentlichen Haaren“ verbergen konnte.

Die alte Lederjacke, ein Erbstück von meinem Großvater, mein ganzer Stolz, verursachte bei ihm einen Wutausbruch: „Mit so was gehst du nicht in die Schule“, erklärte er keine Diskussion zulassend.

Mein erster Freund hatte lange Haare, ein absolutes „No-Go“. „Einen Langhaarigen brauchst du nicht mit nach Hause zu bringen“, lautete seine klare Anweisung.

Wie Sie es sich sicher denken können, ich trug die Lederjacke weiterhin und blieb mit meinem Freund über ein Jahr zusammen, aber ich tat jetzt alles so, dass er weder das eine noch das andere mitbekam.

Heute bin ich mir sicher, dass er um Beides wusste, aber sich so leichter vormachen konnte, dass ich mich an seine Gebote und Verbote hielt.

Sind wir eine tolerante Generation?

Meine Kinder sind jetzt im Teenageralter. Und wir gehören wahrscheinlich zu der Generation, die sich selbst für die toleranteste hält.

Tragen wir doch die gleichen Jeans und Tops wie unsere Kinder. Schon jetzt holt sich meine 12jährige Tochter Klamotten aus meinem Kleiderschrank und auch ich habe mir hin und wieder einen Schal oder Modeschmuck von ihr ausgeliehen.

Mein Sohn trug seine Haare eine Zeit lang recht lang und ich war richtig enttäuscht, als er sie abschneiden ließ.

Dennoch gibt es bei uns natürlich Diskussionen über Stylingfragen. So ist die Größe der Ohrringe, die Farbe und Länge der Nägel unserer Tochter eine ständige Streitfrage. Kreolen, die bis zur Schulter reichen und knallroter Nagellack sind absolut tabu. Und da achtet vor allem mein Mann drauf.

Ich dagegen rege mich über zu lange Jeans, deren Hosenbeine durch das Schleifen auf dem Boden ausfranzen besonders auf. Vor allem, wenn mein Sohn mir erklärt: „Das muss so sein“. Aber alles in allem laufen zumindest diese Diskussionen bei uns ziemlich „gechillt“ ab.

Beliebt bei Teenie-Eltern ist auch die Frage, um das wann und ob von Tatoos oder Piercings. Als sich vor einem Jahr die Tochter einer Freundin eine Blume am Knöchel tätowieren ließ, verkündete ich, „das würde ich nie erlauben“. „Hast du dir schon mal überlegt, wie sich unsere Kinder von uns abgrenzen sollen“, entgegnete meine Freundin. „Meine Mutter war noch gekleidet wie eine Mutter und nicht wie die ältere Schwester, an ihren Kleiderschrank wäre ich nie gegangen. Wir dagegen tragen die gleichen Klamotten und hören die gleiche Musik.“

Das gab mir zu denken und als ich kürzlich mit meiner Tochter bummeln war und eine diesen Herbst angesagte „Jeggings“ in der Hand hielt, schüttelte meine Tochter nur den Kopf und meinte: „Mama, dafür bist du dann doch etwas zu alt.“

Da legte ich das Kleidungsstück schnell ins Regal zurück.

gabi

Gabis Kolumne

Topmodels? Ohne mich!

//

 

Guten Tag!

Heddesheim, 08. März 2010. Was bewegt Deutschland? Neben der Kopfpauschale und Hartz IV auch das, wovon viele träumen: Ein Topmodel zu sein, meint Gabi und sagt wie immer montags, was sie davon hält.

Vergangene Woche ging es wieder los und wird uns siebzehn Wochen lang, jeden Donnerstag Abend, verfolgen: Germany’s Next Topmodel (GNTM). Es ist die 5. Staffel, die unsere Heidi aus dem Rheinland, die Supermutti, Deutschlands Exportschlager und Everybody’s Darling auf Pro7 moderiert. Und ich frage mich wie Millionen anderer Frauen: Soll ich mir das antun?

2000 Mädchen haben sich vergangene Woche in Köln einen Platz beim Massencasting erstürmt.

topmodel-1

Die fünfte Staffel. © ProSieben/Oliver S.

Und während deutsche Frauenzeitschriften wie Brigitte, sich von den Models und dem Magerwahn abwenden, plant Heid Klum noch dünnere Mädchen auszuwählen, noch dramatischere Shootings und noch härtere Castings zu zeigen.

An ihrer Seite in der Jury sitzen jetzt auch nicht mehr Peyman Amin – der wollte mit seiner Model-WG seine eigene TV-Karriere anschieben – und Rolf Schneider, sondern Fotograf Christian Schuller und „Q“ alias Qualid Ladraa.

Bunte“Hunde“.

Heidi stellt „Q“ als „bunten Hund der Modewelt“ vor und von sich selbst behauptet der „schöne“ Deutsch-Marokkaner, aus 20 Kilometer Entfernung das Potential eines möglichen Models entdecken zu können.

Brauchen wir so eine Sendung, frage ich mich? Möchte ich, dass meine 11-jährige Tochter hier ihre Vorbilder findet? Eine Welt, in der die Fähigkeit auf 15-Zentimeter-High-Heels über den Catwalk zu laufen, das Maß aller Dinge ist?

Ich muss gestehen, dass ich bei den vergangenen beiden Staffeln ziemlich häufig reingeschaltet habe und, natürlich auch meine Favoritinnen hatte. Während mein Mann und mein Sohn schreiend das Wohnzimmer verließen, haben meine Tochter und ich zuweilen mitgefiebert.

Denn es gab und gibt ja auch viel zu sehen:

Wen trifft diesmal die Kritik am härtesten? Wer bricht in Tränen aus? Und bei wem entdeckt Heidi Persönlichkeits- und Entwicklungspotenzial?

Ist es nicht einfach zu spannend?

Die einzelnen Shootings sind ja auch zu spannend: Wer traut sich mit Kakerlaken, Krokodilen, Vogelspinnen oder Schlangen zu posieren? Wer schafft es in die Tiefe? In den Windkanal? In höchste Höhen? In die Eiskammer? Oder stundenlang in den kalten New Yorker Regen? Und so ähnelt das alles schon eher einem Survival-Traing als einer Casting-Show.

Ebenso spannend ist das Drama zwischen den Kandidatinnen: Da wird gemobbt und gezickt, was das Zeug hält. Regelmäßige Nervenzusammenbrüche sind hier an der Tagesordnung.

Mittendrin gibt Heidi mal die Psychologin, mal die Mutti, aber natürlich auch die knallharte Mode-Business-Frau, die dann schon mal sagt „Wer was erreichen will, muss da durch, wenn du das … nicht kannst, kannst du gleich nach Hause gehen.“

Heidi piepst was von „Persönlichkeit“.

Mit ihrer Piepsstimme verkündet Frau Klum, die ja inzwischen Frau Samuel heißt, dass sie bei den Mädchen die Persönlichkeit, das gewisse Etwas sehen und finden möchte. Natürlich gepaart mit den Modelmaßen 90-60-90 und mindestens 1,75 Meter Größe.

Und so startete die 5. Staffel vergangenen Donnerstag mit dem ersten groben Aussortieren. Und wieder achteten Heidi und ihre Juroren auf eine Dramen versprechende Mischung in ihrer Auswahl der Kandidatinnen:

Die schüchterne 16-jährige mit der Zahnspange, eine aufgedonnerte Miss-Russland, die laut dem Fotografen Christian Schuller, einem Frauenbild nacheifert, das in unserer westlichen Welt nicht mehr existiert.

Eine große Hübsche mit einem abstehenden Ohr namens „Freddy“ – und halt, haben wir nicht irgendwann auch mal in den Medien gelesen, dass Heidi ihren Brüsten Namen gegeben hat, aber das nur am Rande – , zwei Dunkelhäutige und zwei Mädchen aus Bayern und Österreich, die sich beim Casting kennengelernt haben und sich jetzt schon „so lieb“ haben.

Endlose Längen bis zum „Erfolg“ – für wen?

Eine erzählt der fassungslosen Jury, dass ihr Freund sie nach drei Jahren verließ, weil sie sich bei GNTM bewarb und bei einer anderen musste während der Sendung ein Oberlippen-Piercing mit der Zange entfernt werden.

Die Ausgewählten mussten die erste Nacht auf Feldbetten in einem Lager verbringen, denn der Weg zur Model-Villa ist steinig und schwer, wie ihnen von der Jury immer wieder bewusst gemacht wird.

Und ich denke, diesmal werde ich diesen Weg nicht begleiten. Ich möchte keine weiteren Dramen und Mutproben mehr sehen und ich möchte keine nerviges und menschenunwürdiges Niedermachen und Rausschmeißen mehr ertragen, was andauernd durch Werbeblöcke endlos in die Länge gezogen wird.

Und vor allem möchte ich nicht, dass meiner Tochter diese unrealistischen Werte als richtig und wichtig für ihr Leben vermittelt werden.

Heidi „go your way“, aber ohne mich – zumindest nicht regelmäßig.

gabi