
Joachim Gauck soll der 11. BundesprĂ€sident werden. Es gibt Kritik an ihm, aber auch Hoffnung. Jeder entscheidet sich selbst ĂŒber seine Meinung aufgrund von Informationen. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia
Rhein-Neckar, 23. Februar 2012. (red) Neben der Debatte um Wulff und Gauck wird auch eine ĂŒber die Rolle der Medien gefĂŒhrt. Wie viel Macht haben sie? Wie viel Moral? Was dĂŒrfen Medien, was nicht? Diese Fragen und das Suchen von Antworten begleiten die Debatte um „den“ BundesprĂ€sidenten und das ist gut so. Medien sollen kontrollieren und meinungsfördernd sein – aber sie mĂŒssen auch kontrolliert werden: Man darf sich durch sie eine Meinung bilden und eine Meinung zu ihnen haben.
Von Hardy Prothmann
Was rauschte der BlĂ€tterwalt, was wurde nicht alles gepostet – zu Wulff und Gauck? Zum zurĂŒckgetretenen 10. und zum designierten 11. BundesprĂ€sidenten.
Und parallel zum unwĂŒrdigen Verhalten des VorteilsprĂ€sidenten Wulff wurde das Verhalten der Medien diskutiert. Gut oder schlecht? MĂ€chtig oder ĂŒberschĂ€tzt?
Und mit der Entscheidung fĂŒr Gauck kam der angebliche „shitstorm“ in den sozialen Netzwerken, falsche oder verfĂ€lschte Quellen und Zitate bei elektronischen Medien. Behaupten vor allem „traditionelle“ Medien.
Kritik vs. Kritik
Kritik folgte auf Kritik. Aber nicht vorurteilsfrei, sondern verurteilungsfreudig. Meinungsmache vs. „Meinung haben“. Standpunkt vs. Polemik – je nachdem, aus welcher Perspektive man die Debatten ĂŒber den zurĂŒckgetretenen und vermutlich kĂŒnftigen BundesprĂ€sidenten eben hat, haben kann, haben will.

Hardy Prothmann, verantwortlich fĂŒr dieses Blog, tritt fĂŒr subjektiv-objektiven Journalismus ein: Seine Meinung auf Basis von Fakten finden und Ă€uĂern.
Diese Debatten sind sehr erstaunlich: WĂ€hrend viele BĂŒrger die Macht der Meinungsmacher, also der (traditionellen) Medien thematisieren, thematisieren (traditionelle) Medien die ĂuĂerungen von BĂŒrgerinnen und BĂŒrgern als unzulĂ€ssig, unprofessionell und als „shitstorm“.
Und „schuld“ daran ist dieses Internet: Ein Medium ohne zentrale Struktur, ohne Redaktionsschluss, ohne Redaktionslinie, ohne Seilschaften, ohne Parteibuch, ohne jede AbhĂ€ngigkeit, bis auf die, ob man einen Online-Zugang hat oder nicht.
Informationsfreiheit
Ohne auf Einzelheiten zu Wulff oder Gauck eingehen zu wollen: Jeder hat die Möglichkeit, sich ungehindert ĂŒber das Internet zu informieren und zu kommentieren. Jeder hat die Möglichkeit, eine Information, die er hier findet, mit anderen Informationen zu vergleichen.
Und zwar auch unabhĂ€ngig von Ăffnungszeiten von Kiosken, Zustellzeiten von Zeitungen, Sendungszeiten von Hörfunk oder Fernsehen.
Das Internet ermöglicht allen BĂŒrgerinnen und BĂŒrgern, sich ungehinderter denn je ihre Meinungen zu bilden und ebenso ungehinderter denn je, ihre Meinungen zu Ă€uĂern. Nicht nur zu Ă€uĂern, sondern sogar zu verbreiten.
Irritationen
Das irritiert die „TorwĂ€chter“ (Gatekeeper), die traditionelle Medien lange waren. Die Politiker, die mit traditionellen Medien lange gemeinsame Sache gemacht haben wie auch alle anderen, die „die Medien“ als das genutzt haben, was „die Medien“ aus sich selbst gemacht haben – eine Meinungsverkaufstheke.
Bei den konservativen Medien gabs Schwarzbrot, bei den linken Medien Habssattbrot und bei der Bild gibts seit jeher Brot und Spiele.
Kein anderes Medium beherrscht den Kosmos von Blut und Sperma, Moral und Empörung, Star und gefallener Engel, Teufel und HoffnungstrÀger so gut, wie das Springerblatt.
Tiere – Titten – Tote
Die einfache Formel TTT – Tiere, Titten, Tote – zieht seit Jahrzehnten.

Mit der Bild nach oben und dann ab in den Keller: Das Ehepaar Wulff. Bild: Franz Richter, BY-SA CC 3.0, Wikipedia
Die Bild-Zeitung ist ein Drecksblatt, skrupellos und habgierig. Es bemÀchtigt sich allem und jedem, womit man Aufmerksamkeit erzielen und diese verkaufen kann.
Und jeder, der sich auf die Bild einlĂ€sst, muss wissen, dass man mit ihr „nach oben fĂ€hrt, aber auch nach unten“ (Anm. d. Red.: Es gibt einen „Pater noster“ im Axel-Springer-Hochhaus“, der unaufhörlich nach oben und nach unten wandert.)
Aber die Bild-Zeitung ist das professionellste Blatt in ganz Europa. Sie beschĂ€ftigt sich mit Schmutz und wenn keiner da ist, dann erfindet sie welchen. Die Rechtsabteilung ist groĂ, Schadensersatz ins Produkt „Bild“ mit einkalkuliert.
Leidmedium Bild
Und die meisten anderen Medien folgen der Bild – die wird im Kanzleramt wie auf der Schicht wie in den Redaktionen zuallerst gelesen.
Hat sie deshalb Macht? Missbraucht sie diese? Sind alle Personen, die in Bild auftauchen nur Opfer?
Keineswegs und ganz klar ja.
Der SkandalbundesprÀsident Christan Wulff wurde von der Bild nicht gezwungen, sich von einem befreundeten Unternehmer einen Kredit geben zu lassen. Auch nicht, von anderen Unternehmern Vorteile zu erlangen.
Er wurde nicht Home-Stories gezwungen, zu Urlaubsstories und was sonst noch privat alles so interessant am GlĂŒck der Wulffs war.
SĂŒndenfĂ€lle
Die Bild zwingt niemanden ins Bett mit SekretĂ€rinnen und Geliebten. Sie veranstaltet keine Drogen- und/oder Prostituiertenparties, sie stiftet nicht zur Steuerflucht an, sie ist nicht verantwortlich fĂŒr Gammelfleisch, einen „Wir sind Papst“, fĂŒr Korruption und Vorteilsnahme und schon gar nicht fĂŒr Mord und Totschlag, der immer gerne genommen wird.
Und die Bild hat die Staatsanwaltschaft Hannover nicht gezwungen, um Aufhebung der ImmunitÀt von Wulff zu bitten, um zu Verdachtsmomenten ermitteln zu können.
Die „Macht der Medien“ basiert auf Artikel 5 Grundgesetz:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu Ă€uĂern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugĂ€nglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewĂ€hrleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Die Bild nutzt dieses BĂŒrgerrecht gnadenlos aus. Das muss man ihr genauso vorwerfen, wie jedem, der nur „ScheiĂe“ loswerden will bei einem Shitstorm im Internet.
Haltung
Jede journalistische Redaktion muss prĂŒfen, welche Linie sie vertreten will, was wichtig und was nicht wichtig ist. Worauf man Wert legt und worauf nicht. Das ist eine Stilfrage – aber auch eine, die ĂŒber Aufmerksamkeit entscheidet.

Wird Jochim Gauck ein "guter" BundesprĂ€sident werden? DarĂŒber darf und sollte man sich seine eigene Meinung bilden. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia
Die Nutzer dieses Produkts „Meinungsbildung“, haben das Recht und die Pflicht, sich ebenso verantwortlich zu verhalten. Dreck als Dreck zu identifizieren und ihre Macht durch ihre Aufmerksamkeit und was sie dafĂŒr „bezahlen“ auszuspielen.
Christian Wulff hat durch sein Verhalten das Amt des BundesprĂ€sidenten beschĂ€digt – diese Meinung teilen viele, aber nicht alle.
Joachim Gauck wird kein einfacher BundesprÀsident werden und ob er geeignet ist, wird die Zukunft zeigen.
Der „shitstorm“ ist gut, denn Herr Gauck wird ĂŒber- und geprĂŒft. Das ist ein groĂer Vorteil, denn alles, was er vor der AmtsĂŒbernahme gesagt hat, kann er nun selbst prĂŒfen, sich eine neue Meinung bilden und dann als BundesprĂ€sident dafĂŒr einstehen, was er im Amt tut oder sagt.
Meinungsfreiheit
DarĂŒber urteilen werden alle die, die interessieren und sich interessieren – mit der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit.
Die Menschen, die Medien und die Moral der daraus resultierenden Gesellschaft.
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