Donnerstag, 23. März 2023

Problemfall Hauptschule

Immer mehr Haupt- und Werkrealschulen schließen sich mit anderen Schulen zusammen

Überall im Kreis stehen Hauptschulen vor dem Aus oder eine Fusion oder…. Die frühere Johannes-Kepler-Schule wurde unter der CDU-Regierung zu einer gemeinsamen Werkrealschule Karl-Drais mit Heddesheim und Hirschberg. Was aktuell unter Grün-Rot aus der Schule wird, ist unklar. Vielleicht einfach nur Geschichte.

 

 

Rhein-Neckar, 23. Oktober 2012. (red/ld) Abstellgleis Hauptschule – Aufstiegsgarant Gymnasium? Mit der Abschaffung der verpflichtenden Grundschulempfehlung bleiben den Haupt- und Werkrealschulen in der Region die Schüler weg. Wenn auch im jahrgangsübergreifenden Unterricht keine Klasse mehr zusammen kommt, bleibt nur noch, sich mit einer Nachbargemeinde zusammen zu schließen: Heddesheim und Hirschberg haben es schon getan, Edingen-Neckarhausen und Ilvesheim haben sich mit Ladenburg zusammengeschlossen. Am Ende des laufenden Schuljahres wird sich die Weinheimer Karrillonschule mit dem Dietrich-Bonhoeffer-Schulzentrum zusammen schließen.

Von Lydia Dartsch

Je höher der Schulabschluss, desto besser die Job- und Ausbildungschancen. Diese Rechnung geht für viele Eltern und ihre Kinder auf. Entsprechend bange warteten sie bisher auf die Zeugnisse der vierten Klasse:

Bloß nicht auf die Hauptschule!,

war für viele die Hoffnung. Seit diesem Schuljahr können Eltern und Schüler frei wählen und sie wählen vermehrt die höheren Abschlüsse, wie die Mittlere Reife oder das Abitur. Für die Haupt- und Werkrealschulen ist das ein großes Problem: Ihnen fehlen die Schüler, um noch Klassen bilden zu können. 28 Schüler sind die Mindestvoraussetzungen für eine Klasse. Reichen die Schüler eines Jahrgangs dafür nicht aus, können die Schulen noch zwei Jahrgänge zusammen legen, die dann gemeinsam unterrichtet werden. Doch in vielen Gemeinden in der Region gibt es auch für diese Lösung nicht genügend Schüler.

„Es ist ein Schulsterben. Das will niemand wahrhaben.“

Schulen zusammenschließen bleibt die letzte Lösung für das Problem. In den Gemeinden werden Schulen ganz geschlossen:

Das ist eindeutig ein Schulsterben,

schildert Endrik Ebel vom Staatlichen Schulamt in Mannheim, das wolle nur niemand wahrhaben. Allein in Heidelberg ist die Zahl der Haupt- und Werkrealschulen in den letzten zehn Jahren von vier auf zwei gesunken. In den letzten Jahren haben sich Edingen-Neckarhausen und Ilvesheim mit der Werkrealschule Unterer Neckar in Ladenburg zusammengeschlossen. Die Schüler aus Heddesheim müssen seit einiger Zeit nach Hirschberg (und umgekehrt) zum Unterricht fahren und ab nächstem Herbst gehts für die Schüler der Karillon-Schule zum Unterricht ins Dietrich-Bonhoeffer-Schulzentrum. Das hatte die Stadtverwaltung im Juli bekannt gegeben.

Rückläufig sind die Schülerzahlen zwar schon seit 30 Jahren. An den Hauptschulen wird der Rückgang nun auch durch die Abschaffung der Grundschulempfehlung verstärkt. Die Entscheidung zur Zusammenschließung von Schulen treffe der Schulträger, erklärt David Hager-Mann, Leiter des Staatlichen Schulamtes: „Das ist ein organischer Vorgang. Wenn einer den Eindruck hat, dass es so nicht mehr weiter geht, spricht man miteinander.“ Meistens suche die Schule das Gespräch mit der Gemeinde.

Höherer Abschluss = bessere Jobchancen?

Der Grund für die Wahl der Eltern ist die Angst der Eltern, ihre Kinder mit einer Anmeldung an der Hauptschule auf das soziale Abstellgleis zu rangieren. Ebel sieht darin eine Begleiterscheinung einer sich entwickelnden Wissensgesellschaft:

In den Ländern der Wissensgesellschaft streben die Eltern für ihre Kinder möglichst hohe Bildungsabschlüsse an. Die meisten schaffen das auch.

Zumindest in den Nachbarländern sei das der Fall. Das gegliederte Schulsystem in Deutschland aber verschärft die Bedingungen für den sozialen Aufstieg: „Da werden die Qualifikationen schon sehr früh sichtbar. Die Kinder werden schon von vorneherein abgestempelt. Das führt zu gesellschaftlicher Ungleichheit.“

Doch nicht jeder, der in der fünften Klasse aufs Gymnasium geht, bekommt auch das Abitur: „Wenn das Kind nicht mit dem Stoff mitkommt, geht es runter von der Schule“. erklärt Ebel: Vom Gymnasium auf die Realschule, von der Realsschule auf die Hauptschule. Die übrigen Haupt- und Werkrealschulen könnten spätestens dann an ihre Grenzen stoßen: „Wenn es keine Hauptschulen mehr gibt, wird es lustig“, meint Ebel.

Bessere Möglichkeiten an Gemeinschaftsschulen

An Gemeinschaftsschulen könnten Kinder individuell gefördert werden, ist sich Ebel sicher. Das ist im bestehenden Schulsystem nicht möglich: „Die Kinder lernen in unterschiedlichen Fächern auf unterschiedlichen Niveaus“, erklärt Ebel. Gemeinschaftsschulen können diese Niveauunterschiede auffangen und „aus möglichst vielen Schülern möglichst viel herausholen“, wie es Ebel sieht. Das wollen auch die Eltern. So verzeichnet die bisher einzige Gemeinschaftsschule der Region in Bammental seit fünf Jahren einen bemerkenswerten Schülerzuwachs: „Dort haben sich die Schülerzahlen verdreifacht“, zeigt sich Ebel begeistert. Dort hätten die Eltern gemerkt, dass individualisiertes Lernen möglich sei, „und das, obwohl sie nur eine Werkrealschule sind“, so Ebel.

Wie geht es weiter mit den Werkrealschulen? Über die Zukunft des Standorts Heddesheim informiert die Gemeinde heute Abend in der Aula der Karl-Drais-Schule. In Weinheim wird der Zusammenschluss der Schule voran gehen. Die Schulleitung hat bisher nicht auf unsere Anfrage reagiert.

Ein Bündnis für Qualität im Praktikum


Weinheim/Bergstraße, 24. Mai 2011. (red/pm) Kommune, Wirtschaft und Schulen setzen in der Region Weinheim verbindliche Standards für Praktika in Kraft. In der Bildungsregion Weinheim gilt jetzt ein von Kommune, Wirtschaft und Schulen gemeinsam getragener „Qualitätsrahmen Praktikum“ für Werkrealschulen. In diesem praxisnahen Leitfaden stimmen sich die ausbildenden Betriebe und die Schulen auf verbindliche Qualitätsstandards für Praktika ab.

Information der Stadt Weinheim:

Bündnis für Qualität im Praktikum.

„Dabei werden Kriterien für die Vor- und Nachbereitung an den Schulen, sowie für die konkrete Umsetzung in den Betrieben festgelegt. Ein Bündnis, bestehend aus den Bildungsakteuren der Kommune, fünf Werkrealschulen im Bereich der Bildungsregion Weinheim, die IHK Rhein-Neckar, die HWK Rhein-Neckar-Odenwald, der Agentur für Arbeit Mannheim, des DGB sowie Vertretern des Staatlichen Schulamtes Mannheim, des Regierungspräsidiums Karlsruhe und der Stadt Weinheim setzten den „Qualitätsrahmen Praktikum“ am Montag (23. Mai) im Rahmen einer Fachtagung offiziell in Kraft.

Gleichzeitig wurde Bildungs- und Ausbildungsfachleuten der Region der „Qualitätsrahmen“ als 20-seitige gedruckte Broschüre vorgestellt. Entwickelt wurde das Projekt von der Kommunalen Koordinierungsstelle Übergangsmanagement Schule-Beruf unter der Leitung von Dr. Susanne Felger.

Das gemeinsame Projekt hat das Ziel, durch klare Qualitätsleitlinien und Zielvereinbarungen deutlich mehr Schüler fit zu machen für eine Berufsausbildung. In allen Phasen des Praktikums-Managements sollen Schüler und Eltern miteinbezogen werden. Der „Qualitätsrahmen“ gibt konkrete Tipps und Hilfestellungen. Umgesetzt wird er an den Werkrealschulen in Weinheim, Hirschberg/Heddesheim, Schriesheim und Hemsbach.

In der Fachtagung, die den Start des „Qualitätsrahmens“ begleitete, wurde die Notwendigkeit für einen solchen Schritt deutlich: Einerseits wird auch in der Metropolregion Rhein-Neckar bereits ein Fachkräftemangel erkennbar, andererseits gibt es immer noch zu viele Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden. „Offenbar gibt es hier ein Passungsproblem“, wie es Weinheims Oberbürgermeister Heiner Bernhard in seiner Begrüßung zur Fachtagung ausdrückte. Der „Qualitätsrahmen“ soll es lösen helfen. Teilnehmer der Tagung im Alten Rathaus am Marktplatz waren auch Vertreter von Weinheimer Firmen.

Jürgen Mohrhardt von der IHK Rhein-Neckar berichtete, dass heute schon jedes dritte ausbildende Unternehmen Ausbildungsplätze aus Mangel an geeigneten Bewerbern unbesetzt lassen muss. 75 Prozent der Betriebe geben „mangelnde Ausbildungsreife“ als Grund an, 60 Prozent beklagen, dass die Jugendlichen zu unklare Vorstellungen von ihrem beruflichen Weg haben. Schon heute fehlen mehr als 300 000 Fachkräfte in Baden-Württemberg. Andererseits, so Gerhard Gölz vom Staatlichen Schulamt Mannheim, finden immer noch fast 40 Prozent der Hauptschüler nach der Schule keinen direkten Anschluss in eine Berufsausbildung.

OB Bernhard fasste zusammen: „Wir brauchen eine bessere Abstimmung zwischen Schulen, Unternehmen und der Schulpolitik der Länder darüber, wie Jugendliche auf Ausbildung und Beruf vorbereitet werden müssen, und wer dabei was tut, um alle optimal zu fördern.“ Der „Qualitätsrahmen“ sei auf diesem Weg eine wichtige Hilfestellung für alle Beteiligten. Er biete die Möglichkeit einer „win-win-Situation“ für Schule und Betriebe herzustellen und somit eine „neue Qualität und Intensität in der Zusammenarbeit“. Auch in Weinheim haben 60 Prozent von 250 befragten Unternehmen Fachkräftebedarf, 37 Prozent wollen diesen Mangel durch Ausbildung im eigenen Betrieb decken. Die Unternehmen, so ergänzte OB Bernhard, brauchen Jugendliche, die sich selbst organisieren, die lernen wollen, die sich engagieren und Verantwortung übernehmen.

Gerhard Gölz bekräftigte, dass ein gutes Praktikum die Chancen des Jugendlichen auf einen Ausbildungsplatz deutlich verbessere. Der gelernte Lehrer fordert: „Wir sollten mehr auf Kompetenzen achten und nicht nur auf Noten.“

Aus der Praxis heraus berichtete zum Beispiel Thomas Lammer, der Konrektor der Dietrich-Bonhoeffer-Werkrealschule, wie wichtig und zielführend gute Praktika sein können. In seiner Schule absolvieren Schüler in der achten Klasse ein ganzjähriges Praktikum, indem sie ein ganzes Jahr lang einen Tag im Betrieb sind. Ergebnis: Acht Schüler haben schon jetzt, noch vor der Abschlussprüfung, einen Ausbildungsplatz. Lammer: „Die Noten sind nicht mehr das Wichtigste, wenn der Chef den Jugendlichen über eine lange Zeit kennengelernt hat.“ Die Dietrich-Bonhoeffer-Schule gilt bei ihrer Praktikumsarbeit als vorbildlich. Einige ihrer Ideen standen für den „Qualitätsrahmen“ Pate.

Jürgen Mohrhardt als Vertreter der Wirtschaft verwies auf das Thema Bildung als Standortfaktor: „Es ist wichtig, dass Kommunen und Unternehmen hier im Gleichklang arbeiten, denn im Zuge des demografischen Wandels müssen beide gemeinsam um Fachkräfte und um Einwohner kämpfen.“ Die Inkraftsetzung des Qualitätsrahmens, so Schulrat Gölz, sei der Anfang eines Prozesses, in dem die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Betrieben noch intensiver wird.“

Info: Der „Qualitätsrahmen Praktikum an Werkrealschulen“ steht auch auf www.weinheim.de und auf www.uebma-weinheim.de als download zur Verfügung.

Einen schönen Tag wünscht
Das weinheimblog