Guten Tag!
Heddesheim, 10. November 2009. Der Heddesheimer Arzt Wolfram Ströck empfiehlt chronisch kranken Personen dringend eine Impfung gegen die „Schweinegrippe“. Er selbst hat zumindest fĂŒr diese Woche noch genug Impfstoff vorrĂ€tig – anders als Kollegen und Apotheken, die auf die Lieferung ihrer Bestellungen noch warten. Im Interview mit dem heddesheimblog erklĂ€rt der Allgemeinmediziner Wolfram Ströck, warum er eine Impfung empfiehlt und wie man sich beim Verdacht auf eine Ansteckung verhalten sollte.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Ströck, es heiĂt in verschiedenen Meldungen, die Infektionen nĂ€hmen dramatisch zu. Wie beurteilen Sie die Lage?
Wolfram Ströck: „Die Anzahl der Erkrankungen mit Schweinegrippe hat in den vergangenen zwei bis drei Wochen stark zugenommen , aber auch die Schwere der Erkrankung hat sich bis dato verĂ€ndert. Erkrankungen verlaufen deutlich schwerer als bisher , betroffen sind derzeit vor allem jĂŒngere Patienten.
Bis vor etwa drei Wochen waren die VerlĂ€ufe ausgesprochen harmlos, dies ist jetzt nicht mehr unbedingt der Fall. Ansteckungen finden derzeit nach meinen Erfahrungen immer weniger im Ausland statt, sondern vermehrt vor allem bei gröĂeren Menschenansammlungen im Inland.“
Viele Kollegen warten noch auf die Impfstofflieferung.
Es heiĂt, es gĂ€be zu wenig Impfstoff. Können Sie das bestĂ€tigen?
Ströck: „Es gibt eindeutig derzeit zu wenig Impfstoff, sowohl die chronisch Kranken als auch die anderen Impfwilligen. Ich bin erfreulicherweise in der Lage, derzeit noch ausreichend Impfstoff fĂŒr diese Woche zu VerfĂŒgung zu haben, aber es gab schon im Vorfeld bei meinem Apotheker vor Auslieferung eines bestellten Impfstoffes zahlreiche Nachfragen von umliegenden Apotheken , die Teile oder alles abnehmen wollten , da diese nicht beliefert worden sind. Auch von zahlreichen Kollegen ist mir mitgeteilt worden, dass diese zu wenig oder keinen Impfstoff bekommen haben.“

Der Heddesheimer Arzt Wolfram Ströck empfiehlt chronisch kranken und anderen Risikopatienten dringend eine Impfung. Bild: hblog
Wie wird eine Erkrankung mit dem H1N1-Virus behandelt?
Ströck: „Eine Behandlung der Schweinegrippeerkrankung muss sofort , das heiĂt innerhalb des 1.-2. Tages mit Tamiflu oder Relenza erfolgen. Diese sollte allerdings erst nach Feststellung der Erkrankung ĂŒber eine Blutentnahme durchgefĂŒhrt werden. Die Crux ist , dass alleine diese Bestimmung 1-2 Tage dauert , sodass ich oft auf das Ergebnis nicht warten kann, sondern sofort behandeln muss.“
Kann man eine Erkrankung nicht einfach zu Hause auskurieren?
Ströck: „Eine Erkrankung sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen – im Zweifel kann das lebensgefĂ€hrlich werden.“
Haben Sie bei ihren Patienten schon Schweinegrippe diagnostiziert?
Ströck: „Ja, ich habe in meiner Praxis auch schon bei einigen Patienten die Schweinegrippe diagnosiziert und behandelt.“
Es nicht gefÀhrlicher in eine Arztpraxis zu gehen, als in einen Supermarkt.
Beim Arzt bekommen Sie aber geholfen.
Ist es gefÀhrlich in eine Arztpraxis zu gehen?
Ströck: „Es ist nicht gefĂ€hrlicher als im nĂ€chsten Supermarkt oder bei einer Familienfeier angesteckt zu werden. Im Gegensatz zu diesen Orten wird Ihnen beim Arzt aber geholfen.“
Patienten mit Verdacht auf Schweinegrippe sollten zuhause bleiben
und telefonisch Kontakt mit einer Arztpraxis aufnehmen.
Was passiert wenn ein Patient mit Verdacht auf eine H1N1-Infektion in Ihre Praxis kommt?
Ströck: „Ein Patient, der glaubt eine Schweinegrippeinfektion zu haben, sollte sich korrekt verhalten und am besten zuhause bleiben. Er sollte aber bei seinem Arzt anrufen und einen Termin oder Hausbesuch vereinbaren. Sollte ein Patient ohne Anmeldung in unsere Praxis kommen, wird er sofort isoliert. Das dient dem Schutz der anderen Patienten und des Personals. Gegebenenfalls erfolgt eine Klinikeinweisung, je nach Erkrankungszustand.“
Wer ist besonders gefÀhrdet und sollte sich dringend mit seinem Hausarzt wegen einer Impfung beraten?
Ströck: „Impfen sollte sich nach meiner Auffassung prinzipiell jeder, aber Hochrisiko- und Risiko-Patienten mit chronischen Erkrankungen auf jeden Fall. Fast alle TodesfĂ€lle in dieser Sache waren chronisch kranke Personen.
Es gibt keine Impfpflicht, jeder darf, keiner muss sich impfen lassen!“
Patienten mit einer HĂŒhnereiweiĂ-Allergie mĂŒssen mit allergischen Reaktionen rechnen.
Es mehren sich die Meldungen schwerer UnvertrÀglichkeit des Impfstoffs bis hin zu anaphalytischen Schocks (allergische Reaktion mit schwerer Störung des Herz-Kreislaufsystems)? Impfen ist also auch risikobehaftet?
Ströck: „Es gab ganz vereinzelt tatsĂ€chlich starke Nebenwirkungen nach einer Impfung. Wenn bespielsweise eine Allergie gegen HĂŒhnereiweiĂ bekannt ist, muss man mit Komplikationen rechnen. Dieser Impfstoff basiert nĂ€mlich auf einer HĂŒhnereiweiĂbasis, sodass starke allergische Reaktionen bis zum Schock prinzipiell auftreten können . Diese Allergie sollte deswegen vor jeder geplanten Impfung abgefragt werden.“
Muss man den Impfstoff selbst bezahlen?
Ströck: „Die Impfleistung wird generell von den Krankenkassen ĂŒbernommen. Den Patienten entstehen keine Kosten auĂer der PraxisgebĂŒhr, wenn sie diese fĂŒr das betreffende Quartal noch nicht entrichtet haben.“
Wie informieren Sie sich als Arzt ĂŒber den Stand der Dinge?
Ströck: „Ich selbst versuche, so gut als irgendwie möglich, auf dem aktuellen Stand der Dinge zu bleiben ĂŒber meine Standesorganisationen, das Robert-Koch-Institut, das Gesundheitsamt Heidelberg, das Landesgesundheitsamt Karlsruhe und anderen Quellen.
Die Informationspolitik war in den letzten Monaten sehr dĂŒrftig , wir niedergelassenen Ăârzte waren ziemlich auf uns alleine gestellt. Seit zwei bis drei Wochen hat sich die QualitĂ€t der Informationen erfreulicherweise verbessert.“
Es mehren sich Panikanzeichen. Dagegen hilft nur eine gute Informationspolitik.
Wie beurteilen Sie die Meldungen in den Medien und die Stimmung der Menschen?
Ströck: „Derzeit ist die Lage bezĂŒglich der Schweinegrippe noch halbwegs ĂŒberschaubar, jedoch gibt es unterschiedliche Tendenzen zu beobachten.
In der Presse wird viel Negatives bezĂŒglich der Impfung veröffentlicht und damit der Impfwille der Bevölkerung nicht unbedingt unterstĂŒtzt.
Durch die HĂ€ufung von SchweinegrippefĂ€llen auch bei uns in der Region möchten sich vermehrt Patienten mit einer Impfung davor schĂŒtzen.
In der Ăârzteschaft gibt es unterschiedliche Auffassungen, deswegen impfen einige Kollegen gar nicht und stellen ihren Patienten diesen Impfstoff auch nicht zur VerfĂŒgung. Andere wĂŒrden gerne impfen, bekommen aber denĂ Impfstoff wegen der KapazitĂ€tsengpĂ€sse nicht geliefert. Es gibt vermehrte Panikanzeichen durch Erkrankungen von SchĂŒlern und die SchlieĂungen von Schulen.“
Neue Kommentare