Sonntag, 26. März 2023

Offener Brief an Konstantin Groß

Guten Tag!

Heddesheim, 16. September 2010. Der MM-Redakteur Konstantin Groß hat einen bemerkenswerten Kommentar geschrieben – was daran bemerkenswert ist, lesen Sie in unserem offenen Brief an den Journalisten.

Sehr geehrter Herr Groß,

mit Interesse haben ich Ihren Kommentar gelesen.

Ein Kommentar, dass wissen wir von Kollege zu Kollege, soll einen Standpunkt vertreten, eine Meinung, eine bestimmte, klar subjektive Sicht der Dinge.

gross

Kommentiert aus den Gräben der (bleibenden?) Unkenntnis: MM-Redakteur Konstantin Groß. Quelle: MM

Diese Kriterien erfüllt Ihr Kommentar – fast – nicht. Schon der erste Satz macht stutzig: „Nun liegt es endlich hinter uns.“ Was meinen Sie damit? Wer ist „uns“? Als Beobachter der ersten Stunde kann ich mich nicht erinnern, dass Sie und Ihre Berichterstattung eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Und wenn? Machen Sie sich etwa gemein mit einer Sache? Also „uns“?

Folgt man dem Duktus Ihres Kommentars und kennt die Hintergründe, dann ist schnell klar, wer uns ist: Der Bürgermeister Kessler, die Mehrheit der 11 Gemeinderäte, das Unternehmen „Pfenning“, die Metropolregion-Rhein-Neckar-Strippenzieher, die IFOK, das RNF und die Pseudo-Wirtschaftspostille „econo“, in der Logistikprofessoren den halben Ort verunglimpfen dürfen und an der der MM beteiligt ist. Und natürlich der MM, respektive Sie. Meinten Sie das mit „uns“? Habe ich noch etwas vergessen?

Ach ja, Frau Görlitz – die hat durch konsequente Nicht-Recherche eigentlich nichts herausgefunden und immer nur brav berichtet, was sie berichten sollte. Auch sie steht wohl für uns. (A propos – das muss schlimm für die „Kollegin“ gewesen sein, dass sie nach all der harten Arbeit an „unserer Sache“ den Vollzug nicht berichten durfte. Warum auch immer.)

Ebenso klar, Herr Groß, ist, wer „nicht uns“ ist. Die Gegner des von Ihnen „endlich“ begrüßten Beschlusses. Das sind die Menschen, die Ihnen mehr und mehr immer weniger glauben und die ihre Abos kündigen.

Doch zurück zu Ihrem Kommentar: Sie lehnen sich hier weit aus dem Fenster für jemanden, der keine Ahnung hat. Sie schreiben von „Unterlegenen“, die sich „verletzt“ fühlen. Und behaupten, der „Vorwurf, man habe Bürger-Engagement nicht honoriert, gehe ins Leere.“

Sie ziehen falsche Schlüsse. Das Grund: Sie reden nicht mit denen, über die Sie schreiben. Ich jedenfalls habe noch keine „Unterlegenen“ getroffen, schon gar keinen „verletzten“.

Ganz im Gegenteil habe ich sehr viele BürgerInnen getroffen, die den Mut und den Charakter haben, Ihre Meinung zu äußern, sozialen Druck, Einschüchterungen und Diffamierungen auszuhalten und trotzdem noch aufrecht durch den Ort gehen. Hinterhältige Gemeinheiten, Herr Groß, gab es genug, seit „Pfenning“ sich Heddesheim als neue „Heimat“ ausgesucht hat. Das wüssten Sie, wenn Sie Teil von „uns“ wären. Sind Sie aber nicht.

Sie haben also etwas ganz und gar falsch verstanden, was nicht schlimm ist, das passiert Ihnen sicher öfter. Zurück zum Kommentar: „Protest von Bürgern ernst zu nehmen, bedeutet nicht, ihm zu folgen.“ Das ist ein merkwürdiger Satz. Meinen Sie wirklich, dass die Befürworter die Kritik ernst genommen haben? Dann haben Sie ein anderes Geschehen verfolgt als ich. Und auch die analytische Aussage stimmt nicht: Immer dann, wenn es eng wurde, hat der Bürgermeister schnell noch so getan, als würde er etwas ernst nehmen. Ob „Dialogrunde“, Verkehrslenkungsvertrag oder die Zusage von „Arbeitsplätzen“.

Und wo haben Sie jemanden getroffen, der dem Beschluss die „Legitimation abspricht“? Ich kenne keinen, der das sagt. 12:9 ist 12:9. Basta.

Erstaunlich ist Ihre Aussage, dass eine Mehrheit „nicht automatisch recht“ haben muss. Aber Mehrheit ist Mehrheit oder „sollte man eine Minderheit entscheiden lassen?“, fragen Sie. Natürlich nicht, Herr Groß. Wie kommen Sie denn auf eine so blöde Idee? Das hat nie jemand verlangt. Sondern die Minderheit hat versucht, die Mehrheit davon zu überzeugen, dass sie nicht recht hat. Das wollte die Mehrheit aber nicht einsehen. Basta.

Nebenbei bemerkt, Herr Groß. Was halten Sie für „größer“? Einer Mehrheit zu folgen, die sich durchsetzt oder einer Minderheit, die das nicht kann? Interessanter Gedanke, oder? Aber ich will Sie nicht überfordern.

Sie schreiben, dass die Ansiedlung die Verkehrsprobleme „verschärfen wird“. Da haben Sie aber nicht gut aufgepasst. Die Mehrheit aus BM Kessler und 11 Räten sagt nein. Pfenning sagt nein. Ein doppeltes Verkehrsgutachten sagt nein.

Und Sie behaupten einfach so, dass das so sein wird? Und finden, dass Logistikhallen keine „Fachwerkhäuschen“ sind? Respekt.

Sie überraschen mich wirklich. Anscheinend sind Sie ein eifriger Leser des heddesheimblogs, wenn Sie konstatieren, dass der Bürgermeister den „Protest zunächst abgetan hat“. Denn in Ihrer Zeitung konnte man davon nichts lesen. Allerdings übersehen Sie dabei schon wieder viele, viele Details – man merkt, dass Sie nicht im Thema sind. Was schlecht ist für einen Kommentar.

Bürgermeister Michael Kessler hat nie an seiner Haltung Zweifel gelassen und tut den Protest bis heute ab. Und wo sehen Sie, dass er „gewachsen“ ist? Etwa an seiner Führung des Gemeinderats? Dass er Mitglieder seiner „zusammengezimmerten“ Mehrheit nie unterbricht, frei schwafeln lässt und oft der Eindruck aufkommt, dass hier „Verabredungen“ herrschen?

Oder daran, dass er acht von neun „Nein-Stimmern“ (einer sagt nie was), immer wieder übers Maul fährt, ihnen das Wort entzieht, fast jeden Wortbeitrag dieser Gruppe schon fast neurotisch mit ätzenden Kommentaren versehen muss. Nennen Sie das „gewachsen“? Halten Sie das für „groß“?

Diese Mehrheit stand nach Ihrer Meinung „bis zuletzt, ohne jedes Wackeln.“ Herr Groß, woher nehmen Sie diese Kenntnis? Das Rumgeschwurbel des CDU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Joseph Doll bezeichnen Sie als „standhaft“?

Selbst der Bürgermeister musste in seiner unendlichen Nachsicht auf seine „gezimmerte Mehrheit“ irgendwann den Mann ermahnen, endlich wieder zur Sache zu kommen. Aber vielleicht haben Sie das nicht gehört, weil Sie im Kopf schon Ihre Helden „gezimmert“ haben.

Auch als Augure sind Sie, Sie verzeihen das, eher mittelmäßig. Bis zur nächsten Bürgermeisterwahl sind es noch mehr als dreieinhalb Jahre. Schon heute stellen Sie fest, dass es einen Wahlkampf ohne Gegenkandidaten nicht mehr geben wird. Kennen Sie heute schon einen Gegenkandidaten? Ich nicht. Vermutlich vermuten Sie das.

Und wieso vermuten Sie eigentlich, dass Herr Kessler nochmal antritt? Um zu „kämpfen“, wie Sie das so schön gesagt haben? Für was? Der Mann hat nach zwei Amtsperioden Anspruch auf seine vollen Rentenbezüge. Und vielleicht gibt es ja ein besseres Angebot für ihn, als sich für geschätzte knappe 100.000 Euro im Jahr ständig ärgern zu müssen.

Und Sie schreiben: „Der Preis für ihn ist hoch.“ Auch das zeigt Ihre Perspektive, die leider, leider an der vieler bisheriger LeserInnen des MM vorbeigeht. Denn die fühlen sich zwar nicht verletzt oder unterlegen, aber doch verkauft. Während Herr Kessler tatsächlich seinen „Marktwert“ gesteigert haben dürfte.

Wenn Sie schon vermuten, dann könnten Sie auch auf die Idee kommen, dass es Herr Kessler dank Amtsbonus mit „Ach und Krach“ nochmal schaffen könnte – um dann einem Rat mit einer ihm nicht blind folgenden Mehrheit gegenüber zu sitzen. Vielleicht steht es dann 12:9 oder 11:10 – nur nicht im Sinne des Bürgermeisters. Und dann?

Meine Meinung ist, dass Sie sicher davon ausgehen können, dass Herr Kessler nicht mehr antritt. Denn so bleibt er der Gröbaz (der größte Bürgermeister aller Zeiten, wie ihn einer unserer Leser im Kommentar bezeichnet hat). Ein Gröbaz wäre vollkommen bescheuert, wenn er sich seine Gröbazigkeit durch eine Niederlage versauen würde.

Eines allerdings haben Sie ganz richtig beobachtet, Herr Groß: „Die Gräben bleiben.“ Aus Ihrer unkenntnisreichen Grabensicht sicherlich so lange, bis die „Gegner“ eben eingesehen haben, dass man noch mehr Verkehr für die „Stärkung des Wirtschaftsstandortes Heddesheim“ in Kauf nehmen muss.

Bis man eingesehen hat, dass Billigarbeitsplätze die Volkswirtschaft schädigen, was aber nicht schlimm ist, wenn man vorher durch Tod oder Aussiedlung davon nicht betroffen ist.

Bis man akzeptiert, dass die Landschaft verschandelt ist und die Nerven ob des Lärms blank liegen und die Kinder leider, leider Probleme mit der feinverstaubten Lunge haben.

Bis man erkennt, dass die 12 sich leider geirrt haben, aber eine politische Mehrheitsentscheidung getroffen haben. Denn Sie können mit Sicherheit davon ausgehen, dass einem arbeitnehmerfremden SPD-Fraktionsvorsitzenden Jürgen Merx, einem Lobbyisten wie dem FDP-Chef Frank Hasselbring und einem senilen Prediger des „demographischen Wandels“ eines ganz sicher nicht gelingen wird: Die Größe, einen großen Irrtum im Rausch des Größenwahns eines Gröbaz einzugestehen.

Mit kollegialen Grüßen
Hardy Prothmann

hardyprothmann

Der gläserne Gemeinderat: 1.200 – 2.400 – 2.600… Entscheidend ist 12:9

Guten Tag!

Heddesheim, 22. Juni 2010. Am kommenden Donnerstag, den 24. Juni 2010, wird es wieder einmal eine für Heddesheimer Verhältnisse historische Gemeinderatssitzung im Zusammenhang mit „Pfenning“ geben. Dann sollen 910 Einwendungen von rund 240 Bürgern im Hauruck-Verfahren entschieden werden.

Von Hardy Prothmann

Heute steht im Mannheimer Morgen ein Artikel mit der Überschrift: „Grüne: 14 Tage sind zu wenig Zeit„.

Diese Überschrift sagt zunächst einmal gar nichts aus. Im Text erfahren die LeserInnen dann, dass die Bewältigung von 1.200 Seiten Einwendungen und Stellungnahmen nicht in vierzehn Tagen zu leisten sei, um zu einer “ sachgerechten Entscheidungsfindung“ zu kommen.

Leider ist das nicht richtig.

Denn diese Seiten sind größtenteils „kleinkopiert“. Man kann also eher von 2.400 „echten“ Seiten sprechen, was die Mühe nach einer „sachgerechten Entscheidungsfindung“ nochmals verdoppelt.

Pikant: Erst eine Woche später erhielten die Gemeinderäte weitere Gutachten, auf die sich die Verwaltung aber zuvor in den Stellungnahmen zuvor schon bezogen hatte.

Wie soll man hier zu einer für das „Wohl der Gemeinde“ ordentlichen Entscheidung finden?

Insgesamt sind es gut 2.600 Seiten, die ehrenamtliche Gemeinderäte nach bestem Gewissen innerhalb von vierzehn Tagen durcharbeiten sollen.

Verwaltungsexperten, Architekten, Gutachter, Juristen haben dieses Konvolut über Monate und Wochen vorbereitet – solange sie eben brauchten. Die ehrenamtlichen Gemeinderäte haben nach Vorstellung des Bürgermeisters Michael Kessler nur vierzehn Tage Zeit, all diese komplexen Entscheidungen nachzulesen und mit oder ohne Prüfung zu einer souveränen Entscheidung zu kommen.

Halten Sie das für absurd?

Wenn ja, sind Sie nicht mit der Vorgehensweise des Herrn Kessler vertraut.

Der Heddesheimer Bürgermeister definiert 40 Stimmen „mehr“ bei der Bürgerbefragung im September 2009 zu einem „mehrheitlichen“ Wunsch zu einer Unternehmensansiedlung „Pfenning“ als Mehrheitsmeinung um.

Umgekehrt reduziert er 910 Einwände von rund 240 Bürgern auf eine Sitzung, die er durchziehen will.

Wer glaubt, dass dem „Bürgermeister“ Kessler längst die Maßstäbe für ein ordentliches Verhalten abhanden gekommen sind, irrt.

Herr Kessler, zumindest muss man das vermuten, hält sich an Recht und Gesetz.

Zwar ist ihm und seiner hörigen Verwaltung ein sicherlich missliebiger „Formfehler“ unterlaufen, aber das hindert ihn nicht, die Form bis an die Grenzen der Belastbarkeit zu dehnen.

Für die „Jahrhundertentscheidung“, so „Pfenning“, so „Kessler“, bleiben den ehrenamtlich tätigen Gemeinderäten genau vierzehn Tage Zeit, sich eine verantwortliche Haltung zu bilden.

Nicht mehr und nicht weniger.

Was die CDU, die SPD, die FDP dazu denken?

Das scheint schon bekannt zu sein, wenn man sich verwundert den Artikel im MM durchließt, denn hier werden nur die Grünen, respektive der Vorstand Günther Heinisch zitiert.

Die Sprachlosigkeit der CDU, der SPD und der FDP ist in diesem „Ansiedlungsprozess“ symptomatisch.

Es werden schon lange keine Argumente mehr geäußert.

Arbeitsplätze, Gewerbesteuer, Schiene – das alles spielt keine Rolle mehr. Herr Doll, Herr Merx, Herr Hasselbring sind dafür.

Wofür?

Für 12:9. Ohne wenn und aber.

910 Einwendungen, inhaltliche Argumente? Die erfreuliche inhaltliche Aufmerksamkeit der BürgerInnen?

Deren Sorgen? Deren Gedanken? Deren Nöte?

All das spielt keine Rolle.

Gegen diese unglaublich vielen Einwände wird die Mehrheit der Gemeinderäte der Haltung der Verwaltung folgen und die Hände zur Ablehnung heben.

Im selben Augenblick werden diese Gemeinderäte aber nicht verstehen, dass sie nur eine Allianz der Ablehnung ihre Bürger bilden.

Eine Allianz der Zustimmung gibt es nicht.

Es gibt keine Basis von Zuschriften durch Bürger, die mit Argumenten und Fakten erklären, dass sie „Pfenning“ wollen.

Darüber haben CDU, SPD und FDP niemals nachgedacht.

Es gab niemals im Prozess um die geplante „Pfenning“-Ansiedlung eine öffentliche Strömung, die sich hinter das „Projekt“ stellte.

Warum nicht? Weil es keinen der „Pfenning-Befürworter“ je interessierte. Hier waren die „Machtverhältnisse“ im Gemeinderat entscheidend, mehr nicht.

Hier sitzen „befangene“ Profiteure in den eigenen Reihen und werden gestützt. Hier gefällt man sich in der „Größe“ über eine angebliche 100-Millionen-Investition mit abstimmen zu dürfen, egal, was man im einzelnen davon versteht.

Die Rechnungen sind gemacht. Für Donnerstag.

Aber nicht für die Zukunft.

Das wird sich bei der nächsten Wahl bitter rächen.

„Pfenning“ wird eine Dauerbelastung für die Gemeinde werden.

Es wird die versprochenen Arbeitsplätze nicht im Ansatz geben. Die Gewerbesteuerzahlungen werden gering sein oder ganz ausbleiben. Die Schiene wird, wenn überhaupt, erst in vielen Jahren kommen. Das Verkehrsproblem in Heddesheim wird zunehmen.

„Pfenning“ wird über Jahre eine Baustelle sein und bleiben und das andere Gewerbe belasten.

Am Donnerstag darf man erwarten, dass die Mehrheiten von CDU und SPD und der nickende FPD-Vertreter Hasselbring ihre Hand heben und in keinem Punkt ernsthaft um das „Wohl der Gemeinde“ streiten werden.

Es wird eine Demonstration der Sturheit vorgeführt werden.

Anders wird man nicht bewerten können, dass 910 Einwendungen von 240 Bürgern keinen einzigen Nerv treffen, an dem es CDU, SPD oder FDP „schmerzt“.

Wenn doch, könnte es zu politischen Auseinandersetzung kommen, zur Diskussion, zum Ringen um Argumente, zur Entscheidungsfindung.

Keine Sorge. Dieses Drama bleibt Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit erspart.

12:9 wird es richten.
hardyprothmann

Der gläserne Gemeinderat: Politik ohne Anschluss = 12:9

Guten Tag!

Heddesheim, 01. März 2010. Die Gemeinderatssitzung am 25. Februar 2010 war keine historische. Aber sie wird im Gedächtnis bleiben. Als Demonstration der Macht ohne Anschluss an eine Politik der Verantwortung. Denn wer Antworten geben will, muss zuerst fragen.

Von Hardy Prothmann

Zahlen sind Zahlen. Zahlen sind nichts wert, bis sie eingeordnet und/oder interpretiert werden. Manchmal werden Zahlen als Datum zu historischen Begriffen. Ob „Nine-eleven“ oder der 09. November 1989. Beides sind „absolute historische Daten“: Der Angriff auf New York am 11.09.2001 und der Fall der Mauer am 09.11.1989.

Was in Heddesheim geschieht, kommt nicht annähernd an diese beiden historischen Momente heran. Zu klein ist Heddesheim, zu unbedeutend die Ereignisse, um „historisch“ zu sein.

Was „historisch“ ist, hängt allerdings vom Blickwinkel ab. Die Unternehmensgruppe „Pfenning“ bezeichnet die geplante Ansiedlung in Heddesheim als „Jahrhundertentscheidung“. Ebenso der Heddesheimer Bürgermeister Michael Kessler.

Würde die Welt also auf Heddesheim schauen, würde es sich bei dieser Entscheidung um eine wahrhaft „historische Dimension“ handeln.

Da alles ein Frage der Definition ist, heißt die definitive Frage: Was ist die Welt? In diesem Fall wie in anderen Fällen ist die Antwort einfach: Die Welt ist die, die die Welt betrifft, die man definieren will. In diesem Fall geht es um die Welt der Heddesheimer Bürgerinnen und Bürger.

Welches Datum als das „historische“ definiert werden wird, müssen später Heimathistoriker, Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen oder schlicht die öffentliche Meinung definieren. Der 04. Februar 2009, als die „Ansiedlung“ offiziell bekannt wurde. Oder der 27. September 2009, als 40 Stimmen mehr für die Ansiedlung durch den Bürgermeister Kessler und andere als „politischer Auftrag“ für die Ansiedlung definiert wurden.

Vielleicht wird man sich aber nicht für ein Datum, sondern für ein Verhältnis entscheiden, das die Geschichte Heddesheims prägen wird.

Das Verhältnis heißt: 12:9.

12:9 hat gute Chancen in Heddesheim als Synonym für Entscheidungen gebraucht zu werden – immer dann, wenn die Lage scheinbar klar ist.

Finden Sie das verwirrend? Unklar? Keine Sorge. Ich kann Ihnen erklären, was 12:9 bedeutet.

12:9 steht für eine Entscheidung. 12:9 ist die Antwort derjenigen (12), die keine einzige Frage stellen, auf die Fragen der anderen (9).

Immer noch zu kompliziert? Keine Sorge. Zahlen bedeuten nichts. Es kommt auf die Definition an. Und die ist einfach.

Die am meisten umstrittenste Entwicklung, die die Gemeinde Heddesheim jemals in seiner Geschichte erlebt hat, wird durch den Ausdruck 12:9 benannt.

Die geplante Ansiedlung der Unternehmensgruppe Pfenning wird ausschließlich durch die sechs Mitglieder der Fraktion der Grünen und mich als Gemeinderäte hinterfragt. Bei der SPD äußert sich manchmal Michael Bowien kritisch, bei der CDU Martin Kemmet eher selten, beide stimmen aber mit den Grünen und mir gegen das Projekt. Zusammen sind wir die 9.

Auf der anderen Seite stehen Gemeinderäte der CDU (Dr. Joseph Doll, Dieter Kielmayer, Walter Gerwien, Ursula Brechtel, Hans Siegel, Rainer Hege), SPD (Reiner Lang, Jürgen Merx, Karin Hoffmeister-Bugla, Jürgen Habarth), FDP (Frank Hasselbring), die zusammen auf elf Stimmen kommen und der Bürgermeister Michael Kessler. Zusammen haben sie zwölf Stimmen.

Keine dieser zwölf Stimmen stellt eine Frage. Obwohl es sich um eine „Jahrhundert-Entscheidung“ handelt. Alle zwölf zusammen sind aber fest entschlossen, zu wissen, was das Beste für uns alle ist.

Fragen, die die anderen stellen, werden als Angriff auf das Wohl der Gemeinde abgetan. „Weggebissen“. Der Grüne-Gemeinderat Andreas Schuster ist ehrlich erstaunt bis entsetzt, wenn er sagt: „Ich bin sehr erstaunt, dass alles, was wir fragen, dazu taugt, bei Ihnen eine Art automatischen Beißreflex zu erzeugen. Das kann doch nicht sein.“

Herr Schuster muss sich der Realität beugen und sie anerkennen. Kein Argument, keine Nachfrage, kein Zweifel, keine Skepsis, kein Bemühen um das „Wohl der Gemeinde“ hat einen Chance gegen die fragenlose Mehrheit der 12.

Die Gemeinschaft der „12“ hat am 25. Februar 2010 eindrucksvoll bewiesen, keine einzige Frage zu den Stellungnahmen der „Behörden und Träger öffentlicher Belange“ parat gehabt zu haben.

Die Gemeinschaft der „12“ hatte darüber hinaus überhaupt kein Verständnis für naheliegende Fragen der „9“. Stattdessen gab es Häme und Spott.

Obwohl selbst der Rechtsexperte Dr. Thomas Burmeister, engagiert im Auftrag der „12“, Einwände der „9“ als berichtigt lobte.

Selbst das reichte nicht zur Einsicht.

Bezeichnend für die „eine Sicht“ der „12“ ist ihr demokratisches Selbstbewusstsein. Sie begreifen Demokratie als die Macht der Mehrheit, also des „12:9“.

Damit haben sie vordergründig recht. 12 sind mehr als 9.

Demokratie ist aber mehr als eine reine Zahl – abhängig von der Definition.

Demokratie heißt auch, sich über reine „Machtverhältnisse“ hinaus nach dem Sinn und Zweck der Gemeinschaft zu fragen.

Eine Demokratie, die sich einzig und allein darüber definiert, die Mehrheitsmacht zu haben, ist keine.

Eine solche Demokratie ruft zur Debatte darüber auf, ob die Mehrheit wirklich darüber bestimmen können sollte, was alle betrifft. Und immer dann wird die Debatte gefährlich. Aus Sicht der „12“? Keine Einsicht. Nur eine Rottenreaktion. Genau das ist gefährlich. Einsicht? Keine Fragen – nur zwölf Hände, die hoch gehen. Manche ausdruckslos, manche entschieden, viele „siegessicher“.

Wenn die Mehrheit eine absolute Überzeugung ohne Fragen auch über die eigene Position ausmacht, muss die Frage gestellt werden dürfen, ob es sich noch um eine Demokratie oder um Absolutismus handelt.

12:9 hat gute Aussichten als Absolutismus:Demokratie in die Geschichte Heddesheims einzugehen.

Als Synonym für zwölf Waggons ohne Anschluss und neun Kontrolleure ohne Kontrolle.

Jede Bürgerin, jeder Bürger muss sich selbst fragen, ob sie/er lieber von fraglosen Gemeinderäten vertreten wird, die behaupten, damit das Wohl der Gemeinde zu fördern oder von den anderen, die Fragen stellen.

12:9 steht für zwölf Waggons auf dem Abstellgleis und neun, die auf Anschluss warten.

hardyprothmann

Anmerkung der Redaktion: Hardy Prothmann ist verantwortlich für das heddesheimblog.