Mittwoch, 22. März 2023

Die neue Informationsbroschüre – kritisch betrachtet

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Download: Klicken Sie, um die Broschüre (A2572.pdf) von der Seite der Gemeinde zu laden (10 MB).

Heddesheim, 29. Mai 2010. Am Mittwoch wurde die neue Informationsbroschüre „Leben in Heddesheim“ vorgestellt. Sie soll vor allem Neubürgern eine Orientierung bieten. Das tut sie nur, wenn man sich ausgiebig mit ihr beschäftigt. Dann fallen aber auch viele Ungereimtheiten auf.

Von Hardy Prothmann

Die perfekte Informationsbroschüre ist wahrscheinlich bis heute noch nicht erfunden worden – auch nicht mit dieser neuen Broschüre.

Der Heddesheimer Alexander Lenhart hat das neue Erscheinungsbild der Gemeinde im Rahmen seines Kommunikationsdesign-Studiums an der Hochschule Mannheim als Bachelor-Arbeit erstellt.

Die Farben leiten nicht zufriedenstellend.

Das hat er auf den ersten Blick ganz ordentlich gemacht. Kennzeichnend ist eine stilisierte Tabakscheune, die Hausfarbe Ocker leitet sich ebenfalls vom Tabak ab. Auf den zweiten Blick fehlt es aber an einer Kommunikation der Broschüre mit dem Nutzer. Sie ist unübersichtlich gestaltet. Die Farben allein geben keine Orientierung.

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Problem Farbgebung: Macht das alles Sinn?

Tatsächlich fangen hier die Fragen an: Der Tabakanbau war über viele Jahrhunderte prägend für den Ort, ist das aber schon lange nicht mehr. Wahrscheinlich wird schon bald überhaupt kein Tabak mehr in Heddesheim angebaut.

Für meinen Geschmack wäre eine grüne Farbgebung als Freizeit- und Wohngemeinde sinniger gewesen. Denn das will Heddesheim sein. Von den über 11.000 Einwohnern sind nur siebzehn Bauern und nur einige wenige bauen noch Tabak an. Aber das ist nur eine Meinung.

Mit der Farbgebung gibt es weitere Probleme. Unter der Gemeinde Heddesheim im Farbton Ocker gibt es neun Punkte auf Seite 6. Auf Seite 5 werden viel mehr Inhalte unter der Gemeinde angegeben – auf 28 Seiten. Ein gezieltes Aufschlagen, beispielsweise von „Was erledige ich wo?“ ist nicht möglich, das gibt das Inhaltsverzeichnis nicht her. Es gibt auch am Ende kein Schlagwortverzeichnis. Informativ ist das nicht, sondern mühsam, weil man immer wieder durchblättern muss, wenn man etwas sucht.

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Auch die Orientierung auf Seite 6 fällt schwer, ist sie doch nicht alphabetisch. Wieso der Golfclub an erster Stelle unter „Freizeit Heddesheim“ steht und die „Nordbadenhalle 1“ als Punkt 3 aufgeführt ist, die „Nordbadenhalle 2“ aber als Punkt 5 und dazwischen das „Tennisgelände“ ist unklar und folgt einer unbekannten Logik.

Ebenso die Nennung von Punkt 6 auf Seite 6 unter Gemeinde Heddesheim: Autobahnanschluss A5 steht dort. Gehört der der Gemeinde? Wohl eher nicht.

Redaktionelle Fehler.

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Der Bahnhof heißt künftig Heddesheim/Hirschberg - nicht so in der Informationsbroschüre.

Auf Seite 18 und 19 erscheint ÖPNV – öffentlicher Personennahverkehr. Der wird auf Seite 5 genannt, auf Seite 6 steht aber unter Punkt 2 „OEG Bahnhof“ und unter Punkt 3 „DB-Bahnhof Großsachsen/Hedd.“ Der DB-Bahnhof wurde per Gemeinderatsbeschluss in „Heddesheim/Hirschberg“ umbenannt, wird aber die nächsten Jahre in der Informationsbroschüre den alten Namen tragen. Ein vermeidbarer Fehler, der wiederholt wird, beispielsweise auch unter „Wirtschaft und Wirtschaftsförderung“.

A propos Namen: Auch die Johannes-Kepler-Schule wird als eigenständige Schule genannt. Im Begleittext wird zwar eine Veränderung beschrieben – aber nicht, dass die neue Leitung bei der Martin-Stöhr-Schule in Hirschberg liegt – denn der gemeinsame Name ist noch nicht gefunden. Dafür wird vom Namen Johannes-Kepler-Schule aber reichlich Gebrauch gemacht.

Auch die Sonderstellung des Bürgerhauses in Türkis ist nicht klar – gehört das nicht zur Gemeinde Heddesheim wie der „Dorfplatz mit Tiefgarage“?

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Banken-Promotion: Welche Wirtschaft wird hier gefördert?

Dafür erscheinen auf Seite 5 unter „Gemeinde Heddesheim“ die Einträge „Wirtschaft, Banken“ und auch „Vereine/Verbände/Organisationen“. Die Vereine standen früher unter Freizeit – sind die eingemeindet worden? Und die Wirtschaft sowie die Banken erscheinen auf Seite 34 und 35 unter „Wirtschaft und Wirtschaftsförderung“. Dort werden hauptsächlich die Gewerbegebiete angesprochen sowie die Unterdorf- und die Oberdorfstraße. Gehören alle Unternehmen, die sich nicht dort befinden, nicht zur Wirtschaft?

Was die Kirchen unter „Familie und Soziales“ verloren haben, ist auch nicht klar. Sind diese nicht für Singles da? Und ist ein Gottesdienst eine soziale Einrichtung? Doch wohl eher ein religiöser Akt. Und die Schulen gehören doch eher unter Bildung? Ebenso die VHS und die Bücherei?

Und wieso die Farbe „Rosa“ „Geborgenheit“ vermitteln soll, ist auch nicht klar, denn das tun eher dunkle, satte Farben. Rose steht heute eher für Weiblichkeit, aber auch Homosexualität. Eindeutig ist hingegen Grün – Sport, Freizeit, Natur sind damit eindeutig assoziiert.

Der Freizeitwert wird inhaltlich auf Seite 10 unter „Wir über uns“ erst am Ende der zweiten Spalte erläutert. Zuvor heißt es allerdings: „Durch die verkehrsgünstige Lage an den Autobahnen… ist Heddesheim ein gefragter Wohnort mit hohem Freizeitwert.“ Wieso Autobahnen einen hohen Freizeitwert begründen, wird nicht klar.

Der wichtigste Teil, die Kontaktdaten, sind irgendwo zu finden.

Der vor allem für ältere Menschen wichtigste Teil, Kontaktdaten zu Verwaltung und anderen Einrichtungen erscheint erst ab Seite 20. Wenigstens wird hier eine alphabetische Ordnung unter „Was erledige ich wo?“ angeboten. Das gilt auch für „Vereine, Verbände und Organisationen“ auf den Seiten 28-33.

Leider sind auch redaktionell einige Fehler zu finden. So leitet immer noch Pfarrer Heiner Gladbach die katholische Kirchengemeinde St. Remigius – das aber hat längst „kommissarisch“ Regionaldekan Klaus Rapp übernommen. Und die Leiterin der Hans-Thoma-Grundschule, Frau Gertrud Junghans, heißt in der Broschüre „Getrud“.

Wieso statt „Uhr“ das Zeichen „h“ verwendet wird, ist unklar, ebenso ist es kein einheitliches Auftreten, wenn die Gemeinde im Internet unter heddesheim.de firmiert, die Volkshochschule aber unter vhs.heddesheim.net.

Unter „Freizeit“ steht auf Seite 50 der Punkt 2 „Freibad mit Badesee“, gefolgt von Punkt 14 „Hallenbad“ , gefolgt von Punkt 6 „Kunsteisbahn“ und von Punkt 1 „Golfclub“. Hat das Methode? Und wenn ja, welche?

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Auch der Dialekt hat ein Recht auf richtige Schreibweise.

Unvermittelt taucht auf Seite 64 (die Seitenzahl fehlt, wie sehr oft im Heft) unter Heddesheimer Traditionen nun wieder in Ocker ein „traditionelles Gericht“, die „vaschlubbde Aija“ auf. Schön im Dialekt geschrieben – mal abgesehen davon, ob die „Transkription“ tatsächlich zutreffend ist, in dem kurzen Text sind gleich zwei Fehler: einmal wird „unn“ mit drei „n“ geschrieben, ein anderes mal steht „und“ im Text, „danach“ heißt einmal „danoch“ und einmal „nodad“… Weiter findet sich „ck“, was vermutlich eher ein „gg“ sein müsste und auslautendes „t“, was eher ein „d“ sein sollte. Als „Noigeplaggde“ will ich mich hier aber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

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Unterstützungsbedürftiges Gewerbe...

Auf der gefühlten Seite 66 (keine Seitenzahl) steht dann: „Bitte unterstützen Sie unsere Gewerbetreibenden…“ Es gibt in der Broschüre viele Formulierungen, die leider dem gestelzten Beamtendeutsch entspringen, aber muss das sein: „Bitte unterstützen Sie…“? Sind die Gewerbetreibenden notleidend? Und was machen Betriebe wie die „Viernheimer Stadtwerke“ darunter, die sicherlich kein Heddesheimer Betrieb sind?

Und hier wundere ich mich als Unternehmer umso mehr, als auch ich gerne die „kostenlose Verteilung“ der Broschüre mit einer Anzeige unterstützt hätte. Immerhin ist das heddesheimblog die einzige eigenständige journalistische Redaktion im Ort, ist eine Unternehmensneugründung, deutschlandweit in der Branche bekannt und gilt vielen als Modell für die Zukunft des Lokaljournalismus. Es gab keine Information über die Werbemöglichkeit, keine Anfrage. Der Grund: unklar.

Optimaler Einblick?

Vielleicht sollte ich mich deswegen an die kommunale „Wirtschaftsförderung“ wenden. Wo war die noch einmal zu finden? Irgendwo zwischen Seite 10 und 37. Das weiß ich aber nur, weil ich die ganze Broschüre durchgeblättert habe. Nur blöd, dass ich mir die Seitenzahl nicht gemerkt habe.

Also blättere ich noch einmal, angefangen beim „Inhaltsverzeichnis – für einen optimalen Einblick in unsere Gemeinde“ auf der gefühlten Seite 5, denn auch hier fehlt die Seitenzahl, ebenso wie ein Hinweis auf die Inserenten ab Seite 67.

Wer will, kann der Gemeinde eine Rückmeldung (modern „Feedback“) geben:

„Um ein Feedback zu bekommen, sind die Leserinnen und Leser der neuen Broschüre dazu aufgerufen, ihre Meinung an die Gemeinde zu übermitteln. Bitte senden Sie uns dazu bitte eine E-Mail an broschuere@heddesheim.de. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.“

Wofür die Anregungen allerdings gut sein sollen, verrät die Gemeinde nicht. Die Broschüre ist gedruckt.

Link:
Wer möchte, liest beim Mannheimer Morgen nach, wie dort über die Informationsbroschüre berichtet wurde. Denn es ist immer besser, sich aus mehr als einer Quelle zu informieren…
Und weils so schön ist, noch ein Text: Informationen satt…

Über Hardy Prothmann

Hardy Prothmann (50) ist seit 1991 freier Journalist und Chefredakteur von Rheinneckarblog.de. Er ist Gründungsmitglied von Netzwerk Recherche. Er schreibt am liebsten Porträts und Reportagen oder macht investigative Stücke.