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Heddesheim, 25. Oktober 2010. Die Gemeindeverwaltung Heddesheim erklärt auf Nachfrage, dass auf einem für eine Wildblumenweise geplanten Gelände in der Nähe des Badesees zwei Mal das Mittel U46-M fluid gespritzt wurde. Angeblich geht von dem Mittel keine Gefährdung aus und angeblich wirkt es nur gezielt gegen Disteln.

Gespritzte "Blumenwiese". Bild: heddesheimblog
Die Gemeinde Heddesheim beantwortete unsere email vom 15. Oktober 2010 am 20. Oktober 2010 – zunächst ohne Angabe des Namens des eingesetzten Produkts, schickte auf Nachfrage aber das Datenblatt zu U46-M Fluid.
Besonders interessant: Es handelt sich um ein günstiges Mittel, um Disteln in Getreidefeldern zu bekämpfen. Im vorliegenden Fall wurde aber ein Gelände gespritzt, auf dem „Wildblumen“ angepflanzt werden sollen und keinesfalls Getreide.
Die Gemeindeverwaltung unterstellt, dass die Distel das Hochkommen der Blumen „erschweren, wenn nicht sogar verhindern“ würde. Dabei ist nicht die Distel der größte „Verhinderer“, sondern der Boden. Stark überdüngte Böden werden von der Distel und auch der Brennessel bevorzugt – die allermeisten „Wildblumen“ lieben aber nährstoffarme Böden und wachsen nur schlecht auf stickstoffhaltigen Böden. Disteln hin oder her.
Die Antwort lautete:
„Es handelt sich um ein zugelassenes Unkrautvernichtungsmittel zur Entfernung von Disteln, das in Abstimmung mit Fachleuten eingesetzt wird. Es ist zugelassen für alle Getreidearten und auf Grünland und wirkt speziell gegen Disteln.
Das Mittel wurde zwei Mal aufgebracht. Vor sechs Wochen war der Bauhof selbst dort. Da nun das Wetter noch gut war und der Distelbefall weiterhin stark war, wurde es ein zweites Mal aufgebracht. Dies geschah durch eine Fachfirma.
Insbesondere war die Maßnahme notwendig, um die Voraussetzungen für die Aussaat einer Wildblumenwiese auf dem betroffenen Grundstück zu schaffen (Umpflügen). Ohne diese Maßnahme würde – selbst nach dem vorgesehen Umpflügen – die Distel erneut wachsen und würde die Aussaat der Wildblumenmischung erschweren, wenn nicht sogar verhindern.
Es liegt ein konkretes Datenblatt zur Verwendung des Mittels vor, darin sind Anwendungshinweise beschrieben. Ausweislich dieses Datenblattes gibt es keine Hinweise auf Gefährdungen von Mensch und Tier beim Einsatz dieses Mittels. Es gibt im Datenblatt des Distelbekämpfungsmittels auch keinen Hinweis auf einen Einfluss auf Nutzorganismen wie Bienen. Es ist giftig für Algen und höhere Wasserpflanzen. Es gibt keine Auflagen für Wasserschutzgebiete.
Es handelt sich um ein in der Landwirtschaft gängiges Distelbekämpfungsmittel im Getreideanbau.
Der Einsatz kostet 200 Euro für das Ausbringen des Distelbekämpfungsmittels und 87 Euro für den Einkauf.“
Das Mittel wird speizell gegen die Ackerkratzdistel eingesetzt – eine Kulturfolgerpflanze, die durch die von Menschen geschaffenen Äcker optimale Bedingungen gefunden hat. „Umpflügen“ ist kein geeignetes Mittel, um sie zu bekämpfen, sondern sogar eher kontraproduktiv: „Die vegetative Vermehrung dieser Art erfolgt durch Wurzelsprosse, die aus den tief im Boden liegenden, annähernd waagerecht verlaufenden Ausläuferwurzeln hervorgehen. Es liegt demnach ein Wurzelpionier vor, der auf Äcker und Weiden ein gefürchtetes „Unkraut“ darstellt. Sogar aus kleinen abgehackten Wurzelstückchen können neue Pflanzen austreiben.“ Die Wurzeln reichen bis zu 2,8 Meter tief.
Tatsächlich schädigt das Mittel nicht nur die Ackerkratzdistel, sondern auch andere Pflanzen: „Gut bekämpfbar: Ackerdistel, Ackersenf, Gänsefuß-Arten, Hederich, Hirtentäschel, Melde, Wicke u.a.“, sowie “ Binsen, Hahnenfuß, Klappertopf, Löwenzahn, Sumpfschachtelhalm, Wegerich, Wiesen-Storchschnabel“.
Als weniger „gut bekämpfbar“, aber immerhin schädigend, wirkt das Mittel auch: „Ackerhohlzahn, Ackerwinde, Hahnenfuß, Hellerkraut (Pfennigkraut), Kornblume, Mohn, Spörgel, Taubnessel u. a., Ampfer, Disteln, Weinbergslauch“, sowie „nicht ausreichend bekämpfbar“, aber ebenfalls noch schädigend: „Ampfer, Ehrenpreis, Erdrauch, Huflattich, Kamille, Klettenlabkraut, Knöterich, Vogelmiere und Bärenklau, Schafgarbe, Brennnessel, Wiesenkerbel, Huflattich, Wiesenknöterich.“
Das Mittel ist giftig für Algen und höhere Wasserpflanzen. Eine Gewässerschutzauflage besteht aber nicht.
„Jeder Kontakt mit dem Mittel“ soll laut Datenblatt vermieden werden, denn sonst kann es „zu Gesundheitsschäden“ kommen. Empfohlen wird Schutzkleidung.
Während und kurz nach der Spritzung des Geländes kann es also sehr wohl zu Hautreizungen und Gesundheitsschädigungen beim Kontakt mit dem Mittel kommen. Denkbar bei Tieren (Hunde, Katzen, Vögel, Wildtiere), die sich im gespritzten Gelände aufhalten, ebenso Spaziergänger oder auch „Pflanzensammler“.
Eine Aufstellung von Hinweisschildern über eine aktuell erfolgte Spritzung muss also als sinnvoll erachtet werden.
Das Mittel wirkt, indem es den Stoffwechsel der Pflanzen anregt, sich also schneller wachsen lässt, als sie sich selbst versorgen können. Letztlich verhungert die Pflanze wegen des schnellen Wachstums und stirbt ab.
Man kann der Pflanze auch ökologisch ohne Gift zu Leibe rücken, wie der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen beschreibt – das erfordert allerdings den Willen, sich ökologischer Mittel zu bedienen.
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