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Rhein-Neckar/Weinheim, 25. MĂ€rz 2011. Die Landtagswahl am kommenden Sonntag, den 27. MĂ€rz 2011, wird von vielen mit Spannung erwartet. CDU und FDP fĂŒrchten den Machtverlust, die CDU gar zum ersten Mal nach 58 Jahren an der Regierung. BĂŒndnis90/Die GrĂŒnen und SPD hingegen hoffen auf den „Politikwechsel“. Sicher ist – es bleibt spannend, bis die Wahllokale am Sonntag um 18:00 Uhr geschlossen haben werden und die Stimmen ausgezĂ€hlt sind. Spannend wird sein, wie viele Stimmen Schwarz-Gelb verlieren werden – auf Zugewinne dĂŒrfen CDU und FDP kaum hoffen.
Von Hardy Prothmann
Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass der Ausgang der Wahl sehr eng werden wird.
BrĂŒderles Gau
Was hingegen sicher sein dĂŒrfte: Es wird ein neuer Bundeswirtschaftsminister gesucht, nachdem Rainer BrĂŒderle (FDP) bei einer Sitzung mit Unternehmern „zu Protokoll“ (hier bei Spiegel Online abrufbar) gegeben haben soll, dass das Atom-Moratorium nur ein Schachzug wegen des Wahlkampfs sei. BrĂŒderle bestreitet das heftig, aber keiner glaubt ihm – oder vielmehr, alle glauben, dass er das gesagt hat. Denn an eine Kehrtwende der atomar betriebenen CDU/FDP-Regierung glaubt niemand wirklich.
Das war der wahlkĂ€mpferische Super-Gau auf bundespolitischer Ebene. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Forsa-Umfrage liegt Schwarz-Gelb mit 43 Prozent klar mit fĂŒnf Prozentpunkte hinter SPD und GrĂŒnen, die nachh der Prognose 48 Prozent holen werden.
Leider gibt es keine Umfragen auf Wahlkreisebene – es wĂ€re natĂŒrlich sehr interessant zu wissen, wie die Stimmung im Wahlkreis 39 ist. Die Atomdebatte hat auch hier die Menschen beherrscht.
Mappus kommt nicht an – Kretschmann punktet
Der Besuch des MinisterprĂ€sidenten Stefan Mappus in Heddesheim in Begleitung von Kandidat Georg Wacker im Februar interessierte gerade mal 120 GĂ€ste – viele sind politikmĂŒde. Das war allerdings vor der Atom-Katastrophe in Fukushima und Mappus sowie die CDU hatten sich scheinbar vom Stuttgart21-Desaster gerade einigermaĂen erhohlt.

Die Landtagswahl 2006 war ein Desaster fĂŒr die SPD, die 10,7 Prozentpunkte verloren hat. Die GrĂŒnen gewannen 4,4 Prozentpunkte. Quelle: SLA BW
Als sein Herausforderer Winfried Kretschmann Anfang der Woche in Weinheim zusammen mit Kandidat Uli Sckerl auftrat, kamen 250 Menschen. Seit drei Wochen schauen auch hier die Menschen gebannt und entsetzt nach Japan. Die AusmaĂe der Katastrophe sind bis heute unklar. Klar ist nur, sie kostet viele Menschen das Leben und die Existenz und die Welt ist nicht mehr wie zuvor.
Atomausstieg beherrscht die Debatte
Das mieseste Argument, das der CDU-Wahlkampf zu bieten hat, ist, dass „diese Katastrophe den GrĂŒnen gerade recht kam und diese nun das UnglĂŒck der Menschen schamlos ausnutzen.“ Wer so redet, hat kein SchamgefĂŒhl, sondern sucht noch die niedertrĂ€chtigste Unterstellung, die ihm einfĂ€llt, nur um nicht zugeben zu mĂŒssen, was alle Welt sehen kann: Atomkraft ist nicht sicher, das Restrisiko ist nicht beherrschbar und die Technologie ist ein Irrweg.
Man muss BĂŒndnis90/Die GrĂŒnen nicht mögen – aber diese Partei fordert seit ĂŒber 30 Jahren den Ausstieg und die aktuellen Ereignisse geben ihr leider recht.
Auf der anderen Seite stehen CDU und FDP. Deren Verhalten ist schamlos – denn das „Moratorium“ ist nur Wahltaktik. Stefan Mappus ist einer der „brachialsten BefĂŒrworter“ der Atomenergie, sagt Herausforderer Winfried Kretschmann und hat recht.
Vernunftwahl
Baden-WĂŒrttemberg hat viele grĂŒne Spitzenpolitiker wie Fritz Kuhn hervorgebracht. Also Leute, die auch in anderen Lagern als regierungsfĂ€hig gelten. Oder mit einem Wort: „VernĂŒnftig“. Vernunft ist eine wichtige Eigenschaft in diesem „Entwicklerland“.
Wie viel Wert die Menschen auf „Vernunft“ legen, zeigt sich in der kommunalpolitischen RealitĂ€t. Hier stellen die „freien WĂ€hlergruppen“ (wozu auch die grĂŒn-alternativen Listen gehören) mit gut 42 Prozent lĂ€ngst die meisten GemeinderĂ€te im Land, weit vor der CDU – lokal wenden sich die WĂ€hler immer mehr von den klassischen Parteien ab.
Schule, Verkehr, Energie sind die Top-Themen
Wer genau hinschaut, erkennt, dass auch im Wahlkreis 39 deutliche VerĂ€nderungen bei den „MachtverhĂ€ltnissen“ im Gange, auch wenn man fast davon ausgehen kann, dass der CDU-Kandidat und BildungsstaatssekretĂ€r Georg Wacker das Direktmandat gewinnen wird. Wacker ist ein umgĂ€nglicher Typ, immer sehr korrekt. Er „gefĂ€llt“ vielen und ist sowas wie eine sichere Bank. Bei der Wahl 2006 hat die CDU zwar 3.200 Stimmen, aber keine Prozentpunkte verloren und blieb mit 42,6 Prozent klar stĂ€rkste Partei. Die missratende Schulreform dĂŒrfte ihm aber zu schaffen machen.
Fraglich ist, ob die FDP-Kandidatin Dr. Birgit Arnold punkten kann. Zwar ist Bundespolitik nicht Landespolitik, aber die schlechte AuĂenwirkung der Bundes-FDP wird sicher keine zusĂ€tzlichen Stimmen bringen. Und auch das Hick-Hack in der Schulpolitik hat viele Menschen unzufrieden gemacht. Zudem wirkte Frau Arnold hĂ€ufig besserwisserisch und wenig kompromissbereit. Ihre „wir-sind-die-Besten“-Haltung konnte nicht ĂŒberzeugen. Bei der Wahl 2006 hat sie trotzdem immerhin 2,8 Prozentpunkte gewonnen.
Der SPD-Kandidat Georg Kleinböck scheint auf einem guten Weg zu sein und die Herzen der Menschen anzusprechen. In Ladenburg ist im das beispielsweise sehr gut gelungen – die Debatte um eine mögliche FuĂgĂ€ngerzone hat er angefach, aber nicht fĂŒr sich entschieden. Der Gegenwind war enorm. Aber er hat sich eindeutig gegen Stuttgart21 (und damit die landespolitische SPD-Linie) gestellt und auch in Sachen Ausstieg aus der Atomkraft wirkt er glaubwĂŒrdig. Aber er ist ein „nachgerĂŒckter“ Abgeordneter und muss sich erstmals als Kandidat beweisen. Sein VorgĂ€nger Hans Georg Junginger hat keine gute Basis hinterlassen, 10,7 Prozentpunkte hatte die SPD 2006 verloren.
Uli Sckerl, Innen-Experte der GrĂŒnen, ist der prominenteste Kandidat, der zuletzt durch den Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz „Stuttgar21“ sogar bundesweit bekannt geworden. Auch bei der „Polizeipitzel“-AffĂ€re in Heidelberg hat er sich klar positioniert, was ihm viele Sympathien bei jungen WĂ€hlern eingebracht haben dĂŒrfte. Beides sind „Polizei-„, also Sicherheitsthemen. Sckerl gibt sich glaubwĂŒrdig als „Freund der Polizei“, aber als entschiedener Gegner der PolizeifĂŒhrung auf Landesebene. In einem Kabinett unter Leitung von Winfried Kretschmann wird er eine herausragende Position einnehmen, manche handeln ihn als möglichen Innenminister bei einem Wahlsieg.
Wieviel verlieren CDU und FDP und SPD?
Der Wahlkreis Weinheim (39) wird fast sicher Schwarz-Gelb bleiben. Man kann davon ausgehen, dass Georg Wacker Punkte abgeben muss, trotzdem aber das Direktmandat erhĂ€lt. Birgit Arnold kann nur darauf hoffen, dass sie (siehe Verluste nach den Umfangen) nicht zu viele Punkte verliert und ein paar von Wacker holt – eine andere Quelle gibt es nicht.
Uli Sckerl wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls Stimmen aus dem CDU-Lager holen und vermutlich noch mehr SPD-Stimmen holen können.
Gerhard Kleinböck wird froh sein dĂŒrfen, wenn es dabei bleibt und nicht nochmals viele WĂ€hlerstimmen zu Die Linke abwandern.
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