Guten Tag!
22. Oktober 2009
Kommentar: Hardy Prothmann
Wir haben intensiv über die „Kerwe“ berichtet, die aus mehr besteht, als einem „Fahrgeschäft“ und Preisen für Wurst, Pommes und gebrannte Mandeln. Die Kerwe hat eine lange und wichtige Tradition – und damit ist eine kritische Betrachtung auch berechtigt. Ein Kommentator kommt zu dem Schluss: „Die Kerwe ist tot“. Ist sie das?
Die vielen feierenden Menschen belegen das Gegenteil. Die vielen, die nicht daran Teil genommen haben, bestätigen die These.
Die Kerwe hatte früher etwas mit Religion zu tun. Sie war geschichtlich betrachtet ein wichtiges soziales und auch politisches Ereignis. Das Kirchweihfest. Am Ende der Ernte. Wenn alles getan war – vor der besinnlichen Zeit.
Die Krise der Kerwe hat ausnahmsweise nichts mit der Globalisierung zu tun – sondern nur mit uns selbst.
Die Frage, ob wir noch „Kirchweih“ feiern wollen  hat sich erledigt, betrachtet man die sinkenden Zahlen der Mitglieder der Kirchen – und der aktiven Kirchgänger.
Was bleibt? Der Rummel. Der ist woanders größer – mit ziemlicher Sicherheit in Fußballstadien und im Fernsehen.
Fahrendes Volk brachte früher neue Nachrichten und spannende Momente ins Dorf. Heutzutage weiß man Monate im voraus, wann die Buden kommen und die Karussellbremser, die es schon lange nicht mehr gibt.
Die Kerwe als Kerwe hat also nur noch ein Chance in der Tradition. Das bedeutet aktive Gestaltung der Vergangenheit mit dem Willen auf deren Zukunft.
Der Mannheimer Morgen berichtet: „Liebesglück war nur von kurzer Dauer“.
Vordergründig beschreibt dessen Bericht eine Binse. Liebesglück ist immer nur von kurzer Dauer, wenn man nur den Moment betrachtet.
Die Kerwe und die Anstrengungen des Heimat- und Traditionsvereins und der Kerweborscht sind mehr. Es geht um Traditionen, um den Jahreslauf, um die Chance, nach getaner Arbeit einfach mal die „Sau raus zu lassen“ und die später zu verlosen.
Menschen brauchen Feste, in denen sie sich wieder finden. Insofern war die Kerwe ein wichtiger Beitrag für viele Heddesheimer ein Stück Gesellschaft herzustellen.
Doch das wird in der Tradition der Kirchweih immer schwerer – vor allem, weil die Kirchen und ihre Vertreter eine immer geringere Rolle im Leben der Menschen spielen.
Die Kerwe verliert Teilnehmer – ebenso wie das „traditionelle Wellfleischessen„. Warum?
Weil heute keine Kirchen mehr eingeweiht werden und sich niemand Speck vor dem (harten) Winter anfressen muss.
Wer heute Kerwe feiert oder Wellfleisch isst, bekennt sich zu überkommenen Traditionen.
Wenn diese Traditionen geeignet sind, die Menschen zusammen zu führen, sind sie zu begrüßen.
Wenn sie nur aus Routine veranstaltet werden, kann man getrost auf sie verzichten.
Die Redaktion des heddesheimblogs hatte deswegen viel Freude an der Begleitung der Veranstaltungen des Heimat- und Traditionsvereins.
Ein wenig mehr „Routine“ wäre aus Planungsgründen wünschenswert gewesen – aber die Gaudi hat das aufgewogen.
Die Kerwe soll wieder „in den Ort kommen“ fordern viele.
Die Forderung ist berechtigt, wenn es um das Bewusstsein und die Tradition geht. Die hat nichts mit „Fahrgeschäften“ zu tun, sondern mit dem Leben der Menschen und dem Rhythmus der Jahreszeiten.
Eine solche Kerwe, als Veranstaltung der Menschen – und nicht nur als Rummel ist sicherlich möglich „in den Ort zu holen“.
Wenn alle mitmachen – auch für die, die Kerwe als Entweihung verstehen.
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