Guten Tag!
Heddesheim, 10. Januar 2011. Diese Woche war relativ ereignislos in Heddesheim. War sie das? Überhaupt nicht. Sie startete mit Berichten über „Sachlichkeit und Fairness“, die sich selbst und deren Wortführer ad absurdum führen.
Von Hardy Prothmann
Die Berichte im Mannheimer Morgen am 10. und 12. Januar 2011 haben mich geschockt.
Als Bürger. Als Journalist. Als Gemeinderat.
Als verantwortlicher Journalist für das Heddesheimblog stelle ich fest, dass Bürgermeister Michael Kessler den Neujahrsempfang und den Neubürgerempfang für eine Art inoffizieller Pressekonferenz missbraucht hat.
Das ist für Herrn Kessler nicht ungewöhnlich. Das Pressegesetz legt er sehr „frei“ aus.
Und dass der Mannheimer Morgen sich als Komplize am Missbrauch beteiligt, ist nicht ungewöhnlich.
Journalistische Ehre hat wenig Bedeutung für den Mannheimer Morgen und seine Mitarbeiter.
„Wundert“ irgendjemanden diese „exklusive“ Berichterstattung?:
Beim Neujahrsempfang wird der Fortuna quasi ein Kunstrasenplatz als „Geburtstagsgeschenk“ versprochen (eine sicherlich enorme Investition) und beim Neubürgerempfang wird die neue „Leiterin“ der Volkshochschule im Vorbeigehen „präsentiert“.
Neujahrsansprache mit Rätseln.
Als Gemeinderat habe ich keine Ahnung, wovon Herr Bürgermeister Kessler eigentlich spricht, respektive, was er da verlautbaren lässt.
Nicht, weil ich mich nicht interessieren würde, sondern, weil ich nicht darüber informiert worden bin.

Die Stimmung ist zu erkennen: Ratlosigkeit. "Bürgerinformation" im April 2009. Die "Emotionen kochen hoch".
Mir ist weder bekannt, dass die Fortuna zum Geburtstag einen Kunstrasenplatz erhalten soll, noch kenne ich den Namen „Theresia Brück“, noch wurde mir die Dame vorgestellt, noch weiß ich als einer von 23 Mitgliedern des Gemeinderats, dass schon beschlossen wurde, dass sie die neue Leiterin der VHS sein wird, die seit 1983 von Frau Ursula Brechtel geleitet wird/wurde.
Und als Bürger frage ich mich: Was ist eigentlich los in dieser Gemeinde? Lässt man sich hier einfach ein X für ein U vormachen oder hat das Folgen?
Zur Sache.
Den Satz muss man mehrmals lesen, um zu verstehen, was Frau Görlitz denkt, wie sie denkt und für wen sie denkt. Und genauso für wen nicht, was nicht und wie nicht.
Vollständig fassungslos macht aber jeden, der sich für die Gemeinde Heddesheim interessiert, dieser Satz zur „Pfenning“-Ansiedlung: „Ein Verfahren mit einem bei uns noch nie dagewesenen Umfang an Bürgerbeteiligung“, so Kessler, der eben darin einen Unterschied zu „Stuttgart 21″ sieht.“
Bürgerbeteiligung? In Heddesheim? Ein Schock.
Wer sich für Heddesheim interessiert und die Debatte um diese „Pfenning“-Ansiedlung interessiert verfolgt hat, versteht meinen Schock.
Kann es sein, dass ein bürgerferner Bürgermeister Kessler tatsächlich diesen Satz gesagt hat? Und kann es sein, dass eine bürgerferne Journalistin diesen einfach so aufschreibt?
Zur Erinnerung. Als der „100-Millionen-Euro-Kessler“ im April 2009 die Bürger über die geplante „Pfenning“-Ansiedlung „informierte“, war schon alles entschieden. Für die Bürger gab es keine Möglichkeit der „Beteiligung“ mehr.

Komplett andere Bildsprache. Applaus, Applaus, Applaus. Positiv soll es sein.
Aufgrund der massiven Sorgen und Unzufriedenheit der Bürger kam es erst zu einer kommunalpolitischen Sensation: Die Wähler verschafften den „Grünen“ einen sensationellen Erfolg. Die stellen nunmehr sechs, statt vorher drei Gemeinderäte.
Die vollkommen aussichtlosen Kandidaten Michael Bowien (SPD) und ich (FPD-Liste, parteilos) wurden aus dem Stand an sehr vielen „verdienten“ Persönlichkeiten vorbei tatsächlich gewählt.
Im Sommer 2009 wurde für 35.000 Euro ein Unternehmen (IFOK) engagiert, dessen „Spezialität“ es ist, „Konflikte zu lösen“, sprich, dem „Auftraggeber“ Stress zu ersparen.
Als die IFOK fertig war, kam es zu einer Bürgerbeteiligung mit Suggestivfragen, die eine „Mehrheit“ von 0,7 Prozent oder 40 Stimmen bei über 5.000 abgegebenen Stimmen für „Pfenning“ ergab und die fluchs in einen „politischen Willen“ der Bevölkerung umvergewaltigt wurde.
2010 gab es weder einen „IFOK-Dialog“, noch eine Bürgerbefragung, noch sonst eine Bürgerbeteiligung.
Von was also redet Herr Kessler, wenn er von einem noch „nie dagewesenen Umfang von Bürgerbeteiligung“ spricht? Und wo war Frau Görlitz in der ganzen Zeit? Hat sie nichts mitbekommen, weil sie das einfach so hinschreibt, als wäre es wahr?
Es gab weder 2010 noch 2009 eine durch den Bürgermeister Kessler gewünschte noch geförderte „Bürgerbeteiligung“. 2009 war das der „Not“ geschuldet, 2010 hat keine stattgefunden.
Richtig ist allein der Passus: „noch nie dagewesen“. Der beschreibt auch das Dilemma zutreffend – allerdings sehr unabsichtlich.
„Bürgerbeteiligung“ ist in Heddesheim ein Fremdwort. Nicht ganz. BürgerInnen, die alles abnicken und keine Fragen stellen, sind Teil der Heddesheimer Tradition. Kritische Bürger nicht. Und jeder, der sich als BürgerIn am „Verfahren“ kritisch beteiligen wollte, hat seine Lektion erhalten.
Das Ergebnis: Lügen.
Im Ergebnis lügen also sowohl der Bürgermeister als auch seine Hofberichterstatterin Görlitz. Einfach so, wie gewohnt.

Und positiv geht es weiter. Die Bildsprache "Applaus" bleibt: Kein Wort vom Ärger mehr. Schon gar kein Bild von Ablehnung. Vorne rechts im brauen Anzug der "SPD-Chefgrinser" Jürgen Merx nebst Gattin, die 2010 Sekretärin des Bürgermeisters geworden ist und sich langsam, aber sicher in ihrer Rolle zurechtfindet.
Es passt hervorragend aus Sicht des Bürgermeisters und seines Verlautbarungsorgans Mannheimer Morgen, dass „wir insgesamt 2010 eines der besten Ergebnisse der letzten Jahrzehnte erwirtschaften konnten“, zitiert Görlitz ihren Kessler.
Auch das ist eine knallharte Lüge. Kommunen sind keine Wirtschaftsbetriebe. Folglich „erwirtschaften“ sie auch nichts. Sie geben überwiegend aus, was andere erwirtschaftet haben. Ein wichtiger Teil ihrer Einnahmen ist die Gewerbesteuer und hier gab es 2010 höhere Einnahmen, als „vermutet“. Das heißt, die Gemeinde profitiert von der Wirtschaftsleistung der Betriebe am Ort, von der Steuerkraft der BürgerInnen und von Umlagen und Gebühren.
„Natürlich lässt er (Kessler) nicht unerwähnt, dass die Zahlungen der Firma Pfenning neben erheblichen Steuer-Mehreinnahmen Anteil an der derzeit sehr guten finanziellen Lage der Gemeinde haben“, steht im Mannheimer Morgen.
Wer das unaufmerksam liest, hat den Eindruck, dass Pfenning schon Steuern zahlt. Tatsächlich ist das nicht so und das ist auch nicht für die Zukunft zu erwarten, sondern es sind die vorhandenen Betriebe. Und einige davon sind absolut gegen „Pfenning“ eingestellt und spielen mit dem Gedanken, von Heddesheim wegzugehen, wenn „Pfenning“ kommen sollte.
Die „Rücklage“ von knapp sechs Millionen Euro ermögliche die Finanzierung „unserer wichtigsten Ziele“. Die sind, so MM, eine neue Heizung für die „Kepler-Schul“ (die Johannes-Kepler-Schule heißt, aber nicht mehr lange), die Umsetzung des Neubaugebiets am nördlichen Ortsrand (hier verdienen mutmaßlich örtliche Bauern und sonstige Verwandte) und „nicht zuletzt ein Geburtstagsgeschenk für die Fortuna, von dem auch andere Sportler profitieren: ein Kunstrasenplatz anstelle des Hartplatzes im Sportzentrum“, heißt es im MM.
Fairness, blabla, sachlich, blabla.
Und „bei all dem hofft Kessler auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat, bei der wir zwar nicht einer Meinung sein müssen, jedoch stets die Bereitschaft haben sollten, uns sachlich und menschlich fair (…) auseinanderzusetzen“, schreibt die Zeitung.
Bürgermeister Kessler hat durch seine unsachliche und unfaire Leitung des Gemeinderats seit der vergangenen Kommunalwahl durchgehend und „nachhaltig“ bewiesen, dass er der letzte ist, der über „Sachlichkeit und Fairness“ kompetent reden kann.
Darin steht ihm seine in Sachen „Pfenning“ geschlossen-nichtredende Mehrheit von 12:9 in nichts nach. Und auch sonst ist „Sachlichkeit“ und „Fairness“ im Heddesheimer Gemeinderat in etwa so präsent wie Sonnenschein in der Nacht.
Wie verkorkst das Verständnis von Demokratie aus Sicht dieses selbstherrlichen Bürgermeisters und seiner Vasallen ist, dokumentiert die „Journalistin“ Anja Görlitz zwei Tage später.

Im Mitteilungsorgan MM der Gemeinde Heddesheim erscheint dieses mehr als unvorteilhafte Foto aus der "journalistischen Not" geboren, schon drei Monate vor der Wahl eine "gewählte" neue VHS-Leiterin zu präsentieren. Der Verlust des journalistischen Anstands und leider auch der der Dame wird bewusst aufs Spiel gesetzt.
Immerhin, der „MM“ hat recherchiert: „Offiziell wird die Amtsübergabe mit der Wahl Theresia Brücks durch den Gemeinderat. Sie steht voraussichtlich in der März-Sitzung auf der Tagesordnung, wie Hauptamtsleiter Julien Christof auf „MM“-Nachfrage sagte.“
Hätte der „MM“ bei Gemeinderäten nachgefragt, hätte die „offizielle“ Antwort lauten müssen: Frau Theresia Brück ist nicht bekannt. Von einer „Wahl“ kann keine Rede sein, weil es keine Wahl-Alternative gibt. Warum eigentlich nicht? Ist Frau Brück die einzige Bewerberin und wenn ja, warum?
Brechtel im Amt seit 1983 – Brück im Amt, ohne Wahl seit 2011.
Und wenn der „MM“ nachgedacht hätte, hätte er sich die Frage gestellt, wieso Frau Ursula Brechtel (1. stellvertretende Bürgermeisterin) seit 1983 noch niemals „zur Wahl“ gestanden hat, sondern immer wieder im Amt bestätigt wurde. Gab es schon jemals eine Wahl? Andere Bewerber? Echte Bewerber? Wie hat sich Frau Brechtel eigentlich seit 1983 für die Aufgabe weitergebildet? Welche Qualifikationen werden andernorts vorausgesetzt? Das sind interessante journalistische Fragen.
Und ganz unabhängig von so vielen Fragen bleibt die Frage, wieso eine Zeitung eigentlich vermelden kann, dass eine Einzelkandidatin ohne gewählt zu sein und ohne öffentliche Beteiligung einfach so ein Amt übernimmt?
Weil die „Wahl“ im Hinterzimmer zwischen interessierten Geheimkreisen schon entschieden wurde, denken Sie? Sie denken richtig.
Bürgermeister Michael Kessler hat sich den Ort schon längst zur Beute gemacht.
Aufgrund willfähriger Gemeinderatssitzern, einer willfährigen „Presse“ und einer Amtsführung, die von allem geprägt ist, nur nicht von „Sachlichkeit und Fairness“.
Und schon gar nicht vor dem Respekt vor „Bürgerbeteiligung“, Transparenz und gelebter Demokratie.
Die Intoleranz, die Bürgerferne und die Intransparenz der Entscheidungen sind „gelebte Demokratie“ in Heddesheim – zumindest aus Sicht eines Herrn Kessler, seiner „Sprecher“, Josef Doll, Jürgen Merx und Frank Hasselbring und den zumeist „sprachlosen“ Fraktionsmitgliedern.
Die schon Anfang Januar durch einen „Pressebericht“ bestätigte „neue VHS-Leiterin“ Theresia Brück, die „voraussichtlich erst im März“ dazu „gewählt“ wird, ist durch dieses verkrebste Demokratieverständnis schon derart beschädigt, dass man ihr wünschen muss, schnell Reißaus zu nehmen.
Wer wird schon gerne als einzige Kandidatin drei Monate vor der Wahl im Amt bestätigt? Das kennt man sonst nur aus Diktaturen. Oder sagen wir mal, aus „demokratiefernen“ Systemen.
Erstwähler, Hoffnung und Realitäten.
Die „Hoffnung auf mehr Sachlichkeit und Fairness“, verbunden mit der Einladung an „Erstwähler“ zur Landtagswahl im März, hat Frau Görlitz bratwurstig irgendwie in den Artikel reingeschwurbelt. Ebenso wie den Hinweis auf „Stuttgart 21“.
Man darf gespannt sein, wie die Wahl ausgehen wird.
Ob die „Grünen“ zusammen mit anderen den „Machtwechsel“ schaffen, ist offen. Als sicher darf gelten, dass es in Zukunft sehr wohl um das „Trennende“ gehen wird.
„Nicht das Trennende, sondern die Gemeinsamkeit solle in den Vordergrund rücken“, zitiert Frau Görlitz den Bürgermeister Michael Kessler.
Ich vermute mal, dass es eine neue „Gemeinsamkeit“ der Menschen gibt. Die wünschen sich Transparenz und Bürgerbeteiligung. Und diese Menschen wollen sich von intransparenten Strukturen, Vetterleswirtschaft, Hinterzimmerpolitik und Patronage sehr bewusst trennen.
Das könnte eine neue Gemeinschaft ergeben. Zum Wohl der Bürger. Zum Wohl der Gemeinde.
Und nicht zum Wohl derer, die selbstherrlich bestimmen wollen, wem welches Wohl sein soll oder nicht.
Ich bin wie viele BürgerInnen in diesem Land geschockt von der Selbstherrschlichkeit derer, die sich die „Gemeinschaft“ zur Beute gemacht haben.
Und ich stehe wie viele Wähler vor der Frage, ob ich, wenn ich das eine Übel abwähle nicht das andere wähle.
Ich als Journalist stehe für Transparenz. Dafür bin ich auch als Gemeinderat angetreten und dafür setze ich mich auch als Bürger ein.
Als Bürger wünsche ich mir Beteiligung. Als Journalist den Zugang zu und die Verbreitung von Informationen. Und als Gemeinderat ein wenig Würde, um diesen Ehrenamt auch nur ansatzweise „ehrenvoll“ angesichts der „herrschenden Zustände“ ausüben zu können.
Anmerkung der Redaktion:
Hardy Prothmann ist verantwortlich für das heddesheimblog, sowie das hirschbergblog, das ladenburgblog, das weinheimblog und das rheinneckarblog. Er ist seit 20 Jahren als freier Journalist tätig, darunter für fast alle „großen“ deutschen Medien und seit Mai 2009 wieder Lokaljournalist.
Bei der Kommunalwahl 2009 gewann er „chancenlos“ die „FDP-Liste“ als parteiloser Kandidat mit 20 Prozent Vorsprung zu den anderen beiden Kandidaten und ist seitdem partei- und fraktionsfreier Gemeinderat in Heddesheim.
Anmerkung der Redaktion:
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