Mittwoch, 07. Juni 2023

Bürgermeisterstellvertreterin Brechtel verkürzt "eigenmächtig" den Plakatierungszeitraum

Der Ukas

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Brechtel

Stellvertretende Bürgermeisterin Brechtel (Archivbild)

Heddesheim, 12. Februar 2014. (red) Angeblich verhält sich die Gemeindeverwaltung „neutral“ beim Bürgermeisterwahlkampf. Doch eine Entscheidung der Bürgermeisterstellvertreterin Ursula Brechtel (CDU) lässt erheblich an einer „Gleichbehandlung“ zweifeln.

Auf ihre Anweisung hin wurde der Zeitraum, in dem Wahlplakate der Kandidaten ausgebracht werden dürfen, um zehn Tage verkürzt. Die Argumente dafür wirken fadenscheinig.

Von Hardy Prothmann

In allen Pressemitteilung der Gemeindeverwaltung zum Thema „Wahlplakate“ wurde keine Rechtsgrundlage genannt. Aus gutem Grund. Denn es gibt keine. Zumindest keine tatsächliche gesetzliche Regelung, ab wann, wo, wer, welche Wahlplakate in einer Gemeinde ausbringen darf. Der Bundeswahlleiter informiert die Öffentlichkeit, dass dies in den Zuständigkeit der Gemeinden fällt. Und auch das Kommunalrechtsamt bestätigt auf Anfrage, dass es keine rechtlichen Vorgaben gibt:

Generell zuständig für diese Frage ist die jeweilige Gemeinde. Sie entscheidet unter Berücksichtigung verkehrs-, straßen- und baurechtlicher Aspekte, wann die Wahlplakatierung zugelassen werden kann. Den Gemeinden ist hier ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, der sich nach den Erfahrungen unseres Kommunalrechtsamtes in einer Dauer von 8 bis 3 Wochen vor der Wahl widerspiegelt – abhängig natürlich von der Art der Wahl.

Verkehrs-, straßen- und baurechtliche Aspekte spielen aber in diesem Fall keine Rolle. Die Gemeinde hat festgelegte und geprüfte Standorte für die Plakate. In der Gemeinderatssitzung vom 30. Januar trug die CDU-Gemeinderätin und Bürgermeisterstellvertreterin Ursula Brechtel vor, dass die Gemeinde Wahlplakatständer aufstellt. Und zwar ab dem 10. Februar 2014 „an den gewohnten öffentlichen Flächen“. „Gewohnt“ also – gewohnt war man bisher, dass mit dem Aufstellen der Wände auch plakatiert werden darf.

„Ermessensspielraum“

Am Freitag, den 07. Februar entschied Frau Brechtel – so die Auskunft des Kommunalrechtsamts -, dass die Plakate erst am Tag nach der Feststellung der Kandidaten durch den Gemeindewahlausschuss ausgebracht werden dürfen. Angeblicher Grund: Ein Plakatestreit im Oberbürgermeisterwahlkampf in Heilbronn zeige, dass es möglicherweise juristische Probleme geben könnte. Da der Fall in Heilbronn ganz anders gelagert ist, kann man dies als fadenscheiniges Argument bezeichnen. Nun legte sie den 20. Februar fest. Erst an diesem Tag werden die Wände aufgestellt und können dann… „wie gewohnt“ plakatiert werden. Pro Kandidat ein Plakat.

Laut Kommunalrechtsamt handhaben die Gemeinden die Aufstellung von Plakaten sehr unterschiedlich. Die Dauer der Plakatwerbung reiche von acht bis drei Wochen. Aus Sicht des Kommunalrechtsamts ist deshalb die noch verbleibende Dauer von dreieinhalb Wochen ausreichend:

Das liegt im Ermessensspielraum der Gemeinde.

Doch wer ist die Gemeinde? In diesem Fall Frau Brechtel, die den befangenen Bürgermeister vertritt, da dieser selbst Kandidat ist. Als Bürgermeisterstellvertreterin hat sie umfassende Möglichkeiten. Sie kann eine Anordnung erlassen, wie sie es getan hat. Per Ukas hat sie alleinverantwortlich entschieden, dass die Plakatwerbezeit um zehn Tage verkürzt wird. Sie hätte auch die Fraktionsvorsitzenden zu einer Beratung zusammenrufen können. Und sie hätte auch den kompletten Gemeinderat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenrufen können, um per Mehrheitsbeschluss einen Termin festzulegen, ab dem die Plakate hängen können. Eine solche Entscheidung wäre vermutlich mit demselben Ergebnis erfolgt – man kennt ja die Verhältnisse im Heddesheimer Hauptorgan. Aber immerhin – es hätte auch anders entschieden werden können, um nicht kleinkariert zu wirken.

Entscheidung gegen die zustimmende Kenntnisnahme

All das hat sie nicht getan. Wer um das sehr enge Vertrauensverhältnis zwischen Frau Brechtel und dem Amtsinhaber Michael Kessler weiß, wundert sich nicht, dass es dem Kandidaten Günther Heinisch schwer gemacht wird. Klar ist: Der Herausforderer muss sich mehr anstrengen, da die Bekanntheit des amtierenden Bürgermeister höher ist. Raubt man dem Herausforderer nun per Befehl von oben ganze zehn Tage Wahlwerbemöglichkeit, kann das entscheidende Stimmen kosten. Beispiel Schriesheim: Bei seiner ersten Wahl gewann Bürgermeister Hansjörg Höfer gerade mit mit 100 Stimmen Vorsprung. Merke: Jede Stimme zählt.

Dass die Gemeinde in einer heutigen Pressemitteilung betonen muss, sie verhalte sich „neutral“ ist ein weiterer Hinweis, dass man auch im Rathaus spürt, dass in der Öffentlichkeit Zweifel daran aufkommen. Nur bekommt man die bestimmt nicht mit einer „Betonung“ weg, sondern nur durch korrektes Verhalten.

In der Januarsitzung wurde unter Bekanntgaben durch den Gemeinderat durch Kenntnisnahme zugestimmt, dass Veranstaltungen der Kandidaten auf eigenen Ständern im öffentlichen Raum beworben werden dürfen. Eine terminliche Einschränkung wurde nicht vorgenommen:

GR Edinger – Bündnis90/Die Grünen – fragte, ob wie bisher ein zusätzliches Plakat mit Veranstaltungshinweis zulässig sei, was GR’in Brechtel bejahte.

Der Gemeinderat nahm diese Fragen und Antworten sowie weitere Informationen „zustimmend zur Kenntnis“. Da Frau Brechtel auch die Bewerbung der Veranstaltung des Kandidaten Heinisch untersagt, handelt sie also gegen die Zustimmung des Gemeinderats und auch gegen ihre eigene Aussage. Das ist möglicherweise sogar justiziabel. Und die untersagte Möglichkeit, die Veranstaltung im Bürgerhaus am 19. Februar zu bewerben ist sogar noch nachteiliger, als der verkürzte Plakatierungszeitraum. Denn die Menschen werden sich auf einer Veranstaltung eher eine Meinung bilden, als über Plakate.

Zweifelhafte Neutralität

Offen bleibt die Frage, 10. oder 20. Februar? Beide Daten wurden in der Sitzung genannt. Aber es wurde nicht explizit gesagt, ab wann plakatiert werden darf. Da nun die Wahlständer der Gemeinde am 20. Februar aufgestellt werden und plakatiert werden dürfen, konnte der Kandidat Heinisch also durchaus annehmen, dass ab dem 10. Februar plakatiert werden dürfte. Denn diesen Termin nannte Frau Brechtel in der Sitzung. Im Protokoll steht:

GR’in Brechtel – CDU – sagte, am 10.02.2014 stelle der Bauhof die Plakatständer an den gewohnten öffentlichen Flächen auf.

Die Gemeinde hätte die Unsicherheiten durch eine Richtlinie abschaffen können. Viele Gemeinden regeln darin die Modalitäten (oder „verregeln“ auch mal was – darum geht der Streit in Heilbronn). In Heddesheim gibt es diese nicht. So kann die Bürgermeisterstellvertreterin qua Amt die Entscheidung treffen.

Weiter argumentiert die Gemeinde, man wolle allen Bewerbern dieselbe Chance lassen. Ist das so? Das Argument verpufft, wenn man sich die gesetzlichen Bestimmungen anschaut. § 10 Kommunalwahlgesetz regelt:

Das Ende der Einreichungsfrist darf vom Gemeinderat frühestens auf den 27. Tag vor dem Wahltag festgesetzt werden.

Wenn man im Gesetz weiterliest, erfährt man, dass spätestens am 16. Tag vor der Wahl die Wählbarkeit der Kandidaten festzustellen ist und die öffentliche Bekanntmachung der Kandidaten muss spätestens am 15. Tag vor der Wahl erfolgen. Frau Brechtel könnte auch diese Zeiträume ausschöpfen. In Verbindung mit der Plakatwerbung gebracht, würde sich nur noch ein Zeitraum von 15 Tagen ergeben. Doch das scheint wohl selbst der Heddesheim-Connection zu dreist zu sein.

Über eine „Gleichbehandlung“ ist nirgendwo etwas festgelegt. Weder inhaltlich noch zeitlich. Somit hätte die Plakatwerbung, wie in der Sitzung vom 30. Januar vorgetragen, am 10. Februar mit dem Aufstellen der Plakatwände beginnen können. Ein Bewerber, der sich aus welchen strategischen Gründen auch immer entscheidet, bis zum letzten Tag der Bewerbungsfrist zu warten, nimmt auch in Kauf, nicht schon vorher seinen Namen ins Spiel zu bringen. Auch dieses Argument ist bei näherer Betrachtung obsolet.

Die Frage der Parteimitgliedschaft der Vorsitzenden des Gemeindewahlausschusses ist – für sich alleine gesehen – ohne Belang,

schreibt uns das Kommunalrechtsamt auf die Frage, inwieweit eine Befangenheit vorliegt, wenn sich die CDU deutlich für den amtierenden Bürgermeister ausspricht und Frau Brechtel eben CDU-Gemeinderätin ist.

Schön ist die Formulierung „für sich alleine gesehen“. Wer die Heddesheimer Verhältnisse kennt, weiß auch wegen unserer Berichterstattung, dass der Blick auf die „gesamten Verhältnisse“ starke Zweifel an der Neutralität von Frau Brechtel und auch anderen Verwaltungsmitarbeitern aufkommen lässt. Da Frau Brechtel kaum Kompetenzen bei schwierigen rechtlichen Materien hat, wurde sie sicherlich von Hauptamtsleiter Julien Christof beraten. Auch der ist aktives CDU-Mitglied.

Es deutet also Vieles darauf hin, dass hier gemauschelt wird und Frau Brechtel ihrem Michael Vorteile verschaffen will, indem sie dem Gegenkandidaten Nachteile verschafft. Sollte dem so sein, ist das gründlich nach hinten losgegangen. Denn in der Gemeinde wird viel darüber geredet. Insbesondere die Mauscheleien in der Amtszeit von Bürgermeister Kessler sind das, was viele unzufrieden macht. Damit steigen die Chancen für Günther Heinisch.

Über Hardy Prothmann

Hardy Prothmann (50) ist seit 1991 freier Journalist und Chefredakteur von Rheinneckarblog.de. Er ist Gründungsmitglied von Netzwerk Recherche. Er schreibt am liebsten Porträts und Reportagen oder macht investigative Stücke.