Samstag, 10. Juni 2023

168 Stunden online? – Jugendliche im Internet

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Screenshot von YouTube

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Guten Tag!

Rhein-Neckar, 12. MĂ€rz 2011. Facebook, Skype, SchuelerVZ – Jugendliche bewĂ€ltigen einen Großteil ihrer „sozialen Kontakte“ ĂŒber diese Internet-Dienste. Aber wie sieht das typische Verhalten von Jugendlichen im Internet eigentlich genau aus? Unser Praktikant Paul Maaß hat das fĂŒr uns dokumentiert. Eine Woche lang – 168 Stunden. Insbesondere Eltern dĂŒrften sehr daran interessiert sein, was ihre „Kids“ im Netz so „anstellen“.

Von Paul Maaß

Ich wĂŒrde von mir selbst behaupten, dass ich ein relativ normaler Jugendlicher bin.

Klar unterscheide ich mich in der Musik, die ich höre (Hip/Hop, Indie Rock, Alternative, Crossover, etc.) von anderen Jugendlichen und wir haben auch nicht alle denselben Filmgeschmack oder Kleidungsstil. Aber in manchen Dingen sind wir uns alle sehr Àhnlich. Zum Beispiel, dass wir alle die Schule hassen und dass wir alle das Internet nutzen.

Das Internet ist das Medium der jungen Generation.

Kaum ein Jugendlicher, der nicht wenigsten einmal pro Tag im Internet zugange ist. Aber was machen wir da eigentlich vor den Bildschirmen? Womit verbringen wir die HÀlfte unserer Zeit, wenn wir wie wildbesessen auf die Tastatur des PC hÀmmern?

Um das herauszufinden habe ich einen Selbstreport gemacht. Das Tagebuch einer Woche Internet.

Montag (21.02.2011.):

Nach einem langen Tag in der Schule komme ich erschöpft nach Hause und widme mich erst einmal meinem Laptop. Ich öffne den Browser und logge mich in facebook.com ein. Ich lese fĂŒnf neue Nachrichten und beantworte eine Freundschaftsanfrage. Dann werde ich benachrichtigt, dass ich auf einem Foto verlinkt worden bin.

Das Foto ist ein Klassenfoto, das ein MitschĂŒler hochgeladen hat. Ich sehe schrecklich darauf aus. Verlinken bedeutet, dass mein Name erscheint, wenn man mit der Maus ĂŒber mein Gesicht auf dem Foto fĂ€hrt. Per Klick kann man dann auf meine Facebookseite gelangen.

Meine Seite ist sozusagen mein Profil oder meine Akte. Hier kann ich Fotos oder Videos hochladen, Links von anderen Webpages via „copy and paste“ oder Statusnachrichten schreiben, die meine Facebookfreunde lesen können wenn sie meine Seite besuchen.

Ich bestimme, was hier steht und wer lesen kann was hier steht – aber nur, wenn ich mich darum kĂŒmmere. Viele tun das nicht richtig.

Wenn einer meiner Freunde online ist, wird mir das angezeigt. Momentan sind 65 meiner 244 Freunde online. Ich beginne zu chatten und verabrede mich mit einem Freund. Allerdings im echten Leben.

Zwei Stunden spĂ€ter komme ich von meiner Verabredung zurĂŒck und esse zu Abend. Danach habe ich irgendwie noch Lust auf einen Film. Ich widme mich dem Fernsehprogramm. Außer einer Schnulze lĂ€uft nichts anstĂ€ndiges im Fernseher. Auch auf einen Film in meiner DVD – Sammlung habe ich im Moment keine Lust.

Also fahre ich meinen Laptop hoch und suche eine Internetseite auf, die eine sehr große Filmbibliothek umfasst.  Kein Jugendlicher, den ich kenne, besucht diese Seite nicht wenigsten ab und zu.

Die Seite hat eine Filmbibliothek von ĂŒber 5.000 Filmen. Ein Teil davon ist noch nicht einmal auf DVD erschienen. Manche laufen sogar noch im Kino.

Rechtlich befindet sich die Seite deshalb in einer Grauzone. Die Filme nur zu schauen ist nicht strafbar, Downloads schon, deswegen lasse ich die Finger davon.

Ich ĂŒberlege kurz, welchen Film ich schauen soll und entscheide mich fĂŒr Reservoir Dogs, einen meiner Lieblingsfilme (FSK: 18). Ich weiß, das dass urheberrechtlich gesehen nicht ganz in Ordnung ist. Außerdem sind auch nicht alle Filme, die ich auf diese Weise schon gesehen habe unbedingt fĂŒr mein Alter geeignet.

Aber durch das Internet bringen AltersbeschrĂ€nkungen fĂŒr meine Generation nichts mehr. Ob das ein Vorteil oder ein Nachteil ist, sollte jeder selbst fĂŒr sich entscheiden. Ich jedenfalls bereue es, manche Filme geschaut zu haben, die ich heute nicht mehr schauen wĂŒrde.

Dienstag (22.02.2011):

Ich habe heute erst zur 3. Stunde Unterricht und schaue noch einige Musikvideos auf www.youtube.de.

Nach der Schule gehe ich noch kurz in Facebook online und chatte ein wenig. Den Rest des Tages verbringe ich ohne Internet.

Mittwoch(23.02.2011):

Wenn man mit meinem Browser einen neuen Tab öffnet, enthÀlt dieser Verlinkungen zu den acht Seiten, die ich am hÀufigsten besuche. Bei mir ist die am meisten besuchte Seite Facebook.

Und auch international ist Facebook nach Google die Seite mit den meisten Aufrufen. So ist es nicht verwunderlich, dass ich beinahe jeden  Tag in Facebook „on“ bin. Ich pflege meine sozialen Kontakte zu einem großen Teil online. Außerhalb des Internets kommuniziere ich nur noch mit meinen Freunden, wenn ich mich persönlich mit ihnen treffe.

Donnerstag (24.02.2011.):

Heute Nacht bin ich mit einem Freund verabredet. Ich habe morgen erst spÀter Schule. Wir haben halb zwölf als Uhrzeit ausgemacht.

Aber nicht, weil wir um die HĂ€user ziehen wollen. Ganz im Gegenteil, wir bleiben jeder schön zu hause und treffen uns im Internet. Denn mein Freund Basil ist wegen eines SchĂŒleraustauschs ein halbes Jahr in Kolumbien. Wegen der Zeitverschiebung kann ich nur um diese Uhrzeit direkt mit ihm kommunizieren.

Die Webcam-Chat-Seite Skype ist unser Kontaktmedium.

Wir können uns mit Mikrofon ĂŒber Webcam unterhalten. Das ist fast so, als sĂ€ĂŸe er direkt vor mir.

Nur, dass sein Gesicht ziemlich verpixelt ist. Aber man sollte keine zu hohen AnsprĂŒche an das kolumbianische Internet stellen, ein lĂ€ngeres GesprĂ€ch ist eh oft ein Kampf.

Trotzdem bin ich froh darĂŒber und das ist ein Beispiel dafĂŒr, dass es dann und wann doch nĂŒtzlich ist, sich per Kamera ĂŒber Computer zu treffen. Auch wenn das manche konservative Menschen oft nicht verstehen können.

Freitag (25.02.2011.):

Unsere Deutschlehrerin hat uns aufgetragen etwas ĂŒber Goethe zu recherchieren. Nach fĂŒnf Minuten auf der Seite Wikipedia habe ich einen groben ÃƓberblick ĂŒber die wichtigsten Daten zu Johann Wolfgang von Goethe.

FĂŒr den Abend bin ich auf eine Hausparty von einem guten Bekannten eingeladen. Ich kenne die Adresse, doch da ich noch nie dort gewesen bin, weiß ich nicht genau, wie ich hinkomme.

Homepage des RNV

Homepage des RNV

Dank Google Maps und rnv-online.de weiß ich, mit welcher Bahn ich fahren muss und wohin ich von der nĂ€chstgelegenen Haltestelle laufen soll.

Samstag(26.02.2011.):

Ich wĂŒrde mich selbst als Hip/Hop Fan bezeichnen. Deswegen bin ich auch ca. einmal in der Woche auf juice.de, der Internetseite einer Szenezeitschrift.

Hier werde ich ĂŒber alles zum Thema Hip-Hop/Rap informiert. Samstags bin ich meistens mit Freunden unterwegs und hĂ€nge seltener vor dem Pc rum.

Sonntag(27.02.2011)

Das Ende der Woche Àhnelt dem Anfang der Woche. Facebook, Youtube, Skype und gegen Abend wieder online Filme schauen.

Ich persönlich nutze das Internet zur Unterhaltung, Kommunikation und als Informationsquelle.

Wenn wir Jugendliche oft bis spĂ€t in die Nacht vor den Bildschirmen hĂ€ngen und in die Webcam sprechen, ist das mitunter eine gute Sache – klar, es wird auch gezockt und ich wĂŒrde fĂŒr niemanden meine Hand ins Feuer legen, ob immer alles mit „legalen“ Mitteln zugeht.

Trotzdem sind Computer aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Und auch nicht in der Zukunft.

Paul Maaß macht ein einwöchiges SchĂŒlerpraktikum in der Redaktion. Bild: rheinneckarblog.de

Paul Maaß (16) lebt in Heidelberg und macht bei uns sein „Bogy“ (Berufs- und Studiumsorientierung am Gymnasium). Er besucht das „Englische Institut“ und will spĂ€ter mal sein Geld als Autor oder Journalist verdienen.

Wir bieten immer wieder PraktikumsplĂ€tze an. Als SchĂŒler(in) kannst Du Dich unverbindlich mit einer email an redaktion (at) rheinneckarblog.de bewerben – die Art des Schulabschlusses spielt fĂŒr uns keine Rolle. Du solltest gerne schreiben, neugierig sein und Dich fĂŒr Politik, Kultur oder Sport interessieren.

Das Praktikum ist ausschließlich journalistisch geprĂ€gt- das Ziel ist, dass Du möglichst viel lernst und ein paar eigene Texte veröffentlichst.

Ein Praktikum kann als SchĂŒlerpraktikum, neben der Schule oder in den Ferien absolviert werden.

Über Hardy Prothmann

Hardy Prothmann (50) ist seit 1991 freier Journalist und Chefredakteur von Rheinneckarblog.de. Er ist GrĂŒndungsmitglied von Netzwerk Recherche. Er schreibt am liebsten PortrĂ€ts und Reportagen oder macht investigative StĂŒcke.