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Guten Tag!
Heddesheim, 08. MÀrz 2010. Was bewegt Deutschland? Neben der Kopfpauschale und Hartz IV auch das, wovon viele trÀumen: Ein Topmodel zu sein, meint Gabi und sagt wie immer montags, was sie davon hÀlt.
Vergangene Woche ging es wieder los und wird uns siebzehn Wochen lang, jeden Donnerstag Abend, verfolgen: Germanyâs Next Topmodel (GNTM). Es ist die 5. Staffel, die unsere Heidi aus dem Rheinland, die Supermutti, Deutschlands Exportschlager und Everybodyâs Darling auf Pro7 moderiert. Und ich frage mich wie Millionen anderer Frauen: Soll ich mir das antun?
2000 MĂ€dchen haben sich vergangene Woche in Köln einen Platz beim Massencasting erstĂŒrmt.
Und wĂ€hrend deutsche Frauenzeitschriften wie Brigitte, sich von den Models und dem Magerwahn abwenden, plant Heid Klum noch dĂŒnnere MĂ€dchen auszuwĂ€hlen, noch dramatischere Shootings und noch hĂ€rtere Castings zu zeigen.
An ihrer Seite in der Jury sitzen jetzt auch nicht mehr Peyman Amin – der wollte mit seiner Model-WG seine eigene TV-Karriere anschieben – und Rolf Schneider, sondern Fotograf Christian Schuller und „Q“ alias Qualid Ladraa.
Bunte“Hunde“.
Heidi stellt „Q“ als „bunten Hund der Modewelt“ vor und von sich selbst behauptet der „schöne“ Deutsch-Marokkaner, aus 20 Kilometer Entfernung das Potential eines möglichen Models entdecken zu können.
Brauchen wir so eine Sendung, frage ich mich? Möchte ich, dass meine 11-jĂ€hrige Tochter hier ihre Vorbilder findet? Eine Welt, in der die FĂ€higkeit auf 15-Zentimeter-High-Heels ĂŒber den Catwalk zu laufen, das MaĂ aller Dinge ist?
Ich muss gestehen, dass ich bei den vergangenen beiden Staffeln ziemlich hĂ€ufig reingeschaltet habe und, natĂŒrlich auch meine Favoritinnen hatte. WĂ€hrend mein Mann und mein Sohn schreiend das Wohnzimmer verlieĂen, haben meine Tochter und ich zuweilen mitgefiebert.
Denn es gab und gibt ja auch viel zu sehen:
Wen trifft diesmal die Kritik am hÀrtesten? Wer bricht in TrÀnen aus? Und bei wem entdeckt Heidi Persönlichkeits- und Entwicklungspotenzial?
Ist es nicht einfach zu spannend?
Die einzelnen Shootings sind ja auch zu spannend: Wer traut sich mit Kakerlaken, Krokodilen, Vogelspinnen oder Schlangen zu posieren? Wer schafft es in die Tiefe? In den Windkanal? In höchste Höhen? In die Eiskammer? Oder stundenlang in den kalten New Yorker Regen? Und so Àhnelt das alles schon eher einem Survival-Traing als einer Casting-Show.
Ebenso spannend ist das Drama zwischen den Kandidatinnen: Da wird gemobbt und gezickt, was das Zeug hĂ€lt. RegelmĂ€Ăige NervenzusammenbrĂŒche sind hier an der Tagesordnung.
Mittendrin gibt Heidi mal die Psychologin, mal die Mutti, aber natĂŒrlich auch die knallharte Mode-Business-Frau, die dann schon mal sagt „Wer was erreichen will, muss da durch, wenn du das ĂąâŹÂŠ nicht kannst, kannst du gleich nach Hause gehen.“
Heidi piepst was von „Persönlichkeit“.
Mit ihrer Piepsstimme verkĂŒndet Frau Klum, die ja inzwischen Frau Samuel heiĂt, dass sie bei den MĂ€dchen die Persönlichkeit, das gewisse Etwas sehen und finden möchte. NatĂŒrlich gepaart mit den ModelmaĂen 90-60-90 und mindestens 1,75 Meter GröĂe.
Und so startete die 5. Staffel vergangenen Donnerstag mit dem ersten groben Aussortieren. Und wieder achteten Heidi und ihre Juroren auf eine Dramen versprechende Mischung in ihrer Auswahl der Kandidatinnen:
Die schĂŒchterne 16-jĂ€hrige mit der Zahnspange, eine aufgedonnerte Miss-Russland, die laut dem Fotografen Christian Schuller, einem Frauenbild nacheifert, das in unserer westlichen Welt nicht mehr existiert.
Eine groĂe HĂŒbsche mit einem abstehenden Ohr namens „Freddy“ – und halt, haben wir nicht irgendwann auch mal in den Medien gelesen, dass Heidi ihren BrĂŒsten Namen gegeben hat, aber das nur am Rande – , zwei DunkelhĂ€utige und zwei MĂ€dchen aus Bayern und Ăsterreich, die sich beim Casting kennengelernt haben und sich jetzt schon „so lieb“ haben.
Endlose LĂ€ngen bis zum „Erfolg“ – fĂŒr wen?
Eine erzĂ€hlt der fassungslosen Jury, dass ihr Freund sie nach drei Jahren verlieĂ, weil sie sich bei GNTM bewarb und bei einer anderen musste wĂ€hrend der Sendung ein Oberlippen-Piercing mit der Zange entfernt werden.
Die AusgewÀhlten mussten die erste Nacht auf Feldbetten in einem Lager verbringen, denn der Weg zur Model-Villa ist steinig und schwer, wie ihnen von der Jury immer wieder bewusst gemacht wird.
Und ich denke, diesmal werde ich diesen Weg nicht begleiten. Ich möchte keine weiteren Dramen und Mutproben mehr sehen und ich möchte keine nerviges und menschenunwĂŒrdiges Niedermachen und RausschmeiĂen mehr ertragen, was andauernd durch Werbeblöcke endlos in die LĂ€nge gezogen wird.
Und vor allem möchte ich nicht, dass meiner Tochter diese unrealistischen Werte als richtig und wichtig fĂŒr ihr Leben vermittelt werden.
Heidi „go your way“, aber ohne mich – zumindest nicht regelmĂ€Ăig.
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