Sonntag, 02. April 2023

Der gläserne Gemeinderat: Offener Brief an Herrn Dr. Doll (CDU)

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Guten Tag!

Heddesheim, 05. Februar 2010. Im aktuellen Mitteilungsblatt schreibt wie so häufig Herr Dr. Josef Doll. Der Rentner und CDU-Fraktionsvorsitzende beschwert sich in seinem Artikel über „stark tendenziöse“ Informationen und unterstellt den Gemeinderäten der Grünen sowie dem freien Gemeinderat Hardy Prothmann, sich nicht ausreichend über den Ablauf einer Gemeinderatssitzung informiert zu haben. Leider sind die Thesen wirr und unzusammenhängend.

Von Hardy Prothmann

Sehr geehrter Herr Gemeinderatskollege, sehr geehrter Herr Dr. Doll,

eine Kernthese Ihres aktuellen Artikels ist, mit Verlaub, nur schwer erkennbar. Mir scheint, dass Sie Konzentrationsschwierigkeiten beim Verfassen hatten.

Ich vermute, dass Sie mehrere Thesen aufstellen wollen:

  1. Die Gemeinderäte der Grünen-Fraktion sowie ich als fraktionsloser Gemeinderat weigern uns, die Gemeindeordnung anzuerkennen.
  2. Die Gemeinderäte der Grünen-Fraktion sowie ich als fraktionsloser Gemeinderat weigern uns, uns ausreichend zu informieren. Dadurch wird das „Zusammenwirken von Gemeinderat und Bürgermeister“ schlechter.
  3. Sie als CDU-Fraktionschef haben die schwere Aufgabe übernommen, diese in Ihren Augen undisziplinierten Gemeinderäte über ihre Pflichten aufzuklären.
  4. Sie stellen darüber hinaus fest, dass die Berichterstattung eines gewissen „Mr. H. P.“ „unfair, unrichtig, nicht ausgewogen und stark tendenziös“ ist.
doll

Dokumentation: Dr. Josef Dolls Text im Mitteilungsblatt, Nr. 5/2010. Klicken Sie für eine größere Darstellung. Quelle: Mitteilungsblatt

Vorab möchte ich Sie in Kenntnis setzen, dass ich natürlich nur für mich sprechen kann – auch wenn ich mir hier und da einen Hinweis auf die Kollegen der Grünen-Fraktion erlaube.

Zu 1
Sie schreiben: „Die CDU-Fraktion stellt fest, die Gemeinderäte der Grünen sowie Herr Prothmann weigern sich, sich ausreichend in der ihnen übersandten Zeitschrift zu informieren, um die erforderlichen Voraussetzungen, das Wissen und erforderliches Verhalten für eine geordnete Sitzung zu haben.“

Ich habe drei halbtägige Fachseminare für Gemeinderäte in den vergangenen Monaten besucht – diese waren sehr lehr- und hilfreich. Übrigens: Wann waren Sie denn in den vergangenen Jahren bei solch einem Seminar, um sich auf den neuesten Stand zu bringen?

Auch ist mir nicht klar, was Sie mit „erforderlichen Voraussetzungen“ meinen. Sollten Sie damit meinen, dass ein Gemeinderat eher schweigen und keine Fragen haben sollte, so wie das für die Mehrheit Ihrer Fraktion zutrifft, darf ich Ihnen widersprechen. Ich bin da anderer Meinung und darf Sie auf GemO, § 32, hinweisen: „(3) Die Gemeinderäte entscheiden im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung. An Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, sind sie nicht gebunden.“

Worauf Sie mit der Formulierung „erforderlichen Voraussetzungen, das Wissen und erforderliches Verhalten für eine geordnete Sitzung“ abzielen, ist mir wie Ihnen selbst wahrscheinlich nicht ganz klar. Ich vermute mal, dass Sie folgendes meinen könnten: „Wer sich äußern möchte, muss sich zu Wort melden und darf das Wort erst ergreifen, wenn er es vom Vorsitzenden erteilt bekommen hat.“ (Zitiert nach „Die Gemeinde“, Gemeinderatsausgabe, 132. Jahrgang, BWGZ 12/2009 vom 30. Juni 2009, S. 468)

Ich darf Sie deshalb an den § 36 der Gemo erinnern, denn Ihr Drang, in den Gemeinderatssitzungen ständig das Wort zu ergreifen, ohne es erteilt bekommen zu haben, könnte hierzu führen: „(3) Bei grober Ungebühr oder wiederholten Verstößen gegen die Ordnung kann ein Gemeinderat vom Vorsitzenden aus dem Beratungsraum verwiesen werden; mit dieser Anordnung ist der Verlust des Anspruchs auf die auf den Sitzungstag entfallende Entschädigung verbunden. Bei wiederholten Ordnungswidrigkeiten nach Satz 1 kann der Gemeinderat ein Mitglied für mehrere, höchstens jedoch für sechs Sitzungen ausschließen.“

Daran ist Ihnen sicherlich nicht gelegen. Nachdem Sie nun Kenntnis davon haben, können Sie nicht behaupten, Sie hätten das nicht gewusst.

Zu 2, 3
Sie schreiben: „In der letzten GR-Sitzung hatte ich für die CDU-Fraktion mehrfach die Notwendigkeit, über den Ablauf der GR-Sitzung aus der Ausgabe der Zeitschrift „Die Gemeinde“ vom 30. Juni 2009 zu zitieren, die dem Anschein nach den Mitgliedern der Grünen und Herr H. Prothmann vollkommen unbekannt ist.“

Herr Dr. Doll! Mit Verlaub: Das ist anmaßend. Sie scheinen vergessen zu haben, wer der Leiter der Sitzungen ist. Das ist und bleibt der Bürgermeister und nicht Sie, auch wenn Ihnen egal zu sein scheint, wer unter Ihnen Bürgermeister ist.

Mal abgesehen davon bestätigen Sie das, was Sie mir als „unfaire und unrichtige Berichterstattung“ vorwerfen (siehe Zu 4).

In diesem Zusammenhang möchte ich noch ein persönliches Wort an Sie richten. Die Auffälligkeit Ihres Handelns könnte auf eine narzistische Störung hinweisen.

Ich zitiere aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia: „Verhaltensweisen, die von der Psychologie als narzisstische Charakterstörungen eingeordnet werden, können auch vorübergehend auftreten und dann wieder abflauen. Diese psychologische Deutung versteht den Narzissmus als ein Leiden, weil Betroffene Schwierigkeiten haben, Objektbeziehungen zu führen. Sie versuchen ihr Gegenüber zu kontrollieren und suchen nach ständiger Bestätigung ihrer Grandiosität, da sie sich ohne diese leer fühlen.“ (Unterstreichung durch mich.)

Zu 4
Sie schreiben: „Wie unfair und unrichtig die Berichterstattung von Mr. H. P. ist, zeigt derselbe wenn er meine Zitate aus oben genannter Zeitung zur aktuellen Diskussion im Gemeinderat mit „… ziemlich häufig meldet sich auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Josef Doll zu Wort und zitiert aus irgendwelchen Quellen aktuell dem Fachblatt „Die Gemeinde„, umschreibt.“

Was meine journalistische Arbeit und die meiner Mitarbeiter nun mit dem „Verhalten“ im Gemeinderat zu tun hat, erschließt sich mir gar nicht.

Ebenso, was an dem Satz, den Sie zitieren, „unfair und unrichtig“ sein soll? Sie selbst bestätigen doch in Ihrem Artikel, dass Sie mehrfach aus der Zeitschrift „Die Gemeinde“ in der betreffenden Sitzung zitiert haben?! Bedeutet Ihre paradoxe Aussage, dass nur Sie sich selbst richtig zitieren, wenn das aber eine andere Person tut, es dann automatisch „unfair und unrichtig“ wird?

Herr Dr. Doll, das scheint mir doch ein wenig wirr, zumindest durcheinander.

Sie schreiben: „Dass Herr Prothmann nicht ausgewogen und stark tendenziös informiert, ist in der eigenen Beschreibung seiner Weblog-Tätigkeit im „onlinejournalismus vom 23.7.2009“ selbst beschrieben: „Wir sind meinungsstark und sind bis hart an die „justiziablen“ Grenzen, gegangen.“ Oder vielleicht darüber hinaus?“

Herr Dr. Doll. Was soll ich davon halten? Sie beschweren sich in Ihrem Beitrag, falsch zitiert worden zu sein, widerlegen sich in Ihrem eigenen Text und zitieren dann selbst falsch.

Das vollständige Zitat heißt:
„Ich glaube an die journalistische Qualität. Bei uns laufen keine Meldungen durch. Jedes Thema wird recherchiert und wir suchen abseits der Terminberichterstattung weitere Ansätze, weitere Themen, die zum Hauptthema passen. Wir sind sehr meinungsstark, wobei wir Meinungsbeiträge manchmal in den ersten Wochen bis „hart an die Grenze“ getrieben haben – auch eine justiziable. Schlicht und ergreifend um schnell Aufmerksamkeit und Bekanntheit zu erlangen.
Das haben wir wieder zurückgefahren, sind aber nach wie vor spitz in der Formulierung und scheuen uns nicht, jeden „hart“ ran zu nehmen, unabhängig der Person oder der Funktion und der vermeintlichen Macht.“

Und was soll Ihre andeutende Frage: „Oder vielleicht darüber hinaus?“

Wäre dem so gewesen, dann wäre es „justiziabel“ geworden. Um Ihnen die Folgen deutlich zu machen. Dann hätte eine Person oder Institution das heddesheimblog und damit mich als Verantwortlichen verklagen können. Hat aber niemand. Warum? Weil wir die Möglichkeiten der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit ausschöpfen (Art. 5 GG), dabei aber andere Rechte achten.

Das, Herr Kollege Doll, nennt man Rechtsstaat. In einem solchen ist es erforderlich, Rechte zu achten, es ist aber gleichzeitig möglich, Rechte wahrzunehmen.

Ich fasse zusammen:

Sie werfen den Grünen-Ratskollegen vor, sich nicht an die Verhandlungsordnung zu halten, weil diese mit einem Verhandlungsprotokoll nicht einverstanden sind. Oder anders: Die Wahrnehmung von Rechten wird von Ihnen als nicht „erforderliches Verhalten“ kritisiert.

Ein absonderliches Rechtsverständnis legen Sie da an den Tag.

Der Bürgermeister als Sitzungsleiter hat die Anträge von drei Gemeinderäten der Grünen zur Abstimmung gestellt. Über deren Anträge wurde im Rat abgestimmt. Zwei wurden angenommen, einer abgelehnt.

Sie sind gegen eine Veränderung des Protokoll. Warum? Handelt es sich Ihrer Logik nach vielleicht um ein nicht „geordnetes“ Verhalten, wenn eine Korrektur nötig ist?

Woher Sie die Hybris nehmen, sich selbst als Mittelpunkt der Ordnung zu sehen, wissen nur Sie selbst.

Sie beschweren sich über angeblich falsche Zitate. Gleichzeitig belegen Sie die Korrektheit des Zitats und machen damit Ihre Beschwerde zu einer nachweislich falschen Behauptung.

Darüber hinaus zitieren Sie selbst falsch. Wie ein solches Verhalten zu bewerten ist, entscheiden die Leserinnen und Leser dieses offenen Briefes, Gott sei Dank, Herr Dr. Doll, mit klarem Verstand selbst.

Sie unterstellen Ihren Ratskollegen, dass diese sich „weigern würden“, sich ausreichend zu informieren. Auch hier widerlegen Sie sich selbst. Gerade weil sich die Kollegen der Grünen intensiv mit dem Verhandlungsprotokoll auseinandergesetzt haben, wurde von diesen kritisiert, dass deren Aussagen unzureichend im Protokoll erfasst wurden.

Gleichzeitig erlauben Sie sich, eventuell mich oder meinen Mitarbeiter Horst Pölitz despektierlich „Mr. H. P“ zu nennen. Haben Sie beim Verfassen dieser Unhöflichkeit in sich hineingegrinst und sich stark gefühlt, Herr Dr. Doll? Ist das der Stil, den Sie als „korrektes Verhalten“ bezeichnen würden? Oder gehört das eher in die Kategorie „Kindergarten“, den Ihre Kollegin Frau Brechtel überall erkennt?

Ist es redlich von Ihnen, falsch zu zitieren, falsche Behauptungen aufzustellen?

Ist es redlich von Ihnen, die Leserinnen und Leser Ihres Texten darüber in Unkenntnis zu lassen, dass ich Sie vor einigen Wochen sowohl telefonisch als auch per email privat kontaktiert habe, mit dem Wunsch und der Bitte, einen Weg zu finden, um doch wieder etwas vernünftiger miteinander umzugehen?

Eigentlich dachte ich, dass wir dahingehend einen „Neustart“ vereinbart hatten. Dazu stehe ich weiterhin, Herr Dr. Doll.

Mittlerweile scheint mir aber, dass Sie ein wahrhaftiges Wahrnehmungsproblem haben. Sie nutzen jede Gelegenheit der persönlichen Beleidigung, statt sich inhaltlich kritisch zu äußern. Umgekehrt begreifen Sie jede inhaltlich kritische Äußerung als persönliche Beleidigung.

Anständiges Verhalten, Herr Dr. Doll, geht anders.

Ihr Verhalten ist unanständig und scheint mir Ihrer argumentativen Hilflosigkeit geschuldet zu sein.

Vielleicht kommen Sie ja nach diesen Hinweisen ein wenig zur Besinnung, reißen sich zusammen und verzichten darauf, sich selbst mit wirren Texten und einer argumentationsfreien arroganten Haltung wichtigtuerisch als Hüter von Recht und Ordnung aufzuspielen.

Sie machen sich sonst zunehmend lächerlich, schaden Ihrer Partei, dem Gemeinderat und dem Wohl der Öffentlichkeit.

Angebracht fände ich, wenn Sie sich nicht an dem rüpelhaften Verhalten Ihres ebenfalls nicht vorbildlichen Bruders Ewald orientierten, sondern mit besserem Beispiel vorangehen würden.

Mit besten Grüßen

hardyprothmann

Über Hardy Prothmann

Hardy Prothmann (50) ist seit 1991 freier Journalist und Chefredakteur von Rheinneckarblog.de. Er ist Gründungsmitglied von Netzwerk Recherche. Er schreibt am liebsten Porträts und Reportagen oder macht investigative Stücke.