
Kamera auf einer MĂ€nner-Toilette des Kurpfalz-Gymnasiums. Schulleiter Schmitt sagt: "Die Schule gehört mir - ich schĂŒtze mein Eigentum." Foto: privat
Mannheim/Rhein-Neckar, 03. Dzember 2011. (red/aktualisiert) Nach unseren Informationen wurde Strafanzeige gegen die Schulleitung wegen Datenschutzverletzungen erstattet. Die Schulleitung soll mittlerweile die Kameras entfernt haben.
UrsprĂŒnglicher Artikel:
Mannheim/Rhein-Neckar, 30. November 2011. (red) In mindestens einer MĂ€nner-Toilette des privaten Kurpfalz-Gymnasium/-Realschule ist eine Kamera installiert. Unsere Redaktion wurde von Eltern darauf aufmerksam gemacht. Die Schulleitung findet, es sei ihr Recht, dort eine Kamera zu installieren. Ist das so? Darf eine Privatschule sanitĂ€re Anlagen per VideoĂŒberwachung „schĂŒtzen“ und gleichzeitig die PrivatsphĂ€re von SchĂŒlern verletzen?
Von Hardy Prothmann
Die Aufregung bei den Eltern ist groĂ: „Das gibts doch nicht, war meine erste Reaktion, als ich gehört habe, dass auf den Toiletten Kameras hĂ€ngen“, sagt der Vater eines Jungen, der das Mannheimer Kurpfalz-Gymnasium besucht.
„Geschmacklos und rechtswidrig“, ist die erste Reaktion von Mathias Meder, Sprecher fĂŒr Sicherheits- und Ordnungspolitik von BĂŒndnis 90/ Die GrĂŒnen im Gemeinderat der Stadt Mannheim.
„Das ist meine Sache, ich darf das“, ist die erste Reaktion von Schulleiter Schmitt, der uns sogleich „rechtliche Konsequenzen und jede Menge Ărger“ am Telefon androht: „Sie werden darĂŒber nicht berichten.“
Zuvor erklĂ€rt uns der Schulleiter Schmitt, es habe „Schmierereien und Demolierungen“ gegeben, die ToilettenrĂ€ume seien frisch renoviert, deswegen seien die Kameras angebracht worden: „Ich muss mein Eigentum schĂŒtzen. Die Schule gehört mir.“ Angezeigt habe er die Demolierungen aber nicht: „Ich kann machen, was ich will.“
Das sind keine Kameras, sondern nur Attrappen.
Wir fragen nach, ob dass seiner Meinung nach ausreicht, SchĂŒler und andere Personen auf der Toilette zu filmen? „Das ist Quatsch, niemand wird gefilmt. Das sind nur Attrappen, die dienen der Abschreckung“, sagt Herr Schmitt. Und: „Das ist ein Unding, dass Sie in meine RĂ€ume eindringen. Das hat Ihnen niemand erlaubt.“
Dass niemand „eingedrungen“ ist und im Beisein von Eltern den Vorwurf ĂŒberprĂŒft hat, lĂ€sst Herr Schmitt nicht gelten: „Sie hĂ€tten sich einen Termin geben lassen mĂŒssen. Da könnte ja jeder kommen.“ Und ĂŒberhaupt, es sei ja unerhört, am Telefon solche Fragen zu stellen: „Sie kriegen Ărger, verlassen Sie sich drauf.“

Nur eine Attrappe? Aus Sicht von DatenschĂŒtzern macht es keinen Unterschied, ob die Kamera tatsĂ€chlich aufnimmt oder als Attrappe nur der "Abschreckung" dient. Hier wird die PrivatsphĂ€re empfindlich verletzt. Foto: privat
Ărger könnte tatsĂ€chlich Herrn Schmitt drohen. Eltern prĂŒfen eine Anzeige gegen den Schulleiter – bei der Polizei und beim Landesdatenschutzbeauftragten: „Man kann doch Kinder nicht auf der Toilette filmen. Das ist unvorstellbar.“ DarĂŒber hinaus haben wir keine Hinweis auf die Kameras entdecken können.
Angst und Abschreckung als pÀdagogischer Anspruch?
Der Datenschutzverein Foebud.org, der sich gegen Datenschutzmissbrauch engagiert und den BigBrotherAward verleiht, antwortet auf unsere Anfrage, ob Kameras, egal ob „scharf“ oder „Attrappe“ auf Schultoiletten zulĂ€ssig sind und beurteilt die BegrĂŒndung der Schulleitung:
Das ist nicht nur eine schlechte BegrĂŒndung, sondern auch eine BankrotterklĂ€rung gegenĂŒber jedem pĂ€dagogischen Anspruch. Wenn sich junge Menschen, die ja noch dabei sind, sich im Leben zu orientieren, sich nur „richtig“ verhalten, weil sie Angst haben, dass sie kontrolliert und erwischt werden, dann ist das sicher kein Gewinn fĂŒr ihre geistig-moralische Entwicklung.
UnabhÀngig davon sollten die Eltern sofort den Landesdatenschutzbeauftragten kontaktieren und sich beschweren, so Rena Tangens von Foebud.org.
Siehe unten § 20a Landesdatenschutzgesetz. Leider kommt es immer wieder an Schulen zu Vandalismus. Um dem vorzubeugen, können Videokameras aufgehÀngt werden. Nach dem Gesetz ist aber eine AbwÀgung mit den Interessen der Betroffenen erforderlich. Es ist nicht vorstellbar, dass eine Schule filmt, wer, wann auf die Toilette geht.
Verletzung der persönlichen SphÀre.
Das Kultusministerium in Stuttgart verweist auf das Landesdatenschutzgesetz § 20a und antwortet auf unsere Anfrage:
Wann dĂŒrfen in Schulen Kameras aufgehĂ€ngt werden? Welche Gesetze/Verordnungen regeln das?
Siehe unten § 20a Landesdatenschutzgesetz. Leider kommt es immer wieder an Schulen zu Vandalismus. Um dem vorzubeugen, können Videokameras aufgehÀngt werden. Nach dem Gesetz ist aber eine AbwÀgung mit den Interessen der Betroffenen erforderlich. Es ist nicht vorstellbar, dass eine Schule filmt, wer, wann auf die Toilette geht.
Wo dĂŒrfen die Kameras platziert werden und wo nicht?
Hier wird auf Absatz 3 Satz 1 des § 20a LDSG verwiesen: „Die Speicherung (Videoaufzeichnung), Ăbermittlung und Nutzung der nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulĂ€ssig, soweit sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafĂŒr bestehen, dass ĂŒberwiegende schutzwĂŒrdige Interessen der Betroffenen beeintrĂ€chtigt werden.“ Das heiĂt: Dort, wo der Vandalismus erfahrungsgemÀà auftritt – ohne Verletzung der persönlichen SphĂ€re.
Wie sind die Regelungen bei Privatschulen?
Privatschulen haben in vielen Bereichen einen gröĂeren Spielraum. Den Datenschutz mĂŒssen aber auch sie beherzigen. Zudem unterliegen sie natĂŒrlich der staatlichen Schulaufsicht.
Schutz des Eigentums ja, wenn unbedingt erforderlich und es keinen anderen Ausweg gibt – aber ohne Verletzung der persönlichen SphĂ€re also.
Stadtrat Meder hat unserer Kenntnis zufolge sofort einen Termin mit der Schulleitung gemacht:
„Wir hatten in Mannheim ja in der Vergangenheit schon Ărger mit Kameras an öffentlichen Schulen, die sind abgeschaltet worden. Ich gehe davon aus, dass die Schulleitung des Kurpfalzgymnasiums diesen empörenden Zustand sofort beendet – egal, ob es sich um echte Kameras oder Attrappen handelt.“
Die Privatschule Kurpfalz-Gymnasium/Realschule besuchen rund 1.000 SchĂŒlerinnen und SchĂŒler. Pro SchĂŒler wird ein Schulgeld in Höhe von 230 Euro/Monat fĂ€llig (Stand: 2009).
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