Heddesheim/Rhein-Neckar, 29. Juni 2011. (red) Heute Abend um 19:00 Uhr laden der Handelsriese Edeka und die Gemeinde Heddesheim zu einem „Infoabend“ ein. Der Ablauf ist vorprogrammiert. Es spricht Edeka, es spricht BĂŒrgermeister Kessler und es werden wenige BĂŒrger sprechen, weil es ihnen an Informationen fehlt.
Von Hardy Prothmann
Edeka-GeschĂ€ftsfĂŒhrer Dr. Detlev Weiler wird sagen, dass Edeka Lebensmittel liebt, das man ganz auf die Region setzt, auf Treue, auf die lange Tradition, dass man zwar enorm investiert, aber die Belastung, beispielsweise durch Verkehr sinkt. Und ja, man verlagert zwar ArbeitsplĂ€tze, aber man schafft auch neue und schaut so in eine gute Zukunft. Man bekennt sich zum Standort Heddesheim.
BĂŒrgermeister Kessler wird die Tradition loben, den gröĂten Arbeitgeber, die vertrauensvolle Zusammenarbeit, wird auf die Gewerbesteuer verweisen, wird das Unternehmen loben und Sorgen klein reden.
Und dann sind die BĂŒrger dran. Doch was sollen die fragen, wenn sie nur „wissen“, was StĂŒck fĂŒr StĂŒck bekannt gegeben wird?
Warum sollten sie fragen, wenn von vorneherein klar ist, dass Fragesteller damit rechnen mĂŒssen, als Störenfriede zu gelten?
Warum sollte jemand das Risiko eingehen, durch Fragen aufzufallen?
Wer Fragen stellt, macht sich keine Freunde bei denen, die in Heddesheim das Sagen haben. Also BĂŒrgermeister, gewissen GemeinderĂ€ten, Bauern und „einflussreichen Leuten“.
Dennoch sollten die Heddesheimerinnen und Heddesheimer wissen, dass Edeka nicht erst seit kurzem auf die Idee gekommen ist, in Heddesheim zu erweitern. Die vergangene Gemeinderatssitzung hat klar gemacht, dass diese PlÀne schon seit Jahren vorangetrieben werden.
Den BĂŒrgerinnen und BĂŒrgern muss auch klar sein, dass die SchlieĂung des Fleischwerks in Heddesheim und der Wegfall von fast 300 ArbeitsplĂ€tzen ein Grund war, fĂŒr die Ansiedlung von Pfenning zu werben – trotz Kenntnis der Edeka-PlĂ€ne. Dieses Projekt soll bis zu 1.000 ArbeitsplĂ€tze bringen, also mehr als drei Mal so viel, wie durch das Fleischwerk wegfallen werden.
Trotzdem werden BĂŒrgermeister Kessler und GeschĂ€ftsfĂŒhrer Weiler die Arbeitsplatzargumentationskarte ziehen. Um die „Zukunft zu sichern, ist der geplante Umbau unumgĂ€nglich“, steht im Prospekt, dass Edeka an die Haushalte verteilen lies. Umgekehrt heiĂt das, wenn nicht „umgebaut“ wird, ist die Zukunft ungewiss. Dass der Umbau einen enormen Neubau einschlieĂt wird an dieser Stelle nicht erwĂ€hnt.
Erinnert sich noch jemand, dass in Zusammenhang mit Pfenning argumentiert wurde, dass durch die SchlieĂung des Fleischwerks Edeka-Verkehr wegfalle? Das ist durch den Um- und Neubau Vergangenheit – der Verkehr wird mindestens in gleicher StĂ€rke erhalten.
Erinnert sich jemand, wie mit dem Wegfall der Edeka-ArbeitsplĂ€tze fĂŒr die „neuen“ Pfenning-ArbeitsplĂ€tze geworben wurde? Obwohl dem BĂŒrgermeister, gewissen GemeinderĂ€ten und anderen die Edeka-PlĂ€ne schon bekannt waren?
Fragt sich jemand, ob hier eigentlich tatsĂ€chlich offen und transparent Politik gemacht und BĂŒrger einbezogen werden oder doch alles in Hinterzimmern vorher „in trockene TĂŒcher“ kommt?
Fragt jemand nach der QualitÀt der ArbeitsplÀtze? Oder, ob das Logistikmodell wirklich nachhaltig Wirtschaft und Wertschöpfung betreiben wird?
Fragt jemand, welche Entwicklungsmöglichkeiten Heddesheim verbleiben oder ob das Schicksal als GroĂlogistikstandort besiegelt ist?
Fragt jemand, wie es eigentlich zusammenpasst, dass Edeka zwar ein so regionverbundender „Betrieb“ ist, aber gleichzeitig BĂ€cker, Metzger, LebensmittelhĂ€ndler aufgeben mĂŒssen, weil sie gegen Edeka und seine Billigmarken keine Chance haben?
Fragt jemand, ob tendenziell ArbeitsplĂ€tze erhalten bleiben oder zunehmende Automatisierung dafĂŒr sorgt, dass immer weniger Menschen die Arbeit machen?
Edeka ist nicht nur „QualitĂ€t“ – Edeka ist Deutschland drittgröĂter Billigmarktanbieter, nach Aldi und Lidl.
Edeka wird vom Bundeskartellamt beobachtet – Filialen wurden durchsucht. Mitarbeiter wurden bespitzelt, jede „Konzentration“ forderte unbedingte Unterwerfung der Angestellten – ansonsten droht Job-Verlust.
Edeka ist ein Handels-Moloch, ein riesiger Konzern, dessen GeschĂ€ftsmodell spitz gerechnet ist und dessen groĂe Gewinne im Vergleich zum Umsatz lĂ€cherlich sind.
Dabei wird ein gnadenloser Wettbewerb verursacht, der vielen Betrieben die Existenz raubt. Es wird unglaublich viel Verkehr erzeugt, StraĂen werden belastet, die aus Steuergeldern bezahlt werden mĂŒssen. Es werden FlĂ€chen versiegelt ohne Garantie eines RĂŒckbaus.
Und es werden ArbeitsplĂ€tze geschafffen, die hĂ€ufig genug eine „Aufstockung“ brauchen, weil man zu wenig fĂŒr den Lebensunterhalt verdient. Und wenn man in die Rente geht, reicht es nicht, sondern muss zum Sozialamt gehen und wieder braucht es Steuergelder, um die „Grundsicherung“ zu geben.
Fragt jemand danach, ob „groĂ=gut“, „Umsatz=alles“, sich nicht als Wirtschaftsideal lĂ€ngst ĂŒberholt hat? Oder danach, welche Auswirkungen es hat, wenn absolute Monopolisten ĂŒber alles entscheiden?
Frankreich und GroĂbritannien sind schon weiter als Deutschland. Dort fehlt jeder Wettbewerb fast vollstĂ€ndig – die Konzerne machen, was sie wollen.
Ganz klar wird in Heddesheim nicht ĂŒber europĂ€ische WirtschaftsmĂ€rkte entschieden. Aber doch fĂŒr den Ort und fĂŒr eine langfristige Zukunftssicherung und irgendwie auch ein wenig fĂŒr andere. Wer nur egoistisch handelt, handelt verantwortungslos. Zukunftssicherung könnte in der Förderung traditoneller Berufe bestehen und neue zukunftstrĂ€chtige Ansiedlungen fördern.
DafĂŒr ist ein BĂŒrgermeister Kessler aber nicht zu haben. Der hat es gerne groĂ und gerne betoniert. Und möglichst automatisch. Und ohne Widerspruch.
BĂŒrgerbeteiligung ist fĂŒr ihn wie fĂŒr einen Mega-Konzern wie Edeka (46 Milliarden Euro Umsatz) ein Greul. Ein gesetzliches ĂĆbel, dass man bĂŒrokratisch erledigen kann.
Herr Kessler inszeniert die „BĂŒrgerbeteiligung“ nur. Er hat kein Herz und keinen Verstand dafĂŒr. Es ist lĂ€stige Pflicht, notwendiges ĂĆbel, aber niemals eine KĂŒr, in der er zeigen wird, dass er wirklich fĂŒr seine BĂŒrgerinnen und BĂŒrger da ist, sie ernst nimmt, sie verstehen will und sich fĂŒr deren Willen einsetzt.
BĂŒrgeranliegen passen fĂŒr ihn dann, wenn es ihm passt. Wenn nicht, dann nicht.
Da muss man sich keine Illussionen machen.
UnterstĂŒtzt wird er dabei von Zirkeln, in denen entschieden wird, was gut ist und was nicht.
GroĂe Medien, wie der Mannheimer Morgen, die wirtschaftlich abhĂ€ngig von den Anzeigen der groĂen Konzerne sind, werden den Teufel tun und kritisch berichten – das ist lange vorbei. Donnerstag ist Zahltag – da werben Aldi, Lidl und die anderen Discounter und auch Edeka. Ein falscher Bericht und die Einnahmen sind dahin. ĂĆber das Wohlwollen der Zeitung braucht sich deshalb niemand zu wundern.
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