Mittwoch, 22. MĂ€rz 2023

Showddown im Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal

„Aktion besenrein“: MdL Hans-Ulrich Sckerl zum Stand der Dinge des EnBW-Untersuchungsausschuss

Der GrĂŒnen-Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss Hans-Ulrich Sckerl (links) im GesprĂ€ch mit Chefredakteur Hardy Prothmann. Bild: fluegel.tv

 

Rhein-Neckar/Stuttgart, 05. September 2012. (red/pro/fluegel.tv) Der Weinheimer GrĂŒnen-Politiker Hans-Ulrich Sckerl ist Obmann der Fraktion im EnBW-Unterschungsausschuss. Im Exklusiv-Interview mit unserer Redaktion und dem Stuttgarter Internetsender fluegel.tv erklĂ€rt er die Funktionsweise des Ausschusses, die Fragen, denen nachgegangen wird und was bislang ans Licht der Öffentlichkeit gelangt ist.

Von Hardy Prothmann

Der von der CDU allseits gepriesene „EnBW-Deal“ ist ein politischer Krimi. FĂŒr 4,7 Milliarden Euro kaufte das Land fast die HĂ€lfte der Aktien der EnBW vom französischen Konzern EdF. Geheimtreffen, Verfassungsbruch, ein Ex-MinisterprĂ€sident Stefan Mappus als „Sprechpuppe“ eines Investment-BĂ€nkers Dirk Notheis (Morgan Stanley), der dem Parteifreund per email Anweisungen gab, was der MinisterprĂ€sident zu sagen hatte, willfĂ€hrige Journalisten und Wissenschaftler, die instrumentalisiert wurden (und sich haben instrumentalisieren lassen), eine ehemals renommierte Anwaltskanzlei Gleiss Lutz, die eine unrĂŒhmliche Rolle spielt, eine geschredderte Festplatte, fehlende Akten – die Liste der unglaublichen VorgĂ€nge ist lang und macht fassungslos.

Ex-MinisterprĂ€sident Stefan Mappus sieht sich unbeirrt aller zu Tage geförderten skandalösen Details als Opfer von GrĂŒn-Rot, die ihm etwas „anhĂ€ngen“ wollen und weist jede Verantwortung von sich, obwohl der Staatsgerichtshof den Ablauf des Aktien-RĂŒckkaufs am Parlament vorbei als Verfassungsbruch beurteilt hat. Was als „tolles GeschĂ€ft“, das jeder „schwĂ€bischen Hausfrau gefĂ€llt“, verkauft worden ist, scheint ein schlechtes GeschĂ€ft fĂŒr die Steuerzahler gewesen zu sein. Die GrĂŒnen haben per Gutachten feststellen lassen, dass der Kaufpreis von 41,50 Euro deutlich ĂŒberhöht war und ein fairer Preis bei 34,05 Euro gelegen hĂ€tte. Nach dem Wertgutachten wurden sage und schreibe 840 Millionen Euro zuviel bezahlt. Dirk Notheis, Deutschland-Chef von Morgan Stanley, nannte den Preis gegenĂŒber dem VerkĂ€ufer „ĂŒppig“. Die GrĂŒnen haben Klage eingereicht und verlangen das Geld zurĂŒck.

Ende September und Oktober finden die entscheidenden Sitzungen des Untersuchungsausschusses statt. Stefan Mappus will nochmals auftreten, um seine Haltung zu verteidigen. Hans-Ulrich Sckerl erwartet sich von diesem Auftritt daraus keine neuen Erkenntnisse, wohl aber von anderer Stelle: Brisant könnten die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft Stuttgart werden, die gegen Stefan Mappus und seine Ex-Minister Helmut Rau und Willi StĂ€chele wegen des Verdachts der Untreue ermittelt und umfangreiche BĂŒro- und Hausdurchsuchungen durchgefĂŒhrt hat.

Die CDU steht mit dem RĂŒcken zur Wand – eine deutliche Distanzierung zum Verhalten von Stefan Mappus fehlt bis heute. Auch Bundeskanzlerein Angela Merkel ließ nach dem Abschluss des Deals ihre positive EinschĂ€tzung ĂŒbermitteln. Aktuell fĂŒrchtet die Partei ein Desaster bei der Bundestagswahl 2013.

FĂŒr den Landtagsabgeordneten und Juristen Hans-Ulrich Sckerl zeigt der Skandal um den EnBW-Deal, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um den Einfluss der Banken auf die Politik zu beschrĂ€nken:

Die Menschen haben durch den Skandal erkannt. Die Steuerzahler mĂŒssen in schwindelerregender Höhe fĂŒr die Misswirtschaft von Banken blechen, denen sich gewisse Politiker zu ihrem eigenen Vorteil ausgeliefert haben. Die Versprechungen der Transparenz und Kontrolle wurden nicht umgesetzt. Das ist untertrĂ€glich und muss geĂ€ndert werden.


fluegel.tv

Dokumentation der emails zwischen Mappus und Notheis

Monitor-Interview mit Hans-Ulrich Sckerl: Marionette: Wie die Investmentbank Morgan Stanley einen MinisterprÀsidenten steuerte

Anm. d. Red.: Das Interview mit Hans-Ulrich Sckerl ist eine Kooperation mit dem Stuttgarter Internetsender „fluegel.tv„. Robert Schrem, GrĂŒnder des BĂŒrgerportals, sowie die KameramĂ€nner Bernd Fetzer und Hans-Georg Schulz haben die technische Umsetzung ĂŒbernommen – eigentlich wollte man live ĂŒber Satellit senden – staubedingt wurde aber die Zeit knapp und man konnte die Leitung nicht rechtzeitig einrichten. Der Gastronom Jan Hutter hatte freundlicherweise die Terrasse bei Hutter im Schloss zur VerfĂŒgung gestellt, die Stadt Weinheim einen Stromanschluss ermöglicht.
Fluegel.tv hat sich im Zusammenhang mit Stuttgart21 einen Namen durch umfangreiche Live-Übertragungen, Dokumentationen, GesprĂ€chsreihen und „ungewöhnliche“ Herangehensweise an das Thema einen Namen gemacht. Kurz nach der Landtagswahl hat MinisterprĂ€sient Winfried Kretschmann dem Sender auf eigenen Wunsch ein Exklusivinterview gegeben, weil der Politiker erkannt hat, dass fluegel.tv abseits der etablierten Medien eine hohe Aufmerksamkeit genießt.
Unsere Redaktion ist bereits lange mit den Machern von fluegel.tv in Kontakt. Nun ist der erste Schritt einer Kooperation gemacht – wir sind gespannt, was sich daraus entwickelt.

Der Skandal Mappus erreicht auch Heddesheim

Die verlorene Ehre der CDU

Stefan Mappus erklĂ€rt den EnBw-Deal bei seinem Auftritt in Heddesheim zum "typisch badischen oder schwĂ€bischen GeschĂ€ft" - jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue gegen den frĂŒheren CDU-MinisterprĂ€sidenten und seinen Bankerfreund Dirk Notheis. Ebenso gegen Ex-Finanzminister StĂ€chele und Ex-StaatssektretĂ€r Rau.

 

Heddesheim, 14. Juli 2012. (red) Der frĂŒhere MinisterprĂ€sident Stefan Mappus steht im Fadenkreuz von Ermittlungen, ebenso der frĂŒhere Landesfinanzminister Willi StĂ€chele und der EX-Staatsminister Helmut Rau. SelbstverstĂ€ndlich gilt fĂŒr die CDU-Politiker“Unschuldsvermutung“, bis sie durch ein ordentliches Gericht verurteilt werden. TatsĂ€chlich gibt es bedrĂŒckende Informationen, dass Stefan Mappus zum Schaden des Staates und der BĂŒrger gehandelt haben könnte. Vor der Landtagswahl war ein umworbener Gast. Auch der Heddesheimer CDU-Vorsitzenden Rainer Hege platzte fast vor Stolz, den „Landesvater“ begrĂŒĂŸen zu dĂŒrfen.

Von Hardy Prothmann

Im Februar 2011 kommt Stefan Mappus nach Heddesheim. Der MinisterprĂ€sident. Von Baden-WĂŒrttemberg. In Heddesheim. Und Rainer Hege, der Chef des CDU-Ortsverbands, begrĂŒĂŸt ihn untertĂ€nigst, wie man nur untertĂ€nigst sein kann.

Rot die Wangen, gebĂŒckt die Haltung, freudig die Ausstrahlung. Der Landwirt Hege ist stolz wie bolle, dass der „Chef“ im Ort ist. Er weiß noch nicht, dass dieser Stefan Mappus spĂ€ter abgewĂ€hlt werden wird. Und er weiß auch noch nicht, dass es noch „schlimmer“ kommen wird.

NatĂŒrlich sind auch der Landtagsabgeordnete Georg Wacker vor Ort und sein Wahlkampfteam. Die glauben auch noch an einen „Sieg“. Auch sie sind sehr stolz, den hohen Besuch im Wahlkreis zu haben.

Mappus im Fadenkreuz der Ermittler

TatsÀchlich wird die CDU im Sommer 2011 nach fast 60 Jahren an der Macht einfach abgewÀhlt. Doch das ist noch nicht alles.

Aktuell wird gegen Stefan Mappus, Willi StĂ€chele und Helmut Rau staatsanwaltlich ermittelt. Ganz klar gilt die „Unschuldsvermutung“ wie bei jedem mutmaßlichen StraftĂ€ter, bis Fakten recherchiert sind, eine ordentliche Anklage erhoben worden ist und ein Gericht entschieden hat.

Klar ist aber auch, dass die Staatsanwaltschaft wusste, wie hoch die Aufmerksamkeit sein wĂŒrde – ohne ausreichenden Grund hĂ€tte sie sicher auch nicht zum Mittel der Razzia gegriffen. Dutzende Beamten und mehrere StaatsanwĂ€lte durchsuchten BĂŒros und Wohnungen.

Das Polit-Magazin Monitor zitiert umfangreich aus emails mit erschĂŒtternden Inhalten.

 

Bereits jetzt sind die „Indizien“ niederschmetternd. Das ARD-Magazin Monitor berichtet unter dem Titel „Marionette: Wie die Investmentbank Morgan Stanley einen MinisterprĂ€sidenten steuerte“ umfangreich ĂŒber emails, SMS und Briefe zwischen Mappus und seinem Freund Dirk Notheis – einem BĂ€nker von Morgan Stanlay, gegen den ebenfalls ermittelt wird. Dieser Bericht ist erschĂŒtternd.

GegenĂŒber Frontal21 spricht Professor Hans-Georg Wehling (den wir auch schon mehrfach in Sachen „Pfenning“ und BĂŒrgermeister Kessler interviewt haben) von einem „sklavischen“ Verhalten des frĂŒheren MinisterprĂ€sidenten und sagt:

Das konnte man sich gar nicht vorstellen, dass ein Banker einen MinisterprĂ€sidenten wie eine Marionette fĂŒhrt.

Bittere Erkenntnisse

Der Landtagsabgeordnete und Obmann im Untersuchungsausschuss, Hans-Ulrich Skerl (BĂŒndnis90/Die GrĂŒnen), sagt in dem ARD-Beitrag:

Notheis hat es fertig gebracht, dass der MinisterprÀsident nicht die einfachsten Checks gemacht hat.

StaatsanwĂ€lte filzten in den vergangenen Tagen BĂŒros von Mappus. Gegen den Mann wird wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Der möglicherweise verursachte Schaden: 840 Millionen Euro. Auch der Banker und Mappus-Freund Dirk Notheis steht im Fadenkreuz der Ermittler.

Marionette

Es besteht der Verdacht, dass sich Mappus zur Marionette von Banker, „Freunden“ und GeschĂ€ftsleuten gemacht hat.

Ein ehemals unterwĂŒrfig empfangener MinisterprĂ€sident hat schon heute seine Ehre verloren – denn klar ist, dass er nicht „sauber“ gehandelt hat. Ob man ihn ĂŒberfĂŒhren und verurteilen kann, steht auf einem anderen Blatt.

Die CDU in Heddesheim steht vor einem Ă€hnlichen Schicksal. „Bis zu 1.000 ArbeitsplĂ€tze“ wird „Pfenning“ bringen mĂŒssen. Ebenso „erhebliche Gewerbesteuerzahlungen“. Und einen Gleisanschluss.

Versagerpotential

Diese Bedingungen werden erfĂŒllt werden mĂŒssen, wenn sich die Partei, die das lokale „Monster-Projekt“ maßgeblich mit UnterstĂŒtzung der SPD und FDP vorangetrieben hat, nicht irgendwann als Versagerklientel bekennen muss.

Und wer weiß – vielleicht tauchen irgendwann Informationen auf, die mindestens so unangenehm oder sogar strafrechtlich relevant sind, wie die zum frĂŒheren MinisterprĂ€sidenten Mappus?

Es gibt immer betrogene Ehefrauen, frustrierte Freundinnen, unzufriedene Mitarbeiter, enttĂ€uschte Freunde, Konkurrenten – also jede Menge Quellen, die „was ĂŒbermitteln“ können.

Die verlorene Ehre der CDU

Zwar versucht sich der neue starke Mann der CDU, Peter Hauk, jetzt von Stefan Mappus zu distanzieren, nachdem er ihm die ersten Tage noch die Stange gehalten hat. Aber der Schaden ist zu groß, Mappus verbrannt. Da rettet sich lieber, wer kann.

Vor Ort in Wahlkreis 39 wird man sehen, wie die CDU mit dem Skandal umgeht. Von „Wirtschaftskompetenz“ kann man angesichts leerer Kassen und eines marode ĂŒbergebenen Zustand Baden-WĂŒrttembergs kĂŒnftig nur noch sehr kleinlaut reden. Von Ehre und GlaubwĂŒrdigkeit schon gar nicht. Man darf gespannt sein, wie viele OrtsverbĂ€nde sich trauen, diese Schmach öffentlich zu behandeln und sich in aller gebotenen Form zu distanzieren.

Die CDU hat sich einen mutmaßlichen Veruntreuer und tatsĂ€chlichen Verfassungsbrecher zum Vorbild genommen. Es ist eine Frage der Ehre, wie man damit umgeht.

Ehre ist Ehre. Und Unehre ist Unehre.

Nervöse Stimmung

Nicht auszuschließen ist, dass Informationen öffentlich werden, die nur lokal, wenig prominent, aber durchaus skandalös sind. Lassen wir uns ĂŒberraschen. Unserer Redaktion liegen schon viele Hinweise vor – Indizien, durch die wir sicher davon ausgehen können, dass gewisse Personen seit langem unruhig schlafen. Leider noch keine „handfesten Fakten“.

Das kann sich schnell Ă€ndern. Die NervositĂ€t ist bei gewissen Personen sicherlich enorm hoch – und das ist gut so. Sie werden Fehler machen und andere werden sie ausnutzen – aus welchen Motiven auch immer.

Stefan Mappus hat die Chance, einen Fehler einzugestehen, lÀngst vertan. Gegen ihn wird ermittelt, eventuell wird Anklage erhoben und dann entscheidet ein Gericht.

Abrechnung

HĂ€tte er sich korrekt zu verhalten versucht, Zweifel geĂ€ußert, wĂ€re ihm das zugute gekommen. Jetzt wird ohne mildernde UmstĂ€nde abgerechnet. Immerhin ist er noch fĂŒr eine Satire gut:

Ob die „Pfenning“-Rechnung schon „durch ist“, wird man sehen. AuffĂ€llig ist wie beim Mappus-Deal, dass alle BefĂŒrworter keine einzige kritische Frage hatten. Alles war klar – viele Äußerungen wirkten wie „vorgeschrieben“. Man könnte fast an „Mappus“ denken.

Das heißt nicht, dass „Pfenning“ nicht absolut „anstĂ€ndig“ verhandelt worden ist. Aber das Gegenteil ist nicht ausgeschlossen.

Andreas Storch, Obmann der SPD sagt im Monitor-Beitrag:

Dass hier auch Personen gekauft werden können, durch Aufsichtsratsposten und VergĂŒtungen…

Man wird in der nahen Zukunft sehen, ob es auch in Heddesheim „Posten“ fĂŒr Personen geben wird.

Hinweis: Hier finden Sie den Auftritt von Mappus in Heddesheim vollstĂ€ndig dokumentiert. In Folge 5 spricht er ab 4:30′ ĂŒber den EnBw-Deal.