Mittwoch, 22. März 2023

Gisela Mayer wird Wahlfrau

Weinheim/Rhein-Neckar, 02. Marz 2012. (red/pm) Uli Sckerl tritt seinen Platz in der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten ab. An seiner Stelle fährt Gisela Mayer, die Vorsitzende des Bündnisses der Eltern in Winnenden, nach Berlin.

Information des Landtagsabgeordneten Uli Sckerl:

„Der Landtagsabgeordnete Uli Sckerl hat zugunsten engagierter Bürger auf sein Ticket nach Berlin verzichtet. „Als Parlamentarischer Geschäftsführer war ich für die Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten gesetzt. Mir ist es aber sehr wichtig, dass engagierte Bürgerinnen und Bürger auch wählen können und nicht nur Parlamentarier.

Ich habe deshalb meinen Platz zur Verfügung gestellt. Das ist für mich ein plastisches Beispiel dafür, was wir Grüne Bürgergesellschaft nennen“, sagte Sckerl. Auf seinen Vorschlag vergab die grüne Fraktion dann zahlreiche Plätze an engagierte Persönlichkeiten. Er selbst hat Gisela Mayer, die Vorsitzende des Bündnisses der Eltern in Winnenden, die bei dem schrecklichen Amoklauf im März 2009 ein Kind verloren haben, als Wahlfrau eingeladen.

Sckerl unterstützt die Eltern und ihr Aktionsbündnis seit 2009 und arbeitete im Sonderausschuss des Landtags an Handlungsempfehlungen zur Prävention von Gewalt . „Ich habe vor den Eltern, die sich ungeachtet ihres unersetzlichen persönlichen Verlustes mit hohem Engagement für uns alle einsetzen, enorme Hochachtung. Sie gehören einfach in eine Bundesversammlung“, sagte er.“

Uli Sckerl lud nach Stuttgart ein

Besuch des Landtags Baden-Württemberg

40 Besucher aus dem Weinheimer Wahlkreis schauten sich das Geschehen im Landtag mal etwas genauer an.

 

Rhein-Neckar, 13. Febraur 2012. (red/jt) Am 08. Februar lud der Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich (Uli) Sckerl die Bürgerinnen und Bürger des Wahlkreis 39 Weinheim zum Besuch des baden-württembergischen Landtags ein. Das Programm bestand aus einer generellen Einführung, dem Besuch des Landtagsplenums und einem Abgeordnetengespräch. Die Kosten für die Fahrt trug der Landtag.

Von Jörg Theobald

Eine breite Mischung aus Jugendgemeinderäten, interessierten Bürgerinnen und Bürgern, Mitgliedern von Bündnis 90/Die Grünen, Grüner Jugend und Gemeinderäten aus der Region nahm am 08. Februar an der Fahrt nach Stuttgart teil.

Die 40 Personen waren der Einladung von Landtagsabgeordnetem Uli Sckerl gefolgt und besuchten den baden-württembergischen Landtag. Mit einer zweistündigen Verspätung durch eine Buspanne traf die Gruppe gegen 16:00 Uhr in Stuttgart ein.

Im Lina-Hähnle-Saal (Sitzungssaal der Grünen Fraktion) gab es eine generelle Einführung in die Abläufe und die Funktionsweise des Landtags. Im Anschluss wurde die Gruppe durch den Flügel der Grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus geführt.

Die Büros im Abgeordnetenhaus sind allesamt sehr klein, nach Aussage von Uli Sckerl ist es „keine Seltenheit“, dass teilweise zu viert in den kleinen Räumen gearbeitet wird. Der Landtag von Baden-Württemberg sei, was die Versorgung und die Räumlichkeiten angeht, das „Schlusslicht“ aller Landtagsgebäude in Deutschland.

Ein feiner Zwirn macht noch keine guten Manieren.

Nach der Führung durch das Abgeordnetenhaus musste Uli Sckerl (siehe auch Porträt Sckerl auf dem Hirschbergblog.de)zurück in den Plenarsaal. Wichtige Abstimmungen standen an. Uli Sckerl sagte:

Wir als Regierungskoalition haben gerade mal vier Stimmen mehr als die Opposition. Also gerade mal vier Stimmen über den Durst.

Der Landtag von Baden-Württemberg - wilde Diskussionen sind hier keine Seltenheit.

Die Besuchergruppe konnte sich im Anschluss selbst von der Wichtigkeit dieser vier Stimmen überzeugen. Im Plenarsaal wurde über den Haushaltsplan 2012 diskutiert.

Dabei kam es immer wieder zu heftigen Diskussionen zwischen den Abgeordneten, bei der man sämtliche Regeln von Anstand und Gesprächskultur vergeblich suchte. Mit Absicht lautstark durch den gesamten Saal geführte „Gespräche“ und jede Menge Zwischenrufe sorgten dafür, dass der jeweils aktuelle Redner häufig kaum zu verstehen war. (Siehe auch diese Reportage auf dem Hirschbergblog.de: „Im Landtag nichts Neues“)

Viele Besucher, darunter auch sehr viele Schulklassen, schauten dem Treiben von den Besucherrängen zu. Unverständnis und Kopfschütteln herrschte unter den Besuchern vor. Eine ältere Dame ereiferte sich:

Das ist ja wie im Kindergarten hier. Wo bleibt denn da die Vorbildfunktion?

Das Bild setzte dann bei den Abstimmungen fort. War die Opposition dafür, war die Regierungskoalition geschlossen dagegen und umgekehrt. Gemeinsame Entscheidungen? Fehlanzeige.

Auch die Besuchergruppe war von dem Verhalten der Abgeordneten irritiert.

„Mehr Indianer, weniger Häuptlinge“

Nach einer guten Stunde im Plenarsaal kehrte die Gruppe zurück in den Lina-Hähnle-Saal. Dort stellte sich der Landtagsabgeordnete Sckerl den Fragen der Besucher.

Neben der Kandidatur des Heidelberger Fritz Kuhn (Mitglied des Bundestages und dort stellvertretender Fraktionsführer von Bündnis 90/Die Grünen) für das Amt des neuen Oberbürgermeisters von Stuttgart, wurde auch die Gentechnik sowie die Polizeireform thematisiert.

Uli Sckerl stellte sich im Lina-Hähnle-Saal (Sitzungssaal der Grünen Lantagsfraktion) den Fragen der Besucher.

Alexander Spangenberg, Stadtrat in Ladenburg, wollte wissen, ob es innerhalb der grünen Fraktion bereits Gesetzesentwürfe zum Thema Gentechnik gibt und ob Baden-Württemberg alleine überhaupt dazu in der Lage ist, die Entwicklung der Gentechnik in die richtigen Bahnen zu lenken.

Laut Uli Sckerl würden die rechtlichen Möglichkeiten des Landes bereits geprüft, grundsätzlich würde aber auf Bundes- und Europaebene an diesem Thema gearbeitet. Besonders auch im Hinblick auf die Problematik, das europäische Gesetze alle Mitgliedsstaaten betreffen, sei es wichtig, auf EU-Ebene etwas zu bewegen. Das Ergebnis sei dort jedoch noch „völlig offen“.

Auf die anstehende Polizeireform ging Uli Sckerl auf Nachfrage ebenso ein, wie auf die drohende Schließung der Diensstelle der Kriminalpolizei in Weinheim.

Es muss wieder mehr Indianer und weniger Häuptlinge geben.

Sckerl weiter:

Zu viele Polizeibeamte sind mit Verwaltungsaufgaben gebunden. Gut 50 Prozent der Beamten haben nicht direkt mit den Bürgern zu tun – sie sind weder im Vollzugsdienst, noch regeln sie den Verkehr.

Bürgernähe sehe anders aus, so Sckerl. Die Schließung der Polizeidienststelle in Weinheim sei zudem noch nicht sicher. Bei der neuen Aufstellung der Standorte sei noch nichts entschieden.

Kurt Klemm, Gemeinderat in Heddesheim, sprach den Abgeordneten auf die neuesten "Landschaftspflegemaßnahmen" in Heddesheim an und fordert die Absetzung von Bürgermeister Kessler.

Es mache allerdings keinen Sinn, in jeder Dienststelle die selben Spezialisten anzutreffen. Eine zentrale Organisation der Kriminalpolizei in Heidelberg sei da schon sinnhafter, so Sckerl. Schließlich sei es bereits jetzt so, dass die Erstbestandsaufnahme zunächst durch die Bereitschaftspolizei erfolge und Kriminalpolizisten erst auf Anforderung anrücken. Auch den angespannten Landeshaushalt könne man so entlasten.

Nach dem Abgeordnetengespräch lud Uli Sckerl die Gruppe ins Restaurant „tempus“. Der geplante Besuch des Stuttgarter „Haus der Geschichte“ fiel auf Grund der Verspätung durch die Buspanne jedoch aus. Nach Rigatoni in Gemüse-Sahne-Sauce und Salat oder Alternativ Truthahngeschnetzeltem in Curryrahm mit Siam-Duftreis machte sich die Gruppe auf den Weg zurück nach Hause.

Den meisten Besuchern bleibt vor allem der mangelhafte Umgang der Landtagsabgeordneten untereinander im Gedächtnis – das hatte viele negativ beeindruckt.

 

Anmerkung der Redaktion: Aus Transparenzgründen wird darauf hingewiesen, dass der Autor Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen Ortsverband Edingen-Neckarhausen ist.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann schreibt S21-Gegnern auf Facebook

Rhein-Neckar, 07. Februar 2012. (red/pm) Winfried Kretschmann wendet sich mit einem offenen Brief über das soziale Netzwerk Facebook an die Gegner von Stuttgart 21. Er selbst bezeichnet sich ebenfalls als S21-Gegner und den Ausgang der Abstimmung als „schmerzlich“. Wie bereits zuvor angekündigt, hält er sich an das Ergebnis und schreibt: „Ungleich schlimmer wäre es, das Votum letztlich nicht anzuerkennen.“

Dokumentation; Offener Brief von Ministerpräsident Winfried Kretschmann
(Anm. d. Red.: Zwischenüberschriften durch die Blogredaktion eingefügt.) 

„in den letzten Tagen und Wochen erreichten mich Schreiben sowie Beiträge auf Facebook und Twitter von Bürgerinnen und Bürgern, deren Inhalt mir sehr zu denken gibt. Mal mehr, mal weniger deutlich wird darin gefordert, Stuttgart 21 dürfe auch nach dem Ergebnis der Volksabstimmung nicht gebaut werden. Daher möchte ich Ihnen mit diesem offenen Brief meine Sicht der Dinge darstellen.

Der 27. November 2011 ist ein Datum, das bei mir ganz unterschiedliche Gefühle weckt. Einerseits konnten mit der Volksabstimmung über das „S 21-Kündigungsgesetz“ zum ersten Mal in der Geschichte Baden-Württembergs die Bürgerinnen und Bürger jenseits von Wahlen unmittelbar Einfluss nehmen und in einer Sachfrage eine Entscheidung treffen.

Wenngleich das Wort für uns Deutsche aus geschichtlichen Gründen nicht nur positiv besetzt ist, so bin ich doch ein wenig stolz darauf, dass es uns gelungen ist, mit der Volksabstimmung einen historischen ersten Schritt in eine echte Bürgergesellschaft gemacht zu haben.

Volksabstimmung ein „sehr bitterer und schmerzlicher Tag“

Andererseits ist der 27. November für mich persönlich ein sehr bitterer und auch schmerzlicher Tag gewesen. Denn an diesem Tag hat sich eine klare Mehrheit der Abstimmungsberechtigten Baden-Württembergs für eine finanzielle Beteiligung des Landes an dem Bahnprojekt Stuttgart 21 ausgesprochen. Lediglich in sieben von insgesamt 44 Stimmkreisen hat das „S 21-Kündigungsgesetz“ eine Mehrheit von Ja-Stimmen gefunden. Demgegenüber haben 58,9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen in Baden-Württemberg gegen den Gesetzentwurf votiert.

Selbst im Stadtkreis Stuttgart, wo ich ein anderes Ergebnis erwartet hatte, hat sich keine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für das S 21-Kündigungsgesetz ausgesprochen:

Mit 52,9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen wurde ein Ausstieg aus der Finanzierung von Stuttgart 21 abgelehnt. Über ein Jahrzehnt hinweg haben ich und die Grünen im Landtag und darüber hinaus gegen das Projekt argumentiert und für Alternativen geworben und so ist dieses Votum des Volkes für mich eine schmerzliche Entscheidung, an der ich persönlich schwer trage.

Ich hatte mir einen anderen Ausgang gewünscht, denn ich bin weiterhin der Überzeugung, dass die Alternativen zu Stuttgart 21 besser gewesen wären. Schmerzlich ist der Ausgang aber auch deshalb, weil ich eingestehen muss, dass wir die Mehrheit der Bevölkerung mit unseren guten sachlichen und fachlichen Argumenten nicht überzeugen konnten.

Auch ungeliebte Mehrheitsentscheidungen akzeptieren

Am 27. November 2011 hat das Volk entschieden. Und als überzeugter Demokrat und Ministerpräsident akzeptiere ich den Willen des Souveräns.

Damit entfällt in einer Demokratie für die Politik und für mich als Ministerpräsident die Legitimation, das Projekt Stuttgart 21 dem Grunde nach immer und immer wieder in Frage zu stellen. Nicht ausgeschlossen ist es hingegen, die Fehler und Schwächen des Projekts deutlich aufzuzeigen, den Finger in die Wunde zu legen und auf Nachbesserungen zu drängen. Das verstehe ich unter einem kritisch-konstruktiven Begleiten von Stuttgart 21 PLUS.

Wer allerdings meint, die Landesregierung und insbesondere ich als Ministerpräsident könnten oder müssten das Projekt über solche Schwächen noch endgültig zu Fall bringen, dem muss ich ganz klar sagen, dass ich dies nicht machen werde. Die Bahn darf Stuttgart 21 bauen. So hat das die klare Mehrheit der Abstimmenden gewollt. Es gehört zum Wesenskern der Demokratie, dass man Mehrheitsentscheidungen akzeptiert, ob sie einem nun gefallen oder nicht.

Allen war bewusst, dass mit der Volksabstimmung über das S 21-Kündigungsgesetz selbstverständlich mittelbar über die Realisierung der Projekte Stuttgart 21 und die Alternativen abgestimmt wird.

Alle Argumente, die gegen Stuttgart 21 und für die Alternativen sprechen, sind im Zuge der äußerst umfassenden Diskussionen im Vorfeld der Volksabstimmung, in der Schlichtung und/oder bereits weit vorher, geäußert und vorgetragen worden. Ich will auch gerne erneut betonen, dass ich viele der kritischen Argumente zu Stuttgart 21 persönlich teile. Sämtliche Argumente in der Debatte sind vorgebracht, gewendet und abgewogen worden. Jede Bürgerin und jeder Bürger hatte umfassenden Zugang zu ihnen. Es gab hunderte Veranstaltungen und Foren sowie Diskussionsrunden unterschiedlichster Art.

Es gab die Schlichtung. Niemand wurde ausgeschlossen.

Pro und Contra hinlänglich bekannt

Über mehr als ein Jahr hinweg ist das Thema in der Stadt, regional und überregional intensiv verhandelt worden. Und gerade in Zeiten des Internets und anderer moderner Kommunikationsmittel kann keine Rede davon sein, dass Informationen hinter dem Berg gehalten oder verschwiegen worden seien.

Die Fakten, die für oder gegen Stuttgart 21 sprachen und sprechen, lagen offen auf dem Tisch. Und allen war klar, was im Falle eines Scheiterns des S 21-Kündigungsgesetzes unaufhaltsam kommen wird:

Abriss des Südflügels, Freimachung des Baufeldes im Mittleren Schlossgarten zur Errichtung des Trogbauwerkes durch Fällen oder Versetzen der Bäume und Grundwasserentnahme.

Die Argumente, die Sie gegen Stuttgart 21 anführen, waren der Bevölkerung hinlänglich bekannt. In der Broschüre zur Volksabstimmung konnten Pro- und Contra-Seite Ihre Argumente kompakt vortragen. Jeder, der wollte, konnte darüber hinaus sich jede Facette und noch differenzierte Argumente beschaffen. Gleichwohl hat sich deren Mehrheit am Ende für das Projekt entschieden. An dieser Erkenntnis führt einfach kein Weg vorbei.

In der Regierungsform der Demokratie – und bei der direkten Demokratie zumal – gehen wir von einer mündigen Bürgerschaft aus. Wir nehmen an, dass Menschen informiert sind bzw. sich Informationen beschaffen (können), bevor sie zu Wahlen und Abstimmungen gehen, und dass sie dann abgewogene Urteile und Entscheidungen fällen. Allerdings können wir niemanden dazu zwingen.

One Man, one vote“

Jede (volljährige) Bürgerin und jeder (volljährige) Bürger hat eine Stimme, und alle Stimmen haben den gleichen Wert. „One Man, one vote“ ist zu Recht ein Kernsatz demokratischer Verfassung. Und jede Stimme zählt gleich, egal wer sie abgibt, ob etwa Professorin oder Putzfrau, aus welchen Gründen und Motiven auch immer, ob sie sich gut oder schlecht informiert hat.

Ein weiterer Kernsatz der Demokratie ist, dass Mehrheiten entscheiden. Darauf ist demokratische Politik angewiesen, denn etwas Besseres als die Mehrheitsregel ist noch niemandem eingefallen.

Wer, wenn nicht die Mehrheit in einer demokratischen Abstimmung soll denn die Legitimität einer Entscheidung begründen? Wie soll denn verfahren werden, wenn eine klare Mehrheit in einer strittigen Frage vorliegt? Soll dann das Votum dieser Mehrheit etwa nicht umgesetzt werden? Mit welchem Recht wollte man sich als Regierung dem verweigern? Woran sollen sich Entscheidungen ausrichten, wenn nicht an vorangehenden Mehrheiten in Wahlen und Abstimmungen?

Die Grün-Rote Koalition ist hier ohnehin schon sehr weit gegangen, nachdem große Mehrheiten im Parlament Stuttgart 21 längst beschlossen hatten, diese Entscheidung erneut in Form einer Volksabstimmung wieder aufzurufen. Wenn wir uns dieser Mehrheitsentscheidung bei Stuttgart 21 verweigern würden, wie könnten wir dann in Zukunft selbst auf unseren Mehrheitsentscheidungen bestehen?

„Streiten bis in alle Ewigkeit“?

Niemand verlangt, die Position der anderen Seite zu übernehmen. Und niemand verlangt, mit der eigenen Meinung künftig hinter dem Berg zu halten. Aber der – in vielen Schreiben und anderen Veröffentlichungen der letzten Wochen zu findende – Appell an die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger und der Verweis auf die großen Erwartungen, denen man gerecht werden müsse, der Hinweis auf die verantwortlichen Politiker und Planer gehen darüber hinaus: sie dokumentieren, dass man das Votum der Volksabstimmung nicht akzeptiert.

Was bedeutet die Nichtanerkennung solcher Ergebnisse für die Demokratie allgemein und für das an Recht und Gesetz gebundene Regieren im Konkreten? Wie soll Legitimation für politisches Handeln hergestellt werden? Wer bestimmt, entscheidet und handelt dann in staatlichen Angelegenheiten? Soll dies eine elitäre Expertokratie sein, von der manch antiker Denker schrieb?

Der Konflikt um Stuttgart 21 war ein tiefer und heftiger Konflikt, der Stadt und Land mehr und mehr zu spalten drohte. Wie sollen schwierige Konflikte beigelegt werden, wenn nicht einmal eine Volksabstimmung als letzte Autorität anerkannt wird? Soll man weiter streiten bis in Ewigkeit?

Grundsätze der Demokratie werden in Frage gestellt

Ganz allgemein: Wie soll Demokratie dann überhaupt funktionieren? Was sind die Alternativen?

Diese Fragen drängen sich mir bei der Lektüre Ihrer Briefe, E-Mails, Postings und Tweets auf. Welche Antworten wollen Sie finden, ohne grundsätzliche demokratische Prinzipien unseres Gemeinwesens in Frage zu stellen?

Vielleicht gibt es auch noch andere Gründe, die Sie bewogen haben, ihre Schreiben so zu formulieren. Halten Sie komplexe politische Sachfragen für nicht geeignet, um sie durch die Bevölkerung direkt abstimmen zu lassen?

Und schließen sich damit den Gegnern bzw. Skeptikern der direkten Demokratie an, von denen es ja manche gerade in den konservativen Parteien gibt?

Eine solche Position ist keineswegs ehrenrührig und hat gute Argumente auf ihrer Seite – man sollte sie nur klar benennen.

Ich persönlich teile diese Auffassung jedenfalls nicht, im Gegenteil: Die im Vergleich sehr hohe Beteiligung der Bürgerschaft an der Volksabstimmung ist für mich ein deutliches Indiz, dass die Menschen in unserem Lande über mehr Themen direkt mitentscheiden wollen und nicht über weniger.

Prinzipiell gilt allerdings, dass das Volk in seiner Mehrheit natürlich genauso Fehlentscheidungen treffen kann, wie die Mehrheit in einem Parlament. Denn in der Demokratie wird nicht über Lüge und Wahrheit entschieden, sondern über Alternativen.

Wer der Auffassung ist, dass die Volksabstimmung nicht rechtmäßig abgelaufen sei, für diejenige oder denjenigen gibt es in einem Rechtsstaat ebenfalls den Weg, den die gewaltenteilende Demokratie vorsieht:

Die Klage vor den Gerichten. Der entsprechende Weg ist ja von einigen auch bereits beschritten worden. Aber gewiss kann dies keine Forderung an die Exekutive sein. Schon gar nicht wenn sie wie in diesem Fall die Volksabstimmung nach sorgfältiger Prüfung selber eingeleitet hat.

Wie sollen Bürgergesellschaft und Bürgerdemokratie funktionieren?

Zu diesen Themen hinzu kommt eine Sorge, die mich umtreibt. Es ist die Sorge, dass das, was die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 an Positivem und Wegweisendem für die Republik bereits erreicht hat – für die Zukunft ein grundsätzliches Überdenken von Planungsprozessen, eine Ausweitung und Verbreiterung der Beteiligung der Bürgerschaft auf unterschiedlichsten Ebenen, Transparenz und Offenheit bei den Alternativen und manches mehr –, dass diese großen Erfolge also gefährdet und womöglich konterkariert werden, weil maßgebliche Protagonisten des Protestes das Resultat der Volksabstimmung nicht akzeptieren.

All dies zusammengenommen stelle ich mir eine grundsätzliche Frage: Wenn auch bekannte und anerkannte Persönlichkeiten das Ergebnis einer Volksabstimmung nicht anerkennen und respektieren wollen – wie soll dann die Bürgergesellschaft und die neue Bürgerdemokratie eigentlich funktionieren?

Und ins Konkrete gewendet leitet sich daraus eine für den politischen Alltag elementare Frage ab. Nachdem die Volksabstimmung ein so klares Votum hervorgebracht hat:

Können Sie sich ernsthaft einen Ministerpräsidenten und eine Landesregierung wünschen, die sich – weil ihnen ein politisches Ergebnis missfällt – über den Willen der Mehrheit in einem Gesetzgebungsverfahren (denn nichts anderes ist eine Volksabstimmung nach unserer Landesverfassung) hinwegsetzt, dagegen opponiert und sich schlichtweg nicht an Gesetz und Recht gebunden fühlt?

Niemand, der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ernst nimmt, kann sich dies am Ende wünschen, auch die nicht, die in der Sache verloren haben. Denn wir würden dann Tür und Tor öffnen für eine Entwicklung, an der keinem von uns ernsthaft gelegen sein kann.

So schmerzlich und bitter die Entscheidung des Volkes für Stuttgart 21 in der Sache für uns Gegner war. Ungleich schlimmer wäre es, das Votum letztlich nicht anzuerkennen. Denn dies hieße nichts anderes, als unseren demokratischen Rechtsstaat in Frage zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Winfried Kretschmann“

Ortsverband Heddesheim diskutiert seine Agenda für 2012

Klausurtagung von Bündnis 90 / Die Grünen

Heddesheim, 17. Januar 2012 (red/pm) Der Ortsverband Heddesheim von Bündnis 90 / Die Grünen trifft sich zur Klausurtagung in Schriesheim. Bei diesem Treffen am 21. Januar 2012 wird die Agenda für dieses Jahr beschlossen.

Information des Ortsverbands von Bündnis 90 / Die Grünen:

„Klausurtagung des Ortsverband

Aktuelle konkrete Problemstellungen der Bürger in der Gemeinde Heddesheim stehen an erster Stelle eines umfangreichen Arbeitsprogrammes.

Der Ortsverband von Bündnis 90 / Die Grünen startet das politische Jahr 2012 mit einer Klausurtagung am 21. Januar 2012 in Schriesheim. Die Agenda ist sehr komplex und stellt die, im Vorfeld bei den Bürgern ermittelten Problemstellungen, in den Blickpunkt der Beratungen.

Neben den leider immer noch nicht gelösten Kernproblemstellungen zum „ruhenden und fließenden Verkehr in Heddesheim“, behandeln die Teilnehmer weitere wichtige grüne Themenfelder wie Natur- und Tierschutz, Umwelt- und Energie, Barriere- und Altersgerechtigkeit sowie Jugend- und Familienbetreuung.

Zentrale Zielsetzung der diesjährigen Klausur sollen realisierbare Problemlösungsvorschläge zu Fragestellungen darstellen, wie das Leben der Bürger in Heddesheim unter ökologischen, ökonomischen und nachhaltigen Gesichtspunkten dauerhaft verbessert werden kann.

Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung wird die Sicherheit speziell der älteren Verkehrs-teilnehmer, der Kinder und Jugendlichen bei weiterhin zunehmendem Straßenverkehr in Heddesheim sein.

Wir erwarten von der diesjährigen Klausurtagung spannende Diskussionen und konkrete Ansätze zur Problemlösung, die wir in geeigneter Form als Gemeinderatsfraktion in die öffentliche politische Diskussion einbringen werden.“

Günther Heinisch folgt auf Klaus Schuhmann als Fraktionsvorsitzender

„Die Messlatte liegt hoch.“

Heddesheim, 12. Januar 2012. Mit der Fraktionssitzung Anfang Januar hat es personelle Veränderungen bei Bündnis90/Die Grünen gegeben. Klaus Schuhmann (60) hat seine Funktion als Fraktionsvorsitzender beendet. Günther Heinisch (50) wurde einstimmig zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt, als Vertreter wurde wie bisher auch Ulrich Kettner (59) bestätigt. Das Rathaus wurde über den Wechsel informiert.

Von Hardy Prothmann

Herr Heinisch, herzlichen Glückwunsch zum Fraktionsvorsitz der Heddesheimer Grünen im Gemeinderat. Sie sind ja auch Vorstand des Ortsverbands. Wie war das noch gleich mit der Trennung von Amt und Mandat?

Günther Heinisch: Auf der Lokalebene wäre das sehr wünschenswert, aber in Baden-Württemberg gilt das tatsächlich nur auf Landesebene bei Ministern und Abgeordneten. Alle anderen Bundesländer haben das schon längst ganz abgeschafft – wenn Sie so wollen, sind wir noch die Lordsiegelbewahrer dieser politischen Haltung.

Was wird sich denn im Heddesheimer Gemeinderat ändern?

Günther Heinisch ist neuer Fraktionssprecher der Grünen im Heddesheimer Gemeinderat. Bild: privat

Heinisch: Politisch bleiben wir unserer Linie treu – somit wird sich „auffällig“ ersteinmal nichts ändern. Ohne „bedrohlich“ sein zu wollen, aber der Funktion entsprechend wird es einige Wortbeiträge mehr von meiner Seite aus geben. Manche werden sich freuen, andere vielleicht nicht. Inhaltlich sind wir Grünen weiterhin die Opposition Deluxe.

Ihr Kollege Klaus Schuhmann war gut zehn Jahre Fraktionsvorsitzender. Wie bilanzieren Sie diese Zeit?

Heinisch: Das waren sehr wechselhafte Jahre, Klaus hat zeitweise eine harte Oppositionszeit verbracht, weil die Grünen teils nur mit zwei Gemeinderäten vertreten waren, Klaus Schumann und Anke Antary. Die aktuelle Situation mit sechs Räten und als zweitstärkste Fraktion ist wesentlich leichter, schon allein aufgrund der Arbeitsverteilung und sechs kluger Köpfe, die sich intensiv austauschen. Klaus war ein hervorragender Fraktionsvorsitzender, immer engagiert, er hat mit seinen Fraktionskollegen für die Grüne Sache unheimlich viel geleistet. Die Fraktion hatte ihn nach der Wahl 2009 auch gebeten die Funktion weiter auszuführen, obwohl er schon früher den Vorsitz weiterreichen wollte. Jetzt war es sein ausdrücklicher Wunsch, einen Generationenwechsel durchzuführen. Für mich liegt die Messlatte hoch.

Der Fraktionsvorsitzende ist ein Moderator.

Was ändert sich für Sie und den persönlichen Arbeitsaufwand?

Heinisch: Ich werde mehr Stellungnahmen vorbereiten, allein dadurch steigt der Aufwand. Aber bekanntermaßen sind alle Grünen Räte bei allen Themen aktiv. Der Fraktionsvorsitzende hat höchstens eine Art Aufsichtsfunktion bei den Fraktionssitzungen, wenn auch die Hierarchie bei den Grünen sehr flach und die Zusammenarbeit sehr kooperativ ist, daran wird sich auch nichts ändern.

Die Fraktionsvorsitzenden sind Gemeinderäte erster Klasse und erhalten exklusive Informationen, die andere nicht erhalten. Ist das denn in Ordnung?

Heinisch: Das mag vielleicht das allgemeine Verständnis bei anderen Parteien sein, was ich aber nicht wirklich glaube – bei den Grünen ist das jedenfalls nicht so. Der Fraktionsvorsitzende ist Erster unter Gleichen, alle Informationen erreichen auch die anderen. Man ist erster Ansprechpartner von Seiten der Verwaltung, das ist pragmatisch, bedeutet sonst aber nichts.

Gibt der Fraktionsvorsitzende Linien oder Themen vor?

Heinisch: Der Fraktionsvorsitzende regt sicherlich Themen an – mit Linien oder Parteidisziplin tun sich die Grünen traditionell eher schwer. Wir sind vom basisdemokratischen Geist bestimmt, deshalb gibt es auch keinen Fraktionszwang. Jeder entscheidet souverän. Der Fraktionsvorsitzende ist ein Moderator und muss für seine Haltung werben und überzeugen wie die anderen Fraktionsmitglieder auch. Die Haltung der Fraktion ist dann ein Konsens aber kein Diktat.

Anmerkung der Redaktion
Hardy Prothmann ist verantwortlich für das Heddesheimblog.de sowie partei- und fraktionsfreier Gemeinderat  in Heddesheim.

Gemeinderat verweigert auf Vorschlag des Bürgermeisters Änderungen im Protokoll

Der gläserne Gemeinderat: Der protokollierte Skandal – kein Respekt vorm Wort und Amt

Das bleibt von beharrlichem Nachfragen zum Thema Lärm in der Gemeinderatssitzung "laut Protokoll" übrig. Kein Wort über den Inhalt der Fragen oder die dauerhafte Störung durch Frank Hasselbring. Kein Wort, wie sich der Sachverständige geziert hat, eine klare Antwort zu geben, kein Wort von den Unterbrechungen durch Bürgermeister Kessler.

 

Heddesheim, 19. Dezember 2011. Wieder einmal wurde ein Protokoll verfasst, wie es dem Bürgermeister Michael Kessler und den Abnicker-Fraktionen CDU, SPD und FDP gefällt. Ein Einspruch im Gremium ist gegen diese mangelhaften Protokolle zwecklos – die Bestätigung des Protokolls ist Sache des Gemeinderats. Der hat aktuell wieder entschieden, dass das Protokoll den Diskussionsverlauf der Oktobersitzung „der Sache nach“ wiedergibt. Das ist schlecht, denn damit ist belegt, dass die Mehrheit im Gemeinderat in öffentlicher Sitzung bereit ist, unvollständige und damit falsche Protokolle zu bestätigen. Aber der Vorgang ist gut – denn damit werden diese „Verhältnisse“ öffentlich.

Von Hardy Prothmann

Kritische Fragen, Unterbrechungen, Störungen, Grunzen, Wortwahl, Manieren, Wertesystem, Geschäftsordnung, Verwarnung, Rüge und Protokoll sind die Begriffe, die in diesem Artikel zur Sprache kommen. Aber auch Respekt, Amt, Würde, Funktion, Selbstverständnis und Demokratie. [Weiterlesen…]

Schule will sich vor Vandalismus seiner Privatschüler schützen

„Klo-Cam“: Kamera auf Toilette des Kurpfalz-Gymnasiums Mannheim

Kamera auf einer Männer-Toilette des Kurpfalz-Gymnasiums. Schulleiter Schmitt sagt: "Die Schule gehört mir - ich schütze mein Eigentum." Foto: privat

Mannheim/Rhein-Neckar, 03. Dzember 2011. (red/aktualisiert) Nach unseren Informationen wurde Strafanzeige gegen die Schulleitung wegen Datenschutzverletzungen erstattet. Die Schulleitung soll mittlerweile die Kameras entfernt haben.

Ursprünglicher Artikel:

Mannheim/Rhein-Neckar, 30. November 2011. (red) In mindestens einer Männer-Toilette des privaten Kurpfalz-Gymnasium/-Realschule ist eine Kamera installiert. Unsere Redaktion wurde von Eltern darauf aufmerksam gemacht. Die Schulleitung findet, es sei ihr Recht, dort eine Kamera zu installieren. Ist das so? Darf eine Privatschule sanitäre Anlagen per Videoüberwachung „schützen“ und gleichzeitig die Privatsphäre von Schülern verletzen?

Von Hardy Prothmann

Die Aufregung bei den Eltern ist groß: „Das gibts doch nicht, war meine erste Reaktion, als ich gehört habe, dass auf den Toiletten Kameras hängen“, sagt der Vater eines Jungen, der das Mannheimer Kurpfalz-Gymnasium besucht.

„Geschmacklos und rechtswidrig“, ist die erste Reaktion von Mathias Meder, Sprecher für Sicherheits- und Ordnungspolitik von Bündnis 90/ Die Grünen im Gemeinderat der Stadt Mannheim.

„Das ist meine Sache, ich darf das“, ist die erste Reaktion von Schulleiter Schmitt, der uns sogleich „rechtliche Konsequenzen und jede Menge Ärger“ am Telefon androht: „Sie werden darüber nicht berichten.“ [Weiterlesen…]

Geprothmannt: Die Fischfutter-Affäre oder Butter bei die Fische

Weinheim/Heddesheim/Berlin, 28. November 2011. Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Bündnis90/Die Grünen) wirft uns vor, ungerechtfertigt seine „Privatsphäre“ verletzt und falsche Angaben gemacht zu haben. Bundesweit heißt der Vorgang mittlerweile in den Medien „Fischfutter-Affäre“ und meint doch nur ein reichlich absurdes Theater mit tatsächlich ernsten Folgen.

Von Hardy Prothmann

Ist jemand, der sich mit seiner Geschäftsvisitenkarte ausweist, privat? Hans-Christian Ströbele sieht sich dann als "privat", wenn ihm das in den Kram passt.

Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hat mich als verantwortlichen Redakteur dieser Internet-Lokalzeitung am Freitag, den 25. November 2011, durch den („berühmt-berüchtigen“) Rechtsanwalt Johannes Eisenberg abmahnen lassen.

Herr Ströbele hat mit seinem Anwalt einen „Streitwert“ von 10.000 Euro festgelegt, der gleichzeitig die Höhe der „Vertragsstrafe“ bei Wiederholung festlegt. Ich soll mich verpflichten, künftig diese Behauptung zu unterlassen:

Bundestagsmitglied Christian Ströbele (Grüne) zeigte 13-jährigen Heddesheimer an.

Diese Aussage ist nicht korrekt und ich wiederhole sie auch nicht.

Außerdem soll ich Anwaltskosten in Höhe von 775,64 Euro für ein zweiseitiges Schreiben zahlen. Herr Ströbele war „gnädig“. Er hätte auch 20.000 oder 50.000 oder 100.000 Euro oder eine Million als „Streitwert festlegen“ können – dementsprechend berechnet sich die Anwaltsgebühr. Herr Ströbele meint, dass 10.000 Euro für diesen Satz ein „angemessener Wert“ sind.

Der Anwalt Johannes Eisenberg hat mir gleichzeitig „ausdrücklich eine jedwede auch nur indirekte publizistische Nutzung verboten“ – sprich: Die Abmahnung sollte diskret behandelt werden. Vermutlich aus Gründen der „Privatsphärenwahrung“.

Richtigstellung

Der inkriminierte Artikel selbst wurde nicht inhaltlich abgemahnt. Ausschließlich die Überschrift. Und diese war tatsächlich unverschuldet fehlerhaft. Herr Ströbele hat keinen Hinweis auf den Fehler gegeben, sondern nur abgemahnt. Ich habe erneut geprüft, den Fehler identifiziert und korrigiert. Die korrekte Überschrift lautet:

Ehefrau von Bundestagsmitglied Christian Ströbele (Grüne) zeigte 13-jährigen Heddesheimer an

Über meinen Berliner Anwalt Dominic Blim habe ich deshalb am Sonntag eine Unterlassungserklärung an den Anwalt von Herrn Ströbele übermitteln lassen.

Denn ich habe überhaupt kein Interesse, eine fehlerhafte Sache zu behaupten. Und ich habe noch weniger Interesse, mich mit dem Privatleben von Herrn Ströbele zu befassen. Ich darf sogar behaupten, dass ich einen gewissen – sicher keinen wohligen – Schauer bei dem Gedanken an das Privatleben des Herrn Ströbele  empfinden würde. Auch ohne „Unterlassungserklärungsabmahnung“ kann ich Herrn Ströbele versichern, dass ich überhaupt kein Interesse an seinem Privatleben habe.

Vorsatz: Information der Öffentlichkeit

Hardy Prothmann: "Journalismus hat nicht die Aufgabe zu gefallen, sondern zu informieren. Punkt."

Als Journalist habe ich einzig und allein ein Interesse, die Öffentlichkeit zutreffend zu informieren und meine mir grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit auszuüben. Diesem Vorsatz bin ich unter strenger Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht nachgekommen. Ich habe umfangreich recherchiert und nach Einholung aller mir zur Verfügung stehenden Informationen die „abgemahnte“ Schlagzeile formuliert.

Die Achtung von Privatsphären ist für mich nicht nur  eine Selbstverständlichkeit, ganz im Gegenteil bin ich unter Journalistenkollegen als kritischer Mahner bekannt. Denn viel zu oft beschädigen Journalisten durch schlechte Arbeit die gesamte Branche. Einerseits verteidige ich die Informationsfreiheit, andererseits kritisiere ich verfehlte Überschreitungen.

Ganz sicher passieren auch mir Fehler. War das ein Fehler? Ich wurde durch eine Informantin Anfang August auf den Vorfall aufmerksam gemacht, danach habe ich umfangreich recherchiert – im Bewusstsein, es mit einem „Prominenten“ zu tun zu haben.

Dann habe ich das „Thema“ liegen gelassen. Vor allem, um Informanten und Zeugen zu schützen und um die „Einordnung“ reifen zu lassen. Es gab einen Vorfall, Streit, Stress, eine prominent-politische Persönlichkeit.

Aggressive „Promis“

Als verantwortungsbewusster Journalist weiß ich, dass je „prominenter“ eine Person ist, umso mehr Vorsicht angebracht ist. Nicht, weil diese Personen mehr Rechte als „normale Leute“ hätten – meist haben sie mehr Geld, bessere „Kontakte“ und sind oft sehr aggressiv.

Weil ich verantwortlich arbeite, habe ich den Akteuren Zeit gelassen, sich zu beruhigen. Als ich die Recherche wieder aufgenommen hatte, entsprachen die neuen „Erkenntnisse“ denen, die ich schon recherchiert hatte. Ich holte letztlich eine amtliche Auskunft ein, um die Bestätigung des Vorfalls zu prüfen.

Danach habe ich den Bericht geschrieben und veröffentlicht, der inhaltlich von Herrn Ströbele und seinem Anwalt auch nicht abgemahnt worden ist.

Kalkulierte Abmahnung

Ich habe im Sinne der journalistischen Sorgfaltspflicht Herrn Ströbele telefonisch und per email zu erreichen versucht. Herr Ströbele hat diesen Versuch einer Kontaktaufnahme mittlerweile indirekt über einen Zeitungsbericht bestätigt, und hatte demnach keine „Zeit“ für eine Antwort auf meine Nachfrage.

Herr Ströbele hatte aber die Zeit, weil er keine Zeit hatte, seinen Anwalt Eisenberg zu beauftragen, mich abmahnen zu lassen. Keine Zeit also. Weder für eine Information, für eine „Klar“-Stellung, für eine Einigung. Genug Zeit aber, zu kalkulieren, dass ein Auftrag an den Anwalt die „Gegenseite“ schlappe fast 800 Euro kostet. Und zu kalkulieren, dass, wenn das nicht erfolgreich ist, selbst die knapp 800 Euro zu bezahlen.

Herr Ströbele hat auch nicht umgehend gehandelt, obwohl er früh Kenntnis hatte. Der Artikel erschien am Dienstag. Die Abmahnung kam am Freitagvormittag mit einer 8-Stunden-Frist, um reagieren zu können. Auch eigene Rechtsanwälte sind freitags manchmal früh im Wochenende. Man könnte vermuten, dass das kalkuliert worden ist. Damit sage ich nicht, dass es das ist, ich sage nur, es könnte so sein.

„Klasse“-Fragen

Ganz ehrlich? „Soviel Zeit“, eben mal 800 Euro zu „riskieren“, möchten wohl viele Menschen gerne mal haben. Es gibt aber sehr viel mehr Menschen, die mit weniger als der Hälfte ihren Lebensunterhalt „bestreiten“ müssen. Hans-Christian Ströbele gehört garantiert nicht zu dieser „Klasse“.

Freie Journalisten, denen Herr Ströbele ab und an und gerade vergangenen Samstag wieder mit irgendeinem Spruch von „Pressefreiheit“ und so den „Rücken“ stärkte, neigen manchmal noch dazu, sich wirklich reinzuhängen, zu recherchieren, nachzufragen, genau zu berichten.

Über die Bezahlung muss man nicht wirklich reden – es sind Hungerlöhne, die die meisten in diesem „Job“ erhalten. Von Herrn Ströbele ist mir kein Zitat bekannt, mit dem er dies, als Förderer der „Pressefreiheit“ mal angemahnt hätte. Ich kenne ihn seit ein paar Tagen nur als Abmahner mit saftigen Gebühren für „Star“-Anwälte.

Und daraus folgere ich, dass Herr Ströbele sich für so etwas in der Art hält, also einen Star. Ich meine jetzt nicht den Vogel, sondern eine prominente „Persönlichkeit“ mit einem „Recht auf Privatsphäre“.

Wann ist wer privat?

Nur seltsam, wenn ein Privatmann sich vor Ort als MdB per Visitenkarte ausweist. Und den beteiligten Personen erst dadurch bewusst wird, mit wem sie es „zu tun haben“.

Es gibt Gerüchte, dass das auch Beamte vor Ort „beeindruckt“ hat.

All das sind „kleine Geschichten“ im Umfeld des Themas zur „Fischfutter-Affäre“, die im Umlauf sind. Manchmal werden „kleine Geschichten“ ja auch „große Geschichten“, wie man unzweifelhaft gerade im Zusammenhang mit der Fischfutter-Affäre feststellen konnte.

Ich mache jetzt das, was ich als Reporter immer tue: Ich suche Geschichten, die man aufschreiben muss, weil sie wichtig für die öffentliche Meinung sind.

Aktuell recherchiere ich die Angaben einer prominenten Persönlichkeit, deren Wahrheitsgehalt zweifelhaft ist. Das ist harte Arbeit, vor allem, weil jede Fehlinformation durch andere den „eigenen Arsch kosten kann“.

Also gehe ich wie immer sorgfältig und systematisch vor.

„Gefällt“ ist kein journalistisches Kriterium

Ich schütze dabei meine Informanten, halte mich aus Privatsphären raus (hat mir schon sehr oft Geschichten nicht möglich gemacht), gehe aber jedem Hinweis nach.

Und wenn die Story fertig ist, wird sie veröffentlicht.

Ganz egal, ob das jemandem „Prominenten“ gefällt oder nicht.

Der Unterschied zwischen Herrn Ströbele und anderen „einflussreichen Persönlichkeiten“ ist: Ich nutze Informationen, das Wort und die Meinungsfreiheit.

Andere nutzen Geld, Kontakte und Seilschaften und wenn das nicht taugt, einen „Promi“-Anwalt wie diesen Eisenhut oder wie immer der auch heißt.

Butter bei die Fische

Manchmal nutzt allerdings auch jemand seinen Verstand.

Doch das ist selten der Fall.

Trotzdem gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Für Journalisten gilt: Butter bei die Fische.

Also zur Sache kommen, Klartext reden, Fakten veröffentlichen.

Herr Ströbele kann sicher sein, dass es Butter an die Fische geben wird.

Link:
Auf Facebook hatsich Hans-Christian Ströbele am Sonntagabend zur Sache geäußert.

Der inkriminierte Artikel.

Dokumentation von Reaktionen

Spendenaufruf:

Sofern Sie uns unterstützen möchten, bitten wir um eine Spende, denn wir rechnen wegen des Rufs von Anwalt Eisenberg mit einem Verfahren und Kosten von bis zu 5.000 Euro in erster Instanz, sofern die Sache vor Gericht geht. Und mit einer Verdoppelung, sollte eine zweite Instanz nötig sein. Wir werden die eingegangenen Spenden ausschließlich für die Rechtskosten verwenden.

Wir werden fortlaufend über die Höhe der eingegangenen Spenden berichten. Die Namen der Spender behandeln wir anonym, auf Wunsch nennen wir sie auch. Geld, das nicht für dieses Verfahren benötigt wird, werden wir dem Verein „Journalisten helfen Journalisten“ spenden, die vor allem Journalisten in Krisenregionen unterstützen. Dort wird selten abgemahnt, dafür vorzugsweise gefoltert und geschossen, um Berichterstatter (mund)tot zu machen.

Bankverbindung: Hardy Prothmann, comdirect Konto: 218213700, BLZ: 20041133

Den aktualisierten Spendenstand finden Sie im Artikel zur „Fischfutter-Affäre“ Ströbele

Dokumentation: Reaktionen auf die Fischfutter-Affäre Ströbele

Weinheim/Heddesheim/Berlin, 27. November 2011. Die Abmahnung einer unserer Schlagzeilen durch das Anwaltsbüro des Berliner Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele (Bündnis90/Die Grünen) hat zu einer Welle der Empörung geführt. Wir dokumentieren eine Auswahl dieser Reaktionen auf den Vorgang.

Wir hatten über einen Vorfall am Weinheimer Waidsee berichtet. Der Artikel erschien am Dienstag, den 22. November 2011. Bis zum Vormittag des 24. November 2011 war er rund 1.800 Mal aufgerufen worden.

Um 09:25 Uhr wurden wir per Fax abgemahnt. Gegen 14:00 Uhr korrigierten wir die Überschrift und erweiterten den Artikel um die Information der Abmahnung.

Bis zum späten Samstagabend wurde unser Artikel rund 55.000 Mal aufgerufen, 235 Kommentare wurden veröffentlicht (rund 50 gelöscht), rund 3.700 Facebook-Nutzer haben den Artikel „geliket“, über Twitter gab es über lange Zeit weit über 200 Tweets pro Stunde. Mit anderen Worten – der Text und das Thema hat deutschlandweit eine enorme Aufmerksamkeit erlangt.

Mindestens zwei Mal hat unser Server den vielen Zugriffen nicht Stand gehalten – teils versuchten über 3.000 Leser gleichzeitig auf den Artikel zuzugreifen. Nur der Umzug auf einen Hochleistungsserver und ein engagierter Support unseres Providers Domain-Factory machten eine Erreichbarkeit des Artikels möglich.

Die „Bild-Zeitung“ machte Ströbele zum „Verlierer des Tages„, die Welt schrieb unter der Schlagzeile: „Ströbele, seine Frau und die Affäre Fischfutterkugel„, der bekannte Strafverteidiger Udo Vetter fragte: „Ströbele mahnt ab: Was ist eine Anzeige?„, der Berliner Tagesspiegel schrieb: „Ströbele geht juristisch gegen Blogger vor„, auf Facebook verlinkte uns die Seite „Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg“ mit 334.000 Fans (was zunächst zu einem Absturz unseres Servers führte), dutzende Blogs und News-Seiten nahmen das Thema auf, verbreiteten es weiter und zogen wiederum Interesse und Kommentare auf sich.

Wir dokumentieren eine Übersicht über Onlinezeitungen und Blogs, die die Nachricht über die „Futtermittel-Affäre“ des Berliner Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele (Bündnis90/Die Grünen) verbreiteten und kommentierten (Stand: 28. November 2011). Die Auflistung ist alphabetisch geordnet.

Recherche: Martin Heilmann (Tegernseer Stimme, zur Zeit als Gast-Redakteur in unserer Redaktion.)

  • aristo.excusado.net | http:// /comments.php?y=11&m=11&entry=entry111125-000131 | „Erstaunlich, wie kleinkariert mancher Zeitgenosse sein kann.“ Schilderung des Tathergang am Waidsee
  • Berliner Morgenpost | http://www.morgenpost.de/printarchiv/panorama/article1839007/Stroebele-und-das-Fischfutter.html | Prozess: Ströbele und das Fischfutter
  • blog.esowatch.com/ | http://blog.esowatch.com/?p=5391 | Wer für einen friedlichen Dialog mit den Taliban eintritt, selbst aber nicht mit 13-jährigen Jungs reden kann, hat seine Glaubwürdigkeit verspielt – der Kaiser ist nackt
  • blog.fefe.de/ | http://blog.fefe.de/?ts=b02e3206 | Lieber Herr Ströbele, wenn Sie das hier lesen: ziehen Sie ganz schnell den Eisenberg zurück und entschuldigen Sie sich bei dem Blog
  • blog.rekursivparadoxon.eu | http://blog.rekursivparadoxon.eu/2011/11/26/strobele-geht-baden/ | Wenn der Hans-Christian Ströbele (Grüne) das gemacht hätte, was man bei einem Jungendstreich so macht, nämlich herzlich darüber lachen und sich an die eigenen Jugendstreiche erinnern
  • bz-berlin.de | http://www.bz-berlin.de/archiv/meine-frau-hatte-eine-woche-kopfschmerzen-article1328763.html | „Meine Frau hatte eine Woche Kopfschmerzen“
  • tagesspiegel.de | http://www.tagesspiegel.de/berlin/stroebele-geht-juristisch-gegen-blogger-vor/5890128.html | Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne) geht juristisch gegen einen Blog vor, der seiner Ansicht nach unzulässige und falsche Informationen über ihn und seine Frau verbreitet hat.
  • tagesspiegel.de | http://www.tagesspiegel.de/meinung/lesermeinung/stroebele-es-war-ein-unerfreuliches-urlaubserlebnis/5895494.html | Leserbrief/Leserkommentar von Herrn Ströbele persönlich
  • tobiasgillen.de | http://www.tobiasgillen.de/?p=4178 | Ströbele würde vielleicht gut daran tun, einen Gang zurück zu rudern und mal ein wenig das Feuer aus der Angelegenheit zu nehmen. Die Reaktionen in der Blogosphäre und auf Twitter deuten auf viel Gegenwind.
  • welt.de | http://www.welt.de/politik/deutschland/article13737206/Stroebele-seine-Frau-und-die-Affaere-Fischfutterkugel.html | Was geschah wirklich am Weinheimer Waldsee mit Christian Ströbele und seiner Frau?
  • welt.de | http://www.welt.de/politik/deutschland/article13739330/Fischfutter-Affaere-Stroebele-legt-auf-Facebook-nach.html | Ströbele rechtfertigt sich in der „Fischfutter-Affäre“: Seine Frau sei mit einem „Plastikgeschoss“ attackiert worden, der Ärger also verständlich.
  • Westdeutsche Zeitung | http://www.wz-newsline.de/home/panorama/kopf-des-tages/hans-christian-stroebele-contra-heddesheimblog-der-fischfutter-fall-1.830506 | Ströbele contra Heddesheimblog: Der Fischfutterfall
  • zukunftskinder.org | http://www.zukunftskinder.org/?p=16479 | „Ein Mann in Herrn Ströbels Position muss einfach die Contenance wahren!“ Artikel weißt auf Unterlassungsklage gegen Heddesheimblog hin und dass Frau Ströbele Anzeige erstattete.

Wenn Sie weitere Vorschläge für diese Dokumentation haben, können Sie uns diese gerne per email: redaktion [at] heddesheimblog.de zusenden.

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Uli Sckerl: „Für uns hier hat Stuttgart 21 keinerlei positive Effekte.“

Rhein-Neckar, 21. November 2011. Am 27. November 2011 entscheiden die Bürgerinnen und Bürger mit der Volksabstimmung über das Schicksal des Bahnhofbaus „Stuttgart 21“. Wer mit „Ja“ abstimmt, wählt das Ausstiegsgesetz, Stuttgart 21 wird dann nicht gebaut. Wer mit „Nein“ stimmt, will, dass der Bahnhof gebaut wird. Der Weinheimer Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl (Bündnis90/Die Grünen) ist parlamentarischer Geschäftsführer in Stuttgart und erläutert seine Position und die seiner Partei zu Stuttgart 21. Insbesondere, was das Bahnhofsprojekt für unsere Region bedeutet.

Interview: Tilmann Schreiber

Herr Sckerl, am 27. November stimmt das Volk über Stuttgart 21 ab. Was bedeutet denn so eine Volksabstimmung?

Hans-Ulrich Sckerl, grüner Landtagsabgeordneter aus dem Wahlkreis 39 (Weinheim) erläutert seine Sicht auf Stuttgart 21 und empfiehlt mit "Ja" den Ausstieg zu wählen. Bild: B90/Die Grünen

Hans-Ulrich Sckerl: Die Volksabstimmung bedeutet einen historischen Einschnitt. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg entscheidet die Bevölkerung anstelle der Parlamente. Das ist der Beginn einer neuen politischen Kultur. Wir wollen, dass die Bürger immer wieder direkt mitentscheiden können.

Mal ehrlich, Stuttgart 21 ist so weit weg. Was haben wir hier in Nordbaden mit dem Projekt zu tun?

Sckerl: Stuttgart 21 hat eine negative Ausstrahlung bis nach Nordbaden, wie in alle Regionen des Landes. Mittel für den ÖPNV werden seit Jahren für dieses Projekt konzentriert, die Kommunen warten viel länger auf Verkehrsprojekte und zahlen höhere Eigenanteile. Wichtige Fernverkehrsstrecken des Bundes wie die Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim fallen aus der Prioritätenplanung heraus. Die Strecke kommt jetzt, wenn überhaupt, erst gegen das Jahr 2030. Und sollte eigentlich schon längst gebaut sein.

Die Folge ist, dass unsere hiesige Main-Neckar-Bahn allein durch den zunehmenden Güterverkehr hoffnungslos überlastet ist. Dadurch könnte in den nächsten Jahren selbst der wenige Nahverkehrsanteil auf dieser Strecke noch verdrängt werden. Nach dem europäischen Eisenbahnrecht hat Güterverkehr Vorfahrt. Es ist absurd: Für alle Bahnverbindungen in den Süden hat der Lückenschluss Frankfurt-Mannheim eine zentrale Bedeutung. Dennoch wird die Maßnahme für das Prestigeprojekt Stuttgart 231 weit hintenan gestellt.

Die S-Bahn wird doch ausgebaut. Ich kenne viele, die sagen, Stuttgart 21 betrifft uns doch gar nicht?

Sckerl: Aber wann kommt die 2. Stufe der S-Bahn? Wie vereinbart im Dezember 2015? Im Moment deutet alles daraufhin, dass der Start zum 3. Male verschoben wird. Von 2019 ist bereits die Rede. Der Grund ist ganz einfach auch hier: Die wenigen Fördermittel für Schienenprojekte können nur einmal ausgegeben werden, in Stuttgart oder eben in den Regionen.

Für die S-Bahn fehlen Mittel von knapp 100 Millionen für die Verbesserung der Infrastruktur in den Bahnhöfen Mannheim und Heidelberg und auf der Strecke dazwischen. Ohne diese Kapazitätserweiterung kann gar keine zusätzliche S-Bahnstrecke in Betrieb genommen werden. Das ist ein ganz direkter Zusammenhang, Stuttgart 21 kannibalisiert förmlich den Nahverkehr.

„Stuttgart 21 hat für uns hier keinerlei positive Effekte.“

Es wird immer wieder behauptet, Stuttgart 21 sei wichtig fürs Land. Kann ja sein, aber ist es auch wichtig für uns hier vor Ort?

Sckerl: Nein. Für uns hier, genauso wie für das Land insgesamt hat der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs keinerlei positive Effekte. Wer von hier nach Stuttgart zum Arbeiten fährt, hat ab Weinheim und Heidelberg zahlreiche 50-60 minütige IC-Verbindungen, ab Mannheim stündlich den ICE, der knapp 40 Minuten braucht. Da werden sich beim Tiefenbahnhof durch die Reduzierung auf 8 Gleise eher mehr Verspätungen ergeben. Reisende aus unserer Region in Richtung München werden von Fahrzeitverkürzungen auf der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm profitieren, nicht aber von Stuttgart 21.

Der CDU-Fraktionschef Peter Hauk behauptet, es gehe darum, „ob es in diesem Land noch Verlässlichkeit und eine Basis für Vertrauen in bestehende Verträge, in Baurecht und Gerichtsurteile gibt“. Was meinen Sie dazu?

Sckerl: Hauk ist ja geradezu berufen, der grün-roten Landesregierung solche Vorwürfe zu machen. Er hat an führender Stelle den Bruch der Verfassung beim sog. „EnBW-Deal“ zu verantworten, eine Erklärung dazu steht bis heute aus. Für das Debakel um Stuttgart 21 und die fehlende Legitimation tragen er und die Seinen die Verantwortung. Wir reparieren diesen riesigen Vertrauensschaden jetzt mit der Volksabstimmung. Künftig wird es bei großen Bau- und Infrastrukturprojekten eine frühzeitige Bürgerbeteiligung geben. Das wird Konflikte lösen helfen und Investitionen neue Sicherheit geben. Uns liegt sehr an der Verlässlichkeit des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg.

„Der Ausstieg ist mit maximal 350 Millionen Euro finanziell verantwortbar.“

Die CDU warnt ebenso vor Ausstiegskosten von 1,7-2,5 Milliarden Euro. Ist das so?

Sckerl: Nein, definitiv nicht. Wir haben das mehrfach gründlich überprüfen lassen. Eine der wichtigsten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dieses Landes, die Märkische Revision hat akribisch geprüft und gerechnet: Im günstigsten Falle hat die Bahn einen Schadenersatzanspruch von maximal. 350 Millionen Euro. Das ist immer noch viel Geld, aber in der Summe liegt die Alternative Modernisierung Kopfbahnhof plus Schadenersatz um über 50% unter den Kosten von Stuttgart 21. Deshalb ist der Ausstieg auch finanziell verantwortbar.

Kritiker der Volksabstimmung sagen, dass das Ausstiegsgesetz nicht rechtens wäre. Was sagen Sie?

Sckerl: Wir haben die Kritiker ermuntert, den Staatsgerichtshof anzurufen und die Frage der Recht- und Verfassungsmäßigkeit des Ausstiegsgesetzes und der Volksabstimmung klären zu lassen. Sie hatten gute Gründe das nicht zu tun. Das Kündigungsgesetz ist verfassungs- und rechtskonform.

Will man der Bevölkerung ernsthaft weismachen, der Finanzierungsvertrag sei unkündbar? Das heisst, egal was passiert, selbst wenn die Kosten über 6 Milliarden steigen und Stuttgart 21 zum Milliardengrab wird, sind die Vertragspartner verpflichtet zu bauen? Auf Teufel komm´ raus? Studierende lernen schon im ersten Semester Jura, dass das nicht stimmt.

„Ich rechne auch hier bei uns mit einer Beteiligung von über 50 Prozent.“

Mit welcher Beteiligung rechnen Sie? Glauben Sie, dass die Nordbadener sich gut beteiligen werden?

Sckerl: Die repräsentative Umfrage zur Volksabstimmung des SWR vom 17.11. legt eine Wahlbeteiligung von über 50% nahe. Ich rechne mit einer Beteiligung von deutlich über 50%, in Nordbaden nicht viel niedriger als in Stuttgart. Die Aussicht, eine derart wichtige Frage selbst entscheiden zu dürfen mobilisiert unabhängig vom Gegenstand der Volksabstimmung viele Menschen. Sie finden das einfach gut und wollen dabei sein.

Es gibt viele, die sagen, Bürgerbeteiligung ist wichtig, aber die repräsentative Demokratie auch. Schließt sich das gegenseitig aus?

Sckerl: Nein, es geht um eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie. Die Menschen haben jetzt vielfach deutlich gemacht, dass sie an wichtigen Sachentscheidungen direkt beteiligt werden und nicht nur alle vier oder fünf Jahre ihr Kreuzchen auf einem Wahlschein machen wollen.

Wir sehen ja bei der Zahl der Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene einen erheblichen Anstieg in den letzten Jahren. Die Menschen sind interessiert, engagiert und wollen mitentscheiden. Deswegen müssen die direktdemokratischen Elemente in der Landesverfassung als Ergänzung der repräsentativen Demokratie gestärkt werden.

Noch mal zu uns hier vor Ort: Wo sehen Sie ähnliche Konflikte wie bei Stuttgart 21?

Sckerl: Eine derart große Bürgerbewegung gibt es bei uns natürlich nicht. Aber Konflikte zwischen Verwaltungen und Gemeinderäten auf der einen und unzufriedenen Bürgern auf der anderen Seite, haben auch wir vor Ort immer öfter. Der Konflikt um die Pfennig-Ansiedlung in Heddesheim, das „Schlossbergareal“ der Fa. Familienheim in Weinheim oder die unselige Kreisverbindungsstraße in Hemsbach sind derartige Konflikte.

„Einer unserer Skandale vor Ort sind die S-Bahnhöfe, die viel teurer werden, als „kalkuliert“.“

Eine Art Skandal haben wir ja: Der Ausbau der S-Bahnhöfe ist viel teurer als ursprünglich „kalkuliert“. Was halten Sie davon?

Sckerl: Das Verhalten der Bahn ist ein Skandal. Man holt die Kommunen mit Verlockungen ins Boot, lässt sie auf der Basis geschönter Kostenprognosen Finanzierungsverträge unterschreiben, um sie dann mit Kostensteigerungen von 70 bis 150 % förmlich zu erpressen. Welcher Gemeinderat will es sich aber erlauben, politisch für die Verweigerung der kommunalen Mittel und damit für das Scheitern der S-Bahn-Linie 5 an der Bergstraße die Verantwortung zu übernehmen?

Wäre ein Ausstieg aus S21 wirklich so ein Schaden fürs Land, wie die Befürworter immer wieder betonen?

Sckerl: Im Gegenteil. Der Ausstieg wird Gelder freisetzen, da die Alternativen mit der Ertüchtigung des Kopfbahnhofs nur ein gutes Drittel kosten. Wir können dann beides machen: Die Leistungsfähigkeit des Verkehrsknotens Stuttgart und den öffentlichen Verkehr in den Regionen verbessern.

Mal angenommen, der Ausstieg kommt, wie geht’s dann eigentlich weiter?

Sckerl: Dann wird das Land die Vollmacht zur Kündigung des Finanzierungsvertrags, die ihm das Volk mit der Abstimmung gegeben hat, wahrnehmen. Es wird umfassende Verhandlungen mit der Bahn und den anderen Projektbetreibern über den Ausstieg, aber insbesondere über die Alternative geben, die wir dann sofort in Angriff nehmen wollen. Das heisst, es geht dann um die Modernisierung des Kopfbahnhofs und die Planung einer Verbindung von diesem zur Neubaustrecke Stuttgart-Wendlingen-Ulm.

Wie verhalten Sie sich, wenn die Volksabstimmung nicht zum Ausstieg aus Stuttgart 21 führt?

Sckerl: Dann gilt die Verfassung: Bei einer Mehrheit für Stuttgart 21 oder bei einem Verfehlen des Quorums für den Ausstieg ist das Kündigungsgesetz abgelehnt. Unabhängig davon gilt aber der zwischen SPD und Grünen vereinbarte Kostendeckel von 4,526 Milliarden Euro. Wenn das Projekt mehr kostet und davon ist auszugehen, wird das Land sich nicht an den weiteren Kosten beteiligen. Das ist dann Sache des Bundes und der Bahn.

Weitere Infos: Die Bergstraße sagt „Ja“ zum Ausstieg

Stuttgart 21: Parteipositionen im Überblick

Stadtentwicklungsplan Stuttgart 21. Klicken Sie auf die Grafik, um zum Wikipedia-Eintrag zu gelangen. Quelle: Wikipedia, Stoeffler

Stuttgart 21 – Bedeutung für Baden-Württemberg

Guten Tag!
Heddesheim, 08. November 2011. (red/cm)) Stuttgart 21 kennt viele Gegner wie Befürworter. Die großen Volksparteien vertreten dabei mitunter höchst unterschiediche Ansichten. Wir haben in der nachfolgenden Übersicht die Parteipositionen zusammengefasst. Am 27. November 2011 wird in einer Volksabstimmung über das Schicksal der derzeitigen Planung entschieden.

Von Christian Mühlbauer

Die eigentliche Intention von „Stuttgart 21“ ist laut Befürwortern, die Entwicklung von Stuttgart, der umgebenden Region sowie des Landes Baden-Württemberg zu fördern. Hierzu wurde bereits 1995 im Rahmen einer „Machbarkeitsstudie“ des Bahnprojektes der Grundstein gelegt.

[Weiterlesen…]

„Vor wem soll man sich fürchten? Vor den Umweltheinis oder Monsanto & Co?“ Alexander Spangenberg im Interview über leckere Produkte und notwendige Handlungen


6. Bürgenland Regionalmarkt - sehr gut besucht dank schönem Wetter, aber auch großem Interesse der Besucher.

Ladenburg/Rhein-Neckar, 26. September 2011. (red) Alexander Spangenberg ist eine Art Aktivist. Er kämpft mit anderen zusammen für eine gentechnikfreie Region. Er ist Vorsitzender des BUND Ladenburg und einer der Mitbegründer von „Bürger für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in der Kurpfalz“, kurz „BürGenLand“.

Er ist aber auch Unternehmensberater und Stadtrat in Ladenburg. Aktuell haben wieder rund 20 Aussteller beim 6. Regionalmarkt „Bürgenland“ Produkte aus der Region angeboten – nicht alles ist „Bio“, aber vielleicht auf dem Weg dahin. Währenddessen arbeiten finanzkräftige Industrien mit weitreichendem Einfluss am Gegenteil davon, wie ein ARTE-Dokumentationsfilm zeigt.

Interview: Hardy Prothmann

Der 6. Bürgenland Regionalmarkt hatte im Vergleich zum vergangenen Jahr Glück mit dem Wetter. Wie lief es sonst aus Ihrer Sicht, Herr Spangenberg?

Alexander Spangenberg: Wir haben viel Zuspruch bei der Bevölkerung und viel Lob erhalten. Vor allem haben wir die Kosten reinholen können, was auch sehr positiv ist.

Die Aussteller kommen aus der Region – ist die Nachfrage groß?

Spangenberg: Anfangs war es sehr mühsam, vor allem hier vor Ort bei den landwirtschaftlichen Betrieben aus Ladenburg. Das sind konventionell wirtschaftende Betriebe, die wohl Sorge hatten, dass die „Umweltheinis“ wieder Ärger machen. Mittlerweile hat sich diese Skepsis in eine gute Kooperation verwandelt. Aktuell haben wir 20 Aussteller und weiten gerne aus, sofern qualitätsvolle Produkte angeboten werden. Bürgenland ist nicht einfach nur lecker – sondern notwendig.

Der Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl (Bündnis90/Die Grünen) wurde von Ihnen zur Landwirtschaftspolitik der neuen Regierung befragt. Sie fragten zur gentechnikfreien Zone, zur Landschaftspflege und zur Förderung von neuen Biobetrieben sowie zu Biogasanlagen. Was denken Sie über die Antworten?

Alexander Spangenberg am Mikro: Informieren ist alles.

Spangenberg: Herr Sckerl versicherte, dass die Regierung alles tun wird, um gentechnikfreie Zonen zu realisieren, was uns natürlich zusagt. Was fehlt, sind verbindliche Kreistagsbeschlüsse und konkrete Förderungen. Wir werden sehen, was daraus wird.

Was die Landschaftspflege angeht, hat Uli Sckerl eine Umschichtung der entsprechenden Budgets zugesichert – im Rahmen der Möglichkeiten.

Die Entwicklung bei „Biogas“ gefällt uns überhaupt nicht.

Das Thema Biogas treibt uns sehr um. Einerseits ist Biogas eine nachhaltige Form der Energieerzeugung, andererseits gefällt uns die Entwicklung überhaupt nicht. Es kann nicht sein, dass Felder nur noch für den Maisanbau genutzt werden, der dann in die Anlagen geht. Diese „Vermaisung“ der Landschaft führt zu einer Bedrohung der Artenvielfalt und zu Monokulturen, was wir definitiv ablehnen. Auch hier will Sckerl gegensteuern: Da bin ich aber sehr skeptisch. Hier ist Aufklärung äußert wichtig und auf Bundesebene eine Veränderung der „Einspeisevergütung“ für den erzeugten Strom.

Sie sind in engem Kontakt mit den Besuchern, die man durchaus als sehr interessiertes Publikum bezeichnen kann. Was hört man denn von denen?

Spangenberg: Vor allem sehr viele Glückwünsche zu den von uns bis hier erreichten Ergebnissen, wie dem Anbaustopp von MON810, dem genveränderten Mais des Monopolisten Monsanto vor unserer Haustür. Die haben wir aus der Region vertreiben können.

Das bedeutet aber nicht, dass wir uns in Ruhe zurücklehnen können. Allein bei der europäischen Kommission in Brüssel sind über zwanzig GVO-Konstrukte (Gentechnisch veränderter Organismus) in der Zulassung. Darunter wiederum MON810.

Was können BUND und Bürgenland dagegen tun?

Bürgenland wird von Umweltaktivisten getragen: Hier im Bild Alexander Spangenberg und Anke Antary, Mitglied der Grünen in Heddesheim.

Spangenberg: Informationen sammeln und weitergeben. Druck auf Abgeordente ausüben und nicht locker lassen. Das sind bescheidene Mittel, die aber enorme Auswirkungen haben können. In Bayern musste beispielsweise ein Imker seine komplette Honig-Ernte vernichten, weil sie mit Pollen von MON810-Mais verunreinigt waren.

Der Imker hat sich erfolglos durch alle Instanzen in Deutschland geklagt, erst vor dem Europäischen Gerichtshof hat er Recht und damit Anspruch auf Schadensersatz für die verseuchte und dann vernichtete Ernte bekommen . Es braucht leider viele von diesen tapferen Vorkämpfern, um gegen die Gentechnik-Lobby aus Landwirtschaft und Politik etwas ausrichten zu können.

Über 80 Prozent der europäische Bevölkerung lehnen Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Das ist eine starke Basis – leider steht dagegen der weltweit vernetzte Lobbyismus.

Nach dem Regionalmarkt ist vor dem Regionalmarkt. Was macht Bürgenland sonst?

Spangenberg: Wir informieren kontinuierlich die Kommunen und werben für unsere Ideen. Um die Jugend zu erreichen gehen wir zu den Oberstufenschülern der Gymnasien der Region. Denn der Lobbyismus der großen Konzerne dringt bereits bis in die Schulen vor.

So schickt die BASF zum Beispiel einen Bus in die Schulen, genannt Gen-Lab, hier wird für Gen-Technik geworben und die Gefahren werden selbstverständlich klein geredet. Am Beispiel des Amflora-Skandals wird das deutlich. Die als Industriekartoffeln veränderte Pflanze wurde zunächst nur als Stärke-Pflanze zugelassen. Eine Verunreinigung lässt sich aber nicht verhindern.

Die genveränderte Kartoffel „Amflora“ wächst auch da, wo sie nicht hingehört.

So wächst die Amflora-Kartoffel auch da, wo sie nicht hingehört. Aus diesen Gründen hatte die BASF eine zweite Zulassung als Nahrungsmittel nachgeschoben. Geradezu mantraartig wird der Begriff der „Koexistenz“ dahergebetet, also die Behauptung, gentechnisch veränderte und konventionelle Pflanzen könnten problemlos bei ausreichendem Abstand angebaut werden.

Tatsächlich ist die BASF noch nicht mal in der Lage, in ihrem Kartoffelkeller Ordnung zu halten – dort wurden zwei GVO-Kartoffeln einfach mal verwechselt. Die Gefahr des Dilletantismus kommt zu den unabwägbaren Risiken hinzu.

Gemüse aus der Region: Gemüsebauerin Christiane Ernst bedient Kunden.

Was hat Bürgenland in Zukunft vor?

Spangenberg: Ein heißes Thema ist das ebenfalls von Monsanto entwickelte Unkrautvertilgungsmittel Glyphosat. Das ist das derzeit weltweit meist verkaufte Herbizid – viele von Monsanto entwickelte Genpflanzen sind resistent gegen dieses Gift. So schließt sich für Monsanto die Verwertungskette – man verkauft eine GVO-Pflanze plus das passende Herbizid.

Inzwischen häufen sich aber alarmiernde Meldungen, dass das Gift in Tieren und Menschen nachgewiesen werden kann und schwere Gesundheitsschäden sind nicht ausgeschlossen. Darüber wollen wir verstärkt aufklären.

Bürgenland dient allen.

Wer kann Mitglied bei Bürgenland werden?

Spangenberg: Alle Bürgerinnen und Bürger, alle Kommunen, alle Organisationen – unser Anliegen dient schließlich allen. Wir sind als Verein in der Gründung – bislang reicht eine formlose Erklärung zur Teilnahme und Unterstützung. Mitgliedsbeiträge gibt es noch nicht. Wir freuen uns also über Zuschriften.

Dokumentation:
„BürGenLand“ ist bislang eine Arbeitsgemeinschaft, die sich für eine gentechnikfreie Landwirtschaft einsetzt. Informationen finden Sie hier: Bürgenland. Mitglieder kommen aus der gesamten Region.

Information von Greenpeace über Monsanto und Gentechnik.

Arte-Film über Monsanto: Mit Gift und Genen

Aufstellungsbeschluss für Edeka-Erweiterung gefasst

Gut einprägen: Wenn die Edeka-Hallen stehen, ist dieser Blick auf die Bergstraße und Leutershausen "historisch".

Guten Tag!

Heddesheim, 29. Juli 2011. (red) Die Edeka-Erweiterung um ein Getränke-Hochregallager ist in der Gemeinderatssitzung am 28. Juli 2011 gefasst worden. Der Antrag von Hardy Prothmann, das Gespräch mit „Pfenning“ zu suchen, wurde vom Bürgermeister Michael Kessler als „Pseudo-Antrag“ verstanden.

Dem Antrag „Der Gemeinderat beschließt die Aufstellung des Bebauungsplans „Unteres Bäumelgewann“ gemäß §2 Abs. 1 BauGB“ stimmte der Gemeinderat mehrheitlich zu. Drei Räte der Fraktion Bündnis90/Die Grünen stimmten dagegen, der partei- und fraktionsfreie Gemeinderat Hardy Prothmann enthielt sich der Stimme. Das Gebiet umfasst eine Fläch von ca. 8,2 Hektar (80.000 Quadratmeter).

Die Edeka Südwest plant im Süden des Standorts eine Erweiterung mit Hochregallagerhallen von bis zu 19 Metern Höhe. Gemeinderat Kurt Klemm (Grüne) kritisierte den Flächenverbrauch und stimmte dagegen. Der Grünen-Gemeinderat verlas eine Stellungnahme der Fraktion, die wir am Ende des Artikels dokumentieren. Darin wird die unterschiedliche Haltung der Grünen-Räte angesprochen, aber auch der Zweifel an „guten Beziehungen“ des Unternehmens angebracht seien, schließlich seien Hauptsitz und Fleischwerk von Heddesheim weg verlagert worden.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Merx sagte:

„Es wir nie eine lebenslage Garantie geben“,

und befürwortete die geplante Erweiterung im Sinne der SPD-Fraktion. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Hasselbring sagte:

„Man kann negative Dinge mit Gewalt suchen. Dem Argument zum Flächenverbrauch können wir so nicht zustimmen, die Grünen haften einer alter Denkweise an.“

Die FDP lobte die Erweiterung, ebenso die CDU-Fraktion.

Der partei- und fraktionsfreie Gemeinderat Hardy Prothmann stellte den Antrag, die Entscheidung zu verschieben und Edeka zu bitten, mit den „Pfenning“-Investoren Gespräche aufzunehmen, ob man angesichts der aktuellen Entwicklung nicht dort das Lager errichten könne:

„Wenn es zutrifft, dass „Pfenning“ nicht kommt und an dritte Firmen Hallen vermieten möchte, wäre es doch eine Überlegung wert, ob Edeka nicht ein solcher Kunde sein könnte. Der Vorteil liegt auf der Hand: Das Gebiet ist entwickelt, es gibt keinen langwierigen Planunsprozess, die Verwaltung ist entlastet und „Pfenning“, die offensichtlich Schwierigkeiten haben, haben mit Edeka einen solventen Kunden. Gleichzeitig wird der Flächenverbrauch eingeschränkt.“

Bürgermeister Michael Kessler bewertete das als „Pseudo-Antrag“ und bewies damit wieder einmal seine feindselige Haltung gegenüber dem demokratischen Recht eines unabhängigen Gemeinderats, einen erweiterten Antrag stellen zu dürfen. Eine herablassende Kommentierung druch den sitzungsleitenden Bürgermeister ist in der Gemeindeordnung nicht definiert. Der Antrag enthielt vier Ja-Stimmen und eine Enthaltung – die Mehrheit lehnte ihn ab.

Nach dem Aufstellungsbeschluss ist die Möglichkeit eines Bürgerentscheids nicht mehr gegeben. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Hasselbring hatte in der vorherigen Sitzung beantragt, diesen schnell zu fassen, „noch vor der Sommerpause“. Hasselbring ist auch vehementester Befürworter der „Pfenning“-Ansiedlung. Die Verwaltung betonte in ihrer Vorlage die „Bürgerbeteiligung“, also eine Vorstellung in öffentlicher Gemeinderatssitzung und zwei Veranstaltungen im Bürgerhaus.

Angeblich hat Edeka noch keine Grundstücke gekauft und die weitere Entwicklung der geplanten Bebauung ist davon abhängig, ob der Nachbarschaftsverband einer Umdefinition des Geländes zustimmt. Bislang ist das Gebiet noch nicht als Bauland definiert. Im Zuge eines „Parallelverfahrens“.

„Derzeit besteht noch ein Zielkonflikt mit den Vorrangausweisungen „Schutzbedürftiger Bereich für die Landwirtschaft“ sowie „Regionale Grünzäsur“,

heißt es in der Beschlussvorlage. Und:

„Für das Zielabweichungsverfahren beim zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe dürften gute Erfolgsaussichten bestehen. Im Verfahren zur Fortschreibung des Regionalplans beabsichtigt der Verband Region Rhein-Neckar, die Vorrangsausweisungen im Bereich der geplanten Erweiterung des Gewerbegebiets zurückzunehmen.“

Weiter wurde in der Sitzung beschlossen, die Bebauungspläne „Hasenstock“ und „Im Eigentum“ in den Bebauungsplan „Industriegebiet Bundesbahnhof II“ zu integrieren (Raiffeisen-Gelände). Im Zuge von „beschleunigten Verfahren“ wird beispielsweise auf eine „Umweltprüfung“ und eine „Anhörung“ verzichtet, was Kurt Klemm kritisierte. Bürgermeister Kessler beantwortete das so:

„Aus einer grundsätzliche Haltung heraus die Anfertigung eines Umweltberichts zu fordern, geht über das Ziel hinaus.“

Der Bebauungsplan wurde bei zwei Gegenstimmen der Grünen angenommen. Auch Hardy Prothmann hatte dem zugestimmt, da aus seiner Sicht ein bestehender Bebauungsplan angepasst worden ist und der Wunsch der Edeka, die Betriebsstätten zu verändern, nachvollziehbar ist.

Anmerkung der Redaktion: Hardy Prothmann ist ehrenamtlicher, partei- und fraktionsfreier Gemeinderat und verantwortlich für das redaktionelle Angebot von heddesheimblog.de.

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Gläserner Gemeinderat: Grüne in der Klemme

Heddesheim/Viernheim/Rhein-Neckar, 19. Juli 2011. (red) Statt ihre institutionellen Möglichkeiten zu nutzen, schreiben Grüne Gemeinderäte Leserbriefe an den Mannheimer Morgen. An die Zeitung, die die Pfenning-Ansiedlung durch unkritische und lückenhafte Berichterstattung mit befördert hat. Muss man das verstehen?

Von Hardy Prothmann

Um das Verhalten der Heddesheimer Grünen richtig einzuordnen, muss man sie genau betrachten. Es sind keine „Revoluzzer“, keine Spontis, keine „Systemveränderer“. Die Heddesheimer Grünen sind im Kern eher konservativ und traditionell eingestellt.

Dazu gehört, dass man sich eigentlich nach einer „guten Stimmung“ im Gemeinderat sehnt, seine Duz-Freundschaften pflegen kann und sich nicht zu sehr in eine exponierte Lage bringt.

„Trotz Bauchschmerzen“

Vor der Kommunalwahl 2009 haben die Grünen „trotz Bauchschmerzen“ der Pfenning-Ansiedlung zugestimmt. Sie haben ihre Möglichkeiten nicht genutzt, sondern sich überrumpeln lassen. Vom Arbeitsplatzargument, der Gewerbesteuer und der „Schiene“ als vermeintlich „grüner Industrieansiedlung“.

In allerletzter Sekunde haben sie damals einen Turn-Around geschafft und damit drei Sitze mehr im Gemeinderat gewonnen. Die Überraschung aus 2009 wiederholte sich 2011 bei der Landtagswahl. Im Land regiert mit einem Male Grün-Rot.

Auch in Heddesheim wäre das „vorstellbar“, wenn die SPD mit den Grünen gemeinsame Sache machen würde. Inklusive meiner Stimme könnte es hier eine Mehrheit von 12 Stimmen geben. Wie gesagt: „könnte“ – die systematische Nähe der meisten SPD-Gemeinderäte zum Bürgermeister verhindert das. Teils wegen „Freundschaften“, teils wegen verwandtschaftlicher Verhältnisse, so ist die Ehefrau des SPD-Sprechers Jürgen Merx die Sekretärin des Bürgermeisters. Wer will da einen „kontroversen Kurs“ erwarten?

Die SPD richtet sich lieber als Anhängsel von CDU, FDP und Bürgermeister ein.

Und die Grünen fühlen sich nicht wirklich wohl in ihrer Rolle – sie können mit Sicherheit davon ausgehen, dass alle ihre Anträge lange kein positives Gehör finden werden, denn der Stachel der Wahlniederlage bei den drei anderen Parteien sitzt und dass die Grünen mit dem Prothmann oft einer Meinung waren, disqualifiziert die Grünen in den Augen der anderen zusätzlich.

Grünes Dilemma

Die Leserbriefe von Günther Heinisch und Kurt Klemm belegen dieses Dilemma sehr deutlich: Man ruht sich darauf aus, dass es ist, wie es ist und „hat keine Probleme mit dem Stillstand“, so Heinisch.

Herr Klemm möchte erst „die ganze Wahrheit auf den Tisch“ und stellt sich vor, dass „der Gemeinderat jetzt alles tun sollte, um Schaden von der Gemeinde abzuwehren“.

Quelle: MM

Das eine ist eine Wegschau-Haltung, das andere eine Utopie. Herr Heinisch richtet sich wohlig darin ein, dass angeblich „nichts“ passiert, Herr Klemm hofft darauf, dass sich „der“ Gemeinderat damit befasst.

Wegschauen und utopische Vorstellungen haben aber mit den Grünen zusammen „Pfenning“ erst in Gang gesetzt.

Glauben die Grünen tatsächlich, dass sich „der“ Gemeinderat um weitere Details der „Pfenning“-Entwicklung kümmern wird? Wie „grünäugig“ kann man eigentlich sein?

Pfenning geht weiter – keine Sorge

Tatsächlich wird „Pfenning“ – wer auch immer das ist – seinen Plan fortsetzen. Und je länger „der“ Gemeinderat dies zuläßt, je länger der Gemeinderat nichts unternimmt, umso härter und unveränderbarer werden die Fakten geschaffen werden. Haben die Grünen denn gar nichts gelernt?

Was soll man den Betonköpfen bei CDU, SPD und FDP vorwerfen, was nicht schon bekannt ist? Hier sind keine Initiativen zu erwarten, schon gar keine Kontrolle oder für das Unternehmen „unangenehme Fragen“. Man wird weiter alles abnicken – angeblich zum Vorteil der Gemeinde.

Wenn die Grünen nichts unternehmen und ihre institutionellen Möglichkeiten nicht nutzen, muss ihre bisherige Haltung absolut in Frage gestellt werden. Eine „Sondersitzung“ des Gemeinderats ist da noch ein vergleichsweise mildes Mittel.

Wenn sie nichts unternehmen, haben sie ein bisschen „Opposition“ gespielt und sind nach kurzer Zeit eingebrochen – denn die Sehnsucht nach „Friede und Anerkennung im kommunalen Sandkasten“ scheint größer als der Wille, sich nicht schon wieder über den Tisch ziehen zu lassen.

Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass das so ist. Die Grünen werden mit großer Sicherheit „kein Fass“ aufmachen, sondern sich entgegen aller „Parteipolitik“ ohne Bürgerbeteiligung und Transparenz in nicht-öffentlichen Sitzungen und Hintergrund-Gesprächen nicht mehr aus der Deckung wagen. In der stillen Hoffnung, dass „Pfenning“ sich verhoben hat und sich das „Problem“ von selbst erledigt.

Die Grünen sind verantwortlich für jede ihrer Unterlassungen.

Sollte dem nicht so sein, muss man sie voll verantwortlich für jede aktive Unterlassung machen.

Zur Erinnerung: „Pfenning“ – was auch immer das ist – ist ein „Mega-Projekt“. Die Fragen zu Arbeitsplätzen, Gewerbesteuer, Verkehr, Gefahrstoffen sind neu aufgeworfen worden. Die Devise, „Wir warten jetzt mal ab“, ist eine passive Haltung, eine, die dem Ort bis heute nur negative Folgen beschert hat. Durch teure Gutachten, Anwaltskosten, IFOK-Blabla und so weiter bis hin zur Spaltung der Ortsgemeinschaft. Man kann da gerne auf den Bürgermeister zeigen oder andere – damit zielt man auf die richtigen, aber die Grünen sind mit in diesem Boot, wenn sie es unterlassen zu handeln.

Und man darf gespannt sein, wie Bürgermeister Kessler und seine Vassallen den Grünen den nicht vorhandenen Schneid abkaufen. Vermutlich werden Herr Doll, Herr Merx und Herr Hasselbring wie üblich vorbereitete Fragen stellen, die dann ebenso vorbereitet beantwortet werden und unter bedächtigem, „verantwortungsvollem“ Nicken zur Kenntnis genommen werden. Die Botschaft ist auch schon klar: „Eigentlich alles ganz positiv.“

Dann führt Herr Heinisch das Wort und mahnt an, Herr Schuhmann gibt zu bedenken, vielleicht gibt es noch die eine oder andere Wortäußerung und das wars dann. Derweil plant „Pfenning“ – was auch immer das ist – weiter und macht, was es will.

Die Grünen halten den Ball flach, weil sie das Gefühl haben, sie können nichts mehr tun. Denn sie sind in der Klemme – wenn sie etwas tun, bedeutet das harte Arbeit und viel Ärger. Dabei hätten sie so gerne Frieden und Anerkennung.

Die Grünen müssen sich entscheiden – 2014 entscheiden die Wähler erneut und angesichts der Größe des „Themas“ wird man sich genau erinnern, welche „Haltung“ die Grünen vertreten und welchen „Einsatz“ sie gebracht haben. Mal ganz abgesehen vom „Nachwuchsproblem“ – denn auf breiter Front ist nicht erkennbar, wie die Grünen wieder sechs oder mehr geeignete Kandidaten für die Wahl aufstellen können.

Aus dieser Klemme kommen sie nicht heraus. Leider muss man vermuten, dass sie sich einklemmen lassen und bewegungsunfähig werden – zu groß ist die Sehnsucht nach Friede, Freude, Eierkuchen. Und wenn sie wieder nur drittgrößte Kraft sind, müssen sie auch nicht mehr ganz so verantwortlich sein.

Auch das ist eine Zukunftsperspektive.

P.S.
Lieber Kurt Klemm – Sie schreiben in Ihrem Leserbrief, dass es „nach dem Bericht des MM keine Arbeitsplätze“ in Heddesheim gäbe. Ich möchte Sie gerne darauf hinweisen, dass alle Folgen der „Nicht-Konzentration“ im MM-Artikel nicht beschrieben worden sind, sondern Sie diese wahrscheinlich hier nachgelesen haben. Wenn Sie schon „Quellen“ zitieren, dann bitte richtig.

Anmerkung der Redaktion:
Hardy Prothmann ist verantwortlich für dieses redaktionelle Angebot und seit 2009 partei- und fraktionsfreier Gemeinderat in Heddesheim. Er hat sich umfassend mit dem Projekt auseinandergesetzt und nach sorgfältiger Prüfung zu Vor- und Nachteilen dieser Ansiedlung wegen erheblicher Zweifel an der Seriosität der Aussagen von „Pfenning“ gegen das Projekt entschieden und in allen Punkten abgelehnt.

Gläserner Gemeinderat: Grünes „Schaumschlagen“? Wer Verantwortung will, muss sie auch übernehmen

Heddesheim/Viernheim/Rhein-Neckar, 18. Juli 2011. Am Freitag vermeldete der MM, dass „Pfenning“ seine Lager „vorerst“ nicht in Heddesheim „zentralisiert“. Die Konsequenz ist klar – „Pfenning“ begeht Wortbruch. Das war zu erwarten. Die Frage ist, was von den „Grünen“ zu erwarten ist. Klar ist, dass von CDU, SPD und FDP keine Fragen zu erwarten sind.

Von Hardy Prothmann

„Ich habe lange gedacht, Sie sind ein Grüner“, sagte mir vor ein paar Wochen ein Gemeinderat der Freien Wähler in Hirschberg am Rande einer Veranstaltung. Ich fragte überrascht zurück: „Wieso?“ Der Gemeinderat antwortete: „Naja, die Grünen sind bei Ihnen ja gut weggekommen. Siehe Pfenning.“

Ich antwortete: „Die Grünen waren nach ihrer „ursprünglichen Zustimmung“ zu „Pfenning“ die einzigen, die mit ihrer kritischen Haltung eine vernünftige Position eingenommen haben. Ich habe darüber berichtet und auch darüber, was CDU, SPD und FDP für eine Haltung vertreten. Glauben Sie, dass deren Erwartungen zutreffen?“

Verwunderung.

„Natürlich nicht“, sagte der Gemeinderat, und weiter: „Als Sie den Steinle verhauen haben, hab ich mich echt gewundert und mich gefragt, was der Grund ist.“ Ich habe geantwortet: „Ganz einfach. Herr Steinle hat als GLH-Fraktionssprecher mir und meiner Redaktion gedroht. Das geht so nicht, egal, welche Partei oder wer sonst auch immer das versucht. Da bin ich farbenblind.“

Der Gemeinderat sagte: „Das habe ich jetzt verstanden. Aber wo stecke ich Sie jetzt hin?“ Ich sagte: „Dahin, wohin ich gehöre. Ich bin Journalist und berichte unabhängig und an Fakten orientiert.“ „Aber Sie sind doch auch Gemeinderat?“ „Ja“, sagte ich: „Ausschließlich in Heddesheim und da halte ich das genauso. Unabhängigkeit ist ein hohes Gut.“ Der Gemeinderat lachte und stieß mit mir auf den Satz an. Und er und ich haben darunter verstanden, was wir jeder für sich darunter verstehen wollten.

Leserbriefschreiber.

Heute hat der MM einen Leserbrief des Grünen-Gemeinderats Günther Heinisch veröffentlicht:

Leserbriefe schreiben kann jeder - politisch aktiv zu werden, ist schon schwerer. Quelle: MM

Denkfehler.

Auch die Grünen in Heddesheim denken tendenziell, dass ich eher mit „ihrer Politik“ einverstanden bin, aber das ist ein Denkfehler. Ich bin mit Fakten einverstanden, die ich verstehen und vertreten kann. Grundsätzlich finde ich weniger Verkehr, umweltschonende Wirtschaft, Atomausstieg, erneuerbare Energien, ein gerechteres Schulsystem, Transparenz und Informationsfreiheit und manche andere Positionen der Grünen „gut“. Aber nicht, weil sie „grün“ sind, sondern weil sie vernünftig sind.

Ich war mit Herrn Heinisch in Kontakt und habe mich mit ihm über den Artikel der Zeitung vom 15. Juli 2011 und den dort leider nicht dokumentierten Folgen „ausgetauscht“. Und ich habe ihm klar und deutlich gesagt, was ich als Bürger und Gemeinderatskollege von ihm und den Grünen erwarte: Verantwortung.

Zweitstärkste Fraktion auf der Suche nach Anerkennung.

Die Grünen haben ursprünglich angeblich wegen des „Gleises“ dem „Pfenning“-Projekt zugestimmt. Dann gab es Ärger und Aufregung, die Grünen waren zwischen „für die Gemeinde“ und „gegen Verkehr“ hin und hergerissen. Letztlich haben sie sich mit der IG neinzupfenning gegen „Pfenning“ entschieden und wurden mit drei Sitzen mehr oder 100 Prozent Zugewinn bei der Kommunalwahl 2009 „belohnt“. Es war ein „fundamentales Wahlergebnis“. Sie stellen mit sechs Sitzen nun die zweitstärkste Fraktion in Heddesheim. Fast hätten sie gar sieben Sitze erreicht.

Seither agieren die Grünen im Spannungsfeld zwischen „Anerkennung“ im Gemeinderat (unter „Kollegen“) und „Anerkennung“ in der Bevölkerung. Tatsächlich haben Sie als einzige politische Fraktion eine kritische Haltung eingenommen und dadurch Zugeständnisse erreicht. So bei Details der Bauplanung, dem Verkehrsgutachten oder mit dem Verkehrslenkungsvertrag.

Seither wurden die Grünen hart angegangen von den anderen Gemeinderäten und vor allem von Bürgermeister Michael Kessler, der fast in jeder Sitzung „ausrastet“ und wenig souverän vor allem den Grünen und mir ins Wort fällt, kommentiert und sich unverhohlen feindselig zeigt.

Einordnen = Unterordnen?

Diese aggressive Phalanx schlaucht. Vor allem, wenn man den Wunsch hat, „gemeinsam“ gute Lösungen zu finden.

Die Grünen haben leider keine Wahl. Wenn sie „gemeinsam“ mit der CDU, SPD und FDP entscheiden wollen, müssen sie sich unterordnen. Denn CDU und SPD sind „angefressen“ ob ihrer Verluste und werden es bleiben. Auch, weil sie sich über ihre Fehlentscheidung im Klaren sind und weil sie wissen, dass die Bürger das wissen. Dass die Grünen und die Rest-FDP aus Frank Hasselbring und Ingrid Kemmet politisch gar nicht zusammenpassen, muss fast nicht erwähnt werden.

Die Grünen haben gegen ihre Ablehnung des „Pfenning“-Projekts hart gearbeitet und die „Konditionen“ so gut es ging verbessert. Wenn die Grünen nun nichts gegen die sich abzeichnende Entwicklung unternehmen, war diese Arbeit vergebens. Und letztlich bleibt nur, dass sie sich fügen. Dass sie ein „harmonisches“ Verhältnis im Gemeinderat anstreben und sich anpassen.

Glaubwürdigkeit.

Mit sechs von 23 Sitzen haben sie die Möglichkeit, eine außerordentliche Gemeinderatssitzung einzuberufen. Und Fragen zur aktuellen Entwicklung zu stellen. Und sie können Anträge stellen und die Verwaltung beauftragen zu prüfen, ob man „Pfenning“ nicht zwingen kann, seine Zusagen einzuhalten. Ob das gelingt, ist eine andere Frage. Man muss es politisch versuchen, wenn man glaubwürdig bleiben will.

Ein Leserbrief, wie ihn Herr Heinisch geschrieben hat (übrigens nur an den MM und nicht auch an unsere Redaktion) ist letztlich nur „Wortgeplänkel“.

(Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass sich gewisse Leute auf dem heddesheimblog Argumente und Haltungen holen und sich dann durch einen „Zeitungsabdruck“ „bestätigt“ fühlen – vielleicht wäre es an der Zeit, einfach mal einen Lernschritt zu machen und zu erkennen, dass es um Informationen und Argumente geht und nicht um Holz oder Bildschirm.)

Entscheidungen werden im Gemeinderat getroffen. Dort können Fragen gestellt werden, die beantwortet werden. So oder so. Dort können Anträge gestellt werden, die angenommen oder abgelehnt werden.

Grüne auf dem Weg ins Schaumschlagen?

Wenn die Grünen jetzt nicht die ihnen zur Verfügung stehende Macht nutzen, über eine außerordentliche Gemeinderatssitzung klare Stellungnahmen einzuholen und ein konsequentes Vorgehen gegen den Wortbrecher „Pfenning“ zu fordern, kann man sie getrost vergessen.

Dann war in Sachen „Pfenning“ alles nur „Schaumschlägerei“ und „Gepumpe“, aber keine ernstzunehmende Opposition.

Bei der Bürgerbefragung hat die Hälfte der Bevölkerung das „Pfenning“-Projekt abgelehnt. 40 Stimmen mehr wurden „missbraucht“, um eine „Zustimmung“ zu propagieren. Damals waren die Grünen enttäuscht über die anderen Fraktionen.

Ohne einen aktuellen politischen Einsatz wird diese Hälfte der Bevölkerung mehr als enttäuscht von den Grünen sein müssen und es kann als sicher gelten, dass die sechs Sitze bei der nächsten Wahl „Geschichte“ sind.

Um es klar festzuhalten: Ein „Leserbriefchen“ oder eine Äußerung am Ende einer Gemeinderatssitzung zu „Anfragen“ sind eine Möglichkeit, ein wenig „Wind“ zu machen, aber unverbindlich zu bleiben.

Erwartungen.

Ich erwarte von den Grünen eine verbindliche und klare Haltung und ich erwarte, dass sie die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen. Wenn „Pfenning“ ohne Widerstand unter den „neuen Bedingungen“ baut, haben sich alle „Befürchtungen“ bewahrheitet. Und es war nichts „positiv“, wie Günther Heinisch schreibt.

Ob es aber sein muss, dass „nichts mehr positiv“ wird, hängt von den Grünen ab und ob sie sich einbringen wollen, ob sie weiterhin gestalten wollen.

Tun sie das nicht, enttäuschen sie alle, die geglaubt haben, dass die Grünen tatsächlich gegen die „Logistik-Ansiedlung Pfenning“ sind. Die geglaubt haben, dass die Grünen die einzige Partei ist, die „aufpasst“.

Dann muss man davon ausgehen, dass die Grünen sich „arrangieren“ und fügen.

Die Grünen müssen sich entscheiden, was sie wirklich wollen – die große Rede zu schwingen, Schaum zu schlagen oder konsequent politisch zu agieren. Wer Verantworung will, muss auch bereit sein, sie zu übernehmen.

Und wie immer gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

P.S. A propos – die Grüne Liste Hirschberg hat auch „Schaum geschlagen“ in Sachen „Verkehrsgutachten“ – man wollte klagen und außer der Klage zum Klagenwollen ist nichts passiert. Und die IG neinzupfenning hat sich schon seit Herbst 2010 öffentlich nicht mehr geregt.

Anmerkung der Redaktion:
Hardy Prothmann ist verantwortlich für dieses redaktionelle Angebot und seit 2009 partei- und fraktionsfreier Gemeinderat in Heddesheim. Er hat sich umfassend mit dem Projekt auseinandergesetzt und nach sorgfältiger Prüfung zu Vor- und Nachteilen dieser Ansiedlung wegen erheblicher Zweifel an der Seriosität der Aussagen von „Pfenning“ gegen das Projekt entschieden und in allen Punkten abgelehnt.

Offene Fragen an Bündnis90/Die Grünen

Heddesheim, 16. Juli 2011. (red) Die „Ankündigung“ durch das Unternehmen „Pfenning“, keine Zentralisierung deren Lager in Heddesheim vorzunehmen, ist ein Wortbruch. Das war eines der Hauptargumente für die geplante Unternehmensansiedlung. Bündnis90/Die Grünen waren wegen des „Gleisanschlusses“ erst dafür, dann angesichts manigfaltiger Gründe gegen diese Ansiedlung. Die große Frage ist, ob Bündnis90/Die Grünen ihren Standpunkt verteidigen oder sich fügen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem Sie zunächst das Pfenning-Projekt im Gemeinderat wegen des Gleisanschlusses befürwortet haben, haben Sie sich später gegen das Projekt ausgesprochen.

Dafür haben Sie viele Argumente in die öffentliche Diskussion gebracht, sich letztlich aber in der Opposition auf die „Gestaltung“ der Ansiedlung „besonnen“.

Angesichts der aktuellen Entwicklung liegt es auf der Hand, dass in Heddesheim weder Arbeitsplätze gesichert, noch geschaffen werden, sondern entgegen aller Ankündigungen „Pfenning“ andere Pläne hat.

Sowohl die Argumente „Arbeitsplätze“, „Gewerbesteuer“ und „Verkehrslenkung“ stehen erneut zur Debatte. Wir fragen deshalb, wie Sie damit umgehen.

Ihre Fraktionsstärke erlaubt die Einberufung einer „Sondersitzung“ des Gemeinderats.

Sind Sie bereit, Fragen zu stellen und Lösungen für Heddesheim zu finden?

Sind Sie bereit, die steuergeldfinanzierte Arbeit zu schützen, die die geplante „Pfenning“-Ansiedlung mit sich gebracht hat?

Sind Sie bereit, der sich abzeichnenden Entwicklung wegen „Wortbruchs“ politisch entgegenzutreten?

Sind Sie bereit, eine Sondersitzung des Gemeinderats einzuberufen?

Sollten Sie nicht dazu bereit sein, bitten wir um Nachricht, was Sie davon abhält.

Mit freundlichen Grüßen

Redaktion heddesheimblog.de

Anmerkung der Redaktion:
Laut Gemeindeordnung ist der Gemeinderat unverzüglich verpflichtet, zusammenzutreten, wenn ein Viertel der Gemeinderäte dies fordert. Mit sechs von 23 Gemeinderäten hat die Fraktion Bündnis90/Die Grünen dieses Viertel inne.

Winfried Kretschmann als Ministerpräsident vereidigt


Winfried Kretschmann ist der achte Ministerpräsident Baden-Württembergs. Zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands ist damit ein "Grüner" Chef einer Landesregierung. Archivbild: weinheimblog.de

Stuttgart/Rhein-Neckar, 12. Mai 2011 (red) Winfried Kretschmann (62) ist der achte Ministerpräsident Baden-Württembergs und der erste Regierungschef eines Bundeslandes, den die Partei Bündnis90/Die Grünen stellt. Heute wurde Herr Kretschmann mit 73 Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt – 71 Stimmen hat die Grün-Rote Mehrheit, folglich müssen zwei Stimmen aus dem CDU/FDP-Lager gekommen sein.

Von Hardy Prothmann

Die Vereidigung war kurz und knapp: „So wahr mir Gott helfe“, sagte der bekennende Katholik und nahm die Wahl an. Ein historischer Augenblick – wird das Land Baden-Württemberg nach fast 60 Jahren erstmals nicht von einem CDU-Vertreter angeführt, sondern darüber hinaus von einem „Grünen“.

CDU scheitert an der „Dagegen-Partei“.

Im Wahlkampf hatte der zuvor amtierende CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus die „Grünen“ immer als „Dagegen-Partei“ zu diskreditieren versucht und jede Forderung von Bündnis90/Die Grünen verdammt.

Eine falsche Strategie, wie sich herausstellte. Stefan Mappus wird ebenfalls in die Geschichte eingehen – als der CDU-Ministerpräsident, der verantwortlich für die erste Wahlniederlage im „Ländle“ ist. Doch auch der neue „starke Mann“ der CDU, Peter Hauk, ist mit für das Desaster der CDU. Politik von oben, Spätzle-Connections, stures Durchziehen von Politik an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei (Stuttgart21) hat den Wechsel erst ermöglicht. Dazu kamen „miese Methoden“ – prominente CDU-Vertreter bezeichneten Kretschmann als zu alt und wollten ihm sogar eine Krankheit anhängen.

Idealtyp Kretschmann

Und die Person Winfried Kretschmann. Katholisch, solides Auftreten, schwäbelnd, bedacht, früherer Lehrer – er ist der Idealkandidat. Einer, den auch die bürgerliche Mitte, der konservative Wählerkreis in Baden-Württemberg wählen kann und gewählt hat.

Winfried Kretschmann hat mit seinem Vize Nils Schmid (SPD) hart um den Koalitionsvertrag verhandelt – inhaltlich, aber auch politisch. Die SPD musste verkraften, nicht mehr zweitstärkte Kraft im Land zu sein. Das sind jetzt die Grünen. Zusammen haben sie eine Stimme Mehrheit.

Dass die SPD einen Minister mehr stellt, wurde Herrn Kretschmann als Schwäche ausgelegt – wenn man ihm böse will. Man kann den Schachzug auch als Stärke auslegen. Die SPD muss sich neu orientieren, als nur noch drittstärkste Partei in Baden-Württemberg. Da hilft ein Minister mehr, die schwindende Bedeutung zu kompensieren und Kretschmann hilft der Partei, das Gesicht zu wahren. Und er hilft sich und seiner Partei: Denn mit Sicherheit hatten die Grünen große Schwierigkeiten, überhaupt genug Personal zusammen zu bekommen – nicht nur, was die Minister betrifft, sondern die Mitarbeiter in den Ministerien.

Harte Themen

Inhaltlich ist das spannungsgeladene Thema Stuttgart21 nach wie vor bestimmend. Große Teile der SPD sind für den Tiefbahnhof, die Grünen dagegen. Ein Volksentscheid im September soll die Frage klären – wenn das Projekt nicht zuvor am Stresstest oder der Finanzierung scheitert. Das wären beiden wohl am liebsten, weil man am elegantesten aus der Sache herauskommt.

Top-Thema und bedeutender als Stuttgart ist der Ausstieg aus der Atom-Energie und die Schaffung von alternativer Energiequellen. Bis 2020 sollen zehn Prozent der Energie aus der Windkraft kommen – hier sind Konflikte vorprogrammiert, denn nicht jeder wird Windräder im Blickfeld wollen.

Winfried Kretschmann hat bereits einen politischen Schachzug gemacht, der zeigt, dass er führen will. Seine Ankündigung, auch Baden-Württemberg werde sich als Endlagerstandort für den Strahlenmüll aus der Atomkraft zur Verfügung stellen müssen, ist einerseits clever, andererseits aber auch verantwortungsbewusst und eine Ansage, dass er auf Augenhöhe mit seinen (schwarzen) Ministerpräsidentenkollegen verhandeln will. Vermutlich gibt es keine wirklich geeigneten Standorte, aber das Angebot eines (grünen) Politikers, aktiv am schwierigen Ausstieg – auch mit missliebigen Konsequenzen – mitzuwirken.

Auch die Bildungspolitik wird ein Prüfstein werden – die Schülerzahlen gehen zurück, also braucht man weniger Lehrer. Die Lehrerverbände haben schon protestiert angesichts erster Ankündigungen, Stellen abzubauen. Bildungspolitik ist auch immer Bürgerpolitik – denn schließlich geht es um die Kinder der Wählerinnen und Wähler. Und ebenso wie bei Stuttgart21 und Energie hat auch hier die frühere Landesregierung ein schweres Erbe angesichts der verkorksten Bildungspolitik hinterlassen.

Pflicht zur Bürgerbeteiligung

Alle Politik der neuen Regierung steht und fällt allerdings mit der Beteiligung der Bürger: „Wir brauchen eine Politik des Gehörtwerdens“, sagte Ministerpräsident Kretschmann vor seiner Wahl. Das muss die neue Landesregierung überzeugend umsetzen. Bürgerbeteiligung, Transparenz und Informationsfreiheit werden der Prüfstein für jede Entscheidung sein. Und hier wird Neuland betreten – die Landesregierung betritt ein weites Feld.

(von links) Hans-Ulrich Sckerl ist parlamentarischer Geschäftsführer und im allerbesten Kontakt zum neuen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Archivbild: weinheimblog.de

Wahlkreis 39 Weinheim mit Sckerl stark vertreten

Die Region Nordbaden und vor allem der Wahlkreis 39 Weinheim ist in Stuttgart stark vertreten. Der Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl ist einstimmig zum parlamentarischen Geschäftsführer gewählt worden, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und innenpolitischer Sprecher der Fraktion.

Damit ist Sckerl ganz nah am Ministerpräsidenten Kretschmann dran – aber auch an den anderen Abgeordneten. Eine Knochenjob – aber einer, über den viel Einfluss ausgeübt werden kann, wenn Herr Sckerl diesen geschickt ausübt. Als harter Arbeiter ist der Abgeordnete in seinem Wahlkreis bekannt.

Auch für unsere Redaktion beginnt mit dem Machtwechsel in Stuttgart eine neue Ära. Wir haben gute Kontakte zu Bündnis90/Die Grünen und aktiv über deren Politik als Opposition berichtet. Dabei haben wir gute Erfahrungen gemacht und können die Achtung der Pressefreiheit und die Bereitschaft für den Dialog überwiegend loben. Wir hatten allerdings auch Konflikte mit einzelnen Parteivertretern auszutragen und diese niemals gescheut.

Als Regierungspartei sind Bündnis90/Die Grünen nun zusammen mit der SPD in der politischen Verantwortung. Wie unsere Leserinnen und Leser das erwarten dürfen, werden wir genau hinschauen, welche Politik gemacht wird und diese kritisch begleiten.

Gläserner Gemeinderat: Werden die Bürger zu Edeka gefragt oder vor vollendete Tatsachen gestellt?

Guten Tag!

Heddesheim, 11. Mai 2011 (red) Der Mannheimer Morgen berichtet heute darüber, dass die „Grünen“ die Bürger mitentscheiden lassen wollen. Über die von Edeka geplante Erweiterung des Geländes im Gewerbegebiet. Die Berichterstattung ist wie gewohnt nicht bürgernah, sondern „theoretisch“. Oder anders gesagt: Beim MM glaubt man nicht dran, denn einer Monopolzeitung ist „Bürgerbeteiligung“ vermutlich grundsätzlich „suspekt“. Abgesehen davon wird man „Bürgerbeteiligung“ in Heddesheim an drei Dingen festmachen müssen. 1. Grüne-SPD setzen sich dafür ein, 2. CDU und FDP und Bürgermeister verhindern das nicht und 3. Bürgerinnen und Bürger nutzen die Chance.

Von Hardy Prothmann

Bürgerbeteiligung ist ein weites Feld. Keiner kann genau definieren, was das ist.

Erzkonservative Kreise sagen, Bürgerbeteiligung ist es, wählen zu gehen. Die gewählten „Repräsentanten“ entscheiden dann im „Auftrag“ der Bürger – ob die wollen oder nicht. Wer das so nicht will, kann ja das nächste Mal anders wählen.

Das ist eingetreten. Vielmehr, die Sensation, dass das tatsächlich nicht nur „theoretisch“, sondern ganz praktisch möglich ist. Tatsache geworden ist. Auch wenn Schwarz-Gelb das oft noch nicht realisiert haben. Sie wurden abgewählt. Grün-Rot stellt die neue Landesregierung.

Politik des „Gehört-werdens“

Die neue Regierung hat sich laut dem neuen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann einer Politik des „Gehört-werdens“ verschrieben. Bürger sollen vor Entscheidungen beteiligt werden.

Hardy Prothmann ist Journalist und setzt sich für Transparenz ein - auch ehrenamtlich als Gemeinderat. Bild: sap

Im vom harten Disput über „Pfenning“ bestimmten Heddesheim steht eine weitere Entscheidung an, die fast so „groß“ wie „Pfenning“ ist. Wenn die Edeka ihre Pläne realisieren kann, wird das Projekt fast so umfangreich sein, wie „Pfenning“. Statt 100.000 Quadratmeter Hallen, werden es 85.000 Quadratmeter sein. Das ist nicht wirklich viel kleiner.

Der MM berichtet heute darüber, dass der Gemeinderat mit zwei-Drittel-Mehrheit beschließen „könnte“, dass die Bürger beteiligt werden. Und dass die Bürger im Vorfeld per Bürgerentscheid über den „Grundsatz“ darüber entscheiden könnten.

Die Hürden des Quorums nennt der MM hingegen nicht. Und auch nicht die Tatsache, dass aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen bis heute kein einziges Mal ein solcher Bürgerentscheid in Baden-Württemberg möglich war.

Die neue Landesregierung will das ändern – ob ihr das gelingt, steht in den Sternen.

Tatsache ist, dass es keine Möglichkeit für eine „Bürgerbeteiligung“ im Vorfeld mehr gibt, wenn der Gemeinderat für die Edeka-Pläne einen Aufstellungsbeschluss fasst.

Denn ein Aufstellungsbeschluss ist der Beginn einer „Bauleitplanung“ und der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat dagegen keine Bürgerbescheide zugelassen – bis jemand gegen dieses Urteil klagt, was noch nicht passiert ist.

Konkret heißt das, dass, sobald der Heddesheimer Gemeinderat einen Aufstellungsbeschluss verabschiedet, jegliche „Bürgerbeteiligung“ im Sinne eines Votums „Dafür oder Dagegen“ nicht mehr möglich ist. Weder durch zwei-Drittel-Mehrheitsbeschluss im Gemeinderat, noch durch ein Quorum.

Umgekehrt heißt das – solange der Gemeinderat das nicht beschließt und den Bürgerinnen und Bürgern ausreichend Gelegenheit gibt, eine Haltung zu finden und einen Bürgerentscheid anzustreben, ist noch nichts entschieden.

Beteiligt die Bürger!

Konkret heißt das, dass im Sinne eines fairen Verfahrens (anders als bei „Pfenning“), der Gemeinderat Heddesheims möglichst bald eine „grundsätzliche“ Position beziehen sollte, an der sich die Bürgerinnen und Bürger orientieren können.

Danach sollte man den Bürgerinnen und Bürgern ausreichend Zeit lassen, selbst eine Entscheidung zu finden und einen Bürgerentscheid zu organisieren.

Mindestens drei Monate sind eine knappe, aber doch „bürgerorientierte“ Zeit, um nicht-organisierten Bürgerinnen und Bürgern eine Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Sowie sich zu organisieren.

Sollte sich eine „Organisation“ abzeichnen, sollte ein moderner Gemeinderat bei „Zeitdruck“ auch noch etwas Geduld haben und einem wahrscheinlichen „Bürgerentscheid“ demokratisch entgegen sehen und diese Form der „Bürgerbeteiligung“ aktiv unterstützen.

Bürgerbeteiligung ist der beste „Stresstest“

Warum? Ganz einfach. In Bayern wird so gut wie jedes größere Projekt per „Bürgerentscheid“ genau unter diesen Bedingungen entschieden. Ist die Mehrheit dafür, wird gebaut – ist sie dagegen, wird nicht gebaut.

Die meisten Projekte werden gebaut und die wenigen, die nicht gebaut werden, sollten das wahrscheinlich auch nicht. Der Stresstest kommt vorher und nicht hinterher wie bei Stuttgart21.

Die Bayern können den Baden-Württembergern ein Vorbild sein. Entschieden ist entschieden und der politische Friede sehr viel größer.

In Heddesheim haben die Grünen zu „Pfenning“ den Aufstellungsbeschluss mitgetragen. Vermutlich, weil sie sich der Konsequenzen nicht bewusst waren. Erstens des Bürgerprotestes, zweitens der Verbindlichkeit.

Ein Patt heißt Nein.

Die „Restmöglichkeit“ war eine Bürgerbefragung – mit einer 0,65 Prozentpunktemehrheit oder 40 Stimmen „für“ Pfenning. Also eine „Pro“-Entscheidung gegen die Hälfte des Ortes. CDU, SPD und FDP haben dies mehrheitlich als „Zustimmung“ gewertet, ebenso Bürgermeister Michael Kessler.

Ein „Patt“ im Gemeinderat ist nach der Gemeindeordnung automatisch eine Ablehnung. Ob weniger als 1 Prozent tatsächlich eine Mehrheit ist und kein Patt, müssen die Befürworter vertreten.

Beim neuen Fall „Edeka“ können CDU, SPD, FDP und Bürgermeister Kessler zeigen, ob sie grundsätzlich und tatsächlich an Bürgerbeteiligung interessiert sind.

Wenn ja, bringt der Bürgermeister die gewünschte Erweiterung bald in den Gemeinderat ein und stellt das Projekt zur offenen Debatte – ausdrücklich ohne Beschlussfassung.

Wenn ja, wird das Unternehmen Edeka aufgefordert, die Bevölkerung umfassend über das Projekt zu informieren. Ein „Info“-Abend ist sicherlich nicht ausreichend.

Wenn ja, wird im Gemeinderat über die Entwicklung beraten – immer noch ohne Beschluss.

Wenn ja, wird den Bürgerinnen und Bürgern auch der Ferienmonat August noch „positiv“ eingerechnet und mindestens bis einschließlich September beraten werden.

Im Oktober 2011 könnte es dann nach diesen umfangreichen Beratungen zu einem Aufstellungsbeschluss, gegen den kein Bürgerentscheid nach der aktuellen Rechtsauffassung mehr möglich ist, kommen.

Das wäre ein Verfahren, dass Bürgerbeteiligung möglich macht und sehr zu begrüßen.

Beteiligung ist ein Gewinn – auch für die „Repräsentanten“.

Gewinnen würden alle: Die Politik und das Unternehmen, weil sie den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit der Teilnahme tatsächlich gegeben hätten. Und die Bürgerinnen und Bürger, weil sie einen Handlungsspielraum hätten ausfüllen können.

Ob die Bürgerinnen und Bürger das tun, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob sie die Möglichkeit erhalten.

Es bleibt abzuwarten, ob diese „Theorie“ auch praktisch möglich ist.

Angesichts des „Pfenning“-Desasters ist das wenig wahrscheinlich.

Es gibt einen Spruch: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Mal schauen, ob die Hoffnung stirbt oder neu belebt wird.

Soviel steht fest: CDU, SPD, FDP und Bürgermeister Michael Kessler haben sich dazu bislang nicht geäußert und keinen konstruktiven Vorschlag gemacht.

Alles schon entschieden?

Manche vermuten, weil bereits alles entschieden worden ist und eine Bürgerbeteiligung nicht gewünscht oder sogar abgelehnt wird.

Man wird sehen, ob diese Vermutungen richtig sind oder nicht.

Und jeder kann sich selbst seine Meinung darüber bilden.

Und spätestens bei der nächsten Wahl zumindest über sein Kreuz entscheiden, ob er anders wählen will.

Von den Grünen ist zu erwarten, dass sie für das Ziel einer Bürgerbeteiligung kämpfen und aktiv informieren, wie das möglich ist. Auch die SPD ist als Teil der Landesregierung hier in besonderer Verantwortung gefragt.

Beide Parteifraktionen haben in Heddesheim „theoretisch“ die Mehrheit. Die Grünen haben sechs Sitze, die SPD fünf. Macht elf Sitze. Die Mehrheit im 23-köpfigen Gemeinderat sind 12 Stimmen.

Meine 12. Stimme für Bürgerbeteiligung und ein transparentes Verfahren ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und zwar eindeutig nicht „gegen“ die Edeka, sondern für eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

Info:
Hardy Prothmann ist verantwortlich für das heddesheimblog. 2009 wählten ihn Bürgerinnen und Bürger als freien Kandidaten zum Gemeinderat auf der Liste der FDP. Nach der Wahl hat sich Hardy Prothmann entschieden, der FDP-Fraktion nicht anzugehören. Der Grund war einfach: Das persönliche Wahlversprechen war, mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung einzubringen. Mit den Gemeinderäten Frank Hasselbring und Ingrid Kemmet war darüber überhaupt keine Einigung zu erzielen.

Als einziger parteipolitisch-unabhängiger Gemeinderat stimmt er sowohl für oder gegen Anträge der „Fraktionen“ – aber immer nur seinem Gewissen unterworfen. So, wie es die Gemeindeordnung vorsieht.

Gleichzeitig gibt es einen fortwährenden „Interessenkonflikt“. Als Journalist ist er der Öffentlichkeit verpflichtet – als Gemeinderat wird er gezwungen, eine „nicht-öffentliche Verschwiegenheitsverpflichtung“ zu wahren.

Im Vorfeld der vergangenen „nicht-öffentlichen“ Sitzung hat er Bürgermeister Michael Kessler darüber informiert, dass er sich für „befangen“ erklärt, weil er nicht hören oder wissen wollte, was „nicht-öffentlich“ in Sachen „Edeka“ beraten wird, da er als Journalist für die Öffentlichkeit über eine vermutlich enorme Unternehmensentscheidung berichten muss.

Bürgermeister Michael Kessler ließ keinen Zweifel daran, was er davon hält: Er drohte dem freien Gemeinderat Hardy Prothmann eine Rüge und ein „betontes“ Ordnungsgeld an, wenn er an der bevorstehenden Sitzung nicht teilnehmen würde. Ein Ordnungsgeld kann bis zur Höhe von 1.000 Euro „verhängt“ werden.

Hardy Prothmann hat daraufhin an der Sitzung teilgenommen und war damit automatisch zur Verschwiegenheit verpflichtet – bei Androhung von Rüge und Ordnungsgeld.

Bürgermeister Michael Kessler hat damit erneut unter Beweis gestellt, dass er an einer transparenten Politik für die Bürgerinnen und Bürger in Heddesheim überhaupt nicht interessiert ist.

Gegen die Entscheidung, dass Bürgermeister Michael Kessler alleine entschieden hat, dass der Gemeinderat Hardy Prothmann in der Sache befangen ist, wurde durch Hardy Prothmann eine Beschwerde beim Kommunalrechtsamt eingelegt. Der Grund: Über die Befangenheit eines Gemeinderats entscheidet nicht der Bürgermeister, sondern der Gemeinderat.

Wir werden das Ergebnis der Bewertung des Kommunalrechtsamts gewohnt transparent darstellen. Ebenso den Konflikt, in dem sich ein Journalist befindet, der ein Ehrenamt angenommen hat, das seinen Beruf behindert und ein fortwährendes Dilemma erzeugt – zwischen Transparenz und Verschwiegenheitsverpflichtung.

Uli Sckerl: Stuttgart21 haben wir jetzt gut gelöst


Rhein-Neckar, 21. April 2011 (red) Stuttgart21 ist einer der dicksten Brocken in den Koalitionsverhandlungen der künftigen Grün-Roten Regeriung gewesen. Seit Mittwoch, den 20. April 2011, gibt es eine Lösung. Oder sogar mehrere: Die Grünen rechnen damit, dass der Stresstest negativ ausfällt. Weiteres Geld will die neue Landesregierung ebenfalls nicht bereitstellen und wenn das nicht hilft, soll eine Volksabstimmung die Tieferlegung des Bahnhofs verhindern. Wir haben den Abgeordneten Uli Sckerl exklusiv befragt.

Von Hardy Prothmann

Herr Sckerl, wie sind die Koalitionsverhandlungen in Sachen Stuttgart21 aus Ihrer Sicht gelaufen?

Hans-Ulrich Sckerl: „Die waren sehr angespannt, aber ich kann heute mal umgangssprachlich sagen: Die Kuh ist seit gestern vom Eis.“

Was war so schwierig?

Sckerl: Der Weg zu einer Volksabstimmung. Wir sind jetzt an dem Punkt, dass die Volksabstimmung im Oktober 2011 stattfinden soll. Darüber gibt es ein Einvernehmen in der Vorgehensweise.

Hans-Ulrich Sckerl ist Landtagsabgeordneter Bündnis90/Die Gründen für den Wahlkreis 39, Weinheim. Foto: B90/Die Grünen

Die wäre?

Sckerl: Die Volksabstimmung wird nur zur Tieferlegung des Bahnhofs stattfinden. Nicht zu der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm. Wir können in Baden-Württemberg das Volk auch nur über die Frage abstimmen lassen, ob das Land den Tiefbahnhof mitbezahlen soll. Alles andere wäre politisch und juristisch zu schwierig.

Drohen keine Klagen?

Sckerl: Die sehen wir bei diesem Vorgehen nicht. Wenn wir über das Projekt insgesamt abstimmen lassen wollten, wäre das schwieriger, so aber können die Baden-Württemberger über die Landesbeteiligung beim eigentlichen Streitpunkt, dem Bahnhof, abstimmen.

Wenn das Quorum erreicht wird.

Sckerl: Das Quorum von 2,5 Millionen Bürgerinnen und Bürgern zu erreichen, ist aus heutiger Sicht sehr schwer. Wir werden bis zur Volksabstimmung versuchen, diese durch eine Gesetzesänderung zu verringern.

Die CDU wird sich bewegen müssen.

Dafür brauchen Sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Sckerl: Die haben wir nicht, aber die CDU wird sich dringend überlegen müssen, ob sie sich nur bürgernäher als früher gibt oder das auch sein will.

Was, wenn weder die Gesetzesänderung klappt noch das Quorum?

Sckerl: Angenommen, das Quorum wird nicht erreicht und es gibt trotzdem eine Mehrheit der Bürger, die gegen die Landesbeteiligung am Bahnhof sind: Wie die Landesregierung darauf dann reagiert, darüber gibt es derzeit unterschiedliche Auffassungen. Wir Grüne wollen das Volksvotum auch dann akzeptieren, die SPD sieht das anders und meint, dann gelte die bisherige Beschlusslage.

Volksabstimmung fraglich

Da würde ich es mit der SPD halten – gescheitert ist gescheitert, auch wenn es daran hängt, dass die Bedingungen eigentlich Schuld sind.

Sckerl: Wie gesagt, da gibt es unterschiedliche Standpunkte. Wir werden aber in der Lage sein, das am Tag X im Einklang mit der Verfassung zu beantworten. Da bin ich ganz zuversichtlich. Wir glauben aber auch und in erster Linie , dass es soweit erst gar nicht kommen wird.

Warum?

Sckerl: Weil wir annehmen, dass der Stresstest der Bahn negativ ausgeht und hohe Mehrkosten bedeutet. Im Juni sollen die Ergebnisse vorliegen und wenn die Ergebnisse negativ sind, dann erledigt sich S21 von selbst. Dann braucht es auch keine Volksabstimmung zur Tieferlegung des Bahnhofs mehr.

Und wenn nicht?

Sckerl: Dann kommt immer noch die Hürde mit den Finanzen. Wir sind uns einig, dass das Ende der Finanzierung bei 4,5 Milliarden Euro erreicht ist. Von der Landesregierung wird es keine weiteren Mittel geben. Da auch Bund und Bahn nicht mehr Geld investieren wollen, könnte die Tieferlegung auch spätestens an der Nicht-Finanzierung scheitern.

Stuttgart21 war die Hauptfrage

Es gab viele Spekulationen über die schwierigen Koalitionsverhandlungen insgesamt. Geht es nur um Stuttgart21 oder auch um andere schwierige Fragen?

Sckerl: Stuttgart21 war die Hauptfrage, die wir sehr intensiv verhandelt haben. Das haben wir jetzt gut gelöst und eine Basis für die anderen Verhandlungen gefunden. Wir werden den Menschen einen wirklichen Politikwechsel und gute Ergebnisse in der ganzen Breite der Landesthemen anbieten.

Welche Rolle übernimmt der Abgeordnete Uli Sckerl in der neuen Regierung?

Sckerl: Im Vordergrund standen bisher die Sachthemen, übers Personal ist noch gar nicht geredet worden. Erste Aussagen dürfen Sie nicht vor dem 28. April 2011 erwarten. Dann können Sie gerne nochmal nachfragen.

Zur Person:
Hans-Ulrich Sckerl ist zum zweiten Mal als Landtagsabgeordneter Bündnis90/Die Grünen im Wahlkreis 39, Weinheim, gewählt worden. Der Weinheimer hat zwar nicht das Direktmandat gewonnen, aber deutlich mehr Stimmen gewonnen als die Grünen im Landesdurchschnitt.
Der Jurist wird für eine herausragende Position innerhalb der neuen Landesregierung gehandelt.

Geprothmannt: Grün-Rot hat gewonnen – und zwar einen Haufen Probleme


Rhein-Neckar/Stuttgart, 28. März 2011. (red) Noch im Abgang haben verschiedene CDU- und FDP-Vertreter demonstriert, warum sie abgewählt worden sind. Wer Wählerinnen und Wähler als „emotionalisiert“ verunglimpft, zeigt, dass er nicht mehr ganz bei Verstand ist und zu recht in eine fünfjährige Nachdenkpause geschickt wird.

Von Hardy Prothmann

Die Arroganz der Macht hat die Wahl entschieden.

Mit pauschalen Urteilen ist das immer so eine Sache – man tut garantiert jemandem Unrecht. Denn es gibt sie nicht, die homogene Gruppe, in der alle gleich sind. Genausowenig wie es „die“ Lösung gibt, die alle Probleme beseitigt.

Wo Du auch hingehst, ist schon ein Schwarzer da

Doch das haben CDU und FDP den Menschen lange vorgegaukelt. Sie haben gelogen und betrogen, was das Zeug hält. Heute gesagt, was morgen nicht mehr gilt. Interessen bedient, die selten die der ganz allgemeinen Wählerinnen und Wähler waren, so wie Du und ich.

Sondern die von mächtigen Konzernen. Und natürlich die des einzigartigen Netzwerkes, das sie gestrickt haben. „Wo Du auch hingehst, ist schon ein Schwarzer da“, heißt ein geflügeltes Wort.

Wichtige Ämter und Posten sind mit strategischen Parteibuchinhabern besetzt, „damit’s läuft in Baden-Württemberg“. Natürlich gibt es nur ein richtiges Parteibauch, naja und eins, das man auch akzeptiert. Rot oder grün durfte es auf keinen Fall sein.

Parteibuch-Karrieren

So entschied oft nicht die Kompetenz, wer einen Job erhählt, sondern die Parteifarbe und der Wille, sich in dieses System einzugliedern.

Mit der Zeit degeniert so ein System. Bis die Menschen das merken, dauert es. Aber irgendwann merken sie es. „Alles super im Ländle“, hat schon längst niemand mehr wirklich geglaubt.

Wem da der Glaube abhanden gekommen ist, der wurde mit der Angst bei der Stange gehalten. Die Kommunisten-Angstmache geht immer. Gleich darauf folgt die Verarmungs-Angstmache. Dann die Bedeutungs-Angstmache. Dann die Bedrohungs-Angstmache.

Diffamierungsbrauchtum

Als Argument war jedes Mittel recht. Noch der hohlste Vergleich wurde als Beweis herangezogen. Und die grundanständigen CDU-ler waren sich niemals zu fein, um zu diffamieren, was das Zeug hält.

Die Diffamierung der Grünen als „Dagegen-Partei“ war so etwas wie die Quintessenz des Schmutzwerfens.

Und sicher glauben die „Anstandsträger“ qua Parteibuch noch nach der Wahlschlappe, dass das irgendwas mit der „Unanständigkeit“ der anderen zu tun hat. Und wenn die es nicht waren, dann sind es eben die Wähler.

Zu doof zum Denken

Und die waren angeblich „emotionalisiert“ – sprich: Zu doof zum Denken und nur ihren temporären Gefühlswallungen unterworfen, heißt das. Wer so über Menschen redet, die nicht mit dem einverstanden sind, was man tut, der will diese Menschen auch nicht regieren und gehört – richtig: abgewählt.

Die Alternative hat Winfried Kretschmann geboten: Er hat sich dazu bekannt, wo gegen er ist. Und er hat den Spieß einfach umgedreht und auch gesagt „wofür er ist“. Und der Ausstieg aus der Kernkraft ist das, was die Mehrheit im Land will.

Geradezu ekelerregend ist das „Argument“, Fukushima sei den Grünen doch „gerade recht gekommen“: „Des hawwe die doch schamlos ausgenutzt“, hat man nicht von wenigen gehört. Wer so schamlos solch dumme Behauptungen aufstellt, hat längst jedes Schamgefühl verloren.

Grüner Glaubwürdigkeitsvorteil

Die Grünen haben einen absoluten Glaubwürdigkeitsvorteil – sie fordern den Ausstieg schon seit 30 Jahren. Jetzt sind sie gewählt und müssen sich ihrer Verantwortung stellen.

Und das wird eine schwere Aufgabe. Denn sie müssen den Dreck wegräumen, den andere ihnen hinterlassen haben. Das wird dauern und derweil werden die, die den Dreck verursacht haben, wieder ihre Häme ausschütten, weil die, die den Dreck nicht haben wollten, ihn nicht schnell genug beseitigen können.

Ein Haufen Drecksprobleme

Da sind zum einen die Atomkraftwerke von EnBW, die Baden-Württemberg „gehören“. Der EnBW-Aktienrückkauf ist über Schulden finanziert, die Atomenergie ist eine Cash-Cow für EnBW. Werden sie abgeschaltet, fehlen gut 400 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Das drückt die Dividende empfindlich – mit der sollten aber die Schulden abgebaut werden. Wie man aus diesem Dilemma rauskommt, hat noch keiner nachvollziehbar erklären können.

Die Grünen haben nun einen Haufen Probleme zu beseitigen, sagt Hardy Prothmann. Bild: sap

Da ist Stuttgart21. Die Grünen wollen das Volk entscheiden lassen. So paradox es klingt. Das könnte für die Grünen eine „saubere Lösung“ sein. Sollte es stimmen, dass mittlerweile eine Mehrheit dafür ist, machen die Grünen mit der SPD zusammen den Volksentscheid, das Volk sagt ja und man ist fein raus. Bürgerbeteiligung versprochen, gehalten, akzeptiert.

Doch was, wenn es anders kommt? Dann drohen wieder enorme Schäden, durch bereits ausgegebene Gelder und Prozesse. Dann gibt es das Projekt nicht, kosten wird es aber trotzdem.

Die Schulreform ist ein Murks – die Reform zu reformieren wird wieder Geld kosten. Und die schon arg strapazierten Nerven aller Beteiligten. Und die Kommunen müssen dringend entlastet werden – das wird ein ganz enorme Kraftanstrengung.

Und ob es mit der Wirtschaft in nächster Zeit gut läuft – wer weiß? Fukushima hat Japan gelähmt, die Auswirkungen sind immer noch nicht ganz klar.

Und als wäre das alles noch nicht genug, wird viel im gut geschmierten Baden-Württemberg nicht mehr „laufen“ – denn überall, wo „Schwarze“ sitzen, wird es Widerstand geben. Außer, man legt den Sumpf trocken. Auch das wird kosten.

Die grün-rote Regierung wird dabei enormen Gegenwind bekommen. Denn die vierte öffentliche Macht, die Presse, ist eindeutig Teil des schwarzen Systems und muss Angst haben, als nächstes „dran zu sein“. Nämlich dann, wenn die Menschen im Land erkennen, wie sie über Jahrzehnte Informationen vorenthalten bekommen haben und an der Nase herumgeführt wurden.

Mehr Transparenz muss her

Deshalb muss nicht nur die Energieversorgung verändert werden – auch die Infrastruktur der Meinungsbildung braucht einen Umbau. Hin zu mehr Transparenz und Ehrlichkeit. Und Bürgerbeteiligung.

Unsere Blogs bieten das. Aber nicht, um ein „grünes System“ mit denselben Methoden zu stützen, wie das vorher „im schwarzen System“ gelaufen ist. Wir bleiben kritisch, freuen uns aber auf eine Zusammenarbeit. Denn eigentlich kann es nur besser werden.

Unsere Redaktion wird den Grünen genauso auf die Finger schauen, wie wir das mit allen Parteien machen. Es gibt allerdings einen Vorteil – bislang haben die Grünen sich sehr transparent und gesprächsbereit gezeigt. Auch kritikbereit. Mal schauen, ob das so bleibt.

Denn die Arroganz der Macht kann jeden überwältigen, der nicht aufpasst.