Das Unternehmen pfenning logistics GmbH will ab 2010 mit dem Bau von Hallen nördlich der Benzstraße beginnen und dort ein riesiges Logistik-Zentrum errichten. 2013 soll der Firmensitz vom hessischen Viernheim ins badische Heddesheim wechseln.
Geplant ist die Bebauung eines Areals nördlich der Benzstraße in einer Größe von 200.000 Quadratmetern. Ein zweiter Bauabschnitt könnte nochmals so groß werden, also insgesamt gut 400.000 Quadratmeter umfassen.
Der Heddesheimer Bürgermeister Michael Kessler freut sich Anfang Februar 2009: „Sie sehen einen insgesamt rundum glücklichen Bürgermeister“, zitiert ihn der Mannheimer Morgen. Und: „Wir sind stolz, so ein großes und bedeutendes mittelständisches Familienunternehmen für Heddesheim gewonnen zu haben.“ (Was „bedeutendes“ Unternehmen meint, lässt sich eindrucksvoll unter Was heißt bedeutend? nachlesen.)
Der Gemeinderat hatte das Projekt zuvor am 22. Januar einstimmig abgesegnet. Der Beschluss allerdings wurde in einer nicht-öffentlichen Sitzung gefasst, die Heddesheimer Bürgerinnen und Bürger erfahren von dem Projekt aus der Presse.
Frohe Botschaft?
Die Botschaft lautet: Heddesheim bekomme auf einen Schlag bis zu 1000 neue Arbeitsplätze, Heddesheim könne stolz sein auf diese Akquisition, die kleine Gemeinde werde ein bedeutender Standort, die wirtschaftliche Entwicklung der Kommune werde gefördert. Heddesheim komme mitten in der Krise voran.
Kurze Zeit darauf zeigt sich aber, dass Bürgermeister und Gemeinderat ihre Rechnung nicht mit den Bürgern gemacht haben.
Was bedeutet das für uns?
Denn die haben Sorgen. „Was bedeutet das für uns?“, ist die Kernfrage. Die meisten meinen den Verkehr, viele die Gefährdung durch den Verkehr, ebenfalls viele die Umweltbelastung durch Feinstaub, Lärm und versiegelte Flächen, manche Eigentümer fürchten einen Wertverlust ihrer Wohnungen, Häuser, Grundstücke.
Wer bis dato noch keine Meinung hatte, findet Anfang April ein „Flugblatt“ mit diesen Fragen in seinem Briefkasten.
Und plötzlich sind sehr viele Heddesheimer nachdenklich geworden, manche sind gar sauer auf ihren Bürgermeister und den Gemeinderat.
Denn sie fühlen sich übergangen. (siehe einen Leserbrief aus dem Mannheimer Morgen).
Sie haben das Gefühl, dass das Schicksal Heddesheims und damit ihr eigenes über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Mit ungewissem Ausgang.
Bürgerbeteiligung als Farce
Sie fühlen sich verraten, weil die „Bürgerbeteiligung“, bei der das Projekt vorgestellt wird, zur Farce wird. Bürger, die sich beteiligen, also ihre Ansichten äußern und Fragen stellen, bekommen von einem sichtlich mehr und mehr genervten Bürgermeister nur die Auskunft, dass kritische Fragen eines Flugblatts unwahre Behauptungen aufstellten und die Fakten nicht kennten und pfenning logistics nach Heddesheim kommen wird.
Manch einer der Fragesteller wird an diesem Abend von einem selbstgefälligen SWR-Moderator abgemeiert, der Stimmqualität oder Ausdruck der fragenden Bürger bemängelt und dabei selbst wegen fortwährenden Nuschelns oft schlecht zu verstehen ist. Der Moderator läßt gar einem Redner gleich mehrfach das Mikrofon abdrehen. Nur die Buh-Rufe der versammelten Bürger bringen ihn zur Einsicht.
Und viele sind fassungslos, als Uwe Nitzinger, Geschäftsführer des Unternehmens pfenning logistics, auf die Frage nach Gefahrstoffen wie beispielsweise Trennmitteln die Sachlage so erklärt: Ja, Trennmittel lagere man auch, aber die seinen in der Industrie eben so notwendig wie das Fett, mit der die Hausfrau die Backform einstreicht, damit der Kuchen nicht haften bleibt.
Sind 100 Millionen Euro mehr wert als kritische Fragen?
Und viele der anwesenden Bürger fühlen sich verkauft angesichts der Zahlen. 100 Millionen Euro will das Unternehmen pfenning logistics in den neuen Standort investieren.
100 Millionen Euro sind viel mehr als ein paar kritische Stimmen, denken sich viele und kapitulieren schon fast innerlich angesichts eines Bürgermeisters und eines Gemeinderats, die klar gemacht haben, was sie wollen.
„Was können wir dagegen schon machen?“, wird nach der Veranstaltung gefragt.
Widerstand leistet eine Interessengemeinschaft „Nein-zu-Pfenning“. Die Motive der Menschen, die sich gegen das Pfenning-Projekt wehren wollen, sind unterschiedlich. Angst vor dem Verkehr, Sorge um den Lärm und die Umwelt sowie Verlust an Lebensqualität in der Gemeinde waren anfangs die wichtigsten Gründe.
Die Initiatoren der Interessengemeinschaft haben nachvollziehbare Gründe für ihre Ablehnung. Einige sind Gewerbetreibende, die selbst im bereits bestehenden Gewerbegebiet gegenüber dem geplanten Logistik-Standort wohnen und ganz egoistisch um ihre Wohn- und Lebensqualität bei bis zu 1000 LKW-Fahrten in Spitzenzeiten pro Tag bangen – und dass nur in der ersten Ausbaustufe.
Andere sind Anwohner der Ringstraße. Ihr Motiv ist im wesentlichen dasselbe wie auch das anderer Heddesheimer, die an den Achsen durch Heddesheim leben, also Viernheimer Straße, Unter- und Oberdorfstraße, Muckensturmer Straße, Werderstraße, Schaafeckstraße und Großsachsener Straße.
Sorgen und Frust
Aber überraschend viele Bürger, die dem Pfenning-Projekt skeptisch gegenüber stehen, sind nicht direkt betroffen, sondern fühlen mit, machen sich für andere Sorgen, denken an die Kinder, an die Alten, an die Umwelt und an die Gemeinde an sich.
Und sind erbost über den Auftritt ihres Bürgermeisters und enttäuscht über die unkritischen Gemeinderäte, die ihre Fragen nicht gestellt und in nicht-öffentlicher Sitzung für dieses Projekt gestimmt haben.
Bis heute fehlt von Seiten der Fraktionen „CDU“, „SPD“, „FDP“und „Bündnis90/Grüne“ jede offizielle Stellungnahme zum Pfenning-Projekt. Ebenso wie auf der homepage der Gemeinde Heddesheim.
„Warum?“, fragen sich viele. Diese Nicht-Informationspolitik schürt die Befürchtungen, dass längst nicht alle „Fakten“, außer dass Pfenning kommt, auf dem Tisch liegen. „Was wird uns verheimlicht?“, ist eine gängige Frage.
Als Grund für die Geheimhaltung nennt Bürgermeister Kessler die „selbstverständlich“ zu schützenden „Interessen“ des Investors. Dass auch seine Bürger Interessen haben, die es zu schützen gilt und dass dies für einen Bürgermeister „selbstverständlich“ sein sollte, fällt ihm nicht ein. Soviel Bürgerferne war selten.
„Nach der Bürgerbeteiligung“, die nach Ansicht der Mehrheit der anwesenden Bürger keine war, ist für diese nun „vor der Bürgerbeteiligung“ geworden. Sie wollen mitreden, zumindest Fragen stellen können und dafür verständliche Antworten erhalten.
Das versucht auch dieses Blog.
Eine Gemeinde ist so lebendig wie ihre Bürger. Sie braucht weder vertrauensselige Ja-Sager, noch notorische Nein-Sager. Sie braucht aktive Bürger, die sich für das eigene Wohl und das ihrer Mitbürger interessieren.
Lesen Sie mit. Schreiben Sie mit. Diskutieren Sie mit. Denken Sie nach. Bringen Sie sich ein.
Sie sind herzlich eingeladen!
Ihr heddesheimblog
P.S.: Am 7. Juni 2009 ist Gemeinderatswahl. Gehen Sie hin oder wählen Sie per Briefwahl.
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