Guten Tag!
Heddesheim, 24. März 2010. Rund 140 BürgerInnen sind zur Informationsveranstaltung des Ortsverbands Bündnis90/Die Grünen zusammen mit BUND und der IG neinzupfenning gekommen.
Das Thema des Abends: Wie formuliert man einen Einwand gegen die geplante „Pfenning“-Ansiedlung? Und: Welchen Sinn machen Einsprüche?
Gemeinderäte der Fraktion Bündnis90/Die Grünen informierten umfassend. Die Bürger stellten Fragen: „Bringen Einwände wirklich was oder ist das nur eine Beschäftigungstherapie für die Verwaltung?“. Klage-Gemeinschaft angeregt.
Von Hardy Prothmann
Wie viele BürgerInnen werden kommen? 20? 50? Oder mehr? Vielleicht sogar 100? Die Veranstalter hofften, dass es mehr als 50 werden würden und sie hofften auf die Zahl 100.
„Bammel“ vor dem eigenen Erfolg.
Denn „gefühlt“ ist das Bürgerhaus dann zwar nicht voll, aber gut „gefüllt“.
Es kamen mehr: Rund 140 Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde wollten wissen, was Bündnis90/Die Grünen, BUND und die „IG neinzupfenning“ zum Thema „Einspruch“ zu sagen hatten. Viele der Gäste waren schon auf früheren Veranstaltungen – überraschend waren die vielen „neuen Gesichter“.
„Ihr Einwand hat Gewicht“, ist das wichtigste Argument des Abends. Ein Appell.
Andreas Schuster beginnt als Moderator: „Einwände müssen gehört und geprüft werden.“
Andreas Schuster ist einer der neu gewählten Grünen-Gemeinderäte. Im Hauptberuf ist er Manager in einer Werbe-Agentur.
Privat ist er immer für einen Scherz zu haben. Auch heute Abend scherzt er, um die Stimmung zu lockern – aber er weiß um den Ernst der Lage: Die Bürger haben es in der Hand, mit ihren Einwänden ihre demokratischen Rechte wahr zu nehmen.
Im Gemeinderat hat er sich bislang vor allem als Vermittler hervorgetan. Er mahnt dort Übertretungen an und appelliert an das Miteinander.
Andreas Schuster vermittelt.
Auch an diesem Abend ist er Vermittler: „Sie haben das demokratische Recht, ihre Meinung, ihren Einspruch zu äußern“, sagt er. Und: „Aber diesen müssen Sie hinreichend definieren, sprich begründen.“
Andreas Schuster macht den ein oder anderen Scherz, bleibt aber ungewohnt ernst, denn als Werbefachmann kennt er sich mit Psychologie aus: „Was nützt schon ein einzelner Einwand?“ Er kennt die Antwort: „Wenig.“
Heute Abend will er viele Menschen erreichen: „Schreiben Sie Ihre Sorgen und Ängste auf. Sprechen Sie ihre Freunde an. Eine Demokratie darf das nicht ignorieren.“
Er weiß auch um die Macht der Vielen: „Viele Einsprüche hingegen kann man nicht ignorieren. Ihr Einspruch ist wichtig. Viele Einsprüche sind noch wichtiger.“
Appell: „Üben Sie Ihr Recht aus!“ Andreas Schuster
Und: „Es gibt keine Grund Angst zu haben – Sie haben das Recht zum Einspruch, lassen Sie sich nicht von den Formalitäten abschrecken. Üben Sie ihr Recht aus. Formulieren Sie mit eigenen Worten was Sie stört, einfach, persönlich, begründet.“
Schuster informiert seriös darüber, wie „formgerechte Anträge“ zu stellen sind und sagt: „Es hindert Sie niemand daran, die Verwaltung um eine persönliche Stellungnahme zu bitten. Ob dieser Bitte entsprochen wird, sei dahingestellt, es gibt dafür keine Verpflichtung seitens der Gemeinde.“
Die Deutung, dass sich eine Gemeinde zu einer Antwort an BürgerInnen verpflichtet fühlen sollte, lässt er dahingestellt.
Klaus Schuhmann übernimmt: „Viele sagen immer wieder, dass sind doch nur Waschmittel, was der Pfenning da lagert. Das ist falsch – in diesen Mengen ist das ein Chemielager. Und außer Waschmittel können dort auch andere Stoffe gelagert werden.“
„Unseriöse Informationspolitik von pfenning“.
Die Kritik zielt auf die „unseriöse“ Informationspolitik von „Pfenning“: „Nach den gesetzlichen Vorschriften ist wahrscheinlich alles zulässig, was Pfenning plant, aber wollen wir das, was „zulässig“ ist?“
Schuhmann ist ein erfahrener Gemeinderat, kennt Gutachten, Verfahren. Er informiert über Versprechungen und Erfahrungen: „Was nicht genau geregelt wird, nimmt irgendeine Entwicklung.“
Kurt Klemm, parteiloser Gemeinderat der Grünen und als Neu-Gemeinderat mit dem sensationellsten Wahlerfolg aller (Heddesheimer) Zeiten kurz hinter die CDU-Stimmkönigin Ursula Brechtel gewählt (die massiv Stimmen verloren hat) redet über das, was sein Herz und das seiner Wähler bewegt: Naturschutz.
Kurt Klemm war viele Jahre als Hausmeister für die Gemeinde tätig und ist nun im Ruhestand. Er redet über Fauna und Flora, über Tiere, Natur, den Menschen und wie das alles zusammenpasst.
Kurt Klemm bekommt als Umweltexperte viel Applaus.
Er bekommt den meisten Applaus des Abends, bringt die Anwesenden zum Lachen – oft mit Ironie. Beispielsweise zum „Umweltgutachten“, dass er rundherum ablehnt: „Das ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben ist. „Angeblich wurden nur drei geschützte Vogelarten „gesichtet“, sagt er: „Ich verspreche Ihnen, gehen Sie mit mir dahin und ich zeige Ihnen mindestens acht davon und mehr als einen einsamen Feldhasen.“
Immer wieder applaudieren die Menschen im Saal dem Redner, der kein professioneller ist. Der Applaus gilt den Hasen, den geschützten Vogelarten, und vor allem einem, der sich dafür einsetzt. Das ist deutlich zu spüren.
Kurt Klemm präsentiert sich gut. Er ist Sympathieträger, weil die Menschen spüren, dass da einer redet, der weiß, was er sagt und der dafür einsteht. Kurt Klemm hat eine Meinung, die er vertritt. Kenntnisreich, kritisch, umfassend, direkt.
Kurt Klemm: „Ich will mich an „Spekulationen“ nicht beteiligen.“
Die Ironie sitzt: Natürlich spekuliert Klemm – für die Natur.
Das gefällt den BürgerInnen. Zum Ende seines Vortrags sagt er: „Ich will mich aber an Spekulationen nicht beteiligen.“ Die meisten Anwesenden sind über die Medien informiert, verstehen den Witz und applaudieren.
Günther Heinisch referiert als „Verkehrsexperte“. Der Mann ist studierter Psychologe, hat aber umfangreich zum Thema „Pfenning“ recherchiert. Vor allem zum Verkehr. Dazu hat Heinisch viel zu sagen.
Undankbarerweise kann Günther Heinisch keine emotionalen Tierbilder zeigen – aber auch seine Schaubilder sind deutlich: „Der ultimative Logistik-Standort der 80-Jahre hat sich zur Falle entwickelt“, sagt der Diplom-Psychologe, der durch die Beschäftigung mit dem Verkehr, zum Verkehrsexperten der Grünen wurde.
„Zwei bis drei Mal pro Woche ist die A5 dicht, die Kreisel in Hirschberg und Heddesheim sind zu dicht.“
Heinisch kritisiert, dass der Verkehrsgutachter Burkhard Leutwein zu „willfährig“ ist, sich zur sehr auf „Angaben“ verlassen und einen „Kreiselzustand D“ noch als gut bezeichnen, wo doch F die letzte Stufe des Zusammenbruchs darstellt.
Massive Bürgerkritiken.
„Auch das Polizeipräsidium Mannheim hat den zu klein dimensionierten Kreisel kritisiert – das wurde mit 12:9 im Gemeinderat abgebügelt. Wahrscheinlich, weil die 12 denken, dass die Polizei keine Ahnung hat“, sagte Heinisch. Sicherlich auch in Anspielung darauf, dass einer der „zwölf“ Gemeinderäte, Walter Gerwien, Polizist ist.
Ein anderer Bürger kritisiert: „Geht es hier nur um eine Beschäftigungstherapie für Gemeindeangestellte?“. „Nein“, sagte Heinisch: „Erstens haben BürgerInnen das Recht, Ihre Meinung und Ihre Bedenken zu äußern. Zweitens geht es darum, ein Signal zu geben.“
Eine Bürgerin will wissen: „Hat die Gemeinde Einfluss auf das Konklomerat der Firmen, die beteiligt sind? Warum gibt es keine Aufklärung über die beteiligten Firmen?
Richard Landenberger vom BUND sagte: „Keine Sorge – es geht um mehr als um eine Beschäftigungstherapie: Unser Demokratie wird uns nicht geschenkt. Wir können und müssen uns einbringen – das steht uns gut an.“
Ein Bürger kritisierte die unzureichende Ausstattung der Feuerwehr: „Bei einem Lager dieser Größe hat die Heddesheimer Feuerwehr keine ausreichenden Mittel.“
Ein anderer Bürger regte an, eine „Klage-Gemeinschaft“ zu bilden: „Vors Verwaltungsgericht zu ziehen, ist für den einzelnen schwer, für viele einfach.“
Es meldeten sich Neubürgerinnen: „Wir waren vom Freizeitwert überzeugt. Die Frage, wie die Kinder die Querung dieser Straße bewältigen sollen, hat die Gemeinde seit eineinhalb Jahren unbeantwortet gelassen – das ist eine übergeordnete Straße. Herr Kessler fühlt sich nicht zuständig.“
Eine andere Bürgerin sagte: „Wir hatten für unsere Ansiedlung die Wahl zwischen Schriesheim, Dossenheim und Heddesheim. Heddesheim hat mit seinem hohen Freizeitwert geworben – die Preise waren günstiger. Heute begreife ich – das war eine Mogelpackung.“
Immer wieder war die Formel 12:9 Thema der Versammlung: Zwölf Gemeinderäte für Pfenning, neun dagegen: „Welche Chance gibt es, diese Koalition aufzulösen?“, fragte eine Bürgerin: „Was, wenn das erste Kind auf der Ringstraße durch einen Lkw totgefahren wird? Erinnern sich die „Zwölf“ dann an ihre Verantwortung?“
Nach der Präsentation der Veranstalter wurde die Debatte emotional – aber sie blieb überwiegend nüchtern.
12:9 beginnt, ein Symbol zu werden – für Intoleranz und Ignoranz.
Trotzdem wurde „spekuliert“: „Was, wenn das Ganze nichts anderes als ein Spekulationsobjekt ist? Der Investor ist nicht „Pfenning“, sondern eine unkontrollierbare „Phoenix 2010″. Die Gemeinde könnte für die Eigentümer und die Kommune das Gelände besser vermarkten. Wenn die Eigentümer spitz kriegen, dass mittlerweile über 120-140 Euro für das nicht-verkaufte Grundstück spekuliert wird – dann sehe ich viele Leute heulen, die über den Tisch gezogen wurden,“ sagte uns ein Informant.
Aus Sicht des Informanten ist auch das eine Chance: Die Frage an die Grundstückseigentümer, ob sie sich wirklich mit 47 Euro zufrieden geben wollen, während andere mindestens 120 Euro realisieren werden.
Doch das ist eine persönliche Entscheidung – keine des Gemeinderats, wie uns ein anderer Teilnehmer am Rande der Sitzung sagte.
„Pfenning“ geht in den nächsten Wochen in die entscheidende Phase: Einsprüche müssen bestätigt und geprüft werden – Überraschungen seitens Kesslers und seinen Angestellten seien eher nicht zu erwarten.
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