Heddesheim, 21. Februar 2014. (red) Nur drei Kandidaten bewerben sich um den Posten des Bürgermeisters ab dem 01. Juni 2014 – mehr Interessenten konnte die „attraktive Wohngemeinde“ Heddesheim nicht für sich gewinnen. Das Top-Thema „Pfenning“ scheint man vermeiden zu wollen und doch nicht. Bürgermeister Michael Kessler verkündet bei der gestrigen Gemeinderatssitzung durch die Blume 1,2 Millionen Euro Mehreinnahmen durch Pfenning und bricht damit das Steuergeheimnis. Was für ein Auftakt.
Von Hardy Prothmann
Aktuell sind es drei Kandidaten, den Posten gewinnen kann nur einer. Herausforderer Günther Heinisch will es wissen, Amtsinhaber Michael Kessler will sich bestätigen lassen, Hans-Jörg Nordmeyer will den Job nicht.
Dafür, dass Heddesheim eine so schöne und attraktive Gemeinde ist, ist die Zahl der Bewerber für das Bürgermeisteramt überschaubar.
Die Konstellation allerdings ist spannend. Amtsinhaber Kessler hat in seiner zweiten Amtszeit sehr viele Menschen gegen sich aufgebracht. Man erinnere sich an die durch die SPD manipulierte Bürgerbefragung zu „Pfenning“ im Jahr 2009. Gerade mal 40 Stimmen mehr für die Ansiedlung kamen raus. Übersetzt: Die Hälfte der Abstimmenden war dagegen.
Kandidat Heinisch tritt zum dritten Mal an und sieht für sich gute Chancen. Und Kandidat Nordmeyer will allen eine Wahlmöglichkeit geben, die weder Kessler noch Heinisch wollen. Auch das kann spannend werden.
Die Bürgerbefragung 2009 war nicht bindend. Doch jetzt wird abgerechnet. Hat die Gemeinde „bis zu 1.000 Arbeitsplätze“ mehr bekommen? Kommen die sagenhaften Gewerbesteuerzahlungen? Kommen neue Bürger und auch darüber neue Einnahmen?
Zum Ende der Sitzung verkündet Bürgermeister Kessler:
Ich informiere Sie gerne, dass durch eine nicht ganz unbedeutende Neuansiedlung im Gewerbegebiet es auch zu Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer kommt. Wir haben jetzt Nachricht erhalten, dass wir mit 1,2 Millionen Mehreinnahmen rechnen können. Statt 2,6 Millionen Euro gehen wir von 3,8 Millionen Euro aus. Das ist eine Steigerung von knapp 50 Prozent. Und für mich eine Bestätigung der Zielsetzung.
Stille im Gemeinderat. Die Grünen gucken ungläubig und alle anderen, die vermutlich schon wussten, dass diese Information kommt, irgendwohin.
Die Botschaft versteht jeder: Pfenning bringt richtig Kohle in die Kasse.
Wer verschnauft und kurz nachdenkt, weiß: „Pfenning“ hat BM Kessler nicht gesagt. Er freut sich über Mehreinnahmen – die übrigens fast in jeder Gemeinde in der Nachbarschaft festgestellt werden, weil die Konjunktur gut gelaufen ist. Wenn er aber Pfenning meinen sollte, hätte er glatt und unmissverständlich das Steuergeheimnis in öffentlicher Sitzung verraten. Einfach so. Aus naheliegenden Gründen. Eben wegen der „Zielsetzung“. Seit Donnerstag ist Michael Kessler im Wahlkampf.
Der Grund für die Mehreinnahmen sei durch „eine nicht ganz unbedeutende Neuansiedlung“ erfolgt. 1,2 Millionen Euro. Andere Gründe nennt er nicht. Die einzige „nicht ganz unbedeutende Neuansiedlung“ ist „Pfenning“. Niemand sonst. Man muss nicht alles genau sagen, damit andere wissen, was man genau meint.
Darf man das glauben? Pfenning verliert seit fünf Jahren kontinuierlich Umsatz und schreibt Verluste (von angeblich 210 Millionen Euro Umsatz 2008 auf 153 Millionen Umsatz 2012 aus dem operativen Geschäft).
Allerdings ist auch die Phoenix 2010 GbR nach Heddesheim gezogen. Letzter Wissensstand zu dieser „Firma“ – das ist Karl-Martin Pfenning selbst. Und der soll mit dem Immobiliendeal 15 Millionen Euro gemacht haben. So gesehen könnten die 1,2 Millionen Euro passen.
Aber nicht durch die gemeinte „nicht-unbedeutende“ Neuansiedlung, sondern einen grandiosen Einmaldeal, ein superlukratives Grundstücksgeschäft. Bekanntlich gehört „Pfenning“ der Doppel-Riegel nicht mehr – der wurde an einen Immobilienfonds verkauft (wie zuerst bei uns zu lesen war).
Erstaunlich ist, wie sehr die stellvertretende Bürgermeisterin Ursula Brechtel beim Aufhängen von 14 Plakaten auf „Korrektheit“ achtet, während Bürgermeister Michael Kessler eine nicht überprüfbare Erfolgsmeldung in seiner letzten Sitzung als Bürgermeister vor der Bürgermeisterwahl „verniedlicht“. Er macht das so nebenbei, als sei er bescheiden.
Ist er nicht. Sein Signal ist: Sehr her, die Zielsetzung, meine Zielsetzung passt. Dafür ist er sogar bereit, das Steuergeheimnis zu verraten.
Niemand kann seine Aussage überprüfen – das weiß er. Die Mehreinnahmen können über Edeka kommen oder in Summe über viele Gewerbebetriebe.
Für Kessler ist das kein Problem. 1,2 Millionen Euro oder 50 Prozent mehr sind seine Wahlbotschaft ans Volk.
Der Geschäftsbericht von „Pfenning“ wird erst nach der Bürgermeisterwahl veröffentlicht. Nach dem Verlust von Kraft und anderen Kunden muss man damit rechnen, dass noch mehr Umsatz verloren, kein Gewinn vorhanden und damit auch keine Gewerbesteuer gezahlt worden ist. Das kann Michael Kessler egal sein. Wenn er gewählt ist, bleibt er weitere acht Jahre im Amt. Abwählen sieht die baden-württembergische Kommunalordnung nicht vor.
Bürgermeister Kessler eröffnet den Wahlkampf mit einer nicht überprüfbaren Erfolgsmeldung, macht öffentlich, was nicht öffentlich sein darf und gibt damit seine Linie vor: Ich bin die Gemeinde und mache, was ich will.
Ob der vermeintliche „Coup“ klug war, entscheidet sich in der Wahlkabine am 16. März 2014 oder bei Stichwahl Anfang April.
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