Samstag, 03. Juni 2023

Ende des Dialogs?

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Essay: Hardy Prothmann

Das Schreiben der IG neinzupfenning an den Bürgermeister Michael Kessler ist eindeutig: Der vom Bürgermeister angekündigte Dialog wird zurückgewiesen.

Das ist ebenso eindeutig eine Kampfansage auf die Souveränität des Bürgermeisters. Und dafür gibt es aus Sicht der IG neinzupfenning Gründe. Diese müssen nochmals chronologisch dargestellt werden:

Chronologie der Ereignisse

Der Bürgermeister hat lange „Geheimgespräche“ geführt. Er hat in nicht-öffentlicher Sitzung Mitte Januar über das Pfenning-Projekt im Gemeinderat abstimmen lassen, dass die Zukunft Heddesheims – wie auch immer – nachhaltig beeinflussen würde.

Trotzdem erfuhr die Presse bereits Anfang Februar von der geplanten Pfenning-Ansiedlung und schrieb unkritische Jubel-Artikel. Bürgermeister und Gemeinderat wiederum machen erst Mitte Februar diese Entscheidung öffentlich.

Über zwei Monate später stellt der Bürgermeister auf Grund von Druck durch einen Flyer der IG neinzupfenning aus seiner Sicht der Heddesheimer Öffentlichkeit das Projekt vor. Meinungen der Heddesheimer dazu sind eher unerwünscht. Ihnen werden während der Veranstaltung sogar die Mikrophone abgedreht.

Anfang Mai verwendet der Bürgermeister das Mitteilungsblatt, quasi „öffentliches Organ der Gemeinde“ um auf sechs Seiten ausschließlich aus seiner Sicht das Projekt zu verteidigen.

Es hilft nichts. Ein zweiter Flyer der IG neinzupfenning bezieht sich genau auf diesen umfangreichen Artikel und stellt das Projekt nun mit eigenen Aussagen des Bürgermeisters erneut in Frage.

Anfang Juni engagiert der Bürgermeister, angeblich auf Drängen des Gemeinderates, die auf „öffentlichkeitswirksame“ Kampagnen spezialisierte Firma IFOK. Die behauptet von sich, unabhängig zu sein und nur der „öffentlichen Meinung“ zu dienen.

Statt sich selbst an die „Akteure“ zu wenden, wird über den Bürgermeister ein Schreiben verschickt, dass die Aufnahme der Arbeit ankündigt. Einige Tage später schreibt der Mannheimer Morgen einen sehr freundlichen Artikel darüber, dass die Arbeit läuft. Doch viele der angeschriebenen sind bis dato noch nicht von der Firma kontaktiert worden.

Wo ist die Souveränität des Bürgermeisters?

Kommen wir zurück zur Souveränität des Bürgermeisters und stellen Fragen:
Der Bürgermeister hätte die Bevölkerung aufrufen können, ihre Meinung zu äußern, unverbindlich, einfach mit Schreiben an den Bürgermeister. Diese Schreiben hätten, verantwortungsvoll ausgewählt, als Bürgermeinung ebenfalls einen Abdruck im Mitteilungsblatt verdient gehabt.

Der Bürgermeister hätte im Internet ein Forum einrichten können.

Er hätte eine weitere Veranstaltung anbieten können im Bürgerhaus. Motto: Lassen Sie uns diskutieren – ohne Gutachter, ohne Pfenning, nur Sie, die Bürger und ich der Bürgermeister.

Er hätte die IG neinzupfenning zum Gespräch laden können, die Anwohner der Ringstraße, Anwohner der Ortsmitte, andere Bürger, die sich um den Ort kümmern.

Das wären drei, vier, fünf Gesprächstermine gewesen. Unterstützt durch eine protokollarische Kraft wären dabei mit ziemlicher Sicherheit alle „Argumente auf den Tisch gekommen“.

Und der Bürgermeister, als der „Meister unter den Bürgern“, hätte sich umsichtig, verantwortungsbewusst und vor allem interessiert und einsatzbereit gezeigt. Für die Meinung der Bürger, für einen Dialog.

Aber dafür hat der Bürgermeister keine Zeit. Oder keine Lust. Vielleicht ist es ihm auch nur lästig.

Den Meistern, die von anderen alles verlangen, aber selbst nicht bereit sind, dieses „Alles“ zu tun, wenn „Not am Mann“ ist, verlieren schnell ihre Souveränität. Und die Achtung der anderen, die im „Meister“ immer noch das Vorbild sehen wollen, aber vielleicht irgendwann nicht mehr erkennen.

Berechtigte Fragen

Was die IG neinzupfenning meint, ist genau dies: Wieso muss für teures Geld (wie viel, wird auch geheim gehalten) jemand Fremdes in den Ort kommen, um zwischen dem Meister und seinen Bürgern zu moderieren?

Und wieso holt man nicht jemandem, der ob seines Rufes und seiner Stellung von allen Seiten akzeptiert werden kann?

Warum muss es eine Firma sein, die verspricht, dem Auftraggeber das Ansehen zu geben, dass er haben möchte?

Umgekehrt muss sich die IG neinzupfenning fragen lassen, ob es reicht, immer nur nein zu sagen. Sie muss darlegen und nachweisen, dass sie den Dialog mit dem Bürgermeister und dem Gemeinderat sucht, sonst verliert auch sie ihre Glaubwürdigkeit.

Das gilt auch für die Parteien. Die Grünen haben eine Bürgerbefragung beantragt und der noch amtierende Gemeinderat hat diesen Antrag zurückgewiesen. Sie sind jetzt in der Pflicht, einen zustimmungsfähigen Antrag einzubringen und zwar bald. Denn die Zeit läuft.

Neustart: Jetzt!

Die anderen Parteien sind dazu aufgerufen, sich einem neuen Antrag vorurteilsfrei zu stellen. Diesen zu prüfen, die Stimmung in der Bevölkerung mit einzubeziehen und den bisherigen Ablauf miteinzudenken – und zu fühlen.

Und ohne stumpfen Fraktionszwang, gekränkte Eitelkeit durch ernüchternde Wahlergebnisse oder Sturheit einfach an etwas festzuhalten, um zu zeigen, wie „standhaft“ man ist.

Dafür müssen sich alle Beteiligten entspannen, tief durchatmen und noch einmal von vorne anfangen.

Der „Dialog“, wie ihn der Bürgermeister per Ausgabe von Steuergeldern verordnet hat, ist dazu nicht geeignet.

Er schürt nur weiter Misstrauen.

Das beste wäre, der Bürgermeister würde sofort alle Notbremsen ziehen, den städtebaulichen Vertrag offen legen, den Gang des Verfahrens offen legen, alle gesicherten Fakten auf den Tisch legen und den direkten Dialog, ohne Moderation und sonstige PR-Tricks suchen.

Die Dankbarkeit der Bürger wäre im sicher und seine Souveränität, weil er selbst handelt, wiederhergestellt.

Über Hardy Prothmann

Hardy Prothmann (50) ist seit 1991 freier Journalist und Chefredakteur von Rheinneckarblog.de. Er ist Gründungsmitglied von Netzwerk Recherche. Er schreibt am liebsten Porträts und Reportagen oder macht investigative Stücke.