Der SPD-Kandidat Michael Bowien hat sich als erster Gemeinderatskandidat gegenüber den Medien gegen das Pfenning-Projekt ausgesprochen. Ursprünglich wollte er seiner Partei einen Gefallen tun und war mit Listenplatz 19 weit von einer Wahl zum Gemeinderat entfernt. Seine Entscheidung macht ihn nun zu einem Favoriten unter den Kandidaten und setzt die SPD unter Druck.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Bowien, wie fühlt man sich so als „Abweichler“?
Es ist nervlich beanspruchend. Aber man wird auch wacher. Die eigene Position muss viel klarer sein, als wenn man mit dem Strom mitschwimmt.
Müssen Sie ihre Position verteidigen?
(lacht) Ja, klar.
Wird die Diskussion mit Ihnen fachlich oder emotional geführt?
Im ersten Moment überwogen emotionale Aspekte, aber ich habe den Eindruck, dass sich etwas bewegt.
Erläutern Sie das bitte.
Ich habe nach dem Treffen der Interessengemeinschaft am Montag noch in der Nacht die Genossen per email unterrichtet, welche Position ich vertrete. Daraufhin haben mir verschiedene Genossen geschrieben, dass sie mir inhaltlich zustimmen oder zumindest Verständnis für meine Haltung haben. Insgesamt war der Umgang menschlich anständig und zeugte von gelebter innerparteilicher Demokratie.
Meine Entscheidung hat Zustimmung erfahren
Zustimmung von Gemeinderäten oder Kandidaten?
Von Kandidaten.
Wie war die Reaktion der SPD-Gemeinderäte?
Von da kam am wenigsten Verständnis. Das kann ich aber gut verstehen, denn die haben sich ja weit aus dem Fenster gelehnt und sind wirklich in einer schwierigen Situation, wie sie mit der Sache umgehen sollen.
Mal angenommen, Sie werden gewählt. Werden Sie ohne Prüfung der Sachverhalte das Pfenning-Projekt weiter ablehnen?
Natürlich würde ich erst den Sachverhalt prüfen. Ich könnte dann auf mehr Informationen zurückgreifen als jetzt. Ich halte es aber für sehr unwahrscheinlich, dass sich meine Position ändern wird.
Welche andere Nutzung des Geländes würden Sie anstreben?
Das kann ich nur allgemein beantworten. Eine kleinteilige Erschließung als Alternative ist sicher nicht einfach, aber machbar.
Warum sind Sie gegen eine Pfenning-Ansiedlung?
Weil das unsere Gemeinde aus dem Gleichgewicht bringen wird. Pfenning mag ein Familienbetrieb sein, seiner Größe nach ist er für Heddesheim wie ein Konzern, der alles andere dominieren wird.
Pfenning wird das Maß der Dinge
Welche Auswirkung wird ihrer Ansicht nach diese Dominanz haben?
Bei jedweden Interessenkonflikten wird immer Pfenning das Maß der Dinge sein. Pfenning wird das Übergewicht gegenüber den kleinen Gewerbetreibenden haben, Pfenning-Interessen werden vor Wohn-Interessen stehen.
Dass das keine Hirngespinste sind, zeigt sich ja jetzt schon: Pfenning ist noch gar nicht da, und man ist schon bereit, den Wohnwert der Gemeinde zu opfern.
Was geschieht, wenn Pfenning erst einmal hier ist? Nehmen wir an, die Firma wächst noch und statt 400 LKWs pro Tag werden es 500 – wie werden wir darauf reagieren?
Und diese Größe wird für die Verwaltung bedeuten, dass sie nicht mehr mit der üblichen Autorität einer Behörde auftreten kann, weil ihr Apparat einem solch großen Unternehmen nicht gewachsen ist.
Denken Sie, dass das Heddesheimer Gewerbe, wie angepriesen, von Pfenning profitieren wird?
In der Bauphase eher nicht. Das machen andere. Im laufenden Betrieb fallen sicherlich Kleinreparaturen und Instandhaltungen an, die an das Heddesheimer Gewerbe vergeben werden könnten. Das lässt sich aber nur schwer quantifizieren.
Wäre Ihnen die Edeka-Ansiedlung lieber gewesen?
Damit habe ich mich nicht weiter auseinandergesetzt, denn das scheint ja vom Tisch zu sein.
Welche Aufgaben würden Sie im Gemeinderat für sich sehen?
Jugend, Sport, Familie, Schule, Vereine.
Als Ökonom wären Sie doch prädestiniert für wirtschaftliche Ausschüsse?
Wirtschaft steckt in all diesen Bereichen drin.
Was wäre für Sie die vordringlichste Aufgabe?
Der Verkehr, selbst ohne Pfenning. Das ist eine große Herausforderung, die man aber annehmen und für die man Lösungen finden muss.
Ich hatte keine Ambitionen
Wenn Sie die Soziologen-Brille aufsetzen, können Sie schon sehen, ob die Gemeinde als Gemeinschaft schon Schaden genommen hat?
Das Projekt polarisiert. Soviel ist sicher. Wenn Pfenning wirklich kommen sollte, sehe ich das noch verstärkt, also auch eine Beeinträchtigung des Zusammenlebens in der Gemeinde.
Warum haben Sie sich als Kandidat aufstellen lassen?
Um meiner Partei einen Gefallen zu tun, damit die Liste voll wird. Zum damaligen Zeitpunkt war von Pfenning keine Rede und für mich war das mit einem Listenplatz 19 nicht mit Ambitionen verbunden.
Haben Sie jetzt Ambitionen?
Ja, weil ich das Pfenning-Projekt verhindern will und dafür trete ich auch aktiv ein. Insgesamt liegt mir aber mehr an der Verhinderung des Projekts, als an einem Sitz im Gemeinderat. Vielleicht gibt es ja noch eine Veränderung bei der Fraktion. Ansonsten stehe ich Gewehr bei Fuß.
Würden Sie, falls nicht gewählt, der IG neinzupfenning beitreten?
Ich würde mich weiter gegen Pfenning einbringen, in welcher Form, kann ich erst nach der Wahl sagen.
Zur Person:
Michael Bowien (53) ist geborener Mannheimer. In seiner Heimatstadt hat er zunächst eine Banklehre abgeschlossen und dann Volkswirtschaftslehre sowie Soziologe studiert und mit Dipl.-Volkswirt abgeschlossen. Parallel studierte er Geschichte und Philosophie, aber ohne Magisterabschluss. Heute arbeitet er als Prokurist bei einem Software-Unternehmen.
Er ist verheiratet und hat ein gemeinsames Kind. Seit 2000 lebt die Familie in Heddesheim. Seine Hobbys sind Tennis, Tanzen, Fotografieren, Lesen, Rad fahren.
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