Montag, 25. September 2023

Gabis Kolumne

Gibt es endlich Glamour im deutschen Präsidentenamt?

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Guten Tag!

Heddesheim, 12. Juli 2010. Die Amis haben ihre Obamas, die Franzosen ihren Sarkosy mit seiner Carla Bruni, viele europäische Länder haben Könige und Prinzessinnen und endlich, endlich haben wir die Wulffs, sagt Gabi.

Ich möchte den Einsatz der anderen Bundespräsidentengattinnen nicht schmälern, ganz im Gegenteil, Mildred Scheel hat sich vorbildlich für die Krebsforschung eingesetzt und auch die anderen Damen, ob Frau von Weizsäcker, Frau Carstens, Frau Herzog oder Frau Köhler haben viel Wohltätiges unters Volk gebracht. Aber Glamourfaktor? Gleich null. Erst jetzt haben wir eine richtige First Lady.

Die Wulffs sind junge Menschen mit Vergangenheit.

Brav und seriös, wenn nicht sogar bieder kamen sie daher – wie man es für’s Amt ja auch erwartet. Doch nun hat sich das gewandelt. Mit den Wulffs ist eine jungdynamische Familie ins Schloss Bellevue bzw. in eine Dahlemer Villa eingezogen, inklusive kleiner Kinder. Die Wulffs sind jung und trotzdem Menschen mit Vergangenheit – Kinder aus vergangenen Partnerschaften und ein gemeinsames Kind – eben Menschen, wie du und ich.

Und genau, das macht ja auch den Glamourfaktor aus, es sind keine hehren Lichtgestalten ohne Fehler, sondern Menschen mit Krisen und jetzt aber mit Erfolgen.

Das schillernde Leben der französischen First Lady, Carla Bruni, interessiert uns doch bei weitem mehr als die neuesten Reformen ihres Mannes. Hat sie einen Geliebten, leidet sie unter der mickrigen Größe von Nicolas, bekommen sie noch ein Kind? Wo kauft sie ihre bezaubernde Gaderobe? All’ diese Fragen beschäftigen unsere Nachbarn, die Grande Nation, deutlich mehr als die Unruhen in den Beaulieus.

Mit den Wulffs wird Politik was zum Anfassen.

Kaum waren die Obamas ins Weiße Haus einzogen, mutmaßten die Amerikanern, Michelle sei schwanger, doch wahrscheinlich musste sie nur zu viele Häppchen auf Staatsempfängen essen. Und landesweit wurde über die Anschaffung und den Namen des Präsidentenhundes diskutiert.

Ganz zu schweigen für welche Schlagzeilen die Sprösslinge des europäischen Hochadels sorgen. Hatten diese Jahrhunderte lang fast inzestuös untereinander geheiratet, sorgen die adligen Nachkommen jetzt für Schlagzeilen mit Liebesehen aus dem Volk.

Die Queen hat es dabei besonders schwer erwischt, drei ihrer vier Kinder wurden geschieden und der Kronprinz flüsterte seiner langjährigen Geliebten durch’s Telefon, dass er gern ihr Tampon sei, ließ sich stümperhaft dabei abhören, wurde von seiner bulimischen und kaufsüchtigen Ehefrau geschieden. Die daraufhin in den Heiligenstatus erhoben wurde, jede Titelseite schmückte und mit ihrem arabischen Geliebten in Paris, von Paparazzis gehetzt, zu Tode kam – kein Wunder, dass hier die Yellow Press auf ihre Kosten kam.

Aber auch die anderen Jungadligen ließen sich nicht lumpen, der norwegische Kronprinz freite und ehelichte ein alleinerziehendes Partygirl, der katholische Felipe, der sich eine Ehe mit einem schwedischen Unterwäschemodell noch verbieten ließ, heiratete eine geschiedene Fernsehmoderatorin, die ihm nur Töchter gebärt und täglich dünner wird.

Klatsch und Tratsch gibt es europaweit – nur nicht bei uns oder demnächst doch?

Und dieser Tage heiratete die schwedische Kronprinzessin ihren Fitnesstrainer – wo kommen wir da hin? Genau in die Klatschpresse.

Der Adel wurde bei uns bekanntlich ja abgeschafft und dem Volk blieben Männer in schwarzen Anzügen Ende 60, Anfang 70, deren Frauen, wenn überhaupt, nur am Rande und durch ihre Wohltätigkeit und dann im dunkelblauen Kostüm eine Rolle spielten.

Den ersten Schritt in die Glamour-Richtung machte Altbundeskanzler Schröder. Brioni-Anzüge, Cohiba-Zigarren und die vierte Frau ließen die deutsche Klatschpresse jubilieren. Seine Doppelhaushälfte in Hannover machte dies jedoch schon fast wieder zunichte, vor allem, wenn man sich von der Bild dabei erwischen lässt, wie man samstags die Hecke schneidet.

Wie man das richtig macht, zeigen die Obamas, wenn Michelle mit großem Presseaufgebot ihr Gemüsebeet anpflanzt.

Wir wollen die Reichen, Klugen und Schönen, bitte zum Anfassen, aber auf keinen Fall banal.

Und spätestens seit Angela Merkel das Zepter der Macht übernommen hat, hoffen wir nicht mehr auf skandalträchtige Schlagzeilen, sondern hoffen nur, dass sie ihr Pfarrerstochter-Image nicht unbedingt auf der Weltbühne ausleben muss.

Der erste Lichtblick nach langer Dunkelheit, war der Aufstieg Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg zum Verteidigungsminister. Erstens hatten wir endlich mal wieder einen Adligen in einem hohen Amt (mit wunderbar vielen Vornamen, die sich kein Mensch merken kann) und zweitens hat seine junge und hübsche Frau alles, was man für die Glamourwelt braucht. Ja, aber leider, wurde er bzw. sein Amt ziemlich schnell und stark kritisiert und zweitens ist der Minister eben nur ein Minister, nicht mal ein Ministerpräsident, vielleicht einmal Kanzler, aber auf jeden Fall kein Staatsoberhaupt.

Und nun, haben wir die Wulffs und mit ihnen eine First Family, Bettina (bei Wikipedia steht noch sehr wenig – das wird sich ändern). Da wird innig geküsst und es wird zum Amtsantritt eine Party gefeiert – das gabs noch nie. Das ist sensationell. Und angeblich soll der kleine Sohn ein Spielzimmer im Schloss Bellevue bekommen.

Kuss-Bild, Designer-Kleid, Plausch und Rührung.

Das Kuss-Bild nach der Präsidentenwahl zierte alle Gazetten und die gelernte Medienreferentin ließ verlauten, dass sie sich auf einen Plausch mit Michelle Obama freue, aber die Nähe zum Volk nicht verlieren möchte. Ihr Styling war beim Amtsantritt perfekt und stilvoll und von einem deutschen Designer entworfen. Die Bilder mit ihren beiden kleinen Kindern rührte die Nation und ließ die Beliebtheit ihres Mannes gleich auf der Skala nach oben schnellen.

„Die Liebe ist in Schloss Bellevue eingezogen“ titelte eine große deutsche Tageszeitung.

„Was interessiert das alles, wichtig ist doch, dass Christian Wulff sein Amt als Bundespräsident verantwortungsvoll und gut wahr nimmt“, merkte ein guter Bekannter an.

Da hat er bestimmt Recht, aber es ist auch gut, wenn es in der deutschen Politik mal ein wenig menschelt und gerne auch mit Glamour.

gabi

Über Hardy Prothmann

Hardy Prothmann (50) ist seit 1991 freier Journalist und Chefredakteur von Rheinneckarblog.de. Er ist Gründungsmitglied von Netzwerk Recherche. Er schreibt am liebsten Porträts und Reportagen oder macht investigative Stücke.