
Ist angeblich seit hundert Jahren nicht mehr zu retten und wird jetzt abgerissen: Das Schlatterhaus.
Heddesheim, 05. MĂ€rz 2012. Das alte Pfarrhaus, besser gekannt als Schlatterhaus, wird abgerissen. Nicht ohne deutliche Protestnote des Gemeinderats Kurt Klemm, der dem BĂŒrgermeister vorgeworfen hat, er habe das Haus verloddern lassen.
Von Hardy Prothmann
Es ist eines der Ă€ltesten GebĂ€ude Heddesheims und eines der geschichtstrĂ€chtigsten, das Schlatter-Haus in der OberdorfstraĂe 3. Ab 1832 wirkte der gebĂŒrtige Weinheimer Georg Friedrich Schlatter in Heddesheim, wo er auch Schulvisitator und Verwalter des Dekanats war.
Er gilt als einer der Vorreiter der Badischen Revolution, beseelt durch Liberalismus und war ein bedeutender Kritiker der ZustĂ€nde in Staat und Kirche. Seine kritische Haltung brachte ihm als „LandesverrĂ€ter“ zehn Jahre Zuchthaus ein, auĂerdem wurde er aus dem Kirchendienst entlassen.
Zuchthaus fĂŒr den RevolutionĂ€r
Der Vater, seine Frau und seine 17 Kinder bĂŒĂten die kritische Haltung mit groĂer Not.
Schlatter setzte sich neben der Kritik an Staat und Kirche fĂŒr die Gleichberechtigung der Juden ein und war ein entschiedener Gegner der Todesstrafe. AuĂerdem kritisierte er aus eigener Erfahrung die Haftbedingungen in den damaligen GefĂ€ngnissen. Ein moderner, kritischer Geist, den man sich heute in der evangelischen Kirche in Heddesheim auch wĂŒnschen wĂŒrde.
Angeblich ist das GebĂ€ude nach Aussagen von BĂŒrgermeister Michael Kessler bereits seit einhundert Jahren nicht zu retten. Stellt sich die Frage, warum es dann nicht lĂ€ngst abgerissen worden ist. Seit 2003 gehört es der Gemeinde. Auf die Frage von Gemeinderat Kurt Klemm, was die Gemeinde zum Erhalt des GebĂ€udes getan habe, entgegnete Kessler nur, dass man nichts habe tun können.
Verloddern vs. verludern
Klemm unterstellte, dass es dazu auch keinen Willen gegeben habe, sondern bewusst keine fehlenden Ziegel ersetzt worden seien und offene Fenster dem GebÀude noch mehr zugesetzt hÀtten:
„Man hat das GebĂ€ude verloddern lassen.“
BM Kessler entgegnete, wie ĂŒblich sehr ungehalten:
„Das ist eine Unterstellung, wenn Sie sagen, wir hĂ€tten das GebĂ€ude verludern lassen.“
Verloddern oder verludern – fest steht, dass es keinerlei Ambitionen gegeben hat, das alte Haus, an dem eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Heddesheimer Geschichte gewirkt hat, doch erhalten zu können. Noch nicht einmal die Fassade als „gutem Anschein“.
Mit drei Enthaltungen und einer Gegenstimme der GrĂŒnen stimmte der Rest des Gemeinderats fĂŒr den Abriss.
Symbolischer Abriss?
Man kann das auch symbolisch sehen – das Kulturdenkmal eines kritischen Geistes wird durch die BefĂŒrworter des Abrisses fĂŒr immer getilgt. Das wird viele nicht verwundern.

Wird ebenfalls abgerissen - WeidigstraĂe 1.
Immerhin bleibt es als fotografische und zeichnische Dokumentation der Nachwelt erhalten – das erledigt allerdings das Denkmalamt.
Den Abriss erledigt das Heddesheimer Unternehmen Grimmig GmbH fĂŒr gut 21.000 Euro. Zum selben Tagesordnungspunkt wurde auch der Abriss des GebĂ€udes WeidigstraĂe 1 fĂŒr knapp 14.000 Euro beschlossen.
Die Gemeinde plant einen FlĂ€chentausch, danach geht das GrundstĂŒck des Schlatterhauses zurĂŒck an die Evangelische Kirchengemeinde, die dort ein neues Gemeindehaus errichten möchte. Man darf gespannt sein, welche Anstrengungen unternommen werden, fĂŒr das Andenken an den RevolutionĂ€r Schlatter unternommen werden. Denn RevolutionĂ€re und freie Geister haben es in Heddesheim bekanntlich nicht ganz einfach.
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