Heddesheim/Rhein-Neckar, 05. November 2014. (red/ms) In der Gartenstraße stehen seit etwa zwei Wochen seltsame Container. Die Gemeinde kann angeblich keine Auskunft geben, was dort geschieht und wer dahinter steckt. Das Kreisamt hat verfügt, dass die Container bis zum 12. November verschwinden müssen. Laut dem Heddesheimer Bauamtsleiter Jürgen Beck wären die Container „einfach so ohne Vorwarnung“ aufgestellt worden. Wir haben mit dem Betreiber gesprochen – und der behauptet etwas ganz anderes.Â
Von Minh Schredle
In der Gartenstraße, mitten im Wohngebiet wurden Container aufgestellt, die militärtypische Musterungen aufweisen. Das Gelände ist umzäunt und wird permanent von Kameras überwacht.
Nach Auskunft von Jürgen Beck, dem Bauamtsleiter Heddesheims, wisse die Gemeinde nicht, was dort vor sich geht und wer dafür verantwortlich ist. Eine Genehmigung dafür habe es jedenfalls nicht gegeben. Es läge in der Zuständigkeit des Kreisamtes, den Sachverhalt zu überprüfen.
Wilde Spekulationen
Die vagen Informationen sind Anlass für wilde Spekulationen und eine überkochende Gerüchteküche: Was soll hier verschwiegen werden? Warum ist die Anlage videoüberwacht? Wozu die ganze Technik, die wirkt, als sei sie einem Science Fiction Film entsprungen? Handelt es sich um eine Abhöranlage? Ist das Militär involviert? Oder ist gar den Erstkontakt mit Außerirdischen das Ziel?
Die einfache Wahrheit ist wenig spektakulär: In den Containern wird Forschung betrieben und zwar radio-astronomische. Dabei werden Strahlungen, die etliche Lichtjahre entfernt sind, aufgezeichnet und durch Computerprogramme sichtbar gemacht.
Container sollen entfernt werden
Der Kreisbaumeister Wolfgang Serr war am 29. Oktober vor Ort, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Am 31. Oktober wurde ein weiterer Container aufgestellt, mittlerweile sind es insgesamt vier, die auf dem Grundstück stehen. Das Kreisamt hat den Mieter in einem Schreiben dazu aufgefordert, die Container bis zum 12. November zu entfernen.
Um wen es sich bei dem Mieter handle, könne man uns aus Datenschutzgründen nicht sagen. Man teilte uns allerdings mit, dass es ein Privatdozent im Forschungsgebiet der Radioastronomie mit Wohnsitz in Schriesheim sei – mit diesem Wissen und Google dauerte es keine fünf Minuten, bis die Person ermittelt wurde: Peter Wright, der Vorsitzende des European Radio Astronomic Clubs.
Ganz andere Darstellung
Seine Darstellung wirft ein vollkommen anderes Licht auf den Vorfall: Er wolle die Anlage einrichten, um seine Studenten früh und praxisnah an Forschung heranzuführen. Mehrere Monate habe er in verschiedenen Gemeinden nach einem Standort gesucht, bis er über eine Privatanzeige in Heddesheim gelandet sei.
Im Juni habe er eine Anfrage bei der Gemeinde eingereicht, durch die geklärt werden sollte, ob es Einwände gegen sein Vorhaben gebe, auf dem Grundstück Container aufzustellen. Nachdem er Monate lang auf eine Antwort gewartet habe, die er nicht bekam, sei er davon ausgegangen, dass keine Einwände vorhanden wäre.
Anfrage muss „präzise genug“ sein
Laut Herrn Beck habe es so eine Anfrage nicht gegeben. Jedenfalls nicht eine, die „präzise genug“ gewesen wäre:
Täglich gehen etliche Dokumente bei uns ein. Zu allgemeine Anfragen werden nicht beantwortet.
Ein Archiv für Anfragen gibt es laut Herrn Beck nicht. Wenn etwas vor mehreren Monaten bei der Gemeinde eingegangen ist und nicht behandelt wurde, gibt es anscheinend keine Möglichkeit, das zu überprüfen. Er sagt allerdings, dass er „mit Sicherheit von einer konkreten Bauanfrage wüsste“.
Wer sagt die Wahrheit?
Herr Wright sagt, er habe seine Anliegen präzise formuliert und persönlich im Rathaus abgegeben. Laut Herrn Beck ist das „vielleicht nur eine Behauptung“. Herr Wright kündigte an, unserer Redaktion eine Kopie des Schreibens zukommen zu lassen – bislang ist das allerdings nicht geschehen.
Wenn Herr Wright die Wahrheit sagt und seine Absichten präzise in einem Antrag formuliert im Rathaus eingegangen sind, hat die Gemeinde Heddesheim einen Rechtsverstoß begonnen: Laut §54 der Landesbauordnung hat eine Baurechtsbehörde „hat innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Eingang den Bauantrag und die Bauvorlagen auf Vollständigkeit zu überprüfen. Sind sie unvollständig oder weisen sie sonstige erhebliche Mängel auf, hat die Baurechtsbehörde dem Bauherrn unverzüglich mitzuteilen, welche Ergänzungen erforderlich sind und daß ohne Behebung der Mängel innerhalb der dem Bauherrn gesetzten, angemessenen Frist der Bauantrag zurückgewiesen werden kann“.
Weiterhin ist dort festgelegt, dass die Behörde, sobald die Unterlagen vollständig sind, unverzüglich den Bauherrn darüber zu informieren hat, wann die Unterlagen eingegangen sind und wann eine Entscheidung getroffen wird. Die Frist für eine Stellungnahme darf höchstens einen Monat betragen – und in diesem Fall wäre sie sehr einfach gewesen: Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, dessen Festsetzungen klar untersagen, im betroffenen Bereich Container aufzustellen. Somit ist das Vorhaben als unzulässig zu beurteilen.
Wie soll es weiter gehen?
Doch eine solche Stellungnahme hat es nie gegeben. Herr Wright sagt, er habe überhaupt keine Antwort bekommen. Er wirft den Behörden ein „kapitales Versagen“ vor, das ihn ruinieren könnte. Eigentlich gibt es aber keinen ersichtlichen Grund, warum die Gemeinde Heddesheim sein Schreiben hätte unterschlagen sollen, denn der Sachverhalt ist eindeutig.
Herr Wright gibt an, seine Forschungen selbst zu finanzieren. Das Aufstellen der Container habe ihn mehr als 6.000 Euro gekostet. Für das Entfernen seien ähnlich hohe Kosten zu erwarten. Er will den Auflagen des Kreisamtes, die Container bis zum 12. November zu entfernen, nicht einfach nachkommen. Stattdessen hofft er „irgendeine Lösung zu finden“.
Ob das gelingt, ist fraglich. Denn dass die Container an gleicher Stelle stehen bleiben dürfen, ist wohl auszuschließen. Werden sie nicht innerhalb der Frist entfernt, wird der Fall vor Gericht behandelt. Bis zum Urteil könnten dann mehrere Monate vergehen.
Herr Wright hatte schon mal Ärger mit den Behörden
Herr Wright hatte schon mehrfach Ärger mit den Behörden. Einem Bericht des Mannheimer Morgens zufolge hat er damals eine Radio-Sternwarte in Feudenheim betrieben und verwildern lassen. Die Stadt soll ihn aufgefordert haben, das Grundstück zu säubern und von Unkraut zu befreien.
Herr Wright beantwortet eine Anfrage des Rheinneckarblogs, warum er den Posten in Feudenheim aufgegeben habe, damit, dass er „dafür keine Zukunft mehr gesehen habe, nachdem Einbrecher ihm wertvolle Technik gestohlen hatten“. Daher auch die Videoüberwachung seiner aktuellen Anlage.
Anmerkung der Redaktion: Sollte das Schreiben von Herrn Wright noch bei uns eintreffen und sich daraus neue Informationen ergeben, wird der Artikel aktualisiert.
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